»Doktor und Apotheker« charmant an der Oper Frankfurt

Doktor und Apotheker ~ Oper Frankfurt ~ v.l.n.r. Apotheker Stößel (Božidar Smiljanić) und Doktor Krautmann (Thomas Faulkner) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)

Im Opernhaus zeigt die Oper Frankfurt derzeit Adolpho Adams 1836 aufgeführte Opéra comique Le postillon de Lonjumeau. Eine weitere Ausgrabung aus dem Opernrepertoire vergangener Tage stellt Carl Ditters von Dittersdorfs Singspiel Doktor und Apotheker dar. Es wurde bereits 1784 im Wiener Burgtheater uraufgeführt. Eine charmante Umsetzung davon ist aktuell in der Spielstätte Bockenheimer Depot zu sehen.

Als ein Singspiel wird gemeinhin ein Schauspiel mit Musikeinlagen bezeichnet. Dies trifft meist nur auf die ersten Singspiele in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu. Mit der Einbindung anspruchsvoller Arien, entwickelte sich das Singspiel immer mehr in Richtung Oper (mit Sprechszenen statt gesungener Rezitative). Dies ist auch bei Doktor und Apotheker der Fall. Zu seiner Entstehungszeit war das Stück äußerst populär, sogar erfolgreicher als Mozarts Le nozze di Figaro. Dittersdorf zählt zu den Begründern der deutschen komischen Oper. Er war mit über 40 Opern und zahlreichen Instrumentalwerken ein äußerst produktiver Komponist.

Doktor und Apotheker
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Apotheker Stößel (Božidar Smiljanić), Claudia (Kelsey Lauritano) und Hauptmann Sturmwald (Peter Marsh)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Die Geschichte ist einfach: Ein Doktor und ein Apotheker sind nicht gerade beste Freunde. Der Doktor guckt mit einer gewissen Verachtung auf den „Quacksalber“ herab, dieser träumt davon, Arzt zu sein. Ihrer beider Kinder verlieben sich ineinander, doch des Apothekers Tochter soll gegen ihren Willen einen kriegsversehrten Soldaten heiraten, damit die Familie finanziell besser gestellt wird. Natürlich kommt es anders als geplant und am Ende findet das junge Paar zueinander.

Angenehme Leichtigkeit

Regisseurin Ute M. Engelhardt verlegt die in einer deutschen Kleinstadt um das Jahr 1780 spielende Handlung behutsam in das Frankfurt des ausgehenden 19. Jahrhunderts (also noch vor Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland). Hierfür nutzt ihre Inszenierung größtenteils Tuschezeichnungen und, in dezenter Weise, animierte Zeichnungen in Form von Videoprojektionen (Video: Jorge Cousineau). Sie geben der Inszenierung eine angenehme Leichtigkeit ohne abzulenken.

Es gibt schöne Details zu erkennen (wie die Alte Nikolaikirche und die Ostzeile des Römerbergs). Statt Wein wird Apfelwein getrunken. Das Rautenmuster der Apfelweingläser findet sich zudem mehrfach auf den verschiedenen Zeichnungen wieder.

Gespielt wird zunächst vor einem Halbrund, das das Äußere einer Apotheke andeutet, mit Einblick in die Küche bzw. eines Labors. Wird die Fassade zur Seite geschoben, kommt bedarfsweise ein großer Wohnraum zum Vorschein. Die farbenfrohen Kostüme nehmen Bezug zur Jugendstilzeit (Bühnenbild, Kostüme: Kaspar Glarner).

Bei den gesprochenen Dialogen wurde auf einen stärkeren Gegenwartsbezug geachtet. Aus der Zeit gekommene patriarchalische Ansichten wurden verbannt bzw. gemäßigt. Schon durch die deutsche Sprache ist das Stück unmittelbar eingängig (dankenswerterweise gibt es zusätzlich Übertitel).

Doktor und Apotheker
Oper Frankfurt
v.l.n.r. Rosalie (Lubov Karetnikova), Sichel (Andrew Bidlack), Leonore (Elizabeth Reiter), Gotthold (Michael Porter), Claudia (Kelsey Lauritano), Apotheker Stößel (Božidar Smiljanić) und Doktor Krautmann (Thomas Faulkner)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Mit leichter Hand führt Kapellmeister und Assistent des GMD, Alden Glatt, das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Starke Stimmen, größtenteils aus dem eigenen Ensemble, und schauspielerisches Talent, bescheren einen heiteren wie sinnlichen Opernabend. Dabei ist Bassbariton Božidar Smiljanić ein unumstößlicher Apotheker Stößel und Bass Thomas Faulkner ein etwas hochnäsiger Doktor Krautmann.
Claudia, die Frau des Apothekers, gibt selbstsicher die Mezzosopranistin Kelsey Lauritano. Liebreizend ist die Leonore der Sopranistin Elizabeth Reiter. Unbekümmert und mit schelmischen Lächeln gibt Tenor Michael Porter des Doktors Sohn Gotthold. Seinen Spaß hat unverkennbar der trinkfreudige und meist unbekümmerte Sturmwald des Tenors Peter Marsh. Stimmlich und darstellerisch brillant auch Tenor Andrew Bidlack als Sichel. Erstmals zu Gast an der Oper ist bei dieser Produkton die Sopranistin Lubov Karetnikova (als Rosalie). Der aus Südafrika stammende Bariton Sakhiwe Mkosana bringt sich prägnant als Polizeikommissär ein.

Am Ende überrascht in dieser Inszenierung die Frau des Apothekers. War sie bislang vehement für die Hochzeit ihrer Tochter mit Sturmwald, steht sie ihr nun eine eigene Entscheidung bezüglich Partnerwahl zu. In Ihrem Widersprechen zum patriarchalischen Anspruch der Männer findet sie zu einem starken, allgemeingültigen und weitsichtigen Statement: „Wir müssen unsere Freiheit verteidigen. Wir kämpfen für die Liebe, für Bildung, für die Demokratie, gegen die, die alles zerstören wollen.“

Starker Beifall, inklusive Fußgetrampel für diesen komödiantischen Opernausflug.

Markus Gründig, März 25


Doktor und Apotheker

Singspiel in zwei Akten
Von: Carl Ditters von Dittersdorf (1739–1799)
Libretto: Johann Gottlieb Stephanie d. J.
Uraufführung: 11. Juli 1786 (Wien, Burgtheater)

Premiere: Samstag, 8. März 25 (Bockenheimer Depot)
Besuchte Vorstellung: 10. März 25

Musikalische Leitung: Alden Gatt
Inszenierung: Ute M. Engelhardt
Bühnenbild, Kostüme: Kaspar Glarner
Licht: Jan Hartmann
Video: Jorge Cousineau
Dramaturgie: Deborah Einspieler

Besetzung:

Apotheker Stößel: Božidar Smiljanić
Claudia, Frau des Apothekers: Kelsey Lauritano
Leonore: Elizabeth Reiter
Rosalie: Lubov Karetnikova
Sturmwald: Peter Marsh
Doktor Krautmann: Thomas Faulkner
Gotthold, sein Sohn: Michael Porter
Sichel: Andrew Bidlack
Polizeikommissär: Sakhiwe Mkosana°

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