Richard Strauss´ »Salome« im Mondschein an der Oper Frankfurt

Salome ~ Oper Frankfurt ~ Salome (Ambur Braid) ~ © Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Obsessive Liebe kann fatale Folgen haben, die gar bis zum Tod reichen können. Die Figur der Salome ist ein solcher Fall. Ihre Liebe zu Jochanaan wird von diesem nicht erwidert, deshalb fordert sie seinen Kopf auf einem silbernen Tablett. Richard Strauss hat 1905 die deutsche Übersetzung von Wildes gleichnamigen Drama vertont (das von der biblischen Erzählung abweicht). Seitdem ist das anspruchsvolle Werk fest im Opernrepertoire verankert.

Die letzte Neuinszenierung der Salome an der Oper Frankfurt hatte am 1. März 2020 Premiere, konnte wegen dem ab Mitte März 2020 geltenden ersten Lockdown aber nur dreimal gespielt werden. Nun, 19 Monate später, erfolgte die erste Wiederaufnahme dieser besonderen Produktion.

Nur der Mond beobachtet die Liebesgeschichte

Abseits gängiger Klischees richtet Regisseur Barrie Kosky in seiner Salome-Inszenierung an der Oper Frankfurt seinen Blick auf die Titelfigur. Er erzählt die Geschichte gar aus ihrem Blickwinkel heraus, wie sie das Gerede der anderen wahrnimmt und wie sie sich in den Propheten Jochanaan verliebt und ihn mit Haut und Haaren begehrt. „Diese Liebe ist wunderbar pervers und in sich sehr ambivalent, aber es ist eine Liebes- und keine Rachegeschichte“, so Regisseur Barrie Koskys im Programmheft zu seiner Inszenierung von Richards Strauss´ Salome an der Oper Frankfurt.

Wie schon zu ihrer Uraufführung 1905 die Oper ein radikaler Schnitt in der Opernwelt darstellte, tut dies auch Koskys Umsetzung. Er befreit sie von den bisherigen Klischees, die meist eine Femme fatale in den Mittelpunkt stellen. Und viel weitreichender: Gespielt wird ausschließlich in einem schwarzen leeren Raum, frei von Verbildlichungen und Illustrationen. Die Dunkelheit wird nur von einem einzigen kräftigen Lichtstrahl durchbrochen, in dem meist die Titelfigur steht (Licht: Joachim Klein). Bei einigen Szenen wird der Lichtkegel verkleinert und fokussiert lediglich einen Kopf oder eine Hand.
Manche Figuren tauchen kurz auf, wie der Naraboth des Tenors Brian Michael Moore oder der Page der Herodias (in der Hosenrolle: Judita Nagyová). Neben Salome treten nur deren Eltern und der Prophet ins Licht. Alle anderen singen verdeckt aus dem Hintergrund oder wie die Gruppe der Juden mit Tüchern über den Köpfen (sodass die einzelnen Sänger als Personen gar nicht zu erkennen sind).
Der die Aufführung beherrschende Lichtstrahl steht für den von Strauss vorgesehenen Mond und ist gewissermaßen ein Mondstrahl. Er sieht, wie Salome die Geschehnisse um sie herum wahrnimmt.
Diese starke optische Konzentrierung, die auch das Hören verstärkt, ist ein interessanter Ansatz. Dennoch ist zu hoffen, dass dieser nicht Schule macht. Schließlich hat (Musik-)Theater viel mehr zu bieten.

Salome
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Herodes (AJ Glueckert), Salome (Ambur Braid) und Herodias (Zanda Švēde)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Salome und Jochanaan im Tod vereinigt

Der Oper setzt Kosky einen Prolog mit Sounds von kräftigen Flügelschlägen voran. Sie ertönen bereits bei noch herabgelassenem Eisernen Vorhang in Surround-Klang und vermitteln eine bedrohliche Atmosphäre. Später wird davon gesprochen, dass im Palaste der „Flügelschlag des Todesengels“ gehört wurde.

Wenn der Eiserne Vorhang hochfährt, steht Salome gekleidet mit einem weißen Kleid und einem überdimensionalen Federkopfschmuck mit dem Rücken zum Publikum in einem Lichtkegel. Ein starkes Bild. Zur einsetzenden Musik bewegt sie sich, inzwischen in einem silberfarbenen Kleid, barfüßig tänzerisch über die Bühne, hüpft und springt und verkörpert die Unbekümmertheit einer jungen Frau, die es liebt zu leben. Im Laufe der Aufführung wird sie sich noch mehrfach umziehen. Am Ende trägt sie dann natürlich ein schwarzes Kleidchen (Bühnenbild und Kostüme: Katrin Lea Tag). Ihr Lächeln und ihre Unbeschwertheit verliert sie nur kurz. Nur da, wo sie eigentlich tun soll, bei ihrem großen Tanz für Herodias („Tanz der sieben Schleier“), sitzt sie breitbeinig und bekümmert auf dem Boden und zieht aus diesem ein schier endloses Band aus Jochanaans Haar aus dem Boden. Ihr Tod wird eindrucksvoll angedeutet: Sie zieht sich Jochanaans Kopf über ihren und die Liebesgeschichte hat fast ein Happy End. Im Tod sind sie zumindest vereinigt.

Salome
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Narraboth (Brian Michael Moore; kniend), Salome (Ambur Braid; liegend) und Jochanaan (Nicholas Brownlee; sitzend)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Ambur Braid und Nicholas Brownlee im Mittelpunkt

Die widersprüchliche Figur der Salome gibt die kanadische Sopranistin Ambur Braid stimmlich frisch und höhensicher. Überaus kraftvoll und wohltönend präsentiert sich der Jochanaan des Bassbaritons Nicholas Brownlee. Den von Salome paranoid besessenen Herodes verkörpert Tenor AJ Glueckert mit viel Leidenschaft. Schlaue Kommentare liefert die Herodias der Mezzosoranistin Zanda Švēde.

Am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchester sorgt bei dieser Wiederaufnahmeserie Titus Engel für eine große atmosphärische Dichte der expressionistisch gefärbten Klangwelten.

Markus Gründig, Oktober 21


Salome

Drama in einem Aufzug
Von: Richard Strauss
Text von: Richard Strauss nach dem Drama Salome (1891) von Oscar Wilde
Uraufführung: 9. Dezember 1905 (Dresden, Königliches Opernhaus)

Premiere an der Oper Frankfurt: 1. März 2020
Besuchte Vorstellung: 1. Wiederaufnahme an der Oper Frankfurt am 8. Oktober 2021

Musikalische Leitung Premiere: Joana Mallwitz
Musikalische Leitung 1. Wiederaufnahme: Titus Engel
Inszenierung: Barrie Kosky
Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Alan Barnes
Bühnenbild und Kostüme: Katrin Lea Tag
Licht: Joachim Klein
Dramaturgie: Zsolt Horpácsy

Besetzung:

Salome: Ambur Braid
Jochanaan: Nicholas Brownlee
Herodes: AJ Glueckert
Herodias: Zanda Švēde
Naraboth: Brian Michael Moore
Ein Page des Herodias: Judita Nagyová
1. Jude: Jonathan Abernethy
2. Jude: Michael McCown
3. Jude: Carlos Andrés Cárdenas °
4. Jude: Peter Marsh
5. Jude: Kihwan Sim
1. Nazarener: Gordon Bintner
2. Nazarener / Cappadozier: Danylo Matviienko
1. Soldat: Frederic Jost
2. Soldat: Pilgoo Kang °
Ein Sklave: Chiara Bäuml

Frankfurter Opern- und Museumsorchester
° Mitglied des Opernstudios

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