Comedymusical »Der kleine Horrorladen« gewitzt und temporeich am Staatstheater Mainz

Der kleine Horrorladen ~ Staatstheater Mainz ~ Seymour (Vincent Doddema), Audrfey II ~ © Andreas Etter

Was für eine super Stimmung im Saal, schon bevor es los geht! Im Großen Haus des Staatstheaters Mainz herrscht eine im positiven Sinne aufgeregte, nervöse Stimmung. Es ist größtenteils mit jungen Zuschauer:innen gefüllt, die sich alle auf die bevorstehende Aufführung zu freuen scheinen. Keine Selbstverständlichkeit und vergleichbar, wie bei einer Aufführung der Rocky Horror Show. Während diese bereits als Musical entstand, gab es von Der kleine Horrorladen zunächst nur einen Film (1960). Erst 1982 erblickte die Musicalfassung von Howard Ashman (Buch & Text) und Alan Menken (Musik; u. a. Die Schöne und das Biest und Aladdin) in New York das Licht der Welt. Dort feierte es Off-Broadway, also in einem etwas kleineren Theater, mit über 2209 Vorstellungen große Erfolge. 1986 folgte eine Verfilmung der Musicalversion.

Die Inszenierung von Christian Brey am Staatstheater Mainz kommt mit deutlich weniger Darsteller:innen und Musiker:innen aus, als das gleichfalls im Spielplan stehende groß angelegte Musical Sweeny Todd. Wobei hier Mitglieder des Schauspiel- und nicht des Opernensembles beteiligt sind.
Brey ist mit Mel Brooks Satire The Producers in bester Erinnerung. Der kleine Horrorladen zeigt er nah am Original.

Der kleine Horrorladen
Staatstheater Mainz
Audrey (Maike Elena Schmidt), Seymour (Vincent Doddema), Mr. Mushnik (Holger-Kraft)
© Andreas Etter

Im Zentrum steht, wie bei jeder Inszenierung dieses Musicals, die gefräßige und stetig wachsende Audrey II. Eine fleischfressende Pflanze unbekannter Herkunft, die nichts anderes als die Weltherrschaft anstrebt. Klingt skurril und ist es auch. Vor allem ist es aber ein großer Spaß, der mit herrlich viel Elan und Pep umgesetzt wird.

Die Bühne zeigt den in der Skid Road (East Side von New York) gelegenen Laden von Mr. Mushnik, mit seitlichen Außen- und Feuertreppen und einer Skyline im Hintergrund, in den 1960-ern. Für die Zahnarztpraxis von Dr. Orin Scrivello wird ein Behandlungsstuhl vor weiße Vorhänge geschoben, sein Motorrad ist per lautstarker Soundzuspielung wahrnehmbar (Bühne: Anette Hachmann).

Der kleine Horrorladen
Staatstheater Mainz
Ronette (Stefanie Koehm), Crystal Chiffon (Jamie-Lee Uzoh), (Maureen MacGillavry)
© Andreas Etter

Vielseitig sind die Kleider für die drei Soul-Girls/Schulmädchen (vom Prolog bis zum Finale strahlend und attraktiv: Stefanie Köhm, Maureen MacGillavry und Jamie-Lee Uzoh), die bei fast jedem ihrer zahlreichen Auftritte ein anderes charmantes Outfit tragen (Kostüme: Elisa Limberg).

Schauspieler Vincent Doddema gibt mit starker Präsenz den liebenswerten Nerd Seymour, der sich erst liebevoll um Audrey II kümmert („Wachs für mich“), dann aber ihr Opfer wird. Die naive und stets verletzungsgefährdete Audrey der Maike Elena Schmidt nimmt vom ersten Auftritt an stark für sich ein und berührt mit Ihrem Traum vom trauten Heim im Grünen („Im Grünen irgendwo“). Am stärksten in Erinnerung bleibt der Besuch eines masochistischen Patienten (schmerzfrei genießend: Henner Momann; mit weiteren Rollen) beim sadistischen, lachgasssüchtigen und überdrehten Zahnarzt Dr. Orin Scrivello (groß auffahrend: Klaus Köhler). Diese Szene ist definitiv nichts für Personen mit einer Zahnarztphobie, denn Blut und Zähne spritzen hier ordentlich. Wobei es eigentlich Seymour ist, der den Zahnarzt aufsucht.
Den unnachgiebigen und nur aus Not zur Vaterschaft bereiten Mr. Mushnik verleiht Holger Kraft strenge Züge. Ein Gewinn für diese Produktion ist nicht zuletzt Robert Collins mit tief grundierter Stimme für die undurchsichtige Audrey II („Gib´s mir“).

Die Liveband spielt unter der musikalischen Leitung von Tobias Cosler Menkens sanfte Rockmusik groß heraus.

Am Ende der besuchten zweiten Vorstellung riesiger Jubelschlussapplaus und sofortige stehende Ovationen für diese liebevolle Inszenierung. Mit „Jetzt hast du Seymour“ im Ohr verlässt man beschwingt das Haus am Gutenbergplatz, auch wenn sich Christian Brey für den Originalschluss ohne Happy End entschieden hat.

Markus Gründig, März 23


Der kleine Horrorladen

(Little Shop of Horrors)
Musical

Buch und Gesangstexte von: Howard Ashman
Musik von: Alan Menken
Nach dem Film von: Roger Corman, Drehbuch von Charles Griffith
Deutsch von: Michael Kunze

Uraufführung: 27. Juli 1982 (New York, Orpheum Theatre)
Deutschsprachige Erstaufführung: 7. Mai 1986 (Wien, Szene Wien)

Premiere am Staatstheater Mainz: 4. März (Großes Haus)
Besuchte Vorstellung: 6. März 23

Inszenierung: Christian Brey
Musikalische Leitung: Tobias Cosler
Bühne: Anette Hachmann
Kostüme: Elisa Limberg
Choreografie: Kati Farkas
Puppendesigner: Erik Raskopf
Licht: Ulrich Schneider
Dramaturgie: Rebecca Reuter

Besetzung:

Audrey: Maike Elena Schmidt
Seymour: Vincent Doddema
Mr. Mushnik: Holger Kraft
Audrey II (Pflanze/Stimme), Saufbruder: Robert Collins
Dr. Orin Scrivello, Blumenhändler, Anwohner: Klaus Köhler
Kunde, Arthur Denton, Geschäftsmann, Wink Wilkinson, Bernstein, Mrs. Luce, Skip Snip, Patrick Martin: Henner Momann
Crystal, Dance Captain: Beatrice Reece
Chiffon: Jamie-Lee Uzoh
Ronette: Stefanie Köhm
Cover Soul-Girls: Maureen MacGillavry
Puppenspieler*innen: Svea Schiedung, Colin Danderski, Sean Grimm
Band: Tobias Cosler (Klavier), Till Vogelgesang (Keyboard), Jacob Stock (Bass), Patrick Fa (Schlagzeug), Max Grund (Gitarre)

staatstheater-mainz.com