Rossinis heitere »La gazzetta« an der Oper Frankfurt

La gazetta ~ Oper Frankfurt ~ v.l.n.r. Monsù Traversen (Danylo Matviienko), Statistin der Oper Frankfurt, Madama La Rose (Nina Tarandek) und Alberto (Matthew Swensen) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Im Rahmen des Rossini-Schwerpunkts der Oper Frankfurt in der Spielzeit 2019/20 wird jetzt, nach Otello zu Spielzeitbeginn, die Opernausgrabung La gazzetta gespielt. Die Oper Frankfurt zeigt auf, dass dieses Werk zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Die Geschichte des kapriziösen Don Pomponio, der per Zeitungsanzeige seine Tochter Lisetta an einen möglichst wohlhabenden Mann bringen will, bietet, gespickt mit viel Humor und komödiantischen Elementen, wundervolle kurzweilige Unterhaltung. Das Libretto von Giuseppe Palomba fußt auf einer Geschichte des italienischen Komödiendichters Carlo Goldoni (Der Diener zweier Herren, Mirandolina und viele mehr).
Entstanden ist La gazzetta in einer überaus produktiven Phase von Rossini, zwischen seinem Barbier und der La Cenerentola. Schon kurz nach der Uraufführung 1816 in Vergessenheit geraten, ermöglichte ein 2012 wiederentdecktes Quintett, dass La gazetta wieder komplettiert aufgeführt werden kann.


La gazetta
Oper Frankfurt
Don Pomponio Storione (Sebastian Geyer) und Lisetta (Elizabeth Sutphen)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Einheit von Raum und Bühne

Als Frankfurter Erstaufführung zeigt die Oper Frankfurt La gazetta in der Spielstätte Bockenheimer Depot. Das ehemalige Straßenbahndepot, um 1900 entstanden, eignet sich außerordentlich gut für diese Oper, lässt Regisseurin Caterina Panti Liberovici das Stück doch in einem Pariser Bahnhof in den 1920er Jahren spielen. Dafür wurden die Stahlstützsäulen des Depots mitsamt ihren Nieten in das Bühnenbild übernommen. In ihrem grauen Farbton und ähnlicher Bauart, beziehen sich eingeschobene Elemente wie Kartenverkauf, Zeitungskiosk oder Hotelrezeption direkt auf das Bockenheimer Depot. Raum und Bühne gehen gewissermaßen nahtlos ineinander über. Die neue Verortung hilft zudem das Stück näher ans Heute zu rücken. Paillettenbestückte Charlestonkleider (Kostüme: Raphaela Rose) sind nicht nur schöne Dekoration, im zweiten Akt werden auch entsprechende Charlestontanzschritte angedeutet (Choreografie: David Laera).

Die Grundszenerie zeigt einen Gleisvorbereich mit einem Prellbock. Im Hintergrund werden großflächig dezent Bilder projiziert, konkrete, wie von einem Gleis oder einem fahrenden Zug, aber auch abstrakte für gewisse Stimmungen (Bühnenbild: Sergio Mariotti).
Regisseurin Caterina Panti Liberovici hat bereits Erfahrungen mit Opernraritäten. 2016 inszenierte sie an gleicher Stelle Valentino Fioravantis Le cantatrici villane. Das zweiaktige Dramma per musica La gazetta lässt sie während der Ouvertüre, die Rossini später für seine La Cenerentola weiterverwendete, zunächst ruhig angehen. Unterschiedliche Reisende laufen im Bahnhof umher, inklusive ein paar finster anmutende Gestalten. Und dann starten die abstrusen und turbulenten Irrungen und Wirrungen, die Don Pomponio um seine hübsche Tochter Lisetta entfacht.


La gazetta
Oper Frankfurt
Don Pomponio Storione (Sebastian Geyer; in der Bildmitte sitzend) und Ensemble
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Glänzendes Team aus Ensemblemitgliedern und Freunden der Oper Frankfurt

Bei dieser Produktion wirken Sängerinnen und Sänger der Oper Frankfurt mit. Sowohl aktuelle Ensemble- und Opernstudiomitglieder, wie auch frühere. Die gute Beziehung zu Letzteren lässt die Oper Frankfurt dann auch von „Ensemble und Friends“ sprechen, worauf Dramaturgin Deborah Einspieler in ihrem Einführungsvortrag hinwies.
Bariton Sebastian Geyer nutzt in der Partie de Don Pimponio sein famoses schauspielerisches Talent hervorragend, um den Pimponio mit viel Spielwitz und mit vokaler Pracht zu zeigen, ohne ihn lächerlich dastehen zu lassen. Die Lisetta der Koloratursopranistin Elizabeth Sutphen entwickelt sich von einer eigensinnigen jungen Frau mit schwarzen Haaren zu einer selbstbewussten und verführerischen Frau mit blonden Haaren, die sinnlich wie stimmlich verführt. Imposant auch Bariton Mikołaj Trąbka als ihr nicht standesgemäßer Liebhaber Filippo, mit gesteigerter markanter Stimme. Matthew Swensen gibt mit schönem Schmelz den zweiten Liebhaber Alberto, dazu passt der lyrische Sopran von Angela Vallone als Albertos neue Liebe Doralice. Interessant ist auch die Madama La Rose der Nina Tarandek, da Regisseurin Liberovici dieser Figur ein über die damalige Zeit hinausgehendes emanzipatorisches Profil gibt (mitsamt angedeuteter Aufgeschlossenheit dem eigenen Geschlecht gegenüber). Vom Opernstudio der Oper Frankfurt rundet Bariton Danylo Matviienko als Monsù Traversen das Trio der drei stimmstarken Baritone glänzend ab. Ein Wiedersehen gibt er mit Tenor Franz Mayer als Doralices Vater Anselmo. Ergänzt wird die Produktion von einem Vokalensemble und zahlreichen Statisten. Bei diesen ragt Martin Georgi allein schon wegen seiner vielen Kostümwechsel heraus.
Rossinis Frohsinn wird im verkleinerten Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister Simone Di Felice, auch am Hammerklavier die Rezitative begleitend, virtuos umgesetzt.
Die noch ausstehenden Aufführungen sind ausverkauft. Als Trost: Ab 5. April wird mit Bianca e Falliero im Opernhaus eine weitere Rossini Oper gezeigt.

Markus Gründig, Februar 20


La gazzetta

Dramma per musica in zwei Akten

Von: Gioachino Rossini (1792-1868)
Text: Giuseppe Palomba nach Carlo Goldoni
Uraufführung: 26. September 1816 (Neapel, Teatro dei Fiorentini)

Premiere/Frankfurter Erstaufführung an der Oper Frankfurt: 2. Februar 20 (Bockenheimer Depot)
Besuchte Vorstellung: 6. Februar 20

Musikalische Leitung: Simone Di Felice
Inszenierung: Caterina Panti Liberovici
Bühnenbild: Sergio Mariotti
Kostüme: Raphaela Rose
Choreografie: David Laera
Licht: Jan Hartmann
Dramaturgie: Deborah Einspieler

Besetzung:

Don Pomponio Storione: Sebastian Geyer
Lisetta: Elizabeth Sutphen
Filippo: Mikołaj Trąbka
Alberto: Matthew Swensen
Doralice: Angela Vallone
Madama La Rose: Nina Tarandek
Monsù Traversen: Danylo Matviienko °
Anselmo: Franz Mayer

Vokalensemble

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

° Mitglied des Opernstudios

oper-frankfurt.de