Die Gegenüberstellung der Oper La Clemenza di Tito in den Fassungen von Christoph Willibald Gluck und von Wolfgang Amadeus Mozart bei den Gluck Festspielen 2024 wird von besonderen Konzerten umrahmt. Neben dem Abschlusskonzert mit dem Sopranisten Samuel Mariño am 18. Mai 24 im Historischen Rathaussaal Nürnberg gibt es vier weitere Konzerte mit Werken von John Dowland, Sigismondo d‘India, Claudio Monteverdi, Francesco Rasi, Robert Johnson, Maurice Greene, William Boyce, u. v. m.
Das erste Nachtkonzert „Time stands still“ fand bereits in der Bayreuther Schlosskirche statt (s. u.) und wird in reduzierter Besetzung am 17. Mai im Stadttheater Fürth zu erleben sein (22:30 Uhr). Die Kammermusikonzerte „Time stands still“ finden am 12. Mai in Castell (Grafschaftskirche, 17:00 Uhr) und Lehrberg (Dorfkirche, 19:00 Uhr) statt.
Händel & Gluck mit Valer Sabadus
Das erste Konzert der diesjährigen Gluck Festspiele gab der gefeierte rumänisch-deutsche Countertenor Valer Sabadus im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth. Das zum UNESCO-Welterbe zählende Opernhaus bot ihm akustisch und optisch einen hervorragenden Rahmen. Es war ein magischer Abend.
Allein auf der großen Bühne vermochte er es, das Publikum in den Bann seiner besonderen Stimme zu ziehen. Sie wird oftmals als phänomenal bezeichnet und klingt warmherzig und balsamisch. Einen besonderen Eindruck machen bei ihm nicht nur die unterschiedlichen Klangfarben und seine technische Flexibilität, sondern auch die expressiven Töne in exponiert hohen Lagen.
Im ersten Programmteil präsentierte Sabadus vier Arien von Georg Friedrich Händel. Darunter besonders intensiv „Scherza, infida“ (aus der Oper Ariodante).
Der zweite Programmteil war Christoph Willibald Glück gewidmet. Hier waren zwei deutsche Arien aus dessen Oper Orfeo ed Euridice bemerkenswert: „Was sprache er? Hört’ ich recht?“ und „Ach, ich habe sie verloren“. Nachdem bislang auf Italienisch oder Englisch gesungen wurde, erstaunt es zunächst ein wenig, wenn auf einmal in deutsch gesungen wird. Gleichwohl entfalteten diese beiden Arien eine besondere Tiefe der Wahrnehmung.
Begleitet wurde Sabadus vom Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach unter der Leitung von Festspiel-Intendant Michael Hofstetter. Mit diesen steht er, wie er zwischen den Zugaben hinwies, bereits seit seiner Studienzeit in München regelmäßig in Kontakt. Bei den gegebenen Orchesterwerken zählten Händels Ouvertüren zu seinen Opern Giulio Cesare in Egitto und Ariodante. Ein Highlight war der Furientanz aus Glucks berühmtester Oper Orphée et Euridice. Hier entfachte Hofstetter eine packende Dramatik bei den Musikern.
Für den intensiven Beifall (mit Getrampel) gab es am Ende drei Zugaben (darunter Händels „Ombra mai fù“ aus Händels Xerxes).
Eine Aufzeichnung Valer Sabalus´ Konzerts vom 08. September 2023 (!) im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth ist noch bis zum 15. September 24 auf Arte Concert abrufbar.
Nachtkonzert: Time stands still
Im Anschluss an das Konzert mit Valer Sabadus fand in der gegenüber liegenden Schlosskirche Bayreuth das erste Nachtkonzert: Time stands still statt. Hierfür war das Innere der im Stil des Bayreuther Rokoko erbauten Saalkirche in ein stimmungsvolles Licht gehüllt. Der Titel versprach nicht zuviel. Das gut einstündige Konzert hatte eine angenehm entschleunigende Atmosphäre.
Schon der Beginn war besonders. Der junge Tänzer Alberto Pagani bewegte sich mit weiten Armbewegungen und einer intensiven Körperlichkeit vom Eingangsbereich langsam auf den Altarbereich zu. Von der Empore erklang zunächst ein solistisches Stück für Laute. Für diesen Abend konnten die Gluck Festspiele den Lautisten Stephan Rath gewinnen. Er gilt als Koryphäe des Lautespiels und ist Professor für barocke Kammermusik und Projekte in der Fachrichtung Alte Musik an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. Der Übergang zum Bühnengeschehen erfolgte durch ein Solo am Cembalo (Bastian Uhlig). Schon diese ersten Minuten ohne Gesang entfalteten eine angenehme und besänftigende Stimmung.
Vom Spiel des Cembalo ging es fließend zum ersten Gesangsbeitrag über: „Time stands still“ des englischen Lautenisten John Dowland (1563 – 1626). In sich gekehrt, reflektierte die Sopranistin Hannah-Theres Weigl das diesen Abend den Titel gebende Lied innig. Bei Händels Duett „Who calls my soul (aus Esther) kam der Tenor Aco Biščević hinzu. Er war am Abend zuvor im Markgräflichen Opernhaus bei der konzertanten Aufführung von Glucks La Clemenza di Tito in der Partie des Titus zu erleben (Hannah-Theres Weigl als Publio). Hier konnte er nun eine ganz andere Seite von sich zeigen. Jetzt klang seine Stimme sehr viel einnehmender, sanfter und berührender. Sehr innig und voller Hingabe gab er u. a. das wehmütige Lied „Žute dunje“ (Gelbe Quitten). Sehr schön auch Weigls vorgetragene „Gli sguardi trattieni“ aus Glucks Orfeo ed Euridice. Auch im Duett harmonierten die beiden sehr schön, teilweise eingebettet in sanfte Bewegungen des Tänzers Alberto Pagani.
Während der Vorstellung wurde das Licht im Kirchensaal langsam immer etwas gedämpfter, die Atmosphäre dadurch noch berührender. Ein ruhiger, wunderbar besinnlicher Abend. Gerne mehr davon.
Markus Gründig, Mai 24
Nachtkonzert: Time stands still
Freitag, 10. Mai 2024 (22:00 Uhr), Schlosskirche Bayreuth
Mit:
Hannah-Theres Weigl (Sopran)
Aco Biščević (Tenor)
Stephan Rath (Laute)
Bastian Uhlig (Cembalo)
Alberto Pagani (Tanz)
gluck-festspiele.de