

Vor 25 Jahren übernahm die Choreografin und Regisseurin Iris Limbarth die Leitung des Jungen Staatsmusicals am Staatstheater Wiesbaden (damals noch unter der Bezeichnung Jugendclubtheater). Junge Schauspieler, Sänger und Tänzer haben bei diesem die Möglichkeit, unter professionellen Bedingungen auf der Bühne zu stehen. Pro Spielzeit entstehen bis zu drei aufwendige Produktionen. Meist sind alle Vorstellungen frühzeitig ausverkauft. Auch finden die Produktionen überregional Beachtung. Bestechend ist die Vielfalt der Stücke, die auch große und bekannte Musicals einschließt.
Als erste Produktion der Spielzeit 2025/26 feierte Frank Wildhorns Musical Jekyll & Hyde Ende September Premiere im Kleinen Haus. Es handelt vom jungen Arzt Dr. Henry Jekyll, der kurz vor seiner Hochzeit mit Lisa Carew steht. Sein starker Forschungsdrang, die dem Menschen eigene Dualität von Gut und Böse zu trennen, wird ihm schließlich zum fatalen Verhängnis. Nicht nur in Bezug auf die Hochzeit, sondern auch auf sein Leben. Am Ende wird er von seinem besten Freund Gabriel John Utterson erschossen, um die Menschheit vor seiner gespaltenen Persönlichkeit zu schützen.
Viktorianisches Flair
Die Handlung spielt am Ende des viktorianischen Zeitalters in London (1885). Dabei wechseln die Handlungsorte zwischen Krankenhaus, Salon, Arbeitszimmer, Labor, Straße, Pub und Kirche. Die Produktion verwendet hierfür die maximal zur Verfügung stehende Bühnenfläche des Kleinen Hauses. Es gibt einen großen Raum, der sich durch eingeschobene Kulissen (wie ein Bett, ein Forschungslabor oder ein rotes rundes Sofa mit Poledancestange) und eine geschickte Ausleuchtung stets verwandelt (Licht: Oliver Porst).

Staatstheater Wiesbaden / Junges Staatsmusical
vorne v. l. n. r. : Nellie (Katharina Hoffmann)Lady Beaconsfield (Viktoria Reese), Spider (Linus Weinbrenner) und Ensemble
© Peter Emig
Um diese Platzverhältnisse zu ermöglichen, spielt das Orchester aus dem kleinen Orchestergraben (und nicht vom hinteren Bühnenbereich aus, wie meist sonst; Bühnenbild: Britta Lammers). Für viktorianisches Flair sorgen in erster Linie die Kostüme, allen voran die edlen Kleider der feinen Gesellschaft (Kostüme: Heike Korn). Es gibt dezente live Videoprojektionen, die eher im Hintergrund laufen (Video-Design: Benjamin Geipel).
„Schafft die Männer ran“ ist ein Höhepunkt.
Jekyll & Hyde bietet viele tolle Songs. Dazu hat das Ensemble viele Möglichkeiten, sich zu präsentieren (wie bei „Fassade“ oder „Mörder, Mörder“). Die energievollen Tanzszenen beleben das Stück (Choreografie: Iris Limbarth). Die Choreografie zu „Schafft die Männer ran“ ist mit den beweglichen Tänzerinnen zweifelsohne ein Höhepunkt.

Staatstheater Wiesbaden / Junges Staatsmusical
Lucy Harris (Denia Gilberg; Mitte) und Ensemble
© Peter Emig
In Wiesbaden wird das Musical ohne Kürzungen gespielt. Mit drei Stunden inklusive einer Pause ist die Spieldauer eine halbe Stunde länger als beispielsweise am Staatstheater Darmstadt im Jahr 2023 (Besprechung). Eine gewisse Länge macht sich schon zu Beginn deutlich. Es dauert bis zur großen „Schafft die Männer ran“-Nummer, bis das Musical an Fahrt aufnimmt. Ab dann packt es (wobei auch die Ensemblenummer „Mörder, Mörder“ im zweiten Akt etwas gedehnt wirkt).
Doppelbesetzungen
Wie üblich bei den Produktionen des Jungen Staatsmusicals sind die meisten Rollen doppelt besetzt. So spielte bei der besuchten zweiten Vorstellung eine andere Besetzung als bei der Premiere. Wobei es bezüglich der Titelfigur des Dr. Jekyll bei der zweiten Vorstellung eine außergewöhnliche Ausnahme gab: Beide Besetzungen spielten! Zunächst vermittelte Maximilian Schneider den liebevollen Arzt mit hoher Authentizität und warmtönendem Stimmtimbre. Kurz vor der Pause, zum Mord am Bischof von Basingstoke, übernahm Junges Staatsmusical-Veteran Tim Speckhardt die Partie. Er singt und spielt toll und ist dabei voller Leidenschaft, allerdings wirkt er gegenüber Maximilian Schneider affektiert.
Die große Partie des Animiermädchens Lucy gestaltet Lilli Trosien bravourös. Von „Schafft die Männer ran“ über „Jemand wie Du“ bis „Nur sein Blick“ (im Duett mit Lisa) zeigt sie nicht nur eine starke szenische Präsenz, die Songinhalte vermittelt sie authentisch wirkend und ergreifend (alternierend: Denia Gilberg).
Lisa Carew, die Verlobte von Dr. Jekyll, verkörpert Zoe Krawinkel strahlend und mit viel Anmut (Song: „Nimm mich wie Ich bin“ und „Da war einst ein Traum“; alternierend: Anastasia Bechtold). Des Weiteren sind u. a. dabei: Katharina Hoffmann (Animiermädchen Nellie), Jakob Höhler (Jekylls Freund Gabriel John Utterson; alternierend: Dwayne Gilbert Besier) und Felipe Salazar (Sir Danvers Carew, Vater von Lisa; alternierend: Maximilian Schneider).
Viel Pep bringt das unter Frank Bangert spielende kleine Orchester ein.
Am Ende großer Jubelbeifall und stehende Ovationen für eine professionell anmutende Vorstellung des Jungen Staatsmusicals Wiesbaden unter der versierten Regie von Iris Limbarth.
Markus Gründig, Oktober 25
Jekyll & Hyde
Nach der Erzählung von: Robert Louis Stevenson (1850 – 1894)
Für die Bühne konzipiert von: Steve Cuden (* 1955) und Frank Wildhorn (* 1958)
Buch und Liedtexte: Leslie Bricusse (1931 – 2021)
Musik: Frank Wildhorn
Orchestrierung: Kim Scharnberg
Arrangements: Jason Howland
Deutsch: Susanne Dengler und Eberhard Storz
Tryouts: 24. Mai 1990 (Houston, Alley Theatre)
Uraufführung: 28. April 1997 (New York, Plymouth Thatre)
Deutsche Erstaufführung: 19. Februar 1999 (Bremen, Musicaltheater Bremen)
Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 27. September 25 (Kleines Haus)
Besuchte Vorstellung: 4. Oktober 25
Musikalische Leitung: Frank Bangert
Musikalische Einstudierung: Ulrich Bareiss
Inszenierung & Choreografie: Iris Limbarth
Bühnenbild: Britta Lammers
Kostüme: Heike Korn
Video-Design: Benjamin Geipel
Licht: Oliver Porst
Abendspielleitung: Angelina Krauß
Regieassistenz: Sarah Zimmermann
Choreografische Assistenz: Steffi Brummund
Dance Captain: Lars Hofmann
Kostümassistenz: Dea Bejleri
Inspizienz: Michael Schmiedel, Julia Rocker
Besetzung:
Dr. Jekyll | Mr. Hyde: Tim Speckhardt / Maximilian Schneider
Lucy Harris: Denia Gilberg / Lilli Trosien
Lisa Carew: Anastasia Bechtold / Zoe Krawinkel
Nellie: Katharina Hoffmann
Gabriel John Utterson: Dwayne Gilbert Besier / Jakob Höhler
Sir Danvers Carew: Felipe Salazar / Maximilian Schneider
Simon Stride: Jakob Höhler / Sohail Bafaiz
Lady Beaconsfield: Viktoria Reese
Bischof von Basingstoke | Pfarrer: Lukas Werner Müller
Lord Glossop | Vater Jekylls: Nis Hansen / Timur Hökelekli
Spider: Linus Weinbrenner
Lord Savage: Sarah Zimmermann / Steffi Brummund
Sir Archibald Proops: Matthew Laszlo von Pokorny / Lars Hofmann
Poole, Butler | Biset, Apotheker: Lars Hofmann / Maximilian Mamsch
Zeitungsjunge: Linda Sandretto / Anna Priester
Kind: Alissa Volk / Karyna Fedorko
Zofe: Winta Tewelde
Dienstmädchen: Zoë Hoffard / Wendy Carolina Marcillo Escobar
Polizist: Jan Vincent Riewe
Ensemble (Irrenanstalt, Rote Ratte, Hyde’s Gang, Feine Gesellschaft, Ministranten, Volk): Marei Bär, Stefanie Brummund, Wendy Carolina Marcillo Escobar, Karyna Fedorko, Zoë Hoffard, Sophie Plotnikov, Viktoria Reese, Winta Tewelde, Alissa Volk, Sarah Zimmermann, Anastasia Bechtold, Zoe Krawinkel, Linda Sandretto, Anna Priester, Maximilian Mamsch, Jan Vincent Riewe, Tim Speckhardt, Nis Hansen, Lars Hofmann, Timur Hökelekli, Sohail Bafaiz, Jakob Höhler, Felipe Salazar, Matthew Laszlo von Pokorny, Linus Weinbrenner
Orchester:
Frank Bangert – Dirigent
Uli Bareiss – Klavier, Keyboard
Antonia Kessler – Keyboard
Jens Hunstein / Stephan Völker – Querflöte, Altflöte, Sopransax
Bodo Christmann – Altsax, Klarinette, Bassklarinette
Joachim Braun / Heiko Hubmann – Trompete
Lisa Griebl – Posaune
Florentin Heinrich – Horn
Clara Holzapfel – Violine
Eduardo Sabella / Christian Spohn – Kontrabass
Holger Dietz – Schlagzeug
staatstheater-wiesbaden.de