Dezent humorvoller »Don Pasquale« im Bockenheimer Depot

Don Pasquale ~ Oper Frankfurt ~ Božidar Smiljanić (Don Pasquale; sitzend) und Tänzerin (Mirjam Motzke) ~ Matthias Baus
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Peu à peu kommen sie alle. Die ursprünglich angekündigten Produktionen der Oper Frankfurt, die wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden mussten. Bevor ab 5. November György Ligetis Le Grand Macabre erstmals im Opernhaus gespielt wird, gibt es jetzt im Bockenheimer Depot Gaetano Donizettis Dramma buffo in drei Akten, Don Pasquale, zu erleben. Don Pasquale gehört neben L’elisir d’amore (1832) und Lucia di Lammermoor (1835) zu den bekanntesten und am häufigsten aufgeführten Opern aus Donizettis überaus umfangreichen Œuvre.

Die Don Pasquale-Produktion der Oper Frankfurt entstand in Zusammenarbeit mit den Tiroler Festspielen Erl, wo sie bereits zum Jahresanfang zu sehen war. Ursprünglich sollte sie bereits Ende 2020 in Frankfurt gezeigt werden. Damals war sie, noch unter den strengen Vorgaben der Corona-Schutzverordnung, bis zur Generalprobe vorbereitet worden. Sie handelt vom jungen Liebespaar Ernesto und Norina, deren Liebesglück Ernestos altersschwacher, reicher aber geiziger Onkel Don Pasquale durchkreuzt. Am Ende steht der Onkel als Verballhornter da.

Don Pasquale
Oper Frankfurt
Norina (Bianca Tognocchi)
© Matthias Baus

Regisseurin Caterina Panti Liberovici gab ihr Regiedebüt in der Spielstätte Bockenheimer Depot bereits 2016 mit Valentino Fioravantis Le cantatrici villane. 2020 folgte Gioachino Rossinis La gazzetta. Bei ihrer Sicht auf Don Pasquale vermeidet sie eine flache Umsetzung, die das Werk durchaus nahelegt. Vielmehr zieht sie Verbindungen zwischen der Hauptfigur und dem Komponisten. Donizetti hatte einen Neffen, als er die Oper komponierte litt er an Halluzinationen (durch seine Syphilis-Erkrankung) und bei dieser Oper handelt es sich um die letzte der Gattung Opera buffa. So zeigt Liberovici das Geschehen als eine Halluzination von Don Pasquale. Mit der Konsequenz, dass viele Szenen im hinteren Bühnenbereich stattfinden, gewissermaßen als Theater im Theater.

Don Pasquale
Oper Frankfurt
Doktor Malatesta (Liviu Holender), Norina (Clara Kim)
© Matthias Baus

Bühnenbildner Sergio Mariotti hat einen Salon mit drei sich perspektivisch verkleinernden Portalen geschaffen. Sie sind durch Vorhänge abgetrennt und zeugen davon, dass dieses Anwesen schon bessere Jahre erlebt hat. Inzwischen blättert der Putz von allen Wänden ab. Nicht nur ein neues Interieur wäre nötig, so wie es Norina im Stück fordert. Vorne wird ziemlich oft Don Pasquales Bett über eine sich öffnende Schwenkvorrichtung raus- und reingezogen, größere Veränderungen auf der Bühne gibt es nicht (abgesehen von in die Luft geworfenen Notizblätter und eines umgeworfenen Stuhls).

Der besondere Charakter der Spielstätte Bockenheimer Depot wird bei dieser Produktion kaum genutzt. Anders als beispielsweise bei La gazzetta mit ihren modernen Bezügen, wirkt diese Umsetzung doch etwas traditionell. Farbenfroh sind die Kostüme von Raphaela Rose, etwas irritierend die Rabenverkleidungen für Malatesta und Norina und vielfach verwendete venezianische Masken.

Don Paquale
Oper Frankfurt
Ernesto (Brayan Avila Martinez)
© Matthias Baus

Für die angesetzten zwölf Vorstellungen innerhalb von nur drei Wochen sind alle Rollen mehrfach besetzt. Dabei wechseln die jeweiligen Besetzungen dynamisch. Bei der besuchten zweiten Vorstellung kam noch eine kurzfristige Erkrankung seitens Pilgoo Kangs hinzu. Die von ihm verkörperte Figur des Notars hatte auf der Bühne kurzerhand der Abendspielleiter und als Regieassistent mit der Produktion gut vertraute Alan Barnes übernommen. Bariton Mikołaj Trąbka (sonst Doktor Malatesta) sang dazu von der Seite.

In der Titelrolle ist Bassbariton Božidar Smiljanić kaum zu erkennen, wurde er äußerlich doch vortrefflich zu einem alten, störrischen Sonderling gestaltet. Sein Part ist mit vielen Rezitativen fast eine Sprechrolle. Körperlich und stimmlich agil ist mit volltönender Baritonstimme Liviu Holender als Doktor Malatesta sehr präsent. Vielversprechend stellt sich hier der junge US-amerikanische schlanke Tenor Brayan Avila Martinez als Ernesto vor. Mit ihren Koloraturen und ihrer Wandelbarkeit nimmt die Sopranistin Bianca Tognocchi als selbstbewusste und kokette Norina das Publikum am stärksten ein.
Auf einen Chor wurde verzichtet, dafür gibt es mit Mirjam Motzke und Madeline Ferricks-Rosevear zwei Tänzerinnen, die als Double der Protagonist:innen agieren. Donizettis heitere Musik spielt das von Simone Di Felice geleitete Frankfurter Opern- und Museumsorchester beschwingt und leidenschaftlich.

Am Ende viel Applaus für diese dezent humorvolle Umsetzung und lautstarkes Getrampel für Simone Di Felice und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester.

Markus Gründig, September 23


Don Pasquale

Dramma buffo in drei Akten

Von: Gaetano Donizetti
Text: Giovanni Domenico Ruffini und Gaetano Donizetti
Uraufführung: 3. Januar 1843 (Paris, Théâtre-Italien)

Premiere an der Oper Frankfurt: 23. September 23 (Bockenheimer Depot)
Besuchte Vorstellung: 27. September 23

Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Caterina Panti Liberovici
Bühnenbild: Sergio Mariotti
Kostüme: Raphaela Rose
Licht: Joachim Klein
Dramaturgie: Deborah Einspieler

Besetzung:

Don Pasquale: Božidar Smiljanić / Donato Di Stefano
Doktor Malatesta: Mikołaj Trąbka / Liviu Holender
Ernesto: Pablo Martínez / Brayan Avila Martinez
Norina: Bianca Tognocchi / Clara Kim
Notar: Pilgoo Kang / Mikołaj Trąbka (musikalisch), Alan Barnes (szenisch) 27.9. / Erik van Heyningen

Tänzerinnen: Mirjam Motzke, Madeline Ferricks-Rosevear

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

oper-frankfurt.de

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