Christoph Willibald Glucks »La Clemenza di Tito« im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth

La Clemenza di Tito ~ Gluck Festspiele 2024 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth ~ Schlussapplaus) ~ © Gluck Festspiele, Foto: Beth Chalmers

Vom 9. bis zum 18. Mai finden die diesjährigen Gluck Festspiele statt, deren Schirmherr der bayerische Staatsminister Albert Füracker ist. Unter dem Motto „Die Menschlichkeit der Mächtigen“ spannen sie einen Bogen vom Glucks Œuvre bis zur Gegenwart.

Christoph Willibald Gluck war nicht nur ein wichtiger Erneuerer der Oper, er war auch ein früher Europäer. 1714 in Erasbach bei Neumarkt (in der Oberpfalz) geboren, reiste er u. a. nach Prag, Wien, London, Paris und Rom. In Neapel erhielt er den Auftrag zur Eröffnung der Winterspielzeit 1752/1753 eine Oper zu komponieren. Statt des ihm vorgeschlagenen Dramas L´Arsace von Antonio Salvi wählte er Pietro Metastasio La Clemenza di Tito. Das sollte ursprünglich als zweite Oper der Stagione gespielt werden. Die Saisoneröffnung fand am 4. November 1752 statt, dem Namenstag Königs Karl III. Das Thema der Oper, die Milde einer Machtperson, passte sehr gut, einen Monarchen an seinem Festtag zu feiern.

Metastasios Text war überaus populär, neben Gluck vertonten ihn viele andere Komponisten. Wie Johann Adolph Hasse, Giuseppe Scarlatti und Wolfgang Amadeus Mozart. Dessen 39 Jahre später uraufgeführte Fassung ist bei den diesjährigen Gluck-Festspielen, in direkter Gegenüberstellung, ebenfalls zu erleben. Dies geschieht, wie Prof. Michael Hofstetter und Jonas Nachtsheim im Programmheft betonen, nicht nur in operngeschichtlicher Respektive, sondern auch in Bezug auf die Herausforderungen des aktuellen Weltgeschehens.

Eröffnungsrede von Pater Anselm Grün

Als Gastredner für die Eröffnung der 10. Gluck-Festspiele konnte Pater Anselm Grün gewonnen werden. Er ist nicht nur Benediktinerpater (Ordo Sancti Benedicti) der Abtei Münsterschwarzach, sondern auch erfolgreicher Autor spiritueller Bücher, Führungskräftetrainer und Referent. In seiner Rede zum Motto „Die Menschlichkeit der Mächtigen“ legte er dar, dass Macht per se nichts Schlechtes ist: „Macht bedeutet nicht, andere zu unterdrücken, sondern dem Leben zu dienen und das gemeinsame Leben in der Gesellschaft zu schützen.“

La Clemenza di Tito
Gluck Festspiele 2024 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth
Pater Anselm Grün
Foto: Beth Chalmers

Den evangelischen Theologen und Religionsphilsophen Paul Tillich zitierend, sind für eine gute Machtausübung drei Haltungen notwendig: Liebe, Gerechtigkeit und Freiheit.
Statt Menschen übereilt zu bewerten, soll vielmehr versucht werden, sie zu verstehen und einen Dialog zu ermöglichen, der sie befähigt einander anzunehmen.
Einen Beitrag zur Humanisierung der Gesellschaft sieht er in den Opern von Gluck und Mozart. Sie können Menschen in ihrem Denken positiv beeinflussen.
Pater Anselm Grüns Rede ist im hochwertig gefertigten Programmbuch der Festspiele abgedruckt (das sogar ein „Interview“ mit Titus Caesar Vespasianus Augustus enthält).

Konzertante Vorstellung mit Erzähler

Mozarts La Clemenza di Tito hat sich schon früh im Oper-Repertoire durchgesetzt. Glucks Fassung stellt demgegenüber eine Rarität dar. Immerhin gibt es seit dem Jubiläumsjahr 2014 (300. Geburtstag Glucks) eine Aufnahme. Sie wurde eingespielt mit dem Orchester l’arte del mondo in Kooperation mit Bayer Kultur und dem WDR und erschienen bei Sony Classical. Aufführungen sind sehr selten. Dies liegt vielleicht auch daran, das Glucks La Clemenza di Tito noch zu den konventionellen, höfisch-aristokratischen italienischen Gesangs- und Intrigenopern zählt. Seine „Reformopern“, deren Höhepunkt Iphigénie en Tauride darstellt, komponierte er erst in späteren Jahren. Glucks Paradigmenwechsel führte zu einer Lösung von reinen Affekten hinein in die menschliche Seele. Statt dem üblichen Wechsel zwischen Arie und Rezitativ führte er Ensembles, also Duette, Terzette etc., ein.

La Clemenza di Tito
Gluck Festspiele 2024 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth
Vanessa Waldhart (Vitellia)
Foto: Beth Chalmers

Die Gluck-Festspiele boten Glucks La Clemenza di Tito in einer konzertanten Fassung (leicht gekürzt). Dabei übernahm der Schauspieler Thorsten Danner die Funktion eines Erzählers. Zwischen den aneinander gereihten 22 Arien gab er, anstelle der Rezitative, eine kurze Erläuterung zur Handlung, teilweise mit humorvollen Randnotizen (wie den Hinweis am Ende, das vielleicht das Magenknurren der hungrigen Löwen beim Schlusschor wahrzunehmen sei; Texte: Bettina Bartz).

Für die langen Arienvorträge wurde die Bühne des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth, korrespondierend zum Publikumssaal, in einen prachtvollen Raum verwandelt. Jede Figur erhielt ihre eigene Farbe für eine stimmungsvolle Ausleuchtung. So war beispielsweise Vanessa Waldhart (Vitellia) stets von einem glutvollen Rot umhüllt. Die österreichische Koloratursopranistin bestach nicht zuletzt mit der überaus anspruchs- und effektvollen Arie „Tremo fra dubbi miei“. Diese Arie könnte Mozart durchaus als Vorlage zu seiner „Höllenarie“ gedient haben.

La Clemenza di Tito
Gluck Festspiele 2024 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth
Bruno de Sá (Sesto)
Foto: Beth Chalmers

Eine beeindruckende Leistung zeigte auch der aus Brasilien stammende Bruno de Sá mit seiner außergewöhnlichen Sopranstimme (er selbst bezeichnet sich als männlicher Sopranist, nicht als Countertenor). Sehr jugendlich frisch klingend, dabei überaus kraftvoll in den Spitzentönen. Dies bezeugte er u. a. mit der koloraturfreien und in eine extrem hoher Lage führende Arie „Se mai senti“.

Eine außergewöhnlich Stimme zeichnet auch den slowenischen Tenor Aco Biščević (Titus) aus. Als Tenor schafft er es, in ungeahnte Höhen vorzudringen. Davon zeugt auch seine Aufnahme „A Gentle Tenor“ mit Arien und Rezitativen weltlicher Kantaten von Carl Heinrich Graun. Sie entstand mit dem Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach unter Michael Hofstetter und ist jetzt beim Label Accent erschienen.

La Clemenza di Tito
Gluck Festspiele 2024 im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth
Michael Hofstetter (Musikalische Leitung)
Foto: Beth Chalmers

Die britische Sopranistin Robyn Allegra Parton überzeugte als Servilia, Sopranistin Hannah-Theres Weigl als Publio (im farbenfrohen Jumpsuit) und Mezzosopranistin Maria Hegele als Annio. Mit großer Leidenschaft leitete Michael Hofstetter das Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach.

Nahezu jede Arie erhielt vom Publikum intensiven Beifall, der dann auch am Ende intensiv bekundet wurde.

Markus Gründig, Mai 24


La Clemenza di Tito

Von: Christoph Willibald Gluck
Dramma per musica in drei Akten

Libretto: Pietro Metastasio

Uraufführung: 4. Novemer 1752 (Neapel, Teatro San Carlo)
Konzertante Aufführung im Rahmen der Gluck Festspiele: 9. Mai 2024 (Markgräfliches Opernhaus Bayreuth)

Musikalische Leitung: Michael Hofstetter

Titus: Aco Biščević
Sesto: Bruno de Sá
Vitellia: Vanessa Waldhart
Servilia: Robyn Allegra Parton
Publio: Hannah-Theres Weigl
Annio: Maria Hegele

Sprecher: Thorsten Danner
Dramaturgische Begleitung: Bettina Bartz

Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach

gluck-festspiele.de