Unschätzbarer Vorteil der langjährigen Liederabendserie an der Oper Frankfurt ist die Möglichkeit, viele unterschiedliche Sänger:innen kennenzulernen. Dabei ist besonders der breite Mix beachtenswert und die stets hohe Qualität der sängerischen Darbietungen. Ensemblemitglieder treten hier auf (wie zuletzt Andreas Bauer Kanabas), weltweit gefeierte Sängergrößen (wie u. a. Jamie Barton, Piotr Beczała oder Marc Padmore. Eine in den großen Opernhäusern dieser Welt gefeierte Sängerin ist die italienische Sopranistin Maria Agresta. Vor allem mit großen Verdi-Partien und der Darstellung der großen Frauenfiguren von Puccini sorgte sie für Aufsehen. In Frankfurt/M war stellte sie sich erstmals im Februar 2016 vor. Damals war sie bei zwei konzertanten Aufführungen als Leonora in Verdis frühen Werk Oberto, conte di San Bonofacio im Opernhaus zu erleben. Nun kehrte sie für einen Liederabend zurück.
Arien und Lieder
Im ersten Programmteil präsentierte Maria Agresta in einem elegant und attraktiv wirkenden, armfreien schwarzen Kleid anspruchsvolle Arien aus dem Opernrepertoire. Nach der Pause, nunmehr in einem ebenso elegant und pfiffig wirkenden schulterfreien grünen Kleid (das italienische Faible für geschmackvolle Mode ist immer wieder wohltuend), herausfordernde italienische Lieder. Sie begeisterte das Publikum mit ihrer großen und warmen Sopran-Stimme, die für Gänsehaut sorgend strahlend aufblüht, um dann im nächsten Augenblick in zarten lyrischen Tönen das Herz zu berühren.
In seinem Vorwort im Opernmagazin (März/April 2023) dankt Intendant Bernd Loebe dem Publikum für seine andächtige Stille während einer kürzlichen Manon Lescaut-Aufführung. Beim Liederabend von Maria Agresta konnte das Publikum die Begeisterung und den Dank für die dargebotene Leistung nicht zurückhalten. Nach jeder Arie, nach jedem Lied erhielten Maria Agresta und Ihr Begleiter Vincenzo Scalera lautstarke Beifallsbekundungen.
Eröffnet wurde der Abend mit der Auftrittsarie der für die Kunst lebende Adriana aus Francesco Cileas Oper Adriana Lecouvreur: “Io son l’umile ancella“. Schon hier zeigte Agresta mit den einleitenden bzw. zusätzlich gesprochenen Worten ihr Talent, das Publikum in ihren Bann zu ziehen und die zur Arie gehörende Szene vor den Augen der Zuschauer:innen groß aufleben zu lassen.
Ihr Weltklasseformat unterstrich sie auch bei den folgenden Arien, wie bei der Arie der Sklavin Liu kurz vor ihrem Selbstmord aus Puccinis Turandot („Tu che di gel sei cinta“) oder bei der Bravourarie der Tosca („Vissi d`arte, vissi“). Die trübsinnige Nachtszene der Desdemona kurz vor ihrer Ermordung aus dem 4. Akt von Verdis Otello (mit überleitendem Ave Maria) bildete ob der innigen, wunderbar lyrischen Darbietung den Höhepunkt im ersten Programmteil. Dieser endete liebesberauscht mit der Cavatine der Hofdame Leonora aus Verdis Il trovatore.
Im Programmteil nach der Pause folgte ein bunter Strauß Lieder von überwiegend italienischen Komponisten (Verdi, Tosti, Puccini, Tirindelli und Gastaldon). Als einziges nicht italienisches Lied präsentierte Maria Agresta Francis Poulencs populären Song „Les Chemins de l´amour“.
Wobei diese Lieder nicht mit den deutschen Kunstliedern zu vergleichen sind. Gerade in der Interpretation von Agresta erklangen sie mit starken ariosen Bezügen, vielfach als wunderbare kleine Miniaturdramen. Beeindruckend auch hier wieder, wie gut sie Bögen spannen und Töne halten kann (wie beim Puccinis Wiegenlied „Sogno d’or“). Mit Stanislao Gastaldons wohl berühmtestem Lied, „Musica proibita“ wurde der Abend beendet.
Am lediglich zu einem Viertel geöffneten Flügel gab Pianisten Vincenzo Scalera in Frack und Fliege einen vorbildlichen Grandseigneur. Er war eine zuverlässige und ideale Stütze für Maria Agresta.
Der kräftige und lang anhaltende Schlussapplaus verwunderte nicht. Agresta und Scalera bedankten sich hierfür mit drei Zugaben.
Markus Gründig, März 23
Die Zugaben:
- „’A vucchella“, neapolitanisches Lied von Francesco Paolo Tosti
- Zweite Arie der Mimì („Donde lieta uscì“) aus Giacomo Puccinis Oper La Bohéme
- „I’ te vurria vasà“, neapolitanisches Lied von Eduardo Di Capua (dem Komponisten von „O sole mio“)