Große Emotionen bei »Madame Butterfly« bei den Bregenzer Festspielen

Madame Butterfly ~ Bregenzer Festspiele ~ Cio-Cio-San ~ © Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Ob La Bohème, Tosca oder Turandot, Opern von Giacomo Puccini sind bei den Bregenzer Festspielen beliebt. Jetzt wird erstmals seine japanische Tragödie Madame Butterfly auf der weltgrößten Seebühne gespielt. Die Premiere fand am 20. Juli 22 statt und es war eine ganz besondere (dazu später mehr).

Aufsehenerregender Charakter eines Blatt Papiers

Regisseur Andreas Homoki, Intendant vom Opernhaus Zürich, lässt das Stück für sich selber sprechen und entführt das Publikum in das ferne Japan. Er verzichtet auf ein technisches Spektakel und setzt viel mehr auf große Emotionen. Schließlich ist die Bregenzer Seebühne ob ihrer Lage schon für sich ein Event. Wobei die für Madame Butterfly angefertigte Bühne des kanadischen Bühnenbildners Michael Levine durchaus einen aufsehenerregenden Charakter hat. Sie besteht aus einem überdimensionalen leicht zerknüllten Blatt Papier, das mit einer Tuschezeichnung versehen wurde. Sie hat eine Fläche von 1340 m², die höchste Stelle misst 23,2 Meter, an der breitesten Stelle 33 Meter. Sie besteht überwiegend aus einer Stahl- und Holzunterkonstruktion und hat ein Gewicht von rund 300 Tonnen. Styropor und Fassadenputz allein wiegen rund 12 Tonnen. Die Bühnenfläche verjüngt sich nach außen hin und wirkt so dünner, den Papiereffekt verstärkend. Das „Blatt“ wurde in luftiger Höhe von Kascheurinnen und Kascheure mit Zeichnungen aufwendig in eine japanische Berglandschaft verwandelt. Dazu ist sie sehr wandelbar, zeigt sich poetisch und voller Magie. Dafür sorgt eine ausgefeilte Beleuchtung von 12 Hochleistungs-Projektoren und zwei Medienserver, die die Bildberechnungen übernehmen (Licht: Franck Evin). Die unterschiedlichen Farben können auch als Spiegelbild für die jeweilige seelische Verfasstheit der Hauptfigur, der Geisha Cio-Cio-Sans (genannt Butterfly), verstanden werden. Dezent eingesetzte Videoprojektionen sorgen für zusätzliche schaurige und ergreifende Effekte (Video: Luke Halls). Die Schlichtheit der Bühne ist zugleich ihr Trumpf. Gerade wenn sich wenige Personen auf ihr befinden, wirkt sie umso stärker.

Madame Butterfly
Bregenzer Festspiele
B. F. Pinkerton / Sharpless
© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler (andereart.de)

Kostüme mit Bezügen zum alten Japan und seine Traditionen

Obwohl die Oper eher ein Kammerspiel ist, gibt es auch beeindruckende große Ensembleszenen (Choreographie: Lucy Burge). Wie beispielsweise den Einzug der Familie Cio-Cio-Sans´ von der oberen Bühnenkante her. Ausgezeichnet wirken auch die mit langen weißen Haaren versehenen Ahnen, die mehrfach mahnend erscheinen. Die Auftritte der zu Japan in Bezug stehenden Figuren erfolgen sehr dezent, fast wie aus dem Nichts. Die Amerikaner hingegen platzen dagegen mit Gewalt in die Welt von Cio-Cio-Sans ein und reißen Löcher auf.

Farbenfrohe Kostüme tragen sowohl Amerikaner wie Japaner. Bei den Amerikanern sind es Anzüge in leuchtenden Farben, bei den Japanern Kostüme, die an das traditionelle Kabuki Theater angelehnt sind und auf japanische Traditionen verweisen (Kostüme: Antony McDonald).

Madame Butterfly
Bregenzer Festspiele
B. F. Pinkerton, Cio-Cio-San
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Abbruch und Verlegung der Vorstellung

Nach Tagen großer Hitze zogen am Nachmittag des Premierentags immer mehr Wolken auf. Etwas Regen ist an sich kein Problem, auch nicht während einer Vorstellung. Gewitter in unmittelbarer Nähe aber schon. Nachdem Butterfly ihre berühmte Traumarie „Un bel dì, vedremo“ gesungen hatte und Konsul Sharpless zum Besuch erschien (zum Beginn von Akt 2), passierte es: Das Publikumslicht wurde eingeschaltet, die Stimmen von Butterfly und Sharpless verklangen und die Ansagerin Chantal Dorne verkündete besonnen (als wäre es das Natürlichste der Welt), dass die Seebühnenvorstellung abgebrochen werden müsse. Die Fortsetzung würde in einer halbszenischen Form im Festspielhaus erfolgen. Glück also für rund 1600 Inhaber:innen einer Karte der Kategorien 1, 2, Festspiel-Lounge und Premium-Tickets. Da die Vorstellung in der 59. Minute abgesagt wurde, haben alle anderen Karteninhaber der insgesamt knapp 7000 Zuschauer:innen zumindest ein kleines Glück. Entsprechend üblicher Regeln bei Freiluftveranstaltungen bekommen sie den Eintrittspreis erstattet, denn die Vorstellung ist weniger als 60 Minuten gespielt worden.

Enttäuschung und Zugewinn

Im Festspielhaus ging es nach 30 Minuten mit einer halbszenischen Darbietung weiter. Dabei wurde das Bühnenbild auf eine Leinwand im Hintergrund projiziert. Einerseits herrschte natürlich eine gewisse Enttäuschung, die halbszenische Darstellung bot aber auch Vorteile. Die Sänger:innen waren nun nicht mehr mit Mikroports ausgestattet. Ist auch das eigens für die Bregenzer Festspiele entwickelte Soundsystem wirklich hervorragend, die natürliche Stimme wirkt pur dennoch eindrucksvoller. Hinzu kam eine größere Nähe zu den Protagonisten:innen und zum Orchester, das nicht nur auf einem Bildschirm zu betrachten war.

Madame Butterfly
Bregenzer Festspiele
Cio-Cio-San, Ensemble
© Bregenzer Festspiele / Anja Köhler (andereart.de)

Kraftvolle Stimmen

Am Ende gab es trotz oder vielleicht auch wegen der besonderen Umstände intensiven Applaus und stehende Ovationen (wobei sich das Regieteam nicht zeigte). Diese galten in erster Linie der usbekischen Sopranistin Barno Ismatullaeva für die intensive Verkörperung der Titelfigur. Als Butterfly durchaus wohlgesonnener amerikanischer Konsul Sharpless ragt der amerikanische Bariton Brian Mulligan mit markanter Stimme heraus. Der litauische Tenor Edgaras Montvidas steigert sich von Szene zu Szene als unbesonnener B. F. Pinkerton. Die Mezzosopranistin Annalisa Stroppa nimmt als Butterflys Dienerin Suzuki für sich ein, Tenor Taylan Reinhard als geschäftstüchtiger Heiratsvermittler Goro, Tenor Omer Kobiljak als heiratswilliger Fürst Yamadori und Bass Stanislav Vorobyov als traditionsbewusster Onkel Bonze. Da Seebühnenvorstellungen zeitlich limitiert sind, ist die Bregenzer Fassung von Madame Butterfly leicht gekürzt. Dadurch fällt u. a. die Figur der Kate Pinkerton (Hamida Kristoffersen) kleiner aus als üblich.

Harmonisch eingefügt erklangen die Chöre (Bregenzer Festspielchor und Prager Philharmonischer Chor (Chorleitung: Lukáš Vasilek und Benjamin Luck). Die volle Bandbreite von Puccinis ergreifender Musik lotete der italienische Dirigent Enrique Mazzola (Conductor in Residence) am Pult der Wiener Symphoniker mit viel Leidenschaft aus.

Markus Gründig, Juli22

Die Bregenzer Festspiele bieten dieses Jahr insgesamt 26 Vorstellungen von Madame Butterfly innerhalb von vier Wochen. Dies ist nur möglich, weil die Hauptpartien mehrfach besetzt sind (s. u.).


Madame Butterfly

(Originaltitel: Madama Butterfly)
Tragedia giapponese in drei Akten

Von: Giacomo Puccini
Uraufführung: 17. Februar 1904 (Mailand, Teatro alla Scala)
Uraufführung der Zweitfassung: 28. Mai 1904 (Brescia, Teatro Grande)

Premiere bei den Bregenzer Festspielen: 20. Juli 22 (Seebühne und halbszenisch im Festspielhaus)

Musikalische Leitung: Enrique Mazzola, Yi-Chen Lin
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühne: Michael Levine
Kostüme: Antony McDonald
Licht: Franck Evin
Video: Luke Halls
Choreographie: Lucy Burge
Ton: Alwin Bösch, Clemens Wannemacher
Chorleitung: Lukáš Vasilek, Benjamin Lack

Besetzung:

Cio-Cio-San (genannt Butterfly): Celine Byrne, Elena Guseva, Barno Ismatullaeva
Suzuki: Claudia Huckle, Aytaj Shikhalizada, Annalisa Stroppa
Kate Pinkerton: Hamida Kristoffersen, Sabine Winter
B. F. Pinkerton: Edgaras Montvidas, Otar Jorjikia, Łukasz Załęski
Sharpless: Brian Mulligan, Brett Polegato, Yngve Søberg
Goro: Michael Laurenz, Taylan Reinhard
Der Fürst: Yamadori Omer Kobiljak, Patrik Reiter
Onkel Bonze: Levente Páll, Stanislav Vorobyov
Der kaiserliche Kommissar: Unnsteinn Árnason

Wiener Symphoniker
Prager Philharmonischer Chor
Bregenzer Festspielchor
Tänzer:innen der Bregenzer Festspiele
Wired Aerial Theatre
Statisterie der Bregenzer Festspiele


bregenzerfestspiele.com