Staatstheater Mainz erzielt mit Mel Brooks Musical »The Producers« einen Volltreffer

The Producers ~ Staatstheater Mainz ~ Max Bialystock (Michael Kamp), Ensemble ~ © Andreas Etter

Es sind knapp drei Stunden, inklusive einer Pause, die das Musical The Producers am Staatstheater Mainz dauert. Drei Stunden, die im Fluge vergehen und drei Stunden unbeschwerte Heiterkeit bieten. Mit bissiger Satire, gespickt mit Frivolitäten und zahlreichen ironischen Anspielungen nicht nur auf den Broadway und seine Macher, auch auf lüsterne alte und wohlhabende Damen, auf tuntige Schwule und nicht zuletzt auf Adolf Elisabeth Hitler.

Gezählt an den gewonnenen Tony-Awards, den höchsten US-amerikanischen Theaterauszeichnungen, ist The Producers das erfolgreichste Musical. 2001 wurde es mit 12 Tony-Awards ausgezeichnet, darunter als „Bestes Musical“. Kein Musical hat je mehr Tony-Awards bei einer Verleihung bekommen. Zum Vergleich die gewonnenen Tony-Awards anderer Musicals: A Chorus Line (9), Kiss Me, Kate (10), Hello, Dolly (10), Anatevka (10), Sweeney Todd (10; ab November 19 am English Theatre Frankfurt), Billy Eliot (10), La Cage Aux Folles (11) und Hamilton (11). Neben 33 Previews gab es am Broadway im Zeitraum von 2001 bis 2007 insgesamt 2.502 Vorstellungen, dazu wurde es im Londoner Theatre Royal, Drury Lane über zwei Jahre gespielt und 2005 groß verfilmt (u. a. mit Nathan Lane, Matthew Broderick, Uma Thurman).
Im deutschsprachigen Raum führt das Musical dennoch ein Schattendasein, obwohl es bereits vor über zehn Jahren für die deutschsprachige Erstaufführung im Wiener Ronacher (2008) übersetzt wurde. Die jetzt erfolgte, rundweg gelungene, Umsetzung am Staatstheater Mainz unter der Regie von Christian Brey kann dazu beitragen, dass es künftig öfters auf den Spielplänen erscheint.


The Producers
Staatstheater Mainz
Ulla (Maike Elena Schmidt), Leo Bloom (Vincent Doddema)
© Andreas Etter

New Yorker Skyline Ansichten umrahmen die Bühne, die sich durch herabgelassene Lichttransparente schnell in die 44th-Street wandelt, wo sich das Shubert Theatre befindet, dem Ort, indem das schlechteste Musical der Welt aufgeführt wird (um dann mit der Kohle der Investoren nach Rio abhauen zu können, so die Idee der listigen Producer). Aus dem Bühnenuntergrund fährt mittels Hubpodien das Büro Max Bialystocks hoch, auf dessen Dach spielt die Szene mit dem leicht wahnsinnigen Stückautor und Alt-Nazi Franz Liebkind (bayrisch sprechend: Henner Momann) und seinen munteren Tauben (die Flügel mit Hakenkreuzen tragen und die deutsche Nationalhymne gurren). Eindeutig-zweideutig ist die Buchsbaumpracht beim Tanz der alten Damen mit ihren Gehhilfen (Ausstattung: Anette Hachmann), vielseitig die Choreografie von Kati Farkas (die auch nicht vor einer Hakenkreuzformation zurückschreckt). Die Mitglieder des Musicalensembles sind in vielen verschiedenen Rollen und wechselnden Geschlechtern zu erleben. Sei es als Theaterbesucher, golden Girls, Showgirls, illustre Theaterleute im Village People-Style, Nazis oder als Strafgefangene.


The Producers
Staatstheater Mainz
Franz Liebkind (Henner Momann), Max Bialystock (Michael Kamp), Leo Bloom (Vincent Doddema)
© Andreas Etter

Der Schauspieler und Regisseur Christian Brey ist ein Experte für Komödien und Musicals. Am Schauspiel Frankfurt brachte er im Dezember 2014 David Gieselmanns Container Paris und im Dezember 2017 Woody Allens Husbands and Wives in den Kammerspielen auf die Bühne. Die zynisch-bösen Dialogen setzt er punktgenau. Und das Schauspielerische ist auch der Trumpf in der spartenübergreifenden Mainzer Inszenierung. Die Rollen wurden überwiegend mit SchauspielerInnen besetzt, die das Komödiantische perfekt beherrschen und virtuos und temporeich ein Feuerwerk an Slapstick aufbieten (und zudem solide singen und steppen).

Michael Kamp ist ein genial wendiger Broadwayproduzent Max Bialystock, der sich blitzschnell den Gegebenheiten und dem Gegenüber anpassen kann. Vincent Doddema als Pendant dazu, ein verklemmter, aber immer stärker aufblühender Buchhalter Leo Bloom. Maike Elena Schmidt gibt die heiße schwedische Büroleiterin und Darstellerin Ulla. Köstlich ist Monika Dortschy als kurzerhand Halt-mich-grabsch-mich Genannte, die ständig unanständige Spielchen spielen will (und dabei als Milchmädchen von einem gut bestellten Stallburschen träumt). Mit klischeehaften schwulen Attitüden, dabei facettenreich, Dirk Weiler als Regisseur Roger DeBris, sowie als dessen überzogener Assistenz und Lover Carmen Ghia, Altus Alin Deleanu. Armin Dillenberger gibt u. a. den strengen Richter und Steven Ebel ist u. a. als Kevin zu erleben.


The Producers
Staatstheater Mainz
Halt-mich-grabsch-mich (Monika Dortschy), Ensemble
© Andreas Etter

Einen großen Musical-Hit hat das Stück nicht, allerdings haben Songs wie „Wir schaffen das“ oder „Frühling für Hitler“ durchaus Ohrwurmqualität. Das Philharmonische Staatsorchester Mainz unterstreicht unter der Leitung von Paul-Johannes Kirschner den hohen Unterhaltungswert des Stückes mit viel Verve.

Euphorischer Applaus für dieses charmante wie respektlose Comedymusical schon während der Vorstellung und dann auch am Ende.

Markus Gründig, September 19


The Producers
Musical von Mel Brooks und Thomas Meehan

Premiere am Staatstheater Mainz: 28. September 19 (Großes Haus; spartenübergreifend)

Musikalische Leitung: Paul-Johannes Kirschner
Inszenierung: Christian Brey
Choreografie: Kati Farkas
Ausstattung: Anette Hachmann
Licht: Jürgen Kolb
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez, Rebecca Reuter

Besetzung:

Max Bialystock: Michael Kamp
Leo Bloom: Vincent Doddema
Franz Liebkind: Henner Momann
Roger DeBris: Dirk Weiler
Carmen Ghia: Alin Deleanu
Ulla Inga Hansen Benson etc.: Maike Elena Schmidt
Mr. Marks, Richter, Jason, Churchill, Wachtmeister, Kartenabreißer, Gefängnisbeauftragter: Armin Dillenberger
Sturmtruppenmann, Kevin, Jack, Gunther: Steven Ebel
Halt-mich-grabsch-mich: Monika Dortschy

Musicalensemble: Claudia Artner, Yoko El Edrisi, Charlotte Katzer, Natascha Page, Silvana Schollmeyer, Sarah Steinemer, Francesco Riccardo Dall´Aglio, Brady Harrison, Matthias Knaab, Max Menéndez Vázquez, Lászlo Nágy, Maximilian Vogel,Anna Heldmaier, Kevin Gordon Valentine

Philharmonisches Staatsorchester Mainz

staatstheater-mainz.de