Viva Las Vegas: »Turandot« am Staatstheater Mainz

Turandot ~ Staatstheater Mainz ~ Turandot (Julia Vasiljeva), Chor ~ © Andreas Etter

Die Oper Turandot zählt nicht nur zu den größten Werken von Giacomo Puccini, sondern zu den größten in der gesamten Gattung. Für das Staatstheater Mainz erarbeitete der italienische Regisseur und Kostümbildner Gianluca Falaschi jetzt eine neue Inszenierung dieses beliebten Klassikers (verantwortlich für Regie, Bühne & Kostüme). Für das Staatstheater führte er bereits 2021 bei Francesco Cilèas´ Adriana Lecouvreur und in 2023 bei Nicola Pororas L´Angelica die Regie.

Spielatmosphäre bereits im Foyer

Die Geschichte der Prinzessin Turandot, die niemals einem Mann gehören will, verlegt Falaschi in die glitzernde Welt eines illegal betriebenen Casinos. Darauf werden die Zuschauer bereits im Foyer aufmerksam gemacht. Auf den Stehtischen befinden sich Papierdecken, die mit Motiven von Spielkarten, Jetons und als Glückssymbol dem Bild einer winkenden Katze, einen Pokerspieltisch andeuten. Der dort doppelt aufgebrachte Spruch „Gli enigmi sono tre, la morte è una“ („Drei sind die Rätsel, eines ist das Leben!“) verweist unmittelbar auf das Ende vom zweiten Akt der Oper, mit den drei Fragen der Prinzessin, die über das Leben und den Tod von Calaf entscheiden. Dazu kann auf Wunsch im Rahmen des einzigartigen Mainzer Kombitickets u. a. ein „Lucky Cat“ genossen werden (Drink mit Campari, Sekt und Litschisirup; es gibt ihn auch in einer alkoholfreien Variante).

Turandot
Staatstheater Mainz
Chor, Extrachor, Kinderchor, Statisterie
© Andreas Etter

Las Vegas lässt grüßen

Hebt sich dann der Vorhang, herrscht auf der Bühne bereits ein buntes Treiben im Casino „Peking“. Um fünf Spieltischen herum wuselt eine große Schar an Menschen, hinten leuchten Spielautomaten. In einem Spieltisch steht ein Croupier, einen goldenen Anzug tragend (Bassbariton Tim-Lukas Reuter als Mandarin). Darüber wird mit drei Portalen und einem langen Balkon der kaiserliche Palast angedeutet. Man könnte ihn auch für ein Gefängnis halten, so düster wie er wirkt. „Gold“ steht nur in Form eines chinesischen Letters an der Fassade. Für fernöstliche Atmosphäre sorgen Stoffgirlanden und gelegentlich hinter den Portalen erscheinende rote Papierlampen.

Turandot
Staatstheater Mainz
Calaf (Antonello Palombi), Liù (hinten links: Julietta Aleksanyan), Timor (hinten sitzend: Stephan Bootz
© Andreas Etter

Die Casinobesucher wirken wie typische US-Amerikaner beim Glücksspiel in Las Vegas. Die Männer tragen teilweise Westernoutfits, manche zeigen offensiv ihre Muskeln. Die Damen glänzen mit glitzernden langen Pailettenkleidern und auftoupierten Locken, manche wirken wie die Golden Girls. Anstelle einer fernöstlichen Aneignung also ein Verweis auf den US-amerikanischen Imperialismus der 1980er-Jahre.

Geheimnisvolle Turandot

Prinzessin Turandot ist lange Zeit eine geheimnisvolle Frau, die ihr Gesicht nicht zeigt. Ihr verletzhtes Wesen und ihren traumatisierter Zustand drückt sie auch optisch aus. Sie hat Narben auf Gesicht und Schulter und kann nur mit Hilfe eineas Stocks laufen. Das tut sie dann aber auf Stöckelschuhen mit enormen Absätzen, einem schwarzen Glitzerkleid und einem überdimensionalen runden Hut, wirkt sie eher wie eine schwarze Witwe, als eine verführerische junge Dame. Mit ihren roten Haaren erinnert sie zudem an die Herzkönigin aus Tim Burtons Verfilmung von Lewis Carrolls Alice im Wunderland. Calaf muss sie wohl als universelle Figur und Projektionsfläche gegen die Angst und die eigene Vergänglichkeit sehen. Die lettische Sopranistin Julja Vasiljeva gibt mit der Partie der Turandot ihr Debüt am Staatstheater Mainz. Sie unterstreicht mit ihrer dunkel gefärbten und ausdrucksstarken Stimme Turandots geheimnisvolle Aura vortrefflich.

Keinerlei Probleme gegen das lautstark aufspielende Orchester mitzuhalten, hat Tenor Antonello Palombi mit schier grenzenlosem Potential. Für sein stimmgewaltig vorgetragenes „Nessum Dorma“ bekam er bei der Premierenvorstellung einen Szenenapplaus. Wobei man sich die Arie auch geruhsamer gesungen vorstellen kann.

Turandot
Staatstheater Mainz
Pong (Mark Watson Williams), Ping (Gabriel Rollinson), Pang (Collin André Schöning
© Andreas Etter

Sopranistin Julietta Aleksanyan rührt als sich aufopfernde Liù. Die drei Minister stehen hier als Repräsentanten einer brutalen und gnadenlosen Welt. Sind sie hier doch drei Köche, die sich bemühen aus den menschlichen Überresten der geköpften Anwärter eine gar köstliche Suppe zusammenbrauen (Ping: Gabriel Rollinson, Pang: Myungin Lee, Pong: Mark Watson Williams). Da werden flugs auch einmal menschliche Arme und Beine kurzerhand zerbrochen und zerstückelt. Das wird aber so übertrieben gezeigt, dass es schon wieder lustig wirkt. Ergänzend beteiligt: Tenor Patrick Hörner als der Kaiser von China (Altoum) und Stephan Bootz als entthronter Tatarenkönig Timur.

Neben dem sich spielfreudig und klanggewaltig einbringenden Chor und Extrachor des Staatstheater Mainz (Einstudierung: Sebastian Hernandez-Laverny) sind auch Mitglieder des Mainzer Domchors und Mädchenchors am Dom und St. Quintin (Einstudierung: Jutta Hörl) klangschön zu erleben.

Der italienische Gastdirigent Francesco Cilluffo und das Philharmonische Staatsorchester Mainz lassen Puccinis effektvolle und emotionale Musik mit voller Wucht ertönen.

Die Oper endet in Mainz mit dem Tod Liùs, bzw. mit einem sich daran anschließenden höhnischen Gelächter Turandots. Also an dem Punkt, wo auch Puccini aufgehört hat. Es ist angesichts der traumatisierten Turandot nur zu verständlich, auf eine der auf Puccinis Skizzen beruhenden nachkomponierten Aktschlüsse zu verzichten.

Am Ende starke Beifallsbekundungen, auch für das Inszenierungsteam.

Markus Gründig, Mai 25


Turandot

Dramma lirico in drei Akten
Von: Giacomo Puccini
Libretto: Giuseppe Adami, Renato Simoni
Uraufführung: 25. April 1926 (Mailand, Teatro alla Scala)

Premiere am Staatstheater Mainz: 17. Mai 25 (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Francesco Cilluffo
Inszenierung, Bühne und Kostüme: Gianluca Falaschi
Co-Bühnenbildner und Lichtdesign: Ulrich Schneider
Co-Kostümdesignerin: Anna Missaglia
Mitarbeiterinnen Ausstattung: Viktoria Schrott, Lina Maria Stein
Choreinstudierung: Sebastian Hernandez-Laverny
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez

Besetzung:

Turandot: Julja Vasiljeva
Altoum: Patrick Hörner
Timur: Stephan Bootz
Calaf: Antonello Palombi
Liù: Julietta Aleksanyan / Dorin Rahardja
Ping: Gabriel Rollinson
Pang: Myungin Lee / Collin André Schöning
Pong: Mark Watson Williams
Ein Mandarin: Tim-Lukas Reuter

Statisterie des Staatstheater Mainz
Chor und Extrachor des Staatstheater Mainz
Mitglieder des Mainzer Domchors und Mädchenchors am Dom und St. Quintin
Philharmonisches Staatsorchester Mainz


staatstheater-mainz.com