Vom Wandel der Gefühle: »Cosi fan tutte« an der Oper Frankfurt

Cosi fan tutte ~ Oper Frankfurt ~ v.l.n.r. Teona Todua (Fiordiligi) und Kelsey Lauritano (Dorabella) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Für junge Gesangsstimmen sind Opern von Wolfgang Amadeus Mozart unverzichtbar. Sie fordern technische Präzision und emotionale Tiefe. Dadurch bilden sie ein wichtiges Fundament für die weitere sängerische Entwicklung. So wundert es nicht, dass sie regelmäßig in den Spielplänen vertreten sind. Zudem finden Mozarts Opern einen breiten Publikumszuspruch.

Christof Loys Inszenierung von Così fan tutte aus der Spielzeit 2007/08 zählte unbestritten zu den Dauerbrennern im Repertoire der Oper Frankfurt. Dennoch war es nun an der Zeit für eine neue Sicht auf das beliebte Werk. Als erste Neuproduktion der Spielzeit 2025/26 zeigt die Oper Frankfurt Così fan tutte jetzt in einem neuen Gewand.

Cosi fan tutte
Oper Frankfurt
Guglielmo (Jonas Müller; in braunem Cordanzug auf dem Tisch kniend) und Ensemble
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Für die szenische Umsetzung wurde die französische Regisseurin Mariame Clément verpflichtet. Es ist ihre erste Arbeit für die Oper Frankfurt. Dem Werk immanenten rein männlichen Blick auf untreue Frauen, wie auch der unglaubwürdigen Handlung, begegnet sie mit einer ganz anderen Sichtweise auf das Werk. Denn es ist zwar „eine tolle Geschichte, aber schwer zu verkaufen“ (Clément im Vorabvideo der Oper Frankfurt).

Von der Angst, dass die Liebe nicht ewig hält

Die Doppelhochzeit der Paare Dorabella/Ferrando und Fiordiligi/Guglielmo stellt sie in den Mittelpunkt, ohne dass es je zu ihr kommt. Wer die Oper kennt, wird in dieser Inszenierung bekannte Szenen anders erleben. Schlaglichtartig beleuchtet Clément das Geschehen mit vielen kleinen Bildern und verbindet diese mit den verschiedenen Ereignissen einer Hochzeit.

Während der Ouvertüre zieht eine fein gekleidete Gesellschaft für eine Hochzeitszeremonie in einen Festsaal ein (Kostüme: Bianca Deigner). Wenn die Braut dann den Ehevertrag unterzeichnen will, stoppt die Handlung. Die Figuren bleiben wie bewegungslos stehen. Hier setzt Clément mit der Überlegung an: „Was wäre, wenn…“.

Cosi fan tutte
Oper Frankfurt
v. l. n. r. Kelsey Lauritano (Dorabella) und Ferrando (Magnus Dietrich)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Kein Tag ist so sehr vom Wunsch nach ewiger oder zumindest lang anhaltender Liebe verbunden wie der Hochzeitstag. Dennoch zeigt sich immer wieder, dass Gefühle sich verändern und damit auch die Liebe. Sehr selten so schnell wie bei Dorabella und Fiordiligi, aber dennoch. Entscheidend ist der zeitliche Faktor. Deshalb spielt Clément mit der Zeit, verkürzt und streckt sie in ihren Bildern. So ist ist ihre Umsetzung auch eine Reflexion über die Angst, dass Gefühle nicht ewig dauern.

Gespiegelter Einheitsraum

Jede Szene wird dafür aus einem anderen Blickwinkel gezeigt. Die Bühne besteht im Prinzip aus einem Festsaal (in einem Hotel oder einem Schloss). Tatsächlich zu sehen sind allerdings zwei Festsäle. Sie sind identisch, nur gespiegelt. Durch Einsatz der Drehbühne erfolgen Umbauten unauffällig (und derer gibt es viele). Dazu gibt es einen kleinen Vorplatz eines Versorgungsgangs. Er ist für das die Hochzeitsfeier organisierende Personal vorgesehen und wirkt in die Jahre gekommen. Damit steht er nicht nur für die Vergänglichkeit, sondern auch für eine andere Seite im Leben: den glanzlosen Alltag (Bühne: Etienne Pluss).

Cosi fan tutte
Oper Frankfurt
Don Alfonso (Liviu Holender; in der Bildmitte) und Ensemble
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Insbesondere im ersten Akt ist das Geschehen in Momente einer Hochzeit eingebunden (wie das Anschneiden der Hochzeitstorte oder das gemeinschaftliche Betrachten von Bildern der Paare). Dadurch wird die Oper nahbar.

Musikalische und sängerische Glanzleistungen

Teona Todua gibt die Partie der Fiordiligi. Die aus Georgien stammende Sopranistin ist erstmals zu Gast an der Oper Frankfurt. Die Zerrissenheit der Fiordiligi, ihre innere Not, ja Verzweiflung, drückt sie, trotz aller Entschlossenheit, eindrucksvoll aus. Dabei zeigt sie eine große stimmliche Virtuosität.

Alle weiteren Figuren sind hausintern besetzt. So gibt die amerikanische Mezzosopranistin Kelsey Lauritano eine flinke und glänzend aufgelegte Dorabella. Zwei junge Männer erhalten hier eine große Bühne, die sie gekonnt nutzen. Bariton Jonas Müller (Guglielmo) ist erst seit dieser Spielzeit neuer Stipendiat des Opernstudios. Mit seinem warmen Stimmtimbre fällt er auch allein schon durch seine starke Präsenz auf. Dabei wirkt sein Spiel so natürlich, als wäre er ein alter Hase. Für Tenor Magnus Dietrich (Ferrando) ist die aktuelle Spielzeit bereits die dritte an der Oper Frankfurt und auch er spielt und singt vortrefflich.

Cosi fan tutte
Oper Frankfurt
Despina (Bianca Tognocchi)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Die italienische Koloratursopranistin Bianca Tognocchi gibt eine lebhafte Despina, die, entsprechend Cléments Konzept, hier eine Hochzeitsplanerin anstelle eines Kammermädchens ist.
Der österreichische Bariton Liviu Holender legt als vitaler Strippenzieher Don Alfonso einen seiner stärksten Auftritte hin. Szenisch stärker als sonst üblich eingebunden ist der Chor der Oper Frankfurt (Einstudierung: Álvaro Corral Matute).

Eine Klasse für sich bildet das mit viel Leidenschaft aufspielende Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der musikalischen Leitung seines GMD Thomas Guggeis. Wie bereits schon bei seinem ersten Dirigat als GMD, bei Mozarts Le nozze de figaro im Oktober 2023, leitet Guggeis nicht nur das Orchester, er spielt auch wieder selber zwischendurch immer wieder am Hammerklavier. Von seinem profunden musikalischen Fachwissen zu Cosi fan tutte kann man sich in einem 16-minütigen Hintergrundinfovideo („Deep dive“) überzeugen (youtu.be) sowie in einem Interview mit Dramaturg Zsolt Horpácsy (im Programmheft).

Am Ende kommt es wie am Anfang zu keiner Unterschrift unter einen Ehevertrag. Dafür sitzen die zwei Paare einträchtig im Kreis bei einer Flasche Wein beisammen. Was wirklich zählt, ist Gemeinschaft.

Intensiver Beifall bei der besuchten dritten Vorstellung.

Markus Gründig, Oktober 25


Così fan tutte

Dramma giocoso in zwei Akten

Von: Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Libretto: Lorenzo Da Ponte
Uraufführung: 26. Januar 1790 (Wien, Burgtheater am Michaelerplatz)

Premiere: 21. September 25 (Opernhaus)
Besuchte Vorstellung: 2. Oktober 25

Musikalische Leitung: Thomas Guggeis / Simone Di Felice (Jan)
Inszenierung: Mariame Clément
Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Bianca Deigner
Licht: Joachim Klein
Chor: Álvaro Corral Matute
Dramaturgie: Zsolt Horpácsy

Besetzung:

Fiordiligi: Teona Todua / Karolina Bengtsson (Jan)
Dorabella: Kelsey Lauritano
Guglielmo: Jonas Müller° (21., 28.9., 2., 4.10.) / Taehan Kim / Sakhiwe Mkosana (Jan)
Ferrando: Magnus Dietrich / Andrew Kim (Jan)
Despina: Bianca Tognocchi / Elizabeth Reiter (Jan)
Don Alfonso: Liviu Holender / Sebastian Geyer (Jan)

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

°Mitglied des Opernstudios

oper-frankfurt.de