Gelungenes Heimspiel: Liederabend von Andreas Bauer Kanabas an der Oper Frankfurt

Liederabend Andreas Bauer Kanabas (Bass) und Daniel Heide (Klavier), Oper Frankfurt (21. Februar 23) ~ Daniel Heide, Andreas Bauer Kanabas ~ Foto: Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Seit 10 Jahren ist der Bass Andreas Bauer Kanabas Ensemblemitglied der Oper Frankfurt und beeindruckte hier bereits u. a. in zahlreichen Wagnerpartien. Wie zuletzt bei seinem Debüt als Pogner in Die Meistersinger von Nürnberg. Daneben gastierte er national und international an der Wiener Staatsoper, am Royal Opera House London und der Mailänder Scala.
Bevor er im Mai/Juni bei der Wiederaufnahme von Mozarts Don Giovanni (als Komtur) und im Juli bei Stephans Die ersten Menschen (als Adahm) im Frankfurter Opernhaus zu erleben sein wird, gibt er ab 5. März an der Irish National Opera in Dublin sein Debüt in der Partie des Baron Ochs auf Lerchenau (an der Seite von Celine Byrne als Marschallin und Paula Murrihy als Octavian) im Rosenkavalier.

Krisen können durchaus positive Seiten haben. So nutzte Andreas Bauer Kanabas in den vergangenen beiden Jahren die Zwangspausen während der Corona-Pandemie, um sich intensiver mit dem Kunstlied auseinanderzusetzen. Hierbei widmete er sich, gemeinsam mit dem Pianisten Daniel Heide, insbesondere Schuberts Liedzyklus „Schwanengesang“. Diesen stellte er jetzt im Opernhaus der Oper Frankfurt vor. Nahezu zeitgleich erschien eine Aufnahme davon beim Label Cavi-Music (Deutsche Grammophon/Universal Music Group). Diese ist seit letzten Freitag im Handel erhältlich (physisch als CD oder als Download, Details siehe unten).

Obwohl viele namhafte Sänger den „Schwanengesang“ bereits aufgenommen haben (u. a. Daniel Behle, Ian Bostridge, Christian Gerhaher, Mark Padmore, Thomas Quasthoff, Andrè Schuen und Bryn Terfel ), wird er bei Liederabenden selten gegeben. Umso besonders war diese Gelegenheit schon rein formal. Trotz Fastnachtsdienstag und einem Viertelfinalspiel der Eintracht Frankfurt in der Champions League, war das Opernhaus zu diesem Liederabend gut gefüllt.

Der Zyklus entstand erst nach Schuberts frühem Tod (mit 31 Jahren), initiiert durch seinen Verleger Tobias Haslinger. Er fasste darin Schuberts letzte Lieder nach Texten von Ludwig Rellstab und Heinrich Heine zusammen (sie sind alle in Schuberts Todesjahr 1828 entstanden). Anders als die Zyklen „Die schöne Müllerin“ und „Die Winterreise“ hat „Schwanengesang“ keinen roten Faden. Die Lieder sind vielmehr sehr unterschiedlich. Gemein ist ihnen ihr typisch romantischer Charakter hinsichtlich unerfüllter Liebe und Todesnähe. Andreas Bauer Kanabas präsentierte den Zyklus, indem er zusätzlich vier Lieder zwischen den Rellstab/Heine-Vertonungen quasi als Überleitung einfügte.

Liederabend Andreas Bauer Kanabas (Bass) und Daniel Heide (Klavier)
Oper Frankfurt (21. Februar 23)
Daniel Heide, Andreas Bauer Kanabas
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Auf ein Mitlesen der Texte im Programmheft konnte man an diesem Abend getrost verzichten, es war schlichtweg überflüssig. Selten hat ein Sänger so verständlich artikuliert wie Kanabas. Dazu bestach er, ebenso wie kaum ein anderer, mit seinem ausdrucksstarken und intensiven Vortrag der Lieder. Auf jegliche opernhafte Gestaltung verzichtete er. So zeigte der Abend zugleich die hohe Schule des Liedvortrags. Kanabas kann mit vielen verschiedenen Farbnuancen und Timbren aufwarten. Lieder werden von ihm zudem nicht nur gesungen, sie werden gelebt.

So wie beim zweiten Lied „Kriegers Ahnung“, wo er seinen großen Stimmumfang eindrucksvoll darbot (von anfänglichen kraftvollen Tiefen bis hin zu zarten Pianotönen). Angenehm sanft präsentierte er das melodisch reiche und sehnsuchtsvolle „Ständchen“. Lebendig gestaltet er „In der Ferne“. Das beschwingte Reiselied „Abschied“ beendete den ersten Programmteil.

Nach der Pause folgten zunächst vier andere Lieder Schuberts, die mit ihrem melancholischen Gehalt jedoch bereits auf die Todesnähe der sechs Lieder nach Texten von Heinrich Heine verwiesen. Bei „Totengräbers Heimwehe“ wurde dem Tod gewissermaßen der Stachel genommen. Derart lieblich vom Leben verabschiedet zu werden stiftet Mut und Trost. Ein außergewöhnlicher Vortrag. Als Kontrast darauf folgte, die Angst gleichsam ins Gesicht geschrieben, „Der Tod und das Mädchen“.

Bei den Liedern nach Texten von Heinrich Heine ragten zwei ganz besonders heraus. Bei „Der Doppelgänger“ war das Grauen und die Qual förmlich zu spüren. Getoppt vom technisch anspruchsvollen „Der Atlas“, der „die ganze Welt der Schmerzen trägt“.

Andreas Bauer Kanabas und Daniel Heide kennen sich seit der Studienzeit in Weimar. Damals war Kanabas, wie Heide dem Publikum berichtete, ein begnadeter Mittelfeldspieler beim Fußball. Heide ist mit dem „Schwanengesang“-Zyklus sehr gut vertraut. Nicht nur hat er Kanabas bereits zwölfmal damit begleitet, er hat auch mit dem Bariton Peter Schoene diesen Zyklus aufgenommen. Er begleitete nicht nur, sondern gestaltete die Lieder ebenso intensiv wie Kanabas. Seine hohe Fingerfertigkeit zeigte er nicht zuletzt bei „Die Stadt“.

Am Ende viel Applaus für beide für dieses großartige Heimspiel. Auch wenn Kanabas richtig vermutete, dass das Publikum sehr gerne Wotans Abschied aus Wagners Walküre gehört hätte, entschieden sie sich für die beiden Zugaben auf bekannte Lieder von Schubert. Beim „Erlkönig“ zeigten beide noch einmal ihre hohe Kunstfertigkeiten in der Liedinterpretation.

Markus Gründig, Februar 23


Die Zugaben:
Franz Schubert (1797-1828), zwei Lieder nach Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe: „Erlkönig“ und „Wandrers Nachtlied“ („Der du von dem Himmel bist“)


CD Andreas Bauer Kanabas und Daniel Heide: Franz Schubert: Schwanengesang

© Cavi Music

Liedliste:

  • 01 Der Wanderer D 489 (1816) Text: Georg Philipp Schmidt (05:15)
  • 02 Totengräbers Heimweh D 842 (1825) Text: Jacob Nicolaus Craigher de Jachelutta (06:51)
  • 03 Der Tod und das Mädchen D 531 (1817) Text:Matthias Claudius (02:56)
  • 04 Wehmut D 772 (1822) Text: Matthias von Collin (03:04)

Liedsammlung „Schwanengesang“ D 957 (August 1828)

Sieben Lieder nach Texten von Ludwig Rellstab

  • 05 Liebesbotschaft (02:46)
  • 06 Kriegers Ahnung (04:58)
  • 07 Frühlingssehnsucht (03:35)
  • 08 Ständchen (04:20)
  • 09 Aufenthalt (03:18)
  • 10 In der Ferne (05:50)
  • 11 Abschied (04:45)

Sechs Lieder nach Texten von Heinrich Heine

  • 12 Das Fischermädchen (02:17)
  • 13 Am Meer (04:41)
  • 14 Die Stadt (02:50)
  • 15 Der Doppelgänger (04:17)
  • 16 Ihr Bild (03:01)
  • 17 Der Atlas (02:28)

sowie:

  • 18 Die Taubenpost D 965 A Text: Johann Gabriel Seidl (03:45)

Gesamtspielzeit: 71:07
Booklet in Deutsch und Englisch (mit den deutschen Liedtexten)
Cavi # 8553516

kanabas.de / danielheide.net