Die Fortsetzung der Familiengeschichte in drei Teilen
Mit „Ku’damm 77“ wird die Geschichte der Familie Schöllack in der Tanzschule Galant am Kurfürstendamm fortgesetzt. In der Wohnung über der Tanzschule geht es turbulent zu, drei Generationen wohnen nun dort zusammen: die Schwestern Monika (Sonja Gerhardt) und Helga (Maria Ehrich), ihre fast erwachsenen Töchter Dorli (Carlotta Bähre) und Friederike (Marie Louise Albertine Becker) sowie Mutter und Großmutter Caterina (Claudia Michelsen). Nur Eva (Emilia Schüle), die dritte Schwester, ist noch „im Ausland“, wie man ihren Gefängnisaufenthalt umschreibt, doch ihre Entlassung rückt näher.
Sendedaten:
- Online im Stream: Alle Folgen ab 27. Dezember 2025, ab 10.00 Uhr, ein Jahr lang (6×45 Minuten)
- Ausstrahlung im ZDF: Montag 12., Dienstag 13. und Mittwoch 14. Januar 2026, jeweils 20.15 Uhr (3×90 Minuten)
Drei Frauengenerationen in der Familiensaga
Statement der ZDF-Redaktion, Heike Hempel, Präsidentin des ARTE-Vorstands und Hauptredaktionsleiterin sowie Beate Bramstedt und Bastian Wagner, HR Fernsehfilm/Serie II
Mit „Ku’damm 77“ kehrt die preisgekrönte Familiensaga um die Schöllacks zurück – und führt uns mitten hinein in das Berlin des Jahres 1977. „Ku’damm“-Schöpferin Annette Hess lässt ihre Schöllack-Frauen erneut heftig aufeinander prallen bei deren Versuch, ihr Leben angesichts von RAF-Terror, aufkeimender Drogenproblematik und dem Versprechen gleißenden Disko-Fiebers auszubalancieren.

© ZDF und Conny Klein
Wir treffen die „Ku’damm“-Familie in den 70er-Jahren wieder, das ist ein großer Zeitsprung, bietet uns aber die Möglichkeit, gleich drei Frauengenerationen erzählen zu können. Die (rebellischen) Töchter von einst sind nun selbst Mütter und bleiben gleichzeitig dennoch auch Töchter. Der geniale Kniff von Annette Hess, einen Dokumentarfilm im Film zu erzählen, bietet reizvolle Einblicke in die Seelen unserer Figuren und ist ein großartiges Element, auch Figurenhintergründe, wie Caterinas schwere Jugend, zu einem eindringlichen Teil der Handlung werden zu lassen.
Annette Hess, deren Handschrift den „Ku’damm“-Kosmos prägt, fügt hier noch ein weiteres Stilmittel hinzu. Gemeinsam mit Regisseur Maurice Hübner und dem schon fast ikonographischen Cast um Claudia Michelsen, Sonja Gerhardt, Emilia Schüle, Maria Ehrich und neu: Marie Albertine Louise Becker, Carlotta Bähre sowie Massiami Diaby hat Annette Hess die Marke „Ku’damm 77“ zu einem sehr besonderen, intensiven Fernseherlebnis werden lassen.
Statement von Marc Lepetit und Nico Hofmann, Produzenten UFA FICTION
Seit der ersten Staffel haben wir uns vorgenommen, „Ku’damm“ an authentischen Drehorten in Berlin zu drehen. Aber das wird komplexer – Berlin verändert sich, unser Anspruch an die Locations ist hoch und Budgets und Drehrealitäten in Deutschland machen es schwieriger, solche Produktionen auf die Beine zu stellen.
Die großartigen Teams um Susanne Abel (Szenenbild), Judith Holste (Kostümbild) und Jeannette Latzelsberger (Maskenbild) haben eine detailreiche Welt erschaffen, in der man in Erinnerungen schwelgt – oder einen unbekannten Zeitgeist für sich entdeckt. Wir wollen die 70er spürbar machen.
Nach zehn Jahren fühlt sich die Arbeit mit allen Gewerken vertrauensvoll, fast schon familiär an – und so war auch die Zusammenarbeit mit dem ZDF und den beiden Redakteuren Beate Bramstedt und Bastian Wagner immer auf Augenhöhe. In Diskussionen, und natürlich waren diese auch kontrovers und intensiv, hat man konstruktiv nach Lösungen gesucht und diese gefunden.
Mit „Ku’damm 77“ zeigen Annette Hess, Regisseur Maurice Hübner, DoP (Director of Photography) Michael Schreitel und das komplette Team, wie man eine solch erfolgreiche Geschichte anders denken, anders umsetzen und anders aussehen lassen kann.
Stab und Besetzung
Ku’damm 77
Die Fortsetzung der Familiengeschichte in drei Teilen
ZDF-Streaming: alle Folgen ab 27. Dezember 2025, 10.00 Uhr, 6×45 Minuten
ZDF: Montag, 12. Januar 2026, 20.15 Uhr (Teil 1)
Dienstag, 13. Januar 2026, 20.15 Uhr (Teil 2)
Mittwoch, 14. Januar 2026, 20.15 Uhr (Teil 3)
Drehzeit: Februar bis April 2025
Drehorte: Berlin und Umgebung
Stab:
Schöpferin der Ku’damm-Reihe und Drehbuchautorin: Annette Hess
Regie: Maurice Hübner
Kamera: Michael Schreitel
Casting: Nina Haun / Laura Buschhagen
Musik: Dascha Dauenhauer
Montage: Ronny Mattas
Szenenbild: Susanne Abel
Kostümbild: Judith Holste
Maske: Jeanette Latzelsberger
Aufnahmeleitung: Christian Mackrodt
Produktionsleitung: Ilja Leptihn
Herstellungsleitung: Dirk Ehmen
Producer: Bernhard Strobel
Creative Producerin: Annette Hess
Produzenten: Marc Lepetit, Nico Hofmann, Markus Brunnemann
Weltvertrieb: ZDF Studios
Redaktion: Beate Bramstedt, Bastian Wagner, Heike Hempel, HR Fernsehfilm/Serie II
Länge: ZDF-Stream: 6×45 Minuten
TV-Ausstrahlung: 3 x circa 90 Minuten
Eine Produktion der UFA FICTION GmbH im Auftrag von ZDF/ZDF Studios.
Besetzung:
Monika Franck, geb. Schöllack: Sonja Gerhardt
Caterina Schöllack: Claudia Michelsen
Helga von Boost geb. Schöllack: Maria Ehrich
Eva Fassbender geb. Schöllack: Emilia Schüle
Dorli Schöllack: Carlotta Bähre
Friederike von Boost: Marie Louise Albertine Becker
Linda Müller: Massiamy Diaby
Robert Beck: Sabin Tambrea
Wolfgang von Boost: August Wittgenstein
Dr. Hannes Mikusch: Florian Stetter
Sharif Feen: Aziz Dyab
und viele andere
Inhalt:
„Rau und direkt – die vierte Staffel sollte neu und anders werden“ – Statement von Annette Hess, Drehbuchautorin und Schöpferin der Ku’damm-Reihe
Für mich sind die ersten drei Staffeln „Ku’damm“ eine in Ton und Farbe stimmige, in sich abgeschlossene Trilogie. Die vierte Staffel sollte neu und anders werden. Rauer und direkter. Ein anderes Jahrzehnt. 1977 war für Deutschland ein aufwühlendes Jahr, politisch und kulturell, mit erstaunlichen Parallelen zum Heute. Bestimmend waren die latente Bedrohung eine großen Krieges, die fragile innere Sicherheit, bedingt durch die damalige Präsenz des RAF-Terrors.

© ZDF und Conny Klein
Drogenkonsum explodierte, anderseits wuchs bei den jungen Menschen die Lebenslust mit Disko und Punk. Bei den Schöllacks hat sich die Familienstruktur verschoben. Dorli ist jetzt so alt wie Monika in der ersten Staffel. Hat sie die rebellische Kraft ihrer Mutter geerbt? Monika selbst wollte nie wie ihre eigene Mutter werden: Gelingt ihr das? Kann man familiäre Dynamiken durchbrechen? Wie agiert eine narzisstische Matriarchin wie Caterina Schöllack als Großmutter?
Die alten Figuren in neuen Rollen haben mich interessiert. Und ich wollte buchstäblich so nah wie noch nie an die Charaktere heran. Ich wollte sie selbst und direkt befragen. Ich hatte die Vision, Caterina Schöllack ein Mikrophon hinzuhalten: „Frau Schöllack, erzählen Sie uns von der Geschichte Ihrer Tanzschule.“ Woraufhin sie direkt und schamlos in die Kamera lügt: „Ich habe den Rock’n’roll nach Berlin gebracht!“
Daraus entstand das Konzept des Films im Film. Der dokumentarische Stil eröffnet neue Möglichkeiten für Humor, Emotionalität und Nahbarkeit. Die Figuren stellen sich dar – und verraten mehr über sich als sie wollen. Die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit verwischen. „Ku’damm 77“ ist meine Lieblingsstaffel. Denn für mich waren die Schöllackfrauen schon immer real.
„Eine enge, lebendige Zusammenarbeit“ – Statement des Regisseurs Maurice Hübner
Für mich stand bei der Entstehung von „Ku’damm 77“ die Zusammenarbeit mit dem Ensemble der großartigen Darstellerinnen im Mittelpunkt. Wir brauchen solche Geschichten mit starken Frauen heute so dringend wie lange nicht mehr. Sie sind das Herz der Reihe – und in dieser Staffel stärker denn je, weil es um die Ambivalenz und Vielschichtigkeit der Familie Schöllack geht. Ungeschönt, direkt und rau – in einer turbulenten Zeit.

© ZDF und Conny Klein
Monika und Helga sind inzwischen Mütter erwachsener Töchter. Caterina stellt sich ihrer Vergangenheit, die sie in ihrer heißgeliebten Enkelin Dorli wiederfindet. Und Eva kehrt als unberechenbare, gebrochene Frau zurück in die Familie – auf der Suche nach etwas, das alle Schöllack-Frauen verbindet: einem Zuhause.
Der Zeitsprung von 14 Jahren hat die vertrauten und geliebten Figuren verändert, sie mit neuen Herausforderungen konfrontiert und bisher unentdeckte Seiten sichtbar gemacht. Diese gemeinsam mit den Schauspielerinnen zu entdecken und auszuloten, war für mich die größte Freude bei der Arbeit am Set. Dazu kommt eine neue Generation junger Frauen, die frischen Wind und eine ganz eigene Dynamik mitbringt.
Ich wollte einen Raum schaffen, in dem Vertrauen entsteht – in dem es leichtfällt, mit der eigenen Figur auch spielerisch Risiken einzugehen. So konnte eine enge, lebendige Zusammenarbeit entstehen, die uns zum Lachen und Weinen gebracht hat. Gemeinsam haben wir Momente voller Gefühl, Wärme und Leben geschaffen – und ich kann es kaum erwarten, sie mit den Zuschauenden zu teilen.
Fragen an den Cast Sonja Gerhardt, Claudia Michelsen, Maria Ehrich, Emilia Schüle, Carlotta Bähre, Marie Louise Albertine Becker, Massiamy Diaby, Sabin Tambrea, August Wittgenstein, Florian Stetter
Sonja Gerhardt (Rolle: Monika Schöllack)
Viele junge Frauen wollen sich bewusst von der eigenen Mutter abgrenzen und nicht so werden wie diese. Glauben Sie, dass das möglich ist, und wie gelingt das Monika?
Sonja Gerhardt: Ich glaube schon, dass es möglich und auch gesund ist, sich von seiner Mutter zu lösen, aber es ist kein einfacher oder geradliniger Prozess. Kinder werden durch die Mutter geprägt, durch Erziehung, versteckte Verhaltensmuster oder Werte. Viele Töchter merken irgendwann, Eigenschaften oder Gewohnheiten von ihren Müttern übernommen zu haben, obwohl sie das gar nicht wollten.
Um sich abzugrenzen ist es wichtig sich selbst zu reflektieren. Welche Eigenschaften gefallen einem und welche nicht. Diese kann man sich dann anschauen und verändern. Wichtig ist es eigene Erfahrungen zu machen, eigene Entscheidungen zu treffen, die Dinge aus einem anderen Licht zu beleuchten und auch Fehler zuzulassen. Ich finde es wichtig zu erwähnen, dass Abgrenzung nicht bedeutet, die eigene Mutter abzulehnen, sondern viel mehr zu akzeptieren und zu verstehen, dass sie ein Mensch mit Fehlern und einer Vergangenheit ist.
Wir erinnern uns alle an Monika in „Ku’damm 56“, die sich emanzipiert und gegen die Erwartungen und den Druck ihrer Mutter Caterina rebellierte. Genau das spiegelt sich nun in der Beziehung zwischen Monika und Dorli wider. Monika reflektiert, dass sie wie ihre Mutter geworden ist, dass ihre Mutter durch ihre Vergangenheit und den daraus gewonnen Erfahrungen, im Endeffekt ihren Töchtern nur das Beste geben wollte.
Caterina hat es eben nicht anders gelernt. Monika wird dadurch bewusst, dass sie es mit ihrer Tochter anders machen möchte. Sie lässt ihre Tochter los und vertraut Dorli, dass sie die richtigen Entscheidungen für ihr Leben trifft.
Wenn die Mutter ihrer Tochter vertraut und den eigenen Weg ihrer Tochter akzeptiert und die Tochter wiederum die Liebe und Weisheit der Mutter würdigt, dann kann daraus ein neues, reiferes Verhältnis entstehen.
Claudia Michelsen (Rolle: Caterina Schöllack)
Was würde Caterina Schöllack 2025 machen? Wäre sie immer noch so streng?
Claudia Michelsen: Caterina kommt aus einer anderen Zeit. Die Mutter, die alleinerziehende Versorgerin mit ihrer preußisch, fast militanten Disziplin, die sie früher oft an den Tag gelegt hat, um die Töchter groß zu bekommen während der Nachkriegszeit. Diese Frau, sie ist inzwischen milder geworden. Die Töchter haben übernommen und sie lässt es geschehen. Natürlich nicht immer, dann darf die alte Caterina kurz aufblitzen. Eine herrliche Figur, die Annette Hess mir da geschenkt hat. Wir haben seit zehn Jahren eine ziemlich gute Zeit miteinander, Caterina und ich. In „Kudamm 77“ wird es natürlich wieder viel Drama geben, Berlin in Ost und West und natürlich auch Disco, Unterhaltung im besten Sinne – also so wird es uns bisher gespiegelt.
Emilia Schüle (Rolle: Eva Schöllack)
Wie ist das Verhältnis zwischen Eva und ihrer Mutter?
Emilia Schüle: Das Verhältnis zwischen Eva und Caterina ist schwierig. Eva war eigentlich immer ihre Lieblingstochter, ihr Sonnenschein und hatte sowieso immer den Bonus, dass sie die jüngste Tochter ist. Die beiden können in dieser Staffel aber gar nicht miteinander anknüpfen. Eigentlich ist Evas größter Wunsch geliebt zu werden, angenommen zu werden von ihrer Mutter. Das kann sie ihr aber einfach nicht geben und deswegen ist es kompliziert, wahnsinnig schwer und traurig.
Maria Ehrich (Rolle: Helga von Boost)
Helga flüchtet sich in den Alkohol, während Ihre Tochter für die Zukunft kämpft. Wie spiegeln sich die verschiedenen Generationen und Ihre Hoffnung in den 70er-Jahren wider?
Maria Ehrich: Die junge Generation ist zukunftsgewandt und modern und die nun ältere Generation, Helga vor allem, hat Angst nicht hinterherzukommen. Helga ist unglaublich frustriert vom Leben und hat eigentlich auch schon damit abgeschlossen, wäre da nicht Friederike. Für sie gibt sie alles und scheitert doch recht häufig an den alltäglichsten Dingen. Sie versucht mit der Zeit zu gehen, aber ist gefühlt immer einen Tick zu spät.
Das lässt sich eigentlich an ihrer gesamten Persona erkennen. Kleiner Funfact – Helgas Frisur ist angelehnt an das, was Eva in „Ku’damm 63“ getragen hat. Aber es ist eben zehn Jahre zu spät. Auch ihre Kleidung ist oft irgendwie verrutscht. Helga betrachtet ihre Tochter Friederike mit Argusaugen. Sie sieht wofür sie kämpft, will davon aber anfangs nichts wissen. Sie möchte ein besseres Leben für ihre Tochter, als sie es hatte, und schießt damit übers Ziel hinaus.
Sie möchte auf keinen Fall, dass Friederike abhängig ist von einem Mann. Das ist ein klarer Leitsatz für Helga geworden, aber trotzdem versucht sie Friederike mit allen Mitteln in eine ganz andere Richtung zu drücken, als diese das eigentlich will. Daran erkennt man Helgas Festklammern an alte Strukturen und die immer noch währende Feigheit, sich Neuem zu öffnen.
Doch Friederike stemmt sich wieder und wieder gegen die Grenzen und schafft es irgendwann, Helga zu erweichen. Man kennt es ja vielleicht von seinen eigenen Eltern, oder aber auch von Erzählungen über die Großeltern: Erlerntes (und Überholtes) wird oft lieber eisern weitergegeben, als es zu hinterfragen und gegebenenfalls auszumustern.
Oft ist das ja alles andere als böse gemeint, aber vor allem im Kontext der Eigenermächtigung der Frau gesehen, wurde das gesellschaftliche Korsett so natürlich viel langsamer geöffnet, als es eigentlich möglich gewesen wäre. Das gleichzeitige Ziehen und Drücken des Mutter-Tochter-Gespanns, das: „Ich muss meinen Weg ab hier alleine gehen“ gegen „Ich muss loslassen lernen, aber kann ich das? Will ich das?“, birgt einen unglaublichen Zündstoff für alle Szenen und macht sie unglaublich spannend, aber definitiv nicht leichter.
Marie Louise Albertine Becker (Rolle: Friederike von Boost)
Gibt es zwischen Ihnen und Friederike Parallelen?
Marie Louise Albertine Becker: Friederike und ich sind uns in einigen Dingen recht ähnlich. Sie ist sehr schlagfertig und haut gerne mal einen überraschenden Spruch raus, wenn ihr etwas nicht passt. Das passiert mir persönlich auch ab und an. Ich mag ihre überbordende Energie, ihre Lebensfreude und ihren Humor. Ricky ist eine sehr mutige Figur, von der man sich eine Scheibe abschneiden kann. Außerdem achtet sie umsichtig und einfühlsam auf ihre Mitmenschen. Und: Egal, welche Hindernisse sich ihr in den Weg stellen – Friederike kämpft und lässt sich nicht unterkriegen. Das hat mich sehr inspiriert.
Sie ist sehr emanzipiert und sagt oft Dinge, die die anderen nicht aussprechen können. Das finde ich toll. Ich finde, obwohl sie die Jüngste in der Familie ist, ist sie in vielerlei Hinsicht bereits einfach viel weiter.
Carlotta Bähre (Rolle: Dorli Schöllack)
Sehen Sie Zusammenhänge zwischen Dorlis schwieriger Kindheit und ihren aktuellen Problemen?
Carlotta Bähre: Ich denke, dass man immer geprägt ist von seinen Kindheitsjahren und diese unterbewusst auch immer mitentscheiden, wer wir heute sind, egal ob wir die erlebten Dinge durch zum Beispiel eine Therapie aufgearbeitet haben oder sie noch in einer unerwarteten und unentdeckten Tiefe in uns schlummern.
Monika kämpft für Dorli, aber übersieht dabei den Schmerz. Glauben Sie, dass diese Art von Leistungsdruck heute in einer anderen Form weiterlebt, zum Beispiel in Social Media?
Sonja Gerhardt: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Monika projiziert ihr ganzes Leben auf Dorli – sie sieht in ihr ihre eigene Verwirklichung. Wenn Dorli aufhören würde zu tanzen, würde Monika alles verlieren, weil sie gar nicht wüsste, wer sie ohne diese Aufgabe ist. Diesen übersteigerten Leistungsdruck gibt es heute in anderer Form sicher auch, etwa wenn Eltern über Social Media das Leben ihrer Kinder öffentlich machen und deren Erfolge zu ihren eigenen machen. Die Dynamik ist ähnlich – nur die Bühne hat sich verändert.
Carlotta Bähre: Ich glaube, wir sind sogar eine noch leistungsorientiertere Gesellschaft. Selbstoptimierung versteckt sich heute zum Beispiel in Begriffen wie Fitness und Wellness. Der Leistungsdruck ist also noch stärker geworden. Ob der aus der eigenen Familie, von der Mutter in „Ku’Damm 77“, kommt, oder heutzutage auf Social-Media-Kanälen entsteht – da hat jeder sein Päckchen zu tragen. Einfacher wird es auf jeden Fall nicht.
Massiamy Diaby (Rolle: Linda Müller)
Linda lebt in einer Zeit in der Frauenrechte stark erkämpft wurden. Wie spiegelt ihr Weg diesen Kampf wider?
Massiamy Diaby: An Linda bewundere ich besonders, dass sie eine Frau ist, die hinter der Kamera steht. Sie ist eine Filmemacherin, die ihre Projekte selbst schneidet, Regie führt und ihre eigene kreative Handschrift einbringt. In einer Zeit, in der Frauen in der Filmwelt oft nur vor der Kamera präsent waren, finde ich es beeindruckend, wie sie sich mit gerade einmal 27 Jahren in dieser von Männern dominierten Branche behauptet und ihren eigenen Weg geht. Sie erzählt ihre Geschichten mit einer starken, selbstbestimmten Stimme.
August Wittgenstein (Rolle: Wolfgang von Boost)
Finden Sie sich manchmal in Wolfgang wieder? Gibt es Parallelen?
August Wittgenstein: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass Wolfgang sein Leben lang auf der Suche nach Liebe war und sehr viel Herzschmerz in sich trägt und trug. Ich glaube, ich als alter Romantiker habe das sicher auch ein stückweit in mir. Aber ich bin jetzt – Gott sei Dank – glücklich verheiratet. Deswegen hat sich das bei mir gelegt.
Sabin Tambrea (Rolle: Robert Beck)
Welchen Einfluss haben die Herkunft und Familie auf die Identität eines Menschen? Ist es Ihrer Ansicht nach möglich, unabhängig davon eine eigene Identität zu entwickeln?
Sabin Tambrea: Ich denke, Familie ist das Erste, was prägt, lange bevor ein Bewusstsein dafür entsteht. Komplett unabhängig davon eine eigene Identität zu entwickeln, erscheint mir schwierig. Sich der Prägungen der eigenen Herkunft bewusst zu werden, ist in meinen Augen die Voraussetzung dafür, sich gemeinsam mit der Vergangenheit von ihr zu lösen – um eine eigene Identität zu entwickeln.
Florian Stetter (Rolle: Dr. Hannes Mikusch)
Was bedeutet es, eine Figur mit Persönlichkeitsstörung zu spielen? Welche Herausforderungen brachte die schauspielerische Arbeit an dem Charakter Hannes Mikusch mit sich?
Florian Stetter: Es ist für mich immer spannend Charaktere zu spielen, die nicht so leicht zu entschlüsseln sind. Je fremder mir die Figur zu Beginn ist, desto besser. Ich nähere mich ihr wie ein Detektiv, sammle Spuren, verborgene Hinweise auf Charaktereigenschaften im Drehbuch, versuche die Figur so vielseitig wie möglich zu ergründen, mir ein eigenes komplexes Bild von ihr zu machen, sie mir immer vertrauter zu machen, ganz subjektiv.
In der Darstellung des Hannes ging es uns, Annette Hess, Maurice Hübner und mir, in erster Linie darum seine innere Verrohung möglichst lange unter Verschluss zu halten, ihn erstmal scheinbar gesund und charmant zu zeichnen. Bis kurz vorm Abgrund. Das war eine spannende Aufgabe und ich hoffe sie löst sich ein für die Zuschauer.
Ku‘ damm 77 – Die Dokumentation
Ku‘ damm 77 – Die Dokumentation
Ein Film von Heike Nelsen
Sendetermin: Montag, 12. Jan. 2026, 21.45 Uhr, im Anschluss an die erste Folge
Stab:
Buch und Regie: Heike Nelsen
Kamera: Benedict Sicheneder, Moritz Bauer
Schnitt: Bastian Bischoff
Produktion: Daniela Fonrobert, Tom & Perla Medienmanufaktur
Produzent: Tom Müller
Redaktion: Anja Greulich
Leitung: Stefan Brauburger, ZDF-Redaktion Zeitgeschichte
Länge ca. 45 Minuten
Die Dokumentation begleitet die Spielfilmfolgen um die Familie Schöllack und ordnet die Ereignisse im Jahr 1977 historisch ein.
Heike Nelsen schildert in ihrer die Dokumentation von den deutsch-deutschen Alltag am Ende der bewegten 1970er-Jahre: Im Westen herrscht das Disco-Fieber, gleichzeitig zittert die Bonner Republik vor dem linken Terror der Roten Armee Fraktion, kurz RAF. In West-Berlin erlangt der Bahnhof Zoo traurige Berühmtheit durch die wachsende Drogen-Szene. In der DDR errichtet die Stasi zunehmend ein Schattenregiment, das die eigenen Bürger überwacht, erpresst und terrorisiert.
Auch die Schöllacks im Spielfilm sind davon betroffen. Die begleitende Dokumentation zeigt vergleichbare Schicksale: Die Filmfigur Wolfgang von Boost, Friederikes Vater, lebt als Anwalt in Ost-Berlin. Die Stasi nutzt seine Homosexualität als Druckmittel, will von ihm die Mitarbeit als Spitzel erzwingen. Mario Röllig, Protagonist in der Doku, hat dies am eigenen Leib erlebt. Zwar ist die DDR per Gesetz fortschrittlicher als die Bundesrepublik, schafft den sogenannten Schwulenparagraf 175 bereits 1968 ab, doch werden Homosexuelle im Arbeiter- und Bauernstaat gesellschaftlich geächtet.
Linda Müller, eine Filmemacherin in der neuen „Ku’damm“-Staffel, macht eine Dokumentation über die Schöllacks und will dabei Familiengeheimnisse aufdecken. Als illegitimes Kind der Matriarchin Cateria Schöllack und einem schwarzen GI erlebt sie immer wieder Ausgrenzung und Vorurteile. Eine Erfahrung, die auch Michael Mülich gemacht hat. Seine Mutter stammt aus Gießen, sein Vater aus Alabama, war als Soldat bei der US-Army.
Die 1970er-Jahre sind ein Jahrzehnt des Aufbruchs, die Jungen hinterfragen alte Rollenbilder und brechen damit. Auch bei den Schöllack-Frauen entzündet sich daran in der neuen Staffel der Konflikt der Generationen. Friederike will über ihr eigenes Leben bestimmen und einen Männerberuf ergreifen: Sie will Polizistin werden. Mutter Helga und Großmutter Caterina sind entsetzt – 1977 gibt es noch keine Frauen bei der Berliner Polizei, die auf Streife gehen oder den Verkehr regeln. Brigitte Seiffert ist 1978 eine der ersten, die in Berlin bei der Schutzpolizei ausgebildet werden. Die männlichen Kollegen sind – wie im Film – zunächst skeptisch, manche auch überfordert.
Auch am Thema Kriegsschuld reiben sich die Jungen und die Alten – im Spielfilm wie im echten Leben. Die Nachkriegsgeneration will das Schweigen beenden, fordert Aufklärung und Entschädigung für die Opfer des Holocausts. Die Jewish Claims Conference vertritt die finanziellen Ansprüche der Überlebenden der Shoa und ihrer Angehörigen. Bei den sogenannten Arisierungen wurde Eigentum jüdischer Bürger im NS-Staat oft zu symbolischen Beträgen verkauft, de facto enteignet. Auch die jüdische Tanzschule Willy Weissbart in der Königstraße 67 in Berlin fiel der Arisierung zum Opfer. Gegen die späteren Eigentümer, die davon profitierten, wurde in den 1960er-Jahren geklagt.
1977 kommt „Saturday Night Fever“ mit John Travolta in die West-Kinos – die Musik wird zum Soundtrack der späten 1970er-Jahre: Das Disco-Fieber packt die Nation, alle wollen so tanzen wie die Stars im Hollywood-Streifen. Auch am Berliner Ku’damm schießen Diskotheken wie Pilze aus dem Boden. Andreas Kieß, selbst damals in den Clubs unterwegs, schildert in der Dokumentation das Lebensgefühl, das eine ganze Generation prägte – und bis heute weiterlebt.
Interessierte Lehrerinnen und Lehrer finden auf dem Portal „ZDF goes Schule“ (schule.zdf.de) eine Anleitung zu einer Projektwoche für den Fachbereich „Sozialkunde/Geschichte“ für die Mittelstufe aller Schultypen, die auf Kernfragen der Serie aufsetzt und zeigt, wie man diese Themen mit Schülerinnen und Schülern aufbereiten kann.
Quelle & ©: ZDF
