
Die Nachwuchsförderschmiede der Oper Frankfurt, das Internationale Opernstudio, steht unter der Leitung von Intendant Bernd Loebe und Thomas Stollberger. Bernd Loebe ist bei fast allen Soireen des Opernstudios auch als Zuhörer anwesend. Bei der ersten Soiree des sich neu zusammengestellten Opernstudios der Spielzeit 2025/2026 gab es jetzt den seltenen Fall, dass er zu Beginn vor das Publikum trat.
Dabei betonte er, dass die außergewöhnliche Brillanz bei der letzten Soiree im April (Besprechung) eine Ausnahme gewesen sei, waren doch viele Stipendiaten schon lange dabei. Jetzt seien sechs der insgesamt acht Stipendiaten der Oper Frankfurt „neu zugelaufen“.
Alle haben bereits eine abgeschlossene Gesangsausbildung, nun bekommen sie hier „ihren letzten Schliff zum Abheben“. Auf die Sopranistinnen Alina Avagyan und Younji Yi wurde Bernd Loebe über den internationalen Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ aufmerksam. Sopranistin Daniela Zib kann zudem ein abgeschlossenes Medizinstudium aus Freiburg vorweisen und wird sich irgendwann zwischen Heil- und Gesangskunst entscheiden müssen.
Eine Entscheidung wurde bereits jetzt getroffen: Der neue Stipendiat Jonas Müller wird zur kommenden Spielzeit ins Ensemble wechseln. Er hatte zur Eröffnungspremiere von Mozarts Cosi fan tutte einen Senkrechtstart mit der Partie des Guglielmo hingelegt. Dies war, wie Bernd Lebe erläuterte, zunächst nicht geplant. Eigentlich sollte Taehan Kim die ersten Vorstellungen übernehmen. Doch im digitalen Zeitalter lagen wichtige Unterlagen in Berlin auf Behördenschreibtischen und so klappte es nicht rechtzeitig mit der Arbeitserlaubnis für Kim.
Als weitere gute Nachricht konnte Loebe verkünden, dass der māorische Bass Morgan-Andrew King in der nächsten Spielzeit ein Festengagement an der Opéra National de Paris antreten wird.
Armonie della sera
Die seit Langem ausverkaufte Herbstausgabe stand unter dem Motto „Armonie della sera“ (Abendharmonien). Dabei erklangen viele bekannte Opernarien. Alle Stipendiaten präsentierten sich bereits jetzt äußerst selbstsicher, so als hätten sie bisher nichts anderes getan. Das war in der Vergangenheit nicht immer so der Fall.
Den Abend eröffnete die südkoreanische Sopranistin Younji Yi leidenschaftlich mit Cleopatras Arie „Da tempeste il legnoe omfranto“ aus Händels Giulio Cesare in Egitto (die Oper wird vorläufig zum letzten Mal am 13.11.25 im Opernhaus gegeben). Hier, wie später auch bei Luigi Arditis Gesangswalzer „Il bacio“ (Der Kuss), führte Yi ihre Koloratur-Fertigkeiten und hohen Spitzentöne schön vor.
Für die US-amerikanische Sopranistin Julia Stuart ist es die zweite Spielzeit als Mitglied des Frankfurter Opernstudios (wie auch für Morgan-Andrew King). Mit etwas dunklerer Stimmfarbe im Vergleich zu Younji Yi führte sie mit viel Energie die Arie der Juliette „Je veux vivre“ aus Gounods Roméo er Juliette vor. Die überaus anspruchsvolle und umfangreiche Arie der Anna „Piangete voi? – Al dolce guidami“ aus Donizettis Anna Bolena gab sie als ein ergreifendes Porträt.
Die amerikanisch-slowakische Sopranistin Daniela Zib glänzte mit Susannas Arie „Giunse alfin il momento … Deh vieni non tardar“ aus Mozarts Le nozze di Figaro. Im Duett mit Jonas Müller zeigte sie sich herzallerliebst kokettierend mit „Crudel! Perché finora farmi languir cosi?“ (ebenfalls Le nozze). Später bezauberte sie noch mit Mimis Arie “Si, mi chiamano Mimì“ aus Puccinis La bohème. Bariton Jonas Müller stellte nach dem Duett die Arie „Hai già vinta la causa?“ des Grafen Almaviva vor (ebenfalls Le nozze), die man sich auch etwas exaltierter dargeboten vorstellen kann.
Aus Armenien stammt die junge Sopranistin Alina Avagyan. Sie trumpfte trotz kleiner Gestalt groß auf. Die beliebte Arie der Lauretta „O mio babbino caro“ aus Puccinis Gianni Schicchi gab sie hinreißend. Besonders beeindruckte sie mit ihrer einnehmenden Ausstrahlung und flexiblen Stimme mit einem A-cappella-Vortrag des armenischen Volkslieds „Oror“.
Laut Bernd Loebe ist die US-amerikanische Mezzosopranistin Ruby Dibble „vielleicht die perfekteste heute“. Sie bestach mit der bekannten Habanera „L’amour est un oiseau rebelle“ aus Bizets Carmen (die ab 13. Dezember wieder auf dem Spielplan steht). Beeindruckte dann aber vor allem mit der langen und als Miniaturdrama schön innig vorgetragenen Arie „O mio Fernando“ aus Donizettis La favorita.
Einen prächtigen Eindruck hinterließ Bass Morgan-Andrew King. Seine Stimme klingt inzwischen noch voller und abgerundeter (Arie des Fiesco „A te l’estremo addio…Il lacerato spirito“ aus Verdis Simon Boccanegra).
Auch Jihun Hongs flexible Tenorstimme macht Eindruck. Der aus Südkorea stammende Tenor präsentierte souverän die Arie des Nemorino aus Donizettis La favorita.
Bariton Jonas Müller beendete die „Abendharmonien“ feinsinnig mit Wolfram von Eschenbachs populärer Arie „O du mein holder Abendstern“ aus Wagners Tannhäuser. Kurzkommentar einer Sitznachbarin danach: „Süß“.
Das vielversprechende Oktett wurde von Felice Venanzoni und Angela Rutigliano am Klavier wieder geflissentlich begleitet.
Intensiver Beifall und eine gemeinschaftliche Zugabe.
Markus Gründig, November 25
Die zweite und letzte Soiree des Opernstudios in der Spielzeit 2025/2026 findet am Dienstag, den 21. April 26 im Holzfoyer statt (Vorverkaufsstart: 15. Februar 26).
