Sänger:innenfest bei Händels »Giulio Cesare in Egitto« an der Oper Frankfurt

Giulio Cesare in Egitto ~ Oper Frankfurt ~ Giulio Cesare (Lawrence Zazzo) ~ © Monika Rittershaus

Zunächst hat es lange gedauert, bis die Oper Frankfurt Händels Giulio Cesare in Egitto auf den Spielplan setzte. Nach zuletzt in 2012 (Musikalische Leitung: Erik Nielsen, Regie: Johannes Erath) erfolgte jetzt bereits dann die dritte Neuinszenierung.

Die im Jahr 1724 uraufgeführte Oper handelt von der Liebe des römischen Imperators Giulio Cesare (Giulio Cesare) zur ägyptischen Königin Kleopatra und den gewalttätigen Konflikten dahin.

Fesselnde und kurzweilige Umsetzung

Für die Neuinszenierung zeichnet die Regisseurin Nadja Loschky verantwortlich. Sie stellt sich mit dieser Produktion erstmals dem Frankfurter Publikum vor. Loschky ist keine Unbekannte. Am Staatstheater Mainz war in dieser Spielzeit ihre Inszenierung von Mieczysław Weinbergs Oper Die Passagierin zu sehen. Derzeit ist sie in Doppelspitze mit Michael Heicks Intendantin am Theater Bielefeld (einem Dreispartenhaus). Ab der Spielzeit 2025/26 wird sie dort alleinige Intendantin sein.

Giulio Cesare in Egitto
Oper Frankfurt
Cleopatra (Pretty Yende)
© Monika Rittershaus

Barockopern leben vom virtuosen Gesang. Sie handeln meist von Liebe, Kriegen und antiken Mythen und zeichnen sich durch eine Aneinanderreihung von Rezitativen und Arien aus. Dies ist auch bei Georg Friedrich Händels Giulio Cesare in Egitto nicht anders. Die Handlung der Oper ist mit der Figur der nach Rache strebenden Witwe Cornelia und ihrem Sohn Sixtus zwar erweitert. Letztlich passiert in den drei Akten mit einer Spiellänge von vier Stunden (inklusive zweier Pausen) allerdings relativ wenig. So ist es durchaus eine Herausforderung, sie für das Publikum szenisch interessant zu gestalten. Nadja Loschky ist dies hervorragend gelungen. Ihre zeitlose Umsetzung fesselt und ist kurzweilig. Von Langatmigkeit keine Spur. Dabei verzichtet sie auf übertriebenen Aktionismus oder Tempo.

Dass Gewalt in der Welt omnipräsent ist, verschweigt sie nicht, ganz im Gegenteil. Glücklicherweise zeigt sie das aber nicht so brachial wie Lydia Steier jüngst in Verdis Aida. Der Kopf des besiegten Pompeius wird nicht, wie eigentlich vorgesehen, als Gastgeschenk überreicht. Hier ist es der kopflose Körper Pompeius, den der Heerführer Achilla dem Giulio Cesare plakativ in einer Vitrine präsentiert. Später wird Tolomeo in einer Badewanne von Giulio Cesare und seinem Schergen Curio übel drangsaliert. Und auch Kleopatra ist hier keine Heilige.
Es überwiegen dezente und mehrheitlich fast schon poetische Bilder, sodass trotz Bewegung der Bühnenmaschinerie viele kleine Stillleben zu bestaunen sind.

Novum beim Bühnenbild

Zu dem außerordentlich guten Gelingen trägt auch das Bühnenbild von Etienne Pluss erheblich bei. Es bietet ein Novum. Zwar gab es schon öfters Bühnenbilder, die seitlich verschoben wurden (wie beispielsweise 2006 in Puccinis Il trittico). Doch ein scheinbar endloses gab es bisher noch nicht. Zehn unterschiedlich groß gestaltete Räume ziehen wie in einer Dauerschleife den Abend über vor den Augen vorbei und versinnbildlichen damit das Dahinfließen der Zeit, der Handlung. Sie sind unterschiedlich gestaltet, verwandeln sich und stehen mitunter still.

Giulio Cesare in Egitto
Oper Frankfurt
Sesto (Bianca Andrew), Cornelia (Cláudia Ribas)
© Monika Rittershaus

Hinter der sichtbaren Bühne befindet sich ein „Verschiebebahnhof“, hier werden die einzelnen Elemente abgekoppelt, umgesteckt und umgebaut. Bei jeder Aufführung wird eine Strecke von rund 500 Meter zurückgelegt (Details dazu erläutern Nadja Loschky und Bühnenmeister Martin Stoica n einem Video der Oper Frankfurt).

Die Requisiten nehmen Bezug zur Antike (wie mit Büsten), aber auch zur Gegenwart (wie mit einem Heizkörper oder einem Kühlschrank). Davor befindet sich ein Laufband, das beispielsweise für den Abtransport des toten Achillas Verwendung findet. Für optische Highlights sorgen auch die Kostüme in Schwarz und Weiß von Irina Spreckelmeyer. die mit ihrem dezenten Bondage-/Leder- und SM-Touch das Thema Gewalt aufgreifen.

Besetzung lässt keine Wünsche offen

Liest man erneut die Besetzung der Inszenierung von 2012, werden Erinnerungen an drei großartige Sängerinnen wach: Tanja Ariane Baumgartner (Cornelia), Paula Murrihy (Sesto) und Brenda Rae (Kleopatra). Die aktuelle Besetzung lässt jedoch auch keine Wünsche offen. Wie im Titel dieser Besprechung schon angedeutet, ist die sängerische Leistung ein Fest.

Für die Titelrolle ist Countertenor Lawrence Zazzo zurück nach Frankfurt gekommen. Im Februar 2017 gab er hier einen Liederabend, daneben war er in zahlreichen Partien zu erleben. Mit seiner kraftvollen und wohltönenden Stimme verleiht er Giulio Cesare einen besonderen Ausdruck. 2012 wurde diese Partie von einem Bariton (Michael Nagy) verkörpert.

Giulio Cesare in Egitto
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Tolomeo (Nils Wanderer; oben) und Cornelia (Cláudia Ribas) mit zwei Statisten der Oper Frankfurt
© Monika Rittershaus

Mit der Sopranistin Pretty Yende ist ein weiterer internationaler Opernstar zu Gast an der Oper Frankfurt. Auch sie gestaltete hier schon einen Liederabend. Der nach Macht strebenden Kleopatra verleiht sie Anmut und verzaubert mit glänzendem Wohlklang.

Die ob des Todes ihres Mannes verstörte und in Gefangenschaft misshandelte Cornelia gibt Mezzosopranistin Cláudia Ribas intensiv (im April/Mai alternierend mit Zanda Švēde). Kaum zu glauben, ob ihrer sängerischen und darstellerischen Leistung, dass sie derzeit noch Stipendiatin im Opernstudio ist. Den Weg von dort ins Ensemble schaffte die Mezzosopranistin Bianca Andrew bereits zur Spielzeit 2019/20. Als nach Rache für den ermordeten Vater trachtender Sesto nimmt sie sehr für sich ein.

Bassbariton Božidar Smiljanić gibt souverän einen gestandenen Heerführer Achilla, Bariton Jarrett Porter mit kernig grundierter Stimme den ehrgeizigen und pflichtbewussten römischen Tribun Curio. Erstmals zu Gast an der Oper Frankfurt ist der Countertenor Nils Wanderer. Großartig gibt er den grenzenlos von sich überzeugten Tolomeo. Neben seinen vielen Opernengagements und weiteren Tätigkeiten stellte er im vergangenen Jahr seine Counterstimme am Berliner Theater des Westens einem breiten Publikum vor (beim Musical Romeo und Julia).

Sein Debüt an der Oper Frankfurt gibt bei Giulio Cesare in Egitto auch der junge russische Countertenor Iurii Iushkevich als aufrichtig wirkender Nireno. Er nutzt seine kleine Rolle sehr gut, um auf sich aufmerksam zu machen (schon bald soll er für eine andere Produktion an die Oper Frankfurt zurückkehren).

Kapellmeister Simone Di Felice leitete in dieser Spielzeit bereits bei der Neuproduktion von Donizettis Don Pasquale im Bockenheimer Depot das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Bei Guilio Cesare wird stark auf die historische Aufführungspraxis Bezug genommen. Diese unterscheidet sich zur herkömmlichen hinsichtlich verwendeter Instrumente, angewandter Spieltechnik und Gestaltungsmittel. S ist diese Produktion auch von der orchestralen Seite aus ein besonderes Erlebnis.

Während der besuchten Vorstellung gab es viel Zwischenapplaus und verdientermaßen große Beifallsbekundungen am Schluss.

Markus Gründig, März 24


Giulio Cesare in Egitto

Dramma per musica in drei Akten
Von: Georg Friedrich Händel 1685–1759
Text von: Nicola Francesco Haym

Uraufführung: 20. Februar 1724 (London, King’s Theatre Haymarket)

Premiere an der Oper Frankfurt: Sonntag, 24. März 24
Besuchte Vorstellung: 29. März 24

Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Nadja Loschky
Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Irina Spreckelmeyer
Licht: Joachim Klein
Chor: Tilman Michael
Konzeptionelle Mitarbeit: Yvonne Gebauer
Dramaturgie: Mareike Wink

Besetzung:

Giulio Cesare: Lawrence Zazzo
Cleopatra: Pretty Yende
Cornelia: Cláudia Ribas°(24., 29. März, 6., 11., 14. April) / Zanda Švēde (20., 27. April, 4., 8., 10., 18. Mai)
Sesto: Bianca Andrew
Tolomeo: Nils Wanderer
Achilla: Božidar Smiljanić
Curio: Jarrett Porter°
Nireno: Iurii Iushkevich

° Mitglied des Opernstudios

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

oper-frankfurt.de