kulturfreak.de Besprechungsarchiv Liederabende etc., Teil 9

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Liederabend Mark Padmore (Tenor), Simon Lepper (Klavier)

Oper Frankfurt, 21. Juni 16

Eine abwechslungsreiche Liederabendsaison ist nun an der Oper Frankfurt zu Ende gegangen. Als letzter stellte sich der britische Tenor Mark Padmore vor. Es war ein bemerkenswerter Abend. Nicht, weil die Straßen und U-Bahnen in Frankfurt ob des Fußball EM-Länderspiels Deutschland-Irland leergefegt waren, wie sie es sonst nur an Heiligabend sind, sondern weil Padmore ein einzigartiger Liedsänger ist. Sein Markenzeichen: eine jung klingende, schlanke und sicher geführte Stimme und eine akzentfreie Aussprache. Der Ankündigungstext im Magazin der Oper Frankfurt von Dramaturgieassistentin Stephanie Schulze bringt es auf den Punkt: „Der gebürtige Londoner verfügt über ein Instrument, dass mit erstaunlichem Glanz, der fast knabenhaften Höhe und einer unnachahmlichen Reinheit besticht, die es dem Zuhörer nicht leicht machen den Gedanken an Perfektion zu verdrängen.“

Liederabend Mark Padmore (Tenor), Simon Lepper (Klavier)
Oper Frankfurt
Simon Lepper, Mark Padmore
© Wolfgang Runkel

Bei seinem Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt präsentierte er selten gesungene Lieder von bekannten Komponisten (Brahms, Schubert, Schumann und Wolf). Insgesamt waren es beachtliche 31 Lieder, die er in bester Liedersängermanier vortrug. Ohne ausliegende Noten, mit dezenter Körpersprache und mit in traumhafte Sphären führende Klangfarben.
Zu Beginn gab es den Liederkreis Opus 24 von Robert Schumann. Diese neun Lieder mit Texten aus Heinrich Heines „Junge Leiden“ stehen symptomatisch für Lieder der Romantik. Sie zeugen von Liebessehnsucht, Abschied und Todesstreben. Herausragend hier: „Ich wandelte unter den Bäumen“, das Padmore voller Sanftmut gestaltete und erstmals seine betörende Höhe präsentierte („…und schlich mir ins Herz hinein…“). Einmalig dabei auch sein Pianissimo.
Auf den Liederkreis folgte Brahms. Zunächst frohen Mut ausdrückend „Es liebt sich so lieblich im Lenze“, „Sommerabend“, „Mondenschein“ und „Es schauen die Blumen alle“. Mit der bewegten „Meerfahrt“ kehrte sich die Stimmung um und in die Pause ging es dann mit einem bedächtigen „Der Tod, das ist die kühle Nacht“.
Im Schubert-Block nach der Pause ragten die drei Gesänge des Harfners heraus, mit einem unter die Haut gehenden „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“.
Eine gänzlich andere Stimmung, ohne aber seine grundsätzlich geerdete Haltung aufzugeben, präsentierte Padmore dann mit den abschließenden Liedern von Hugo Wolf. Vom schon heiter gestimmten „Der Rattenfänger“ ging es über „Blumengruß“ und „Phänomen“ zu vier Trinkliedern (wie „Trunken müssen wir alle sein“ oder „Was in der Schenke waren heute“). Sie wurden eingeleitet vom unorthodoxen „Ob der Koran von Ewigkeit sei“.
Zwischen den Liedgruppen und am Ende gab es starken Applaus. Im Zustand des Rausches wollte Padmore, wie er in seiner kurzen Ansprache auf deutsch sagte, dass Publikum nicht zurücklassen. Und so gab es als Zugabe dann noch einen Schubert („Die Götter Griechenlands“).
Padmore wurde von dem englischen Pianisten Simon Lepper begleitet. Er ist neben seinem künstlerischen Schaffen als Professor am Royal College of Music in London tätig. Von manch impulsiv vorgetragenen Vor- und Nachspielen abgesehen, korrespondierte sein bedächtiges Spiel mit Padmores Vortragsstil.

Wer diesen Abend versäumt hat: Am 2. Juli 16 ist Mark Padmore beim Rheingau Musik Festival zu Gast. Auf Schloss Johannisberg wird er Schuberts „Die Winterreise“ singen.
Nach der Sommerpause eröffnet am 11. Oktober 2016 Andreas Schager, Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper, die Liederabendsaison 2016/17 an der Oper Frankfurt.

Markus Gründig, Juni 16


Liederabend Warschau-Frankfurt-Transit

Oper Frankfurt, 2. Juni 16 (Holzfoyer)

Zweimal pro Saison finden in Frankfurt/M Soireen des Opernstudios statt, bei denen der künstlerische Nachwuchs ganz genau in Augen- und Ohrenschein genommen werden kann. Opernstudios zur vertiefenden Ausbildung des Gesangsnachwuchses gibt es, nicht zuletzt vieler privater Förderer, nicht nur an der Oper Frankfurt, sondern auch an vielen anderen Opernhäusern. Wie in Warschau am Teatr Wielki, der Polnischen Nationaloper. Dort gibt es sogar zusätzlich ein Förderprogramm für junge Pianisten, die sich auf die Arbeit mit Sängern spezialisieren wollen. Bernd Loebe, Intendant der Oper Frankfurt, wurde in 2014 für einen Workshop in Warschau verpflichtet und gemeinsam mit dem dortigen Intendanten Waldemar Dąbrowski entstand die Idee für ein Austauschkonzert. Der Titel „Frankfurt-Warschau-Transit“ passt nicht nur wegen der Ortsbezüge, sondern auch durch den Zusatz „Transit“, denn die jungen Künstler befinden sich in einer wichtigen und ihr Leben prägenden, Übergangsphase zwischen Grundausbildung und Karriere, gewissermaßen in einem Zustand der Transformation.

Das Frankfurter Publikum hatte bei diesem Abend, der bereits zum zweiten Mal stattfand, nicht nur die Gelegenheit, vier Sänger des Frankfurter Opernstudios zu erleben, sondern auch vier Sänger aus Warschau. Wenn das nicht purer Luxus ist: Insgesamt acht Sänger und vier Pianisten boten ein höchst anspruchsvolles klassisches Liederprogramm (jeder sang zwei bis vier Lieder). Die künstlerische Gesamtleitung hatte der in Israel geborene Eytan Pessen inne, der zusätzlich auch am Klavier begleitete. Überwiegend selten gesungene und somit recht unbekannte Lieder waren Bestand des Programms. Von der Akademia Operowa spielten die Pianisten Michał Goławski , Mariusz Kłubczuk und Oleksandr Yankevych. Gesungen wurde ausschließlich auf Deutsch. Doch das heißt nicht, dass die vier ausgewählten Sänger des Frankfurter Opernstudios hier bevorteilt wurden. Denn diese Vier stammen nicht aus Deutschland: Die Mezzosopranistin Julia Dawson wurde in England geboren, die Koloratursopranistin Danae Kontora in Griechenland, der Tenor Ingyu Hwang in Korea und die Sopranistin Jessica Strong in Kanada.

Eröffnet wurde der Abend von Danae Kontora, die mit ihrer hellen und gehaltvollen Stimme zwei heiter anmutende Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy präsentierte: „Gruß“ und „Auf Flügeln des Gesanges“ (begleitet von Eytan Pessen).

Dieser wurde sogleich mit schwermütigen Liedern fortgesetzt: mit Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ und „Ständchen“, dargeboten von der Altistin Magdalena Pluta (begleitet von Eytan Pessen). Im zweiten Teil sang sie noch Strauss´ “Zueignung“ (begleitet von Oleksandr Yankevych). Sie verfügt nicht nur über eine volle, tief grundierte Stimme, sondern auch über eine einzigartige Klangfarbe mit Wiedererkennungsfaktor.

Mit schwerer Kost ging es dann auch weiter. Der Tenor Maciej Kwaśnikowski gab mit kräftiger Stimme Gustav Mahlers anmutigen „Frühlingsmorgen“, Hugo Wolfs „Schlafendes Jesuskind“ und Robert Schumanns „Mein Schöner Stern“, sowie „Meine Rose“ (er wurde von Michał Goławski begleitet).

Der Bariton Damian Wilma bot mit schönen Klangfarben Hugo Wolfs „Morgenstimmung“ und Robert Schumanns „Der Soldat“, „Der Spielmann“ und „Verratene Liebe“ (begleitet von Oleksandr Yankevych).

Sehr präsent und als charmante kleine Diva präsentierte sich Julia Dawson bei Arnold Schönbergs „Galathea“, sowie bei Robert Schumanns „Intermezzo“ und liebreizend bei „Die Stille“ (begleitet von Mariusz Kłubczuk).

Jessica Strongs Bühnenpräsenz wurde hier ja schon an anderer Stelle positiv vermerkt. Sie sang souverän und ausgereift von Richard Strauss: „Die Nacht“, „Allerseelen“ (begleitet von Eytan Pessen) und „September“ (begleitet Mariusz Kłubczuk).

Mit seinem besänftigend wirkenden Bass verzauberte Paweł Kołodziej bei Richard Strauss´ „Im Spätboot“ (begleitet von Eytan Pessen) und „Wie schön ist doch die Musik“ (aus Die schweigsame Frau, mit dem sehr tiefen und lang gehaltenem Ende „Aaah!“), sowie „Seid ihr um mich, ihr Hirten alle? (aus Daphne), (begleitet von Michał Goławski).

Dem Tenor Ingyu Hwang zuzuhören ist ob seiner klar fokussierten Stimme stets ein großes Vergnügen. Souverän bot er Richard Strauss´ „Ach Lieb ich muss nun scheiden“, „morgen“ und das kurze flotte „Breit´über mein Haupt“ (begleitet von Eytan Pessen).

Von allen acht Sängern wurde mit großer Deutlichkeit gesungen, wie auch die vier Pianisten feinfühlig begleiteten (Oleksandr Yankevych dabei besonders temparamentvoll).

Viel Applaus.

Der Abend wurde am Mittwoch, dem 22. Juni 2016, im Redoutensaal des Teatr Wielki / Opera Narodowa in Warschau wiederholt.

Markus Gründig, Juni 16


Liederabend Matthew Polenzani (Tenor), Julius Drake (Klavier)

Oper Frankfurt, 31. Mai 16

Chapeau!

Eigentlich hätte er schon viel früher kommen sollen, nämlich am 13. März 2013. Doch krankheitsbedingt musste der amerikanische Tenor Matthew Polenzani damals seinen Liederabend an der Oper Frankfurt absagen. Für ihn sprangen 2013 die Mezzosopranistin Paula Murrihy (die ab Sonntag in der Neuinszenierung von Bizets Carmen in der Titelrolle zu erleben ist) und der Tenor Simon Bode ein, am Klavier wurden sie von Jan Philip Schulze begleitet. Jetzt, gut drei Jahre später, hat es geklappt. Dabei ist der Terminkalender von Matthew Polenzani prall gefüllt. Mit Terminen an allen großen internationalen Häusern. An der New Yorker Metropolitan Opera, wo er 2008 mit dem Beverly Sills Award ausgezeichnet wurde, sang er bereits in über 400 Vorstellungen. Zuletzt, im März und April 2016, an der Seite von Elina Garanca, die Titelrolle von Donizettis Roberto Devereux. Doch auch an der Oper Frankfurt ist er kein Unbekannter. Hier begeisterte er schon vor Jahren mit zwei seiner Glanzpartien: Edgardo (Lucia di Lammermoor) und Faust (Fausts Verdammnis).

Für sein Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt wählte er mit Schuberts Liedzyklus „Die schöne Müllerin“ einen Klassiker. Dabei stellte er sich dem Vergleich namhafter Kollegen, wie Klaus Florian Vogt und Daniel Behle, die hier diesen Zyklus zuletzt präsentiert hatten (2011 bzw. 2014). Allein sich als Amerikaner einem der bekanntesten deutschen Liedzyklen zu stellen, verdient Respekt (dazu sang er ohne ausliegende Notenblätter). Für Polenzani stellte der Zyklus um die unglückliche Liebesgeschichte eines Müllerlehrlings aber überhaupt kein Problem dar. Er begeisterte das Publikum mit seiner flexiblen lyrischen Tenorstimme und seiner guten Aussprache außerordentlich. Dabei bot er ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geschmeidigkeit und strahlendem Schmelz.
Den Zyklus hat er schon vor mehreren Jahren erarbeitet. Nach längerer Pause sang er ihn, möglicherweise zur Vorbereitung auf diesen Abend, zuletzt vor einem Monat in der Galvin Hall in der Northwestern Universität von Evanston (nahe Chicago) im US-Bundestaat Illinois.

Matthew Polenzani, der mit der Sängerin Rosa Maria Pascarella verheiratet und Vater dreier Söhne ist, zeigte eine außergewöhnliche und faszinierende Präsenz, ohne zu übertreiben. Fein nuanciert fand er für jedes der 20 Lieder eine eigene Haltung, vor allem auch von der vokalen Seite her. Gut gelaunt eröffnete er mit „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und fragte anschließend neugierig „Wohin?“. Seine Wechsel von innigen, intimen Klängen (bei denen er das Können und Talent hat, selbst im zartesten Pianissimo noch großen Klang zu entfalten), wie bei „Danksagung an den Bach“, und emotionalen Ausbrüchen, wie „Am Feierabend“, gelangen ihm einzigartig fließend und sehr natürlich wirkend. Am Ende von „Am Feierabend“ sah man das Mädchen, das allen eine gute Nacht wünscht, förmlich neben ihm auf der Bühne, so ausdrucksstark war sein subtil dargebotener Gesang. Für Gänsehaut sorgte ob seiner Präsenz „Der Neugierige“, auch hierbei insbesondere in den feinen, ruhigen Passagen. Für seinen stürmischen, fast übermütigen Vortrag von „Ungeduld“ erhielt er sogar Zwischenapplaus (der bei einem Liederabend innerhalb von Liedgruppen ausdrücklich nicht gewünscht ist, doch hier musste sich die Begeisterung beim Publikum entladen). Besinnlich beendete er den Zyklus mit „Des Baches Wiegenlied“. Wobei sein Freund, der Bach, hier oftmals eher wie ein wilder und ungestümer Fluss erschien. Denn sein Begleiter am Klavier, der britische Pianist Julius Drake sorgte mitunter für ein furioses Tempo, beispielsweise bei „Der Jäger“. Dadurch hinterließ der gesamte Zyklus einen frischen Eindruck.

Nicht enden wollender Applaus für Matthew Polenzani und Julius Drake. Und nach langem Zögern gab es dann doch noch eine Zugabe. Auch hierbei zeigte Polenzani großes Feingefühl. Schuberts „Im Abendrot“ („O wie schön ist deine Welt…“) spiegelte auch die Dankbarkeit des Publikums wider.

Markus Gründig, Juni 16


Liederabend Marlis Petersen (Sopran), Stephan Matthias Lademann (Klavier)

Oper Frankfurt, 19. April 16

Die Sopranistin Marlis Petersen gab einen Liederabend an der Oper Frankfurt. Ob sie Schumann, Strauss oder Rihm singt: Natürlichkeit ist Trumpf.
(…)
Selten erlebt man Sängerinnen dieser Extraklasse, die sich eine vollkommen unprätentiöse Art ohne Diva-Allüren bewahrt haben – so locker und unverkrampft stand die überragende Marlis Petersen auf der Bühne der Frankfurter Oper. Zunächst nahm sie ruhig, aber intensiv Blickkontakt mit dem Publikum auf und sang dann Schumanns Frauenliebe und -leben samt seiner verzopften Biedermeier-Texte mit einem emanzipiert freien Fließen, an dem nichts weiblich Unterwürfiges mehr unangenehm aufstieß. (…) 

Bettina Boyens, Frankfurter Neue Presse

Liederabend Marlis Petersen (Sopran), Stephan Matthias Lademann (Klavier)
Oper Frankfurt
Marlis Petersen, Stephan Matthias Lademann
© Barbara Aumüller

(…) Der Hauch eines Petersen’schen „heller (nur empor)“ gleich in der ersten Strophe des ersten Liedes aus Robert Schumanns Frauenliebe und -leben war ein Ereignis und der Abend voll von solchen Momenten: mit ausgefeilten Pointen und minutiösen Sprechgesang-Effekten, mit Temperamentsausbrüchen und trotzdem entspannt.
(…)
Glasklare Deklamation zeichnet Petersens Liedgesang aus, eine kernige, ungemein biegsame, in allen Lagen angenehme, auch angenehm herbe Stimme, die im Delikaten immer etwas gesund Solides behält. Dazu jede Menge Witz und Meisterschaft der erfahrenen Opernsängerin. (…)

Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau

Die Zugaben:
Robert Schumann (1810-1856): „Widmung“ op. 25 / 1 (aus dem Zyklus Myrthen op. 25; 1840)
Richard Strauss (1864-1949): „Zueignung“ op.10 / 1 (aus dem Zyklus 8 Gedichte aus „Letzte Blätter“ von Hermann von Gilm op. 10; 1885)

Wegen Urlaub ausnahmsweise nur Auszüge aus dem Pressespiegel (statt eigener Besprechung).


Soiree des Opernstudios

Oper Frankfurt, 5. April 16

„Sterben und Sterben lassen“

So viele Tote gab es noch in keiner Soiree. Schon bevor der erste Ton erklingt, liegen sieben Mitglieder des Opernstudios der Oper Frankfurt tot auf dem Boden. Sie erwachen zwar wieder, aber nur um erneut und immer wieder zu sterben. So wie die Figuren in den Opern, die sie später einmal verkörpern wollen. Bohemien Mimie stirbt schließlich schon seit 120 Jahren, Dandy Onegin und der adelige Lenski duellieren sich seit 137 Jahren und Orpheus´ Eurydice stirbt gar schon seit 254 Jahren. Und dies immer und immer wieder. Kein Wunder, dass ihnen dabei langweilig ist. Aber weil sie immer noch jung sind, können sie zur Abwechslung ja einfach mal ihre Rollen tauschen und quasi einmal einen anderen Tod erleiden, oder, wie der Mörder Sparafucile, vom Tötenden zum Getöteten werden.

Die zweite Soiree des Opernstudios in der Spielzeit 2015/16 stand unter dem Motto „Sterben und Sterben lassen“. Hierfür hatte es nicht wie sonst üblich, „nur“ Arien- und Liedvorträge gegeben, sondern es gab eine szenische Einstudierung (mit Regieassistentin Dorothea Kirschbaum). So waren die jungen Sänger doppelt gefordert (schauspielerisch und sängerisch). Fast alle Stipendiaten waren beteiligt. Nur die kanadische Mezzosopranistin Julia Dawson nicht, sie fehlte aus gutem Grund. Am kommenden Sonntag gibt sie in Boston ihr Debüt als Angelina in einer speziellen Familienfassung von Rossinis La Cenerentola (was sowohl eine gute Auszeichnung, wie eine gute Übung ist).

Bei dieser Soiree saß das Publikum im Holzfoyer nicht in Blickrichtung der Fensterfront, wie sonst üblich, sondern genau umgekehrt. Vor den Türen zum Treppenhaus war an Traversen ein großer breiter Vorhang befestigt, der sogar ein Stück die Seiten einschloss und so perfekt eine kleine Bühne bot. Zwei kleine Tische und vier Stühle, immerhin etwas Interieur, mehr bedurfte es nicht. Als erste betrat Katharina Ruckgaber die Szene, um sofort den Mimie-Tod zu sterben. Es folgte der Selbstmord Werthers (Gurgen Baveyan) und auch Eurydice (Jessica Strong) fiel schnell um, bis schließlich alle tot vor dem Publikum lagen, um sodann ihr eigentliches Spiel aufzunehmen.

Opernstudio 2015/16 der Oper Frankfurt
(v.l.n.r.) Julia Dawson (Mezzosopran), Ludwig Mittelhammer (Bariton), Danae Kontora (Sopran), Jessica Strong (Sopran), Thomas Faulkner (Bassbariton), Gurgen Baveyan (Bariton), Ingyu Hwang (Tenor), Katharina Ruckgaber (Sopran)
© Wolfgang Runkel

Das gut gelungene PR-Foto vom Opernstudio zeigt glückliche Menschen, die in sich ruhen und doch interessiert und aufgeschlossen nach vorne schauen und dabei auch noch eine harmonische Gruppenstimmung ausdrücken. Dies trifft auch auf die Stimmung bei der Soiree zu. Von Zickenkrieg hinter den Kulissen war nichts zu spüren, es herrschte, auch wenn man sich reihenweise gegenseitig erdolchte und erschoss, eine angenehme Stimmung. Und so konnte man nach einer Stunde so beglückt das Frankfurter Opernhaus verlassen, wie man es am vergangenen Sonntag nach dem außerordentlichen Konzert „Oper ohne Grenze“ getan hat.
Die sieben Sänger haben mit ihren zehn Arien und Duetten das Publikum von sich überzeugt und lassen einen gelassen in die Zukunft blicken, wenn man an den sängerischen Nachwuchs denkt. Sicher sind sie noch in ihrer Zusatzausbildung und sehr unterschiedlich, aber alle sehr vielversprechend. Vier von ihnen sind schon seit der Spielzeit 2014/15 Mitglied des Opernstudios (Gurgen BaveyanThomas FaulknerKatharina Ruckgaber und Jessica Strong), vier seit dieser (Ingyu HwangDanae Kontora und Ludwig Mittelhammer, sowie die an dieser Soiree nicht teilnehmenden Julia Dawson). Gesungen wurden die Arien und Duette, wie es sich gehört, in ihrer jeweiligen Originalsprache (also auf Französisch, Italienisch und Russisch).

Der gebürtige Armenier Gurgen Baveyan gab die Arie des Onegin „Uzhel‘ ta samaya Tat’yana?“ aus Tschaikowskis Eugen Onegin mit sehr viel Gefühl, baritonalem Wohlklang und innigem Vortrag.
Der Bass Thomas Faulkner präsentierte die Arie des Banquo aus Verdis Macbeth („Come dal ciel precipita“), dank seiner umfangreichen Rollenerfahrungen als überaus souveräner und erfahrener Darsteller, mit starker Präsenz. Und seine kräftige Bassstimme ist für diesen Rahmen fast zu klein. Aktuell ist er auch als Vater Farasmane in Händels Radamisto im Bockenheimer Depot zu erleben (wie auch Danae Kontora als heftig verliebter Tigrane).
Einen starken Eindruck hinterließ der koreanische Tenor Ingyu Hwang mit der Arie des Werther „Pourquoi me réveiller“ aus Massenets Werther, mit einem einfühlsamen, fein nuancierten und lyrischen Vortrag und das bei einer sehr außergewöhnlich kräftigen Stimme.
Die griechische Sopranistin Danae Kontora entwickelte sich als mechanische Puppe Olympia aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen „Les Oiseaux dans la charmille“ von zaghaften Marionettenbewegungen im Reifrock hin zu einem mit dem Publikum flirtenden und schließlich gar auf einem Tisch tanzenden Vamp. Das gelang ihr sehr gut). Dazu bewältigte sie die sich zu schwindelerregender Höhe steigernden Koloraturen dieser Arie souverän.
Der deutsche Bariton Ludwig Mittelhammer gab sich charmant, verführerisch und spitzbübisch, zeigte bei der Cavatine des in den Krieg ziehenden Valentin aus Gounods Faust („Avant de quitter ces lieux“) aber auch eine andere, nach innen bezogene Seite.
Viel Charme vermittelte auch die deutsche Sopranistin Katharina Ruckgaber. Für die Barockarie „Che fiero momento“ aus Glucks Orpheus und Erydice formte sie die Stühle kurzerhand zu einer Chaise Lounge. Todesfurcht oder Angst ihren geliebten Ehemann zu verlieren vermittelte sie dabei nicht mit existentieller Not. Diese zeigte auch nicht die gebürtige Kanadierin Jessica Strong mit der Arie der Mimi „D´onde lieta usci“ aus Puccinis La BohèmeStrong ist eine Powerfrau, die schon für sich einnimmt, wenn sie die Bühne betritt. Für solch zarte Figuren ist dies zugleich dann aber auch eine besondere Herausforderung.
Wenn man die Soiree als Battle zwischen den Geschlechtern gesehen hätte, wären die Herren mit ihrem souveränen Spiel, dieses Mal, die Sieger.
Der Spaß der jungen Nachwuchskünstler am Spielen und Singen übertrug sich auch auf das Publikum. Es bedankte sich mit starkem Applaus für diese ausgefallene und lebhafte Soiree der mörderischen Art (die auch das Potential hat, öfters gezeigt zu werden).

Markus Gründig, April 16


Oper ohne Grenzen ~ Konzert für eine offene Kultur

Oper Frankfurt, 3. April 16

Am Ende hielt es das Publikum nicht mehr auf den Plätzen. Mit Standing Ovations bedankten sich die Frankfurter unmittelbar nach dem Ende bei den Gesangssolisten, dem Rezitator, dem Dirigenten und dem Orchester für ein außerordentliches Konzert, das innerhalb von zwei Stunden bekannte Highlights aus der Welt der Oper auf höchstem Niveau präsentierte (inklusive drei Musicalklassiker). 15 Solisten aus den großen Opernhäusern in Berlin (Deutsche Oper und Komische Oper), Duisburg/Düsseldorf, Dresden, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, Wien und Zürich boten ein Programm der Extraklasse.

Das Konzert fand im Rahmen des Konzertzyklus „Oper ohne Grenzen ~ Ein Konzert für eine offene Kultur“ statt. Dabei handelt es sich um eine Initiative, die der Intendant der Oper Frankfurt, Bernd Loebe ins Leben rief. Er ist auch Vorsitzender der Deutschsprachigen Opernkonferenz, ein Zusammenschluss der wichtigsten Opernhäuser im deutschsprachigen Raum. „Mit dieser Veranstaltungsreihe will die internationale Gemeinschaft von Opern- und Kulturschaffenden ein Zeichen für die integrierende Kraft der Kunst und für gelebte Internationalität in gegenseitigem Respekt setzen.“
Den Auftakt machte die Semperoper Dresden am 12. Februar 16, mit einem Opern-Konzert und Gästen aus den beteiligten Opernhäusern unter dem Dirigat von Christian Thielemann. Es folgte die Oper Leipzig am 19. Februar 16, die die Aufführung des Ballettabends „Lobgesang“ dieser gemeinsamen Initiative widmete (dabei standen an diesem Abend vierzig Tänzerinnen und Tänzer des Leipziger Balletts, fünfzig Musiker des Gewandhausorchesters, hundert Sängerinnen und Sänger des Chores sowie des Jugendchores der Oper Leipzig wie auch die Gesangssolisten, Ensemblemitglieder Magdalena Hinterdobler und Martin Petzold sowie als Gast von der Staatsoper Hamburg, exemplarisch für Internationalität, Weltoffenheit und Toleranz). Weitere Konzerte sollen am 18. April 2016 an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg (im Opernhaus Düsseldorf) und am 29. Mai 2016 an der Deutschen Oper Berlin folgen. Für ihren Auftritt verzichten alle Mitwirkenden auf ihre Gage.

© Oper Frankfurt

Vorteil für das Frankfurter Publikum war zudem der bewusst niedrig gewählte Eintrittspreis von Euro 10.00 auf allen Plätzen. Und das für solch eine Darbietung. Pech für jeden, der keine Karte mehr bekommen hat, denn die Veranstaltung war ausverkauft.
Für den erkrankten Bernd Loebe hatte der Chefdramaturg Dr. Norbert Abels die Begrüßung übernommen. Darin betonte er, „mit den humanen Mitteln unserer Musik ein Fanal zu setzen”.
Das Programm war eingereiht in drei Rezitationen, die der großartige Schauspieler und Erzähler Michael Mendl übernommen hatte (hier in dieser Funktion war er zuletzt bei Helmut Lachenmanns „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ zu erleben). Franz Werfels „Die Erschaffung der Musik“, eine Kurzfassung von Lessings „Ringparabel“ und des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwishs „…Denk an den Anderen“ gemahnte, eine Kerze der Hoffnung anzuzünden.

Gesanglich folgte ein Highlight dem Nächsten. Ganz herausragend war Adela Zaharia, trotz angekündigter Indisposition, mit der Arie der Lucia, „Regnava nel Silenzio“, aus Donizettis Lucia di Lammermoor. Hier applaudierte nicht nur das Publikum stark, sondern auch die Musiker.
Das Ensemble der Oper Frankfurt war mit fünf Sängern vertreten. Dem US-amerikanischen Michael Porter
, den Deutschen Björn Bürger (Bariton), Andreas Bauer (Bass), dem südafrikanischen Bass Vuyani Mlinde und der US-amerikanischen Karen Vuong, die für die erkrankte Sopranistin Pumeza Matshikiza (auch aus Südafrika stammend) von der Staatsoper Stuttgart eingesprungen war. Das Opernstudio wurde von der gebürtigen Kanadierin Jessica Strong vertreten.
Die Gäste waren die rumänische Sopranistin Adela Zaharia (Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg), die polnische Mezzosopranistin Adriana Ferfezka (Deutsche Oper Berlin), ihre Landsfrau und Fachkollegin Karolina Gumos (Komische Oper Berlin), die russische Mezzosopranistin Anna Goryachova (Opernhaus Zürich) sowie der südafrikanische Tenor Levy Sekgapane (Semperoper Dresden), der türkische Bariton Kartal Karagedik (Staatsoper Hamburg), seine Fachkollegen Jonathan Michie aus den USA (Oper Leipzig) und Miljenko Turk aus Kroatien (Oper Köln) und der afroamerikanische Bass Ryan Speedo Green (Staatsoper Wien). Am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchester wechselten sich Generalmusikdirektor Sebastian Weigle und der griechische Dirigent Constantinos Carydis ab, der hier ab 5. Juni 2016 Bizets Carmen dirigieren wird.

Auf dem Programm standen Arien aus Opern von Donizetti, Korngold, Mozart, Puccini, Rossini und R. Strauss. Zum Abschluss erklangen Melodien aus Musicals von Bernstein und Webber.

Das finale „Somewhere“ aus Bernsteins „West Side Story“ wurde nicht nur von allen Beteiligten gesungen (bei der Zugabe inklusive Michael Mendl), es geriet auch zu einem ergreifenden Finale dieses fantastischen Konzerts. Wird darin doch davon geträumt, irgendwann und irgendwo einen Ort zu finden, der Frieden gibt, wo der Hass versiegt, Streit verklingt und die Liebe siegt.

Nach dem Konzert wurde am Ausgang für den Verein Teachers on the road gesammelt. Hierbei kam, wie die Oper Frankfurt später mitteilte, ein Betrag von Euro 5.315,24 an Spenden zusammen.

Markus Gründig, April 16

Das musikalische Programm:

Musikalische Leitung Constantinos Carydis:

Andreas Bauer
 (Oper Frankfurt): Arie des Sarasto „In diesen heiligen Hallen“ (Mozart: Die Zauberflöte)
Jonathan Michie (Oper Leipzig): Arie des Papageno „Der Vogelfänger bin ich ja“ (Mozart: Die Zauberflöte)
Björn Bürger (Oper Frankfurt): Auftrittsarie des Figaro: „Largo factotum“ (Rossini: Il barbiere di Siviglia)
Ryan Speedo Green (Staatsoper Wien): Arie des Basilio „La calunnia“ (Rossini: Il barbiere di Siviglia)
Karen Vuong (Oper Frankfurt): Arie der Mimi „Si, mi chiamango Mimi (Puccini: La Bohéme)
Vuyani Mlinde
 (Oper Frankfurt): Arie des Colline „Veccia zimarra“ (Puccini: La Bohéme)
Anna Goryachova (Opernhaus Zürich): Cavatina der Isabella „Cruda sorte“ (Rossini: L´italiana in Algeri)
Levy Sekgapane (Semperoper Dresden): Arie des Lindoro „Languir per una bella“ (Rossini: L´italiana in Algeri)

Musikalische Leitung Sebastian Weigle:

Kartal Karagedik
 (Hamburgische Staatsoper): Arie des Don Giovanni „Deh, vieni alla finestra“ (Mozart: Don Giovanni)
Adela Zaharia (Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg): Arie der Lucia „Regnava nel silenzio“ (Donizetti: Lucia di Lammermoor)
Karolina Gumos (Komische Oper Berlin): Szene des Octavian „Wie du warst“ (Strauss: Der Rosenkavalier)
Miljenko Turk (Oper Köln): Tanzlied des Pierrot „Mein Sehnen, mein Wähnen“ (Korngold: Die tote Stadt)
Adriana Ferfezka (Deutsche Oper Berlin): Cavatina der Norina „Quel guardo il cavaliere“ (Donizetti: Don Pasquale)
Jessica Strong (Oper Frankfurt) / Vuyani Mlinde (Oper Frankfurt): Duett Christine / Raoul (Webber: Das Phantom der Oper)
Jessica Strong (Oper Frankfurt) / Michael Porter (Oper Frankfurt): Duett „Tonight“ (Bernstein: West Side Story)
Alle: Somewhere (Bernstein: West Side Story)


Sebastian Geyer singt Lieder im Holzfoyer

Oper Frankfurt, 30. März 16

Orpheus singt!

Orpheus ist DER Sänger der griechischen Antike. Der Mythos um die Geschichte von ihm und seiner Frau Eyridike wurde von sehr vielen Künstlern verarbeitet. Bekannt sind hierbei Vertonungen von Monteverdi („L’Orfeo“), Telemann („Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe“) oder Gluck („Orfeo ed Euridice“).
Die Figur des Orpheus wählte auch Bariton Sebstian Geyer für seinen Liederabend, den er in der Reihe „… singt Lieder im Foyer“ an der Oper Frankfurt unter dem Motto „Orpheus singt!“ gestaltete. Die Figur des Orpheus ist für Geyer ein alter Bekannter, gestaltete er diese Figur doch 2014 bei Telemanns „Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe“ im Bockenheimer Depot.

Sebastian Geyer
© Barbara Aumüller

Anders als manch berühmte Sängerkollegen, die einfach einen kompletten Liedzyklus wie „Die Winterreise“ wählen, überraschte Geyer mit einem außergewöhnlichen Programm. Dabei zeigte er sich zugleich ganz am Puls der Zeit. Denn im ersten Teil präsentierte er den Zyklus „Lamento d´Orfeo“ für Horn und Klavier des Komponisten Volker David Kirchners (geboren 1942), der 1988 im Rahmen der Europäischen Kulturtage Karlsruhe uraufgeführt wurde und bei Liederabenden eine echte Rarität darstellt. Kirchners jüngste Oper „Gutenberg“ feierte erst wenige Tage vor Geyers Liederabend, am 24. März 2016, ihre Uraufführung an der Oper Erfurt.
Kirchners Zyklus besteht aus 10 Teilen. Er beruht auf Texten des deutschsprachigen Dichters Rainer Maria Rilke, genauer gesagt auf dessen Gedichtszyklus „Die Sonette an Orpheus“. Von diesen insgesamt 55 Sonetten wählte Kirchner sechs Gedichte aus. Er beschreibt darin den Künstler in der Welt, sein Unvermögen („Alles Vollendete fällt“) und die befreiende Wirkung der Kunst („Doch selbst in der Verschweigung. Ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor“). Sebastian Geyer war bei diesem anspruchsvollen Programmteil hoch konzentriert und präsentierte diese modernen Kunstlieder eindrucksvoll. Stets im Wechsel zwischen sehr akkurat gesetzten Tönen, Hauchen und emotionalen Ausbrüchen. Dabei agierte er sensibel mit seinen Begleitern Hilko Dummo (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt/M) am Klavier und Maciej Baranowski (hr-Sinfonieorchester) am Horn. Auch diese beiden waren hier außerordentlich gefordert und bestachen mit ihren Fertigkeiten, die Klangsprache Kirchners plastisch vorzuführen. Dummo spielte dabei nicht nur die Tasten, sondern zupfte mitunter auch an den Saiten. Die Verbindung Solostimme und Horn wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich, schließlich ist das Horn ja nicht das leiseste Instrument. Durch seinen naturalistischen Charakter drückt es für Kirchner gewissermaßen aber auch den Atem aus, Atem als elementarer Teil vokaler Ausdrücke. Und Baranowski gelang es prächtig, den naturnahen Atemcharakter herauszustellen, sei es bei der Liedbegleitung oder bei den rein instrumentalen Intermezzi (Klage und Tanz des Orpheus). Ungewöhnlich hier zudem die Interaktion mit dem Klangkörper des offenen Flügels, in dem die Horntöne widerhallten.

Nach der Pause folgten sieben Lieder von Franz Schubert. Hierbei war der temperamentvolle Darsteller Sebastian Geyer (denkt man an seinen Fürst Basil Basilowitsch in „Der Graf von Luxemburg“) nicht nur wesentlich gelöster, er sang nun auch ohne ausliegende Noten und steigerte sich auch von Lied zu Lied. Herausragend innig und nuanciert vorgetragen: „Augenlied“, „Orpheus“ und „Gruppe aus dem Tartarus“. Zum finalen „Abschied“ fand sich, im Off spielend, auch Maciej Baranowski mit seinem Horn wieder ein. Er begleitete die Gesangspausen einem sanften Echo gleich. Ein grandios anrührender Schluss, sehr viel Applaus für einen außergewöhnlichen Liederabend, leider keine Zugabe.

Markus Gründig, März 16


Liederabend: Sandrine Piau (Sopran) und Susan Manoff (Klavier)

Oper Frankfurt, 1. März 16

Die fabelhafte Welt der Sandrine Piau

Ein Highlight gab es jetzt bei der Liederabendreihe der Oper Frankfurt: Sandrine Piau. Die französische Sopranistin, die sich vor allem als Barocksängerin einen Namen gemacht hat und  u.a. eine umfangreiche Diskografie aufweisen kann, war jetzt erstmals an der Oper Frankfurt zu erleben. Dabei präsentierte sie eine ganz eigene Art der Liedinterpretation, des Kunstgesangs. Im Nu zauberte sie eine magische Atmosphäre auf die Bühne. Sie wirkte teilweise „entrückt“ und speziell, vergleichbar mit der Ausnahmekünstlerin Björk, und doch ganz konzentriert und in sich ruhend. Sie besitzt die Fähigkeit, Töne zu verzaubern, sie in Sphären zu erheben, die eine Aura eines besonderen Wohlklangs erzeugen. Diese haben dann eine besänftigende Wirkung, vergleichbar mit gregorianischen Gesängen.
Auf einem ihrer PR-Fotos und auch auf dem Coverbild ihrer CD “Après un rêve” (erschien 2011) sieht sie zwar nicht aus wie die Schauspielerin Audrey Tautou in ihrer Rolle als Amélie Poulain in „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Verträumt, neugierig und interessiert blickt die französische Sopranistin dennoch daher. Und verführte das Publikum in ihre ganz eigene fabelhafte Klangwelt. Äußerlich gab sie sich stark, souverän, charmant und mit einer fast kindlichen Zurückhaltung. 
Ihr ambitioniertes und umfangreiches Programm, das sie souverän und frei von ausliegenden Noten vortrug, beinhaltete natürlich Lieder aus Ihrer Heimat (Gabriele Fauré, Ernest Chausson und Francis Poulenc), aber auch von Hugo Wolf, Richard Strauss und Benjamin Britten. Damit bot sie nicht nur eine faszinierende Zeitreise durch das Liedschaffen des 19. und des 20. Jahrhunderts, sondern präsentierte sich in drei Sprachen singend gewissermaßen auch als bodenständige Europäerin.

Liederabend: Sandrine Piau (Sopran) und Susan Manoff (Klavier)
Oper Frankfurt
Susan Manoff, Sandrine Piau
© Wolfgang Runkel

Sandrine Piau eröffnete den Abend mit Faurés bewegten und leicht arios vorgetragenen „Sylvie“ und wurde dann von Lied zu Lied immer besinnlicher. Behutsam präsentierte sie „Au Bord de l´eau“ („Am Ufer“) vor, sehr einfühlsam „Après un rêve“ (gleichsam der Titel ihrer mit Susan Manoff aufgenommenen bereits oben erwähnten CD) und verzauberte dann ganz besonders mit „Le secret“ („Das Geheimnis). Den Fauré-Block beendete das populäre „Clair de lune“ („Mondenschein“). Bei den vier ausgewählten Liedern von Hugo Wolfs Mörike-Vertonungen gefiel besonders „Das verlassene Mägdelein“.
Lieder von Ernest Chausson waren bei den letzten Liederabenden in der Oper Frankfurt sehr selten zu hören. Sie bestechen durch eingängige und schöne Melodien. Wie beispielsweise „Les Heures“ („Die Stunden“), „Le Colibri“ („Der Kolibri“ oder „Le Temps des lilas“ („Die Zeit des Flieders“), mit dem Piau sich in die Pause verabschiedete. Ein besonderes Erlebnis war, ihren Interpretationen von drei Strauss-Liedern zuzuhören, da sie diese mit ihrer speziellen Klangfarbe und noblen Ausführung zwar ungewöhnlich, aber sehr einnehmend interpretierte (hier ragte besonders „Morgen“ heraus). Mit Liedern von Francis Poulenc setzte sie ihre musikalische Reise Richtung Moderne fort, die mit drei Liedern von Benjamin Britten beendet wurde. Für das melancholische „There’s none to soothe” (“Niemand, der Trost mir gäbe ”) setzte sie sich, Nähe suchend, bewusst neben ihre amerikanische Pianistin Susan Manoff. Diese erwies sich an diesem Abend als anpackende Unterstützerin für Piau. Stets mit einem strahlenden Lächeln spielte sie mit Verve, konnte sich zugleich aber auch stark zurücknehmen (wenn Piau fast a cappella sang).
Am Ende sehr viel Applaus und drei Zugaben: Claude Debussys „Fantoches: Scaramouche et Pulcinella“, Richard Strauss´ “Epheu” / auch: “Efeu” (Nr. 3 aus dem Zyklus Mädchenblumen, op. 22) und Francis Poulencs „Voyage à Paris“ (Nr. 4 aus dem Zyklus Banalités, FP 10 .

Markus Gründig, März 16


Melodramen und Klavierwerke mit Anja Silja und Andrej Hoteev

Oper Frankfurt, 26. Januar 16

Einen besonderen Abend gab es jetzt im Rahmen der Liederabendreihe der Oper Frankfurt zu erleben, denn Anja Silja, die Grande Dame der Oper, gestaltete ihn. Zur Oper Frankfurt hat die Starsopranistin nicht nur erst seit ihren jüngsten Engagements (2013 als Babuschka in Prokofjews Der Spieler und 2014 als Mumie in Aribert Reimanns Die Gespenstersonate) eine enge Beziehung, sondern schon seit vielen Jahrzehnten. Wurde sie doch hier für Bayreuth „entdeckt“, wo dann ihre beispiellose Weltkarriere startete (zu dem Zeitpunkt war sie gerade einmal 21-Jahre jung). Inzwischen ist natürlich viel Wasser den Main herabgeflossen. Und so bot sie ein außergewöhnliches Programm, das unter dem Titel „Abschied von den Rosen“ stand. Sie präsentierte allerdings keine klassischen Kunstlieder, sondern Melodramen. Das sind gesprochene Texte, die mit Musik begleitet werden. Entsprechend war der Abend auch mit „Rezitation“ angekündigt worden. Dennoch gab es viele Zuschauer, die sie natürlich auch gerne einmal hätten singen gehört.

Melodramen und Klavierwerke mit Anja Silja und Andrej Hoteev
Oper Frankfurt
Anja Silja und Andrej Hoteev
© Wolfgang Runkel

Melodramen sind nicht irgendwelche frei gewählte Texte mit Begleitung. Komponisten wie Franz Schubert, Robert Schumann oder Richard Wagner komponierten extra entsprechende Musiknummern zu Versen bekannter Dichter. So prägt auch diese Konzertmelodramen der Geist der Romantik, mit ihren unerfüllten Sehnsüchten und verlorenem Liebesglück. Später entstandene Werke, wie Anton S. Arenskis „Drei Melodeklamationen“, reflektieren pessimistisch und träumerisch das Leben.

Anja Silja präsentierte die Melodramen, trotz ihrer großen Bühnenpräsenz, zurückhaltend, trug die Texte behutsam vor, ganz so, als handele es sich um kostbare, zerbrechliche Perlen. Ihre Körpersprache und Mimik waren dabei stets zurückhaltend. Auch stärkere Betonungen oder gar emotionale Ausbrüche vermied sie. Dafür sorgte umso intensiver der russische Pianist Andrej Hoteev am Klavier. Er begleitete sie mit sehr viel Enthusiasmus und körperlichem Pathos. Mitunter allerdings so viel, dass sie nicht optimal zu verstehen war.

Zusätzlich war er aber auch zu einem großen Teil als Solist zu erleben. Denn neben den Melodramen präsentierte er solistisch (und ohne ausliegende Noten) eingängige Klavierminiaturen von Schubert, Tschaikowski, Rachmaninow und Prokofjew, die er mit feinen Nuancierungen spielte.

Am Ende dieses ungewöhnlichen Abends sehr viel Applaus für die noch immer sehr beliebte Anja Silja und ihren Klavierbegleiter Andrej Hoteev.

Markus Gründig, Januar 16


Liederabend: Quinn Kelsey (Bass), Llŷr Williams (Klavier)

Oper Frankfurt, 8. Dezember 15

Ein Highlight beendete das Liederabendjahr der Oper Frankfurt (die Saison freilich geht noch weiter): Der Bass Quinn Kelsey. Es zeichnet die Oper Frankfurt und ihr Publikum aus, dass regelmäßig auch Bässe zu Liederabenden eingeladen werden. Und Quinn Kelsey ist ein ganz Besonderer, stammt er doch aus Hawaii, ein Ort, den man nicht unbedingt mit der Königsdisziplin Kunstlied in Verbindung bringt. An der Oper Frankfurt stellte sich Kelsey vor zwei Jahren als Guy de Montfort in Verdis „Die sizilianische Vesper“ vor, aktuell ist er hier auch als Enrico Ashton in Donizettis „Lucia di Lammermoor“ zu erleben (im Wechsel mit Iurii Samoilov). Gerne wird er auch als Bariton ausgegeben. Der Grund hierfür ist, dass sein Stimmumfang beiden Lagen gerecht wird.

Quinn Kelsey wählte für diesen Liederabend ein faszinierendes und anspruchsvolles Programm, quer durch die Jahrhunderte, durch Europa und durch die Sprachen (so sang er auf Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch). Inhaltlich verbunden waren viele Lieder durch ihre Todesthematik. Kelsey präsentierte sein Programm frei (ohne Notenpult) und sehr souverän (wie es allein schon von seiner großen Statue her passt).

Liederabend Quinn Kelsey (Bass) und Llŷr Williams (Klavier)
Oper Frankfurt
Quinn Kelsey, Llŷr Williams
© Wolfgang Runkel

Er eröffnete den Abend klangstark mit Georg Friedrich Händels feierlich und triumphierend anmutenden „Honour and Arms“ aus dem Oratorium „Samson“, gefolgt von zwei weiteren Händelarien (dem kurzen und ruhigen „Vouchsafe, O Lord“ und dem bewegten „I rage…O Ruddier Thant the Cherry“).
Ein besonderes Augenmerk lag natürlich bei seiner Interpretation von Brahms‘ Liedern. Allein auch auf Deutsch zu singen, zeichnet ihn aus und er tat dies mit überraschend guter Textverständlichkeit. Dabei lotete er die Gefühlstiefe der melancholischen Liebeslieder aus. Besonders innig sein Vortrag von „Von ewiger Liebe“, mit einem aufblühenden Ende („…unsere Liebe muss ewig bestehen!“).
Sehr entspannt und souverän wirkte er bei den drei Liedern von Gerald Finzi aus dessen „Let Us Garlands Bring“. Der englische Komponist ist bei uns zu Unrecht relativ wenig bekannt. Alle drei Lieder Finzis präsentierte Kelsey als kleine musikalische Perlen. Mit berührender, balsamisch anmutender Intimität glänzte er insbesondere beim letzten Vers von „Fear No More the Heat o´the Sun“.

Nach der Pause ging es mit bewegten Liedern aus Maurice Ravels Zyklus „Don Quichotte à Dulcinée“ weiter. Am stärksten wirkte Kelsey aber bei den vier meisterlichen Liedern von Modest P. Mussorgski („Lieder und Tänze des Todes“). Hier konnte man sich sehr an Mussorgskis Oper „Chowanschtschina” erinnert fühlen, mit russischer Schwermut pur (würde Kelsey behaupten, er wäre Russe, man würde es ihm sofort abnehmen). Die balladesken Gesänge mit ihrem schwerflüssigen Melos handeln vom Sterben eines Menschen, der vierte vom Massensterben in einer Schlacht (mit dem Tod als einzigem Gewinner).

Mit dem walisischen Pianisten Llŷr Williams hatte er einen vor Energie strahlenden Klavierbegleiter, was sich auch bei seinem Spiel angenehm niederschlug. Seine Fingerfertigkeit konnte er insbesondere bei den anspruchsvollen Mussorgsky Liedern unter Beweis stellen.

Das Publikum war über die Maßen begeistert und spendete ausgiebigen Beifall. Die beiden Zugaben von Peter I. Tschaikowski (Arie des Fürsten Jeletzki: „Ya vas lyublyu“ aus dem II. Akt der Oper Pique Dame) und von Jules Massenet waren, wohl nicht zuletzt, da er jetzt gelöster wirkte, weitere Glanzpunkte. Mit ihren ariosen Zügen setzte Massenets Arie des Hérode („Vision fugitive et toujours poursuivie“) aus dem II. Akt der Oper Hérodiade einen würdevollen Schlusspunkt. Ein i-Tüpfelchen wäre noch gewesen, wenn Kelsey nicht gar so wortkarg gewesen wäre und die Zugaben angesagt hätte (so ein herzlicher Dank an Herrn Engelhardt von der Pressestelle der Oper Frankfurt).

Markus Gründig, Dezember 15


Liederabend: Paula Murrihy (Mezzosopran), Malcom Martineau (Klavier)

Oper Frankfurt, 10. November 15

Besser, dass das Herz dir bricht
Von dem Kuss der Rose,
Als du kennst die Liebe nicht
Und stirbst liebelose.

Friederike Robert (verendet in Mendelssohn „Lieblingsplätzchen“)

Zur Nachwuchsförderung gründete die Oper Frankfurt mit Beginn der Spielzeit 2008/09 ein eigenes Opernstudio. Mittlerweile ist es fest etabliert und bekannt. Im ersten Jahrgang dabei war unter anderem die irische Mezzosopranistin Paula Murrihy. Sie wurde ein Jahr darauf in das Ensemble der Oper Frankfurt übernommen und hatte inzwischen auch Engagements in Toulouse (Théâtre du Capitole), London (Royal Opera House Covent Garden), Santa Fe (Santa Fe Opera), Boston (Boston Lyric Opera), Los Angeles (Los Angeles Opera) und beim Edinburgh International Festival.
An der Oper Frankfurt war sie zu Beginn dieses Jahres in der Titelfigur von Antonio Cestis „L´Orontea“ zu erleben, aktuell gibt sie den „Hänsel“ in Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Im Juni 2016 wird sie in der Titelrolle der Neuinszenierung von Bizets „Carmen“ (Regie: Barrie Kosky) zu erleben sein.
Doch auch der Liedgesang spielt bei ihr eine wichtige Rolle. Mit ihrer Kollegin Brenda Rae gestaltete sie im April 2014 einen Liederabend im Holzfoyer, im März 2013 mit ihrem Kollegen Simon Bode im Opernhaus. Bei letzterem waren die beide für den ursprünglich angekündigten amerikanischen Tenor Matthew Polenzani eingesprungen, der krankheitsbedingt in der Saison 2013/14 alle Termine absagen musste (er wird diesen Liederabend am 31. Mai 2016 nachholen).

Liederabend Paula Murrihy (Mezzosopran) und Malcolm Martineau (Klavier)
Oper Frankfurt
Malcom Martineau, Paula Murrihy
© Wolfgang Runkel

Ihr jetziger Liederabend im Opernhaus der Oper Frankfurt stellt einen Höhepunkt in ihrer bisherigen Karriere dar. Abgesehen von der Formalie, überhaupt einen großen Liederabend gestalten zu dürfen, hatte sie nun auch einen der gefragtesten Klavierbegleiter an ihrer Seite: Malcom Martineau. Im Januar 2014 begleitete er hier die Sopranistin Mojca Erdmann. Jetzt erwies er sich erneut als virtuoser Pianist. Beachtlich, wie vertraut Martineau und Murrihy miteinander agierten. Dank ausgeprägtem empathischen Vermögen auf beiden Seiten waren Blickkontakte die Ausnahme. Dennoch wirkten sie wie eine perfekte Einheit.
Zu den Äußerlichkeiten zählt natürlich auch ihr gewinnendes Auftreten (souverän, dezent und stets mit einem zarten Lächeln). Was den Abend aber zum eigentlichen Höhepunkt ihrer Karriere macht, war ihr anspruchsvolles Programm (quantitäts- und qualitätsmäßig), das sie meisterlich und mit überzeugender Freude an der Liedkunst präsentierte (ganz ohne Noten). Klassischen deutschen romantischen Liedern von Robert Schumann und Felix Mendelssohn im ersten Teil, folgten im zweiten Teil französische von Ernest Chausson und englische von Benjamin Britten. Beendet wurde der Abend mit Traditionals aus ihrer irischen Heimat. Insgesamt waren es 27 Lieder unterschiedlicher Couleur, die sie als großes Ganzes dem Publikum schenkte.

Der erste Teil mit Schumann und Mendelsohn war von einer, dem romantischen deutschen Kunstlied eigenen, Melancholie geprägt. Zu Beginn standen die Sechs Gedichte (Opus 90) von Nikolaus Lenau (der 1850 in geistiger Umnachtung verstarb). Wo das „Lied eines Schmiedes“ noch bewegt und nahezu fröhlich am Anfang stand, bildete das nachfolgende „Meine Rose“ einen ruhigen und sehnsuchtsvollen Kontrast, ähnlich wie „Einsamkeit“ und das „Requiem“ als Schlussstück dieses kleinen Zyklus‘. Bei den „Sechs Gesängen“ von Felix Mendelssohn (fast gleich alt wie Robert Schumann) bestachen vor allem „Erster Verlust“ und „Die Sterne schaun in stiller Nacht“.
Nach der Pause gab es mit nachromantischen Liedern aus Ernest Chaussons „Mélodies“ Raritäten. Zwar hat Chaussons nicht die Bedeutung wie sein Landsmann Gabriel Fauré, dennoch haben Chaussons Liedern eine eigene musikalische Sprache. Davon zeugten vor allem auch „Le colibri“ und „Le temps des lilas“, zwei wunderbare, sich nahezu verzehrende tonmalerische Schwärmereien.
Bei Benjamin Brittens „Cabaret Songs“ konnte Paula Murrihy mehr von ihrem darstellerischen Können präsentieren. Bei „Calypso“ wurde im wahrsten Sinne des Wortes auf Pfaff und Politiker gepfiffen. Ganz besonders gelungen waren das heiter vorgetragene „Tell me the truth about love“ und das mit Anklängen an Koloraturgesang ertönende „Johnny“. Einen schönen Abschluss bildeten die sechs irischen Traditionals, die Murrihy natürlich besonders souverän präsentierte.

Entgegen aller Regeln gab es mitunter auch schon zwischen den Liedgruppen Applaus bei diesem besonders geglückten Liederabend. Paula Murrihy bedankte sich am Ende beim kräftig applaudierenden Publikum mit zwei Zugaben: „Danny Boy“ (dessen Melodie auch als „Londonderry Air“ bekannt ist) und dem a cappella vorgetragenen „Dónal Óg“ („Young Donald“). Allein nach solch einem anspruchsvollen wie umfangreichen Programm noch a cappella singen zu können, zeichnet Paula Murrihy als Ausnahmesängerin aus.

Markus Gründig, November 15


Liederabend: Mauro Peter (Tenor), Helmut Deutsch (Klavier)

Oper Frankfurt, 13. Oktober 15

Nachdem bereits vor genau einem Monat ein junger Sänger einen nachhaltig beeindruckenden Liederabend im Holzfoyer der Oper gestaltete (Iurii Samoilov), eröffnete nun der im schweizerischen Luzern geborene Tenor Mauro Peter die große Liederabendsaison 2015/16 im Frankfurter Opernhaus. Schon während seiner Gesangsausbildung in München widmete er sich dem Liedgesang und genoss dabei Unterricht bei Deutschlands bekanntestem und gefragtesten Liedbegleiter: Helmut Deutsch (bei dem schon Größen wie Jonas Kaufmann oder Christian Gerhaher Liedgesang studierten). Seit der Saison 2013/14 ist der 1987 geborene Mauro Peter Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich, er trat u.a. auch bereits in Berlin, Salzburg und Wien auf.

Im August diesen Jahres erschien bei Sony Classical seine erste Solo CD, bei der er sich ausschließlich mit Liedern von Franz Schubert befasste. Angelehnt an diese CD stand auch sein Programm, das er für sein Debüt an der Oper Frankfurt, die ja jüngst erneut als „Opernhaus des Jahres“ ausgezeichnet wurde, wählte (und das er auch noch in Luzern, Bern, Graz, Wien, Zürich und bei der Schubertiade in Schwarzenberg präsentieren wird).

Liederabend Mauro Peter (Tenor) und Helmut Deutsch (Klavier)
Oper Frankfurt
Mauro Peter
© Wolfgang Runkel

Im ersten Teil präsentierte Mauro Peter eine Auswahl an Liedern nach Gedichten von Goethe, im zweiten die drei Gesänge des Harfners aus Wilhelm Meisters Lehrjahre und darauf folgend sechs weitere Goethe-Lieder, die keinem Zyklus zugeordnet sind. Obwohl solch eine intensive Auseinandersetzung mit nur einem Komponisten seinen Reiz hat und bei Schubert ja wahrlich eine immense Auswahl an Liedern zur Verfügung steht, ist es Geschmackssache, ob die Auswahl nun als gelungen bezeichnet werden kann oder nicht. Klar ist allerdings, dass Mauro Peter über ein großes Talent als Liedsänger verfügt. Trotz seiner Jugend gab er sich schon rein äußerlich sehr entspannt und sang sein Programm ohne Noten. Er verfügt über eine helle, klare Tenorstimme, die ihm insbesondere ein zartes Piano ermöglicht. Sein Liedvortrag ist geprägt von einer ausgewogenen Stimmführung, viel Wärme und guter Verständlichkeit. Gewinnend ist sein stets fröhlicher Gesichtsausdruck.
Er begann den Abend mit einem ungewöhnlichen Lied Schuberts, „Der Sänger“. Ungewöhnlich ist es, weil es recht gefällig ist. Bewegter ging es dann bei „Rastlose Liebe“ zu. Mit „Meeres Stille“ schien er gewissermaßen die Zeit anzuhalten, so ruhig und entschleunigend war sein Vortrag.
Nach dem populären „Der König in Thule“ bildete der leidenschaftliche und ausdruckskräftige „Erlkönig“ den Höhepunkt des Abends. Im zweiten Teil stachen „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ und das traumhaft lyrisch vorgetragene „Erster Verlust“ besonders hervor. Tatkräftig unterstützt wurde er von seinem ehemaligen Lehrer Helmut Deutsch, was an sich schon eine Auszeichnung ist. Am Ende gab es viel Applaus für den sympathisch wirkenden und in sich ruhenden Schweizer, der sich mit drei Zugaben bedankte, natürlich stammten auch diese von Franz Schubert („Heidenröslein“, „Der Musensohn“ und „Schweizerlied“).

Markus Gründig, Oktober 15


Iurii Samoilov singt Lieder im Foyer

Oper Frankfurt, 13. September 15

Noch während in der Oper Frankfurt die Vorbereitungen für die erste Premiere der neuen Spielzeit, Helmut Lachenmanns „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“, auf Hochtouren laufen, fand jetzt die erste Veranstaltung der Reihe „… singt Lieder im Foyer“ statt. Den Abend gestaltete Iurii Samoilov. Der gebürtige Ukrainer war zunächst Mitglied des Opernstudios, seit der Spielzeit 2014/15 gehört er dem Ensemble an. Hier machte er u.a. gleich als Marcello in „La Bohéme“ einen mehr als respektablen Eindruck. Und einen Liederabend gestalten zu dürfen, ist zusätzlich eine Auszeichnung.

Wo Liederabende selbst von erfahrenen Kollegen mitunter nicht souverän und selbstverständlich präsentiert werden, weil die Präsentation von Kunstliedern mehr ist als eine Arie an der Rampe zu singen, überraschte Iurii Samoilov ob seiner Professionalität. Leger in der äußeren Gestaltung, schien er im Liedgesang längst heimisch zu sein, lehnte sich lässig ans Klavier und blieb doch nicht starr an einem Platz stehen. Mit seiner kraftvollen Baritonstimme und seiner charmanten Aura hätte er wahrscheinlich auch keine Probleme, diesen Liederabend auf der großen Bühne zu geben.
Dabei war sein unter dem Motto „Die Leiden des Don Juan“ gestelltes Liedprogramm, mit Werken von Tschaikowski, Mahler, Glière und Tosti, alles andere als einfach. Er sang auf Russisch, Deutsch und Italienisch. Es spricht für ihn, dass er, wiederum im Gegensatz zu manch erfahreneren Kollegen, für sein Vortragen kein Notenpult benötigte.

Zwar hat er für eine feinfühlige Liedpräsentation seine überschäumende jugendliche Energie zu bändigen (ähnlich wie es Kihwan Sim im Juni an gleicher Stelle zeigte). Aber gerade dadurch gelang es ihm hervorragend, den Texten einen markanten Ausdruck zu verleihen (die in ihrer Originalsprache gesungenen Liedtexte waren dankenswerterweise auf Deutsch im Programmheft nachzulesen). Auch bestach er mit einer noblen Piano-Kultur.

Iurii Samoilov
© Barbara Aumüller

„Die Leiden des Don Juan“ waren für Samoilov ein Bündel von Seelennöten, wie sie insbesondere in der Musik von Tschaikowski und Mahler zu finden ist. Mit Tschaikowskis Glanzstück “Don Juans Serenade po. 38.1“ eröffnete er seinen Abend, gefolgt von einem der schönsten Lieder Tschaikowskis: „Inmitten des Balles“. Herausragend in diesem Block vor allem aber „Auf die gelben Felder“ (op. 57,2).
Bei seinem überaus anspruchsvollen, von der Stimmung der von schwarzer Romantik durchzogenem Programm, wandelte er teilweise auf Spuren großer Sänger. Wie beispielsweise Dietrich Fischer-Dieskau, der die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ auch schon in jungen Jahren eindrucksvoll gesungen hat. Samoilov umschiffte auch schwierige, d.h. manch hohe Stelle, wo die Luft dünn wurde, galant.

Der in Kiew geborene Komponist Reinhold Moritzewitsch Glière (1875-1956) ist, anders als Tschaikowski oder Mahler, bei uns als Liedkomponist unbekannt. Zu Unrecht, denn die vier ausgewählten Lieder zeugten von hoher Kunstfertigkeit. Dabei gefiel „Zieht die Nacht…“ durch seinen ruhigeren Stil ganz besonders.
Aus ähnlicher Zeit stammt der italienische Komponist Francesco Paolo Tosti (1846 – 1916;  auch Pianist, Sänger und Professor für Liedgesang), der wiederum einiges bekannter ist, wenn auch bei Liederabenden hier bisher selten Lieder von ihm zu hören waren. Dafür gibt es aber Aufnahmen großer Interpreten des italienischen Repertoires, wie von José Carreras, Luciano Pavarotti oder Renato Bruson. Ein Kleinod stellte „Non t’amo più“ (Ich liebe dich nicht mehr“) dar, das Samilov berührend interpretierte.

Am Klavier unterstütze ihn zuverlässig Hilko Dummno. Er unterrichtet Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt und ist seit dieser Spielzeit für die Begleitung und die künstlerische Programmgestaltung für Liederabende im Holzfoyer der Oper Frankfurt verantwortlich (weshalb ihm für dieses ausgefallene Programm auch ein Lob gebührt).

Großer, stürmischer Applaus zum Ende, Samoilov bedankte sich charmant und mit zwei Zugaben.
Den nächsten Liederabend der Reihe „…singt Lieder im Foyer“ bestreitet die Altistin Katharina Magiera am 28. Dezember 2015.

Markus Gründig, September 15