Erstes TheaterEnergieForum im Staatstheater Kassel

Staatstheater Kassel (Opernhaus) ~ Foto: Nils Klinger

Kultureinrichtungen bündeln Kräfte für mehr Energieeffizienz

Am 9. Dezember, fand im Staatstheater Kassel Deutschlands erstes TheaterEnergieForum statt. Angesichts steigender gesetzlicher Anforderungen und der Notwendigkeit zur Umstellung auf einen klimafreundlichen Kulturbetrieb versammelte die technisch-praxisorientierte Plattform rund 60 Teilnehmende, darunter Techniker:innen, Ingenieur:innen, Energie-Expert:innen und Entscheidungsträger:innen aus der gesamten Theater- und Kulturlandschaft von Hamburg bis München.

Wie zuletzt die Deutsche Theatertechnische Gesellschaft (DTHG) in ihrer Energie-Studie zeigte, liegen die meist veralteten Liegenschaften der Kultureinrichtungen oft auf einem ungenutzten energetischen Schatz, dessen Hebung jedoch komplex ist. Hinzu kommen verschärfte gesetzliche Fristen: Viele Theater müssen bis Juni 2026 ein umfassendes Energiemanagementsystem (EMS) nach DIN ISO 50001 erstellen und pflegen. Das Energieeffizienzgesetz des Bundes schreibt zudem jährliche Energieeinsparungen von 2 % vor, während beispielsweise die Hessische Landesverwaltung bis 2030 klimafreundlich arbeiten will.

TheaterEnergieForum im Staatstheater Kassel
Tino Ressel, Julian Firges, Klaus Varjen, Hans-Günter Göddemeyer

© Sene Hamdi

Bisher kämpften die Kulturinstitutionen bei der Umsetzung dieser anspruchsvollen Ziele meist allein. Das TheaterEnergieForum soll nun als Plattform dienen, um die Anstrengungen zur Energieeffizienz und Ressourcenschonung synergetisch zu bündeln.

Bereits 2022 gründete sich aus einer Initiative aus dem Orchester heraus ein Klimarat am Staatstheater Kassel, der sich seitdem maßgeblich mit Nachhaltigkeitsthemen am Haus beschäftigt. In enger Zusammenarbeit mit der Theaterleitung und der Universität Kassel konnten so beispielsweise das ÖPNV-Kombiticket eingeführt und die Stabsstelle für einen Energieeffizienz-Ingenieur geschaffen werden, ein Novum für ein öffentliches Theater und zugleich ein starkes Zeichen für die fortschrittliche Entwicklung.

TheaterEnergieForum im Staatstheater Kassel
Julian Firges, Helmut Simon

© Yasmin Hahn

Seit April 2024 ist Julian Firges dieser Energieeffizienz-Ingenieur. Sein Auftrag: den Energieverbrauch des Staatstheaters zu analysieren, Einsparpotenziale zu definieren und Maßnahmen umzusetzen. Mit beeindruckendem Erfolg: Bereits nach einem Jahr hat sich seine Stelle durch die eingesparten Energiekosten amortisiert. Rund 100 Tonnen CO2​ weniger pro Jahr, ohne größere Investitionen: Das zeigt, dass sich gezielte Energieeffizienz-Arbeit auch für andere Häuser lohnen kann.

Nach der Begrüßung durch Staatstheater-Intendant Florian Lutz und der Eröffnung durch Julian Firges (Energieeffizienz-Ingenieur) und Helmut Simon (Klimarat) wurden in den Vormittagsvorträgen zentrale Konzepte wie das Intracting-Modell (Prof. Knissel), die neuesten Studienergebnisse zur Energiekosteneinsparung an Theatern (Rüdiger Külpmann, DTHG) und die Ökobilanzierung von Theater-Produktionen (Prof. Sakschewski) vorgestellt.

Als zentraler Programmpunkt folgte eine von Universitätsprofessor Klaus Vajen (Geschäftsführender Direktor, Institut für Thermische Energietechnik) moderierte Podiumsdiskussion unter Beteiligung von Hans-Günter Göddemeyer (HMdF) und weiteren Experten über Anreizsysteme für Energieeffizienz in staatlichen Gebäuden, an die sich vertiefende Workshops und eine abschließende Zusammenfassung der Tageserkenntnisse anschlossen.

TheaterEnergieForum im Staatstheater Kassel
Prof. Jens Knissel, Julian Firges

© Yasmin Hahn

In seinem Vortrag zeigte Julian Firges gemeinsam mit Helmut Simon vom Klimarat den Teilnehmenden anschaulich, welche Maßnahmen zur Amortisierung seiner Stelle beitrugen. So wurden unter anderem Energieanschlüsse neu berechnet und angepasst, der Betriebspunkt der hauseigenen Mittelspannungstransformatoren angepasst, Heizungspumpen ausgetauscht und bedarfsgerecht angesteuert, Klimasplitgeräte und Lüftungstechnik angepasst. Ab dem nächsten Jahr ist die Installation eines Messsystems sowie ein Ausbau der Gebäudeleittechnik geplant, um weitere Einsparpotenziale zu identifizieren, so Julian Firges.

Des Weiteren sei die Einführung des Intracting-Modells geplant, das von Prof. Dr. Jens Knissel (Universität Kassel, Fachbereich ASL) auch beim TheaterEnergieForum vorgestellt wurde. Das Intracting-Modell etabliert einen sich selbst finanzierenden Prozess zur kontinuierlichen Senkung des Energieverbrauchs und der CO2​-Emissionen, in dem eingesparte Energiekosten neue Energieeffizienzmaßnahmen finanzieren. Eine einmalige Anschubfinanzierung wird auf diese Weise kurzfristig amortisiert und ermöglicht langfristig in 15 Jahren eine 10- bis 20-fache Vervielfältigung der Anfangsinvestition.

Die Zweckbindung eingesparter Energiekosten für neue Energieeffizienzmaßnahmen und Ingenieursstellen stellt dabei erstmals einen wirkungsstarken Mechanismus dar, welcher die energetische Sanierung völlig veralteter Landesliegenschaften aus dem eigenen Theaterhaushalt erst ermöglicht. Denn Sie finanziert sich aus sich selbst und überkompensiert die Kosten. So, dass sich auch der Theaterhaushalt über Ausschüttungen freuen kann. Eine Win-Win-Win Situation für den Umweltschutz, die Belegschaft, die eine modernere Betriebsstätte erhält und das Theater, dass seine überbordenden Energiekosten in den Griff bekommt um damit Bundes- und Landesvorgaben zu erreichen“, erläutert Julian Firges.

Das Modell wurde an der Universität Kassel entwickelt, gefördert von der cdw Stiftung, und dort bereits erfolgreich eingeführt. Intracting soll 2026, neben dem Staatstheater Kassel, auch in weiteren Institutionen und Kommunen zur Anwendung kommen, so Prof. Jens Knissel.

Im Rahmen einer anschließenden Podiumsdiskussion zu Anreizsystemen für Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden, an der auch Hans-Günter Göddemeyer vom Hessischen Finanzministerium teilnahm, wurde intensiv über die Beseitigung von Hindernissen sowie die Bereitstellung von Anfangskapital für Intracting sowie die Etablierung vereinfachter Freigaben für Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare Energien mit schneller Amortisation diskutiert.

Das TheaterEnergieForum setzt damit einen wichtigen Impuls in der deutschen Kulturlandschaft und etabliert die erste regelmäßige Veranstaltung dieser Art, die den Fokus stark auf die technische Umsetzung und den Wissenstransfer legt. Ziel ist es, einen messbaren Rückgang des Energieverbrauchs und der Emissionen der teilnehmenden Theater und Kulturinstitutionen zu bewirken und damit auch wirtschaftliche Freiräume zu schaffen. Techniker:innen der Liegenschaften, die oft großes Potenzial, aber kaum Austauschpartner haben, finden in dem Forum den notwendigen inhaltlichen Partner.

staatstheater-kassel.de