Schwungvoll am Staatstheater Mainz: »Le nozze di Figaro«

Le nozze di Figaro~ Staatstheater Mainz ~ Susanne (Alexandra Samouilidou), Graf Almaviva (Brett Carter) (© Andreas Etter)

Zwischen Oediopus rex und Il prigioniero an der Dresdner Semperoper und Götterdämmerung am Theater Chemnitz widmet sich die Hausregisseurin des Staatstheater Mainz, Elisabeth Stöpler, erstmals einer Oper von Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro. Mit dem Haus, in dem sie zuletzt Verdi und Hindemith inszenierte, ist sie gut vertraut und das spürt man in ihrer Inszenierung der populären Geschichte um das Paar Susanna und Figaro, deren geplante Hochzeit lange Zeit vom Graf Almaviva verhindert wird. Ganz im Stil der Commedia dell`Arte gibt es ein überaus lustvolles und turbulentes Treiben zu sehen, bei dem sich alle hinreißend und energiegeladen einbringen.

Die Commedia dell`Arte spiegelt sich auch im Bühnenbild von Annika Haller und den farbintensiven Kostümen von Susanne Maier-Staufen. Karnevalistische Elemente, wie sie für die Commedia dell`Arte typisch sind, finden sich in den Kostümen wieder, die auch moderne Elemente aufgreifen. Einfache Holzbretter säumen die fensterlosen Wände (weshalb hier der Sprung Cherubinos über eine Bodenklappe erfolgt). Bis auf einer breiten Bank vor der Rückwand ist die Bühne leer, lebendig wird sie durch die schillernden Figuren. Eine gekonnte Ausleuchtung (Licht: Stefan Bauer) untermauert die vielfachen Stimmungswechsel. Dabei ist der Einheitsraum dann doch flexibel. Er erweitert sich im zweiten Akt etwas nach hinten, bietet mittels Hubpodien im dritten Akt verschiedene Ebenen für die sich immer mehr voneinander entfernenden Protagonisten und im vierten Akt fällt die Rückwand, wodurch sich das Schloss in der Nähe von Sevilla, dem Handlungsort der Oper, für die Welt öffnet.

Das Philharmonische Staatsorchester Mainz spielt im erhöhten Orchestergraben unter der musikalischen Leitung des Gastdirigenten Valtteri Rauhalammi (ein gebürtiger Finne) voller Elan und setzt schon mit der populären Ouvertüre die leidenschaftliche Musik Mozarts temperamentvoll um, dem später auch der von Sebastian Hernandez-Laverny einstudierte Chor des Staatstheater Mainz nicht nachsteht.

Alle Figuren wurden fast vollständig aus dem Ensemble besetzt. Hier wird nicht nur heißblütig geliebt und Leidenschaft ausgelebt, es wird auch ausgezeichnet gesungen. Bariton Brett Carter gibt einen attraktiven und ungestümen Grafen Almaviva, bei denen junge Frauen und selbst Männer nicht sicher sein können. Zunächst ist er im schwarzen Mieder, knappen Höschen und bis über die Knien reichenden weißen Strümpfen eine schillernde Figur, später dann gefasster, auch wenn die straffe Hose mit ihrem Schnürmuster auf gewisse Liebesspielmuster hinweist. Doch auch er hat besinnliche und kämpferische Momente, wenn er sich betrogen fühlt (klangschön: Rezitativ und Arie „Hai Già Vinta La Causa! – Vedrò, Mentr’io Sospiro“).
Die zunächst in einem eleganten blauen Reifkleid steckende Gräfin Almaviva der Nadja Stefanoff verliert schnell ihre Beherrschung, wenn sie von entfachender Liebessehnsucht überwältigt wird (bezaubernd ihre Cavatine „Porgi, amor, qualche ristoro“ und „Dove sono i bei momenti“).
Keck gibt sich die jugendlichen Charme versprühende Sopranistin Alexandra Samouilidou als Susanna (schön frei gesungen die Arie „Venite… inginocchiatev“), also kein Wunder, dass Figaro ihr ganz verfallen ist. Diesen gibt energiegeladen Bass Stephan Bootz (wie mit seiner Arie „Non più andrai, farfallone amoroso“).
Herausragend ist auch Sopranistin Solenn‘ Lavanant-Linke in der Hosenrolle des Pagen Cherubino, eine Rolle, die sie bereits an der Bayrischen Staatsoper in München inne hatte (bezaubernd die Arietta: „Voi che sapete che cosa è amor“).
In weiteren Rollen sind dabei: Gudrun Pelker (Marcellina), Stefan Stoll (Doktor Bartolo), Steven Ebel (umhertänzelnder Basilio), Johannes Mayer (Richter Don Curzio), Daria Kalinina (Barbarina) und Doğuş Güney (Gärtner Antonio).

Elisabeth Stöppler beschränkt sich nicht nur darauf, den heiteren Anteil dieser Oper herauszuarbeiten, schließlich birgt die Oper auch eine gewisse politische Brisanz. Die Auflehnung gegen politische und soziale Ordnung wird bei Mozart zwar nicht direkt angesprochen, dennoch wird die gräfliche Hofhaltung aufgebrochen. So zeigt Stöppler nicht nur eine geschändete Barbarina, sondern auch kampfbereites Volk, das am Ende mit Gewehren und Fackeln in der Hand für ein imposantes Schlussbild sorgt. Großer und langer Jubel am Ende auch auf Seite des Publikums.

Markus Gründig, September 18

La Nozze di Figaro
Von Wolfgang Amadeus Mozart

Premiere am Staatstheater Mainz: 29. September 18 (Großes Haus)
Besprochene Aufführung: 29. September 18

Musikalische Leitung: Valtteri Rauhalammi
Inszenierung: Elisabeth Stöppler
Bühne: Annika Haller
Kostüme: Susanne Maier-Staufen
Licht: Stefan Bauer
Chor: Sebastian Hernandez-Laverny
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez

Besetzung:

Graf Almaviva: Brett Carter/ Michael Dahmen
Gräfin Almaviva: Nadja Stefanoff
Susanna, Verlobte des Figaro: Alexandra Samouilidou/ Dorin Rahardja
Figaro: Stephan Bootz / Derrick Ballard
Cherubino, Page des Grafen: Solenn‘ Lavanant-Linke
Marcellina: Gudrun Pelker
Bartolo, Arzt in Sevilla: Stefan Stoll
Basilio, Musiklehrer: Steven Ebel
Don Curzio, Richter: Johannes Mayer / Daniel Tilch
Barbarina, Tochter des Antonio: Daria Kalinina
Antonio, Gärtner des Grafen und Onkel der Susanna: Doğuş Güney

Chor des Staatstheater Mainz
Philharmonisches Staatsorchester Mainz

www.staatstheater-mainz.de