»Fack ju Göhte« mit Karacho am Staatstheater Wiesbaden (Junges Staatsmusical)

Fack ju Göhte ~ Staatstheater Wiesbaden / Junges Staatsmusical ~ Lisi Schnabelstedt (Viktoria Reese), Zeki Müller (Tim Speckhardt) ~ Foto: Peter Emig

Im Jahr 2013 war Bora Dagtekins Kinofilm Fack ju Göhte der erfolgreichste deutsche Kinofilm des Jahres. Er handelt vom Bankräuber Zeki Müller (Elyas M’Barek), der kurzerhand zum Aushilfslehrer einer Gesamtschule wird und mit seiner unkonventionellen Art eine Problemklasse Halbwüchsiger bändigt und sie zum Lernen zurückführt. Dem Film folgten zwei weitere Teile und das Spin-Off Chantal im Märchenwald.

Im Januar 2018 brachte die Musicalproduktionsfirma Stage Entertainment im damals neu errichteten WERK7 Theater im Münchner Werksviertel eine Musicalfassung des Films auf die Bühne (nach einer Idee von Constantin-Film). Das Musical schufen das Kreativ-Trio Nicolas Rebscher (Musik), Kevin Schröder (Songtexter) und Simon Triebel (Buch). Die Handlung folgt dem Film in weiten Teilen, viele Sätze wurden direkt übernommen, dagegen Figuren, wie die von Lisis Mitbewohnerin Caro, gestrichen. Die Songs sind von Hip-Hop und Rap geprägt, es kommen aber auch typische Musicalmelodien und emotionale Popballaden vor. Einen Hitsong gibt es nicht, eingängig sind die Melodien/Songs allerdings schon.

Eine der besten und spaßigsten Produktionen

Als erstes Stadt-/Staatstheater hat das Staatstheater Wiesbaden die Rechte für eine Aufführung erhalten. Aufgrund der Popularität des Films mit der unverblümten Sprache der pubertierenden Jugendlichen, sollte eine Inszenierung ein Selbstläufer sein. Allerdings stellt die hohe Bekanntheit durchaus eine Herausforderung dar. Der versierten Regisseurin und Choreografin Iris Limbarth ist mit dem erfahrenen Ensemble des Jungen Staatsmusicals Wiesbaden eine Umsetzung mit Karacho gelungen, die das Publikum mitreißt. Unter den ja nicht gerade wenigen Inszenierungen in der über 20-jährigen Zusammenarbeit zwischen ihr und dem Staatstheater ist dies eine der besten und spaßigsten.

Fack ju Göhte
Staatstheater Wiesbaden ~ Junges Staatsmusical
vorn: Zeynep (Lilli Trosien), Danger (Jan Volpert), Chantal (Leonie Willms), 2. Reihe Mitte: Sheila (Anastasia Bechtold)
Foto: Peter Emig

Fast alle Filmszenen auch auf der Bühne

Fack ju Göhte wird in der Außenspielstätte Wartburg gegeben. Dort sind die bühnentechnischen Möglichkeiten zwar eingeschränkt, das schadet der Inszenierung aber nicht. Die meisten Filmszenen kommen auch in der Bühnenfassung vor. Vom Verlassen des Gefängnisses durch Zeki Müller, über seine schulischen und außerschulischen Aktivitäten, die Attacken mit Feder-Kleister, sein Einsatz von Laser-Tags und die Begegnung mit einem Schüler, der in einen Snack-Verkaufsautomat gesperrt wurde und ihm einen Snack herausgeben muss oder mit einem Junkie. Selbst die Romeo & Julia-Schulaufführung, die Schwimmbadszene und die Zug-Graffittiszene fehlen nicht.

Fack ju Göhte
Staatstheater Wiesbaden ~ Junges Staatsmusical
Frau Gerster (Katharina Hoffmann)
Foto: Peter Emig

Das alles bringt Iris Limbarth energiegeladen und viel Gefühl für Nuancen groß zur Geltung. Die Szenen und Kostümwechselwechsel erfolgen dabei in einem atemberaubenden Tempo. Es werden nur wenige Kulissen benötigt, die bedarfsweise hereingetragen werden. Die Rückwand ist im unteren Bereich einsehbar. Hier sitzt die Live-Band. Sie spielt unter der musikalischen Leitung von Frank Bangert (auch Klavier und Synthesizer) mit Kawumm. Fensterläden bringen eine Bar oder, am Boden, einen Tunnel zum Vorschein (Bühnenbild: Britta Lammers).

Wie im Film ziert auch auf der Bühne die Klassenraumtafel der 10b ein aufgemalter Penis. Dazu gibt es weitere Phallus-Anspielungen, wie ein spezielles Kuscheltier oder einen andeutungsvollen Cocktail.

Super Ensembleleistung

Im Mittelpunkt steht der Ex-Knacki Zeki Müller und die Referendarin Lisi Schnabelstedt. Ersterer wird vom Musical-erfahrenen Tim Speckhardt gegeben. Obwohl es nicht leicht ist, in Elyas M’Bareks Fußstapfen zu treten, gibt er den sich wandelnden Zeki richtig gut. Dass er zudem auch gut singen kann, beweist er hier aufs Neue. Viktoria Reese, hauptberufliche Psychologin im Maßregelvollzug, gibt die liebenswerte, überkorrekte und leicht verpeilte Lisi überaus sympathisch. Dies auch ganz egal, ob ihr Kleidungsstil Zeki Müller gefällt oder nicht (Kostüme: Heike Korn). Ihren große Szenen hat sie mit „Schula, Schula“. Nicht nur bei diesem Song kommt auch die hohe tänzerische Qualität des Jungen Staatsmusicals Wiesbaden groß raus.

Fack ju Göhte
Staatstheater Wiesbaden ~ Junges Staatsmusical
Ensemble
Foto: Peter Emig

Die in Finanznöten stehende kämpferische Schuldirektorin gibt Katharina Hoffmann aus überbordenden Stapeln Akten und Papieren heraus mit dem richtigen Gespür für Sarkasmus („Asapissimo“). Als Lisis kleine Schwester Laura nimmt Anastasia Bechtold für sich ein (als Ornithologin in „Zeig uns, was du hast“). Ihre Reize zur Geltung bringt mit viel guter Laune die knapp bekleidete Charlie der Angelina Krauß.

Alle wären jedoch nichts ohne die Schüler:innen der Problemklasse 10b. Von dieser ragen drei besonders heraus. Die flapsige Chantal der Leonie Willms, der agile Danger des Jan Volpert und die tanzaffine Zynep der Lilli Trosien. Letztlich ist es aber ein toll umgesetztes Ensemblestück und eine super Ensembleleistung (wie z. B. bei „Amok“ oder „Kaltes Wasser“).

Am Ende der knapp dreistündigen Aufführung (inklusive einer Pause) tosender Applaus und stehende Ovationen (von den Darstellern:innen gab es als Dankesbekundung Farbsprühdosen für das Inszenierungsteam). Für Karten sollte man die Augen offenhalten. Die bislang verfügbaren Termine sind bereits ausverkauft. Neue werden folgen.

Markus Gründig, März 25


Fack ju Göhte

Musik: Nicolas Rebscher
Songtexte: Kevin Schroeder (nach dem gleichnamigen Film)
Buch: Simon Triebel

Uraufführung: 21. Januar 2018 (München, Werk 7 im Werksviertel)

Premiere des Jungen Staatsmusicals am Staatstheater Wiesbaden: 8. März 25 (Wartburg)

Musikalische Leitung: Frank Bangert
Inszenierung & Choreografie: Iris Limbarth
Bühne: Britta Lammers
Kostüme: Heike Korn
Regieassistenz / Choreografische Mitarbeit: Anna Okunowski
Choreografische Assistenz: Angelina Krauß
Dance Captain: Lilli Trosien
Musikalische Einstudierung: Ulrich Bareiss
Kostümassistenz: Kim Zartin
Inspizienz: Michael Schmiedel, Franziska Rohlwing, Julia Rocker

Besetzung:

Zeki Müller: Tim Speckhardt, Alexander Müßig
Lisi Schnabelstedt: Viktoria Reese, Elena Leitner
Frau Gerster / Frau Leimbach Knorr / Hartzvierfrau: Katharina Hoffmann, Luna Lange
Laura Schnabelstedt / Ensemble: Anastasia Bechtold / Anna Priester
Charlie / Sprayerin / Sprecherin / Ensemble: Angelina Krauß, Lioba Lefken
Chantal / Sister Lo / Ensemble: Leonie Willms / Katharina Schmitz
Danger / Romeo / Ensemble: Jan Volpert
Zeynep / Paris / Ensemble: Lilli Trosien
Jerome / Ensemble: Jan Rieß
Burak / Ensemble: Linus Weinbrenner
Paco / Herr Kolbbrenner / Chabo / Junkie / Nerd 1 / Ensemble): Nis Hansen
Schließer / Ronnie / Chabo / Gundlach / Bauer Kalle / Ensemble): Lars Hofmann
Attila / Herr Steiner / Chabo / Udo / Schulbeamter / Ensemble): Karim Oukail
Mandy / Greta / Schulbeamtin / Ensemble: Linda Sandretto
Sheila / Frau Eschmüller / Frau Sieberts / Nerd 2 / Schulbeamtin / Ensemble: Anna Priester / Anastasia Bechtold,
Swing für Danger, Burak, Jerome: Cecinho Feiertag

Band:

Keyboards: Ulrich Bareiss
Schlagzeug: Holger Dietz
Percussion, Sampler: Joachim Braun
Bass: Christian Spohn/Eduardo Sabella
Gitarre: Patrick Hoss

staatstheater-wiesbaden.de