Miles Davis war der wohl vielseitigste, einflussreichste und faszinierendste Musiker des 20. Jahrhunderts. Zu seinem 100. Geburtstag am 26. Mai 2026 blickt die Elbphilharmonie in fünf Konzerten auf die unterschiedlichen Stationen seiner Karriere.
Unter dem Motto MILES 100 interpretieren internationale Jazzstars sein Schaffen auf ihre ganz eigene Weise. Mit Ambrose Akinmusire widmet sich der Star-Trompeter der jüngeren Generation der Cool-Jazz-Ära, Schlagzeuger Bobby Previte erweckt mit seinem »Bitches Brew«-Projekt den funkigen Fusion-Sound der 1970er-Jahre zum Leben, die NDR Bigband interpretiert das orchestral besetzte Album »Sketches of Spain« und als besonderes Highlight feiert der Saxofonist Ravi Coltrane – Sohn von John Coltrane – den Geburtstag seines Vaters gemeinsam mit Terence Blanchard gleich mit.
Bass-Ikone Marcus Miller, der wichtigste musikalische Partner in Miles Davis’ Spätphase, zelebriert mit Mitstreitern wie Mike Stern, Bill Evans und Mino Cinelu Alben von »We Want Miles« bis »Tutu« und »Amandla«. Tickets sind ab dem 18. November, 11 Uhr auf elbphilharmonie.de erhältlich.
Mit seinem lässigen Trompetenklang und einem unbändigen Innovationsdrang revolutionierte »Mr. Cool« Miles Davis den Jazz gleich mehrfach, kombinierte ihn mit Klassik, Rock, Funk oder Pop und prägte so den Sound ganzer Dekaden. Als Bandleader hatte er einen fast schon gespenstischen Riecher für Talent und förderte zahllose spätere Jazzlegenden wie John Coltrane, Wayne Shorter, Bill Evans, Herbie Hancock, Chick Corea, Tony Williams, Joe Zawinul oder Keith Jarrett.
Gemeinsam mit dem Brussels Jazz Orchestra zeigt Ambrose Akinmusire, der 2025 von der Zeitschrift Downbeat zum Trompeter des Jahres gekürt wurde, »A New Perspective on Miles« (3.5.). Das Projekt sei »der beste Beweis dafür, dass Miles’ künstlerische Einstellung auch heute noch relevant ist und fortlaufend neue Generationen inspiriert«, so Akinmusire.
Mit einer explosiven Mischung aus Jazz und Rock, aus treibenden Rhythmen, verzerrten Gitarrenklängen und Klangeffekten gab »Bitches Brew« den entscheidenden Impuls für den Fusion-Hype der 1970er Jahre. Diese hochenergetische Mixtur bringt der Jazz-Drummer Bobby Previte (5.5.) in einer ganz eigenen Version auf die Bühne des Großen Saals – unterstützt auch von Musiker:innen aus Hamburg.
Die NDR Bigband (6.5.) erinnert mit »Sketches Of Spain« an einen orchestralen Meilenstein der Jazzgeschichte. Für das Konzert stellen sich die Musiker die Original-Arrangements von Bigband-Legende Gil Evans auf ihre Notenpulte und führen im Anschluss mit dem Kontrabassisten Pablo Martín Caminero den Dialog von Jazz und Flamenco fort.
Der gefeierte Jazz-Saxofonist Ravi Coltrane (30.6.) schlägt zusammen mit dem führenden US-Trompeter und Miles-Enthusiasten Terence Blanchard die Brücke zwischen den genialen Masterminds John Coltrane und Miles Davis und dem Jazz unserer Zeit. Für den Abschluss des Miles-Davis-Schwerpunkts versammelt Davis’ Weggefährte Marcus Miller hochklassige Mitstreiter wie Mike Stern, Bill Evans und Mino Cinelu, um in der Hamburger Elbphilharmonie das Spätwerk zu feiern.
Statt sein Studium an der renommierten New Yorker Juilliard School zu beenden, ging Miles Davis Mitte der 1940er-Jahre lieber in Jazzclubs und prägte dort an der Seite seiner Vorbilder Charlie Parker und Dizzy Gillespie bald die Entwicklung des Bebop. 1949/50 setzte er mit den Aufnahmen zu »Birth of the Cool« einen Kontrapunkt: der Beginn des Cool Jazz.
Stilprägend war auch die Zusammenarbeit mit dem kongenialen Arrangeur Gil Evans, der für Erfolgsalben wie »Porgy and Bess« und »Sketches of Spain« ganze Orchester zusammenstellte – ein Novum in der Jazzgeschichte. Das »erste großes Quintett«, das sich in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre um ihn und John Coltrane am Saxofon bildete, war eine essenzielle Hard-Bop-Formation, die bis heute das Bild von modernem Jazz entscheidend prägt.
Für den Modal Jazz orientierte Miles Davis sich an alten Kirchentonarten und außereuropäischen Skalen und traf mit diesen ungewohnten Klängen den Nerv der Zeit: Das Album »Kind of Blue« (1959) avancierte zum bis heute kommerziell erfolgreichsten und wohl auch einflussreichsten Jazzalbum aller Zeiten.
Mit dem »zweiten großen Quintett« fand er in den experimentierfreudigen 1960er-Jahren für viele Jazzfans den ultimativen Sweetspot zwischen Freiheit und Struktur. Mit Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams als hochelastische Rhythmusgruppe und Wayne Shorter am Saxofon bereicherte er die Jazzgeschichte um wegweisende Aufnahmen wie »E.S.P.«, »Miles Smiles« und »Nefertiti«.
Inspiriert von Rock, Soul und der Energie des Woodstock-Zeitalters schuf er mit »Bitches Brew« 1970 den Grundstein für die Jazzrock-Fusion. Diese stilistische Explosion beeinflusste Musiker weltweit – viele seiner damaligen Mitspieler gründeten bald legendäre Bands wie Weather Report, Mahavishnu Orchestra oder Return to Forever.
Miles Davis’ Musik wurde immer intensiver, dunkler und freier, bis er nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch 1975 für einige Jahre von der Bildfläche verschwand. Anfang der 1980er-Jahre läutete schließlich das Live-Album »We Want Miles« die Spätphase seiner Karriere ein, in der er sich der aktuellen Popmusik annäherte.
Sein Gespür für den Sound der Gegenwart erhielt er sich bis zum Ende seines Lebens: Früh erkannte er die Bedeutung eines jungen Funk-Innovators namens Prince, die Dienste des jungen Hip-Hop-Produzenten Easy Mo Bee sicherte er sich noch bevor Genregrößen wie Tupac Shakur und The Notorious B.I.G. auf dessen Beats rappten.
Als Stilikone hat Miles Davis seinen Fußabdruck auch in der Mode- und Plattencovergeschichte des vergangenen Jahrhunderts hinterlassen: vom smarten »Black Ivy«-Stil der frühen Jahre bis zu den futuristischen Looks japanischer Designer der 1980er-Jahre – Miles war immer am Zahn der Zeit und die Zeit orientierte sich an Miles.
Die Konzerte im Überblick:
So, 3. Mai 2026, 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
AMBROSE AKINMUSIRE & BRUSSELS JAZZ ORCHESTRA
Di, 5. Mai 2026, 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
BOBBY PREVITE REIMAGINES »BITCHES BREW«
Mi, 6. Mai 2026, 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
NDR BIGBAND »TWO SKETCHES OF SPAIN«
Di, 30. Juni 2026, 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
TERENCE BLANCHARD & RAVI COLTRANE
Do, 9. Juli 2026, 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
MARCUS MILLER SALUTES MILES DAVIS
