Neuigkeiten von den Bregenzer Festspielen (21.06.)

Olaf A. Schmitt (Dramaturgie; Spiel auf dem See) © Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

Dramaturg Olaf A. Schmitt zu Webers »Der Freischütz« bei den Bregenzer Festspielen
Fünf Fragen an Clemens Wannemacher, Leiter der Tonabteilung
Die Bregenzer Festspiele in Radio und TV


Dramaturg Olaf A. Schmitt zu Webers »Der Freischütz« bei den Bregenzer Festspielen

Die Lust am Unheimlichen spielt auf dem See
Wie Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ zum Inbegriff der romantischen deutschen Oper wurde

Nicht einmal mehr vier Wochen sind es bis zur Premiere von Der Freischütz, dem Spiel auf dem See der Bregenzer Festspiele 2024. Die insgesamt 28 Vorstellungen versprechen packende Handlung und emotionsgeladene Musik. Produktionsdramaturg Olaf A. Schmitt hilft zu ergründen, warum Carl Maria von Webers 1821 uraufgeführtes Werk bis heute so populär ist.

»Erstens ist es die irrsinnig gute Musik!«, sagt der künstlerische Berater der Bregenzer Festspiele und Produktionsdramaturg Olaf A. Schmitt, um sogleich mit Feuer auf das Geschehen in der Wolfsschlucht zu sprechen zu kommen: »Eine geradezu exemplarische Opernszene, die bis heute unvergleichlich ist, in der Weber mit einer einzigartigen Kompositionsweise und der Verbindung von Arien, Chören, Sprechtexten, Instrumentalmusik eine riesige Gruselszene geschaffen hat … einfach unglaublich!« Diese Schlüsselszene war auch der Grund, warum Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl dieses Stück unbedingt auf die Seebühne bringen wollte.

Um seine angebetete Agathe heiraten zu können, sieht Max keinen anderen Ausweg als in besagter Wolfsschlucht einen Pakt mit dem Teufel zu schließen. Der Freischütz sei eine Erzählung, sagt Olaf A. Schmitt, die mit vielem spielt, was heutzutage Netflix-Serien oder Horrorfilme auch tun: nämlich mit dem Unheimlichen, mit Ängsten und der Lust am Grauen, dem Teuflischen, den dunklen Mächten, »aber natürlich auch mit der Liebe«. Die dem Bösen innewohnende Faszination ist für den Dramaturgen der zweite Grund für die anhaltende Popularität des Freischütz.

Es ist eine »Romantische Oper in drei Aufzügen«. Der Begriff der Romantik und das Selbstverständnis der Romantiker:innen – gemeint sind damit seelenverwandte Zeitgenossen:innen Webers wie E. T. A. Hoffmann in der Literatur oder Caspar David Friedrich in der bildenden Kunst – haben sich seit der gefeierten Uraufführung in Berlin vor etwas mehr als 200 Jahren gewandelt. Bestimmte Stilmittel und Kennzeichen sind jedoch geblieben. Die Betonung von Sehnsucht und Liebe oder das Schaffen von Traumwelten. Im 19. Jahrhundert gehörte auch ein gewisser Hang zum Fantastischen und Übersinnlichen dazu. Dass zum Beispiel eine unter obskuren Umständen oder gar mit teuflischer Hilfe gefertigte Gewehrkugel die Gesetze der Physik schlägt und immer ihr Ziel erreichen wird …

Als Der Freischütz entstand, waren die Napoleonischen Kriege erst wenige Jahre vorüber und Europa litt noch immer unter den Folgen. Darauf gingen Carl Maria von Weber und sein Librettist Friedrich Kind über einen Umweg ein – das Stück spielt am Ende des Dreißigjährigen Krieges. »Wir dürfen nicht vergessen, Kaspar ist ein Kriegsinvalide«, erklärt Olaf A. Schmitt die Rolle des zwielichtigen Gesellen, der Max zum Frevel verführt: »Die persönlichen Kriegserfahrungen aller Figuren spielen eine große Rolle. Kaspars Erinnerung an das Schlachtfeld und daran, wie er sich aus dem Pulvernebel heraus freischießen musste, gemahnt daran, dass man sich im Krieg mit den menschlichen Abgründen, mit dem Grauen beschäftigen muss«.

Carl Maria von Weber traf damals jedenfalls einen Nerv der Zeit. Der Freischütz war ein Gegenentwurf zur vorherrschenden italienischen und französischen Oper. Eine volkssagenhafte Handlung in Wäldern und Auen, gemeinsames Singen in der Natur, und die symbolhafte Verwendung des Waldhorns in der Musik. Auch ein Schützenfest mit einem zu ehrenden Schützenkönig – außerhalb des deutschen Sprachraums eher erklärungsbedürftig – war vorher in dieser Musikgattung nicht üblich. In Summe ergab das alsbald den Inbegriff der deutschen romantischen Oper. (ami)


Fünf Fragen an Clemens Wannemacher, Leiter der Tonabteilung

Zehn Tontechniker:innen sind bei einer Aufführung des Freischütz im Einsatz, um dem Publikum auch unter freiem Himmel eine gute Akustik zu bieten. Clemens Wannemacher, Leiter der Tonabteilung, erklärt im Interview, worauf es dabei ankommt.

Clemens Wannemacher (Leitung Ton)
© Bregenzer Festspiele / Eva Cerv

Das Spiel auf dem See ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Worum geht es für eine:n Tontechniker:in vor allem?

Wir haben den Anspruch, dem Publikum ein Hörerlebnis zu bieten, das jenem in einem Opernhaus sehr nahekommt. Auf der Seebühne haben wir keinen Orchestergraben, keine Decke und Wände, kurz gesagt: keine natürliche Raumakustik. Daher versuchen wir, mit Mikrofonen und Lautsprechern auf der Bühne und der Tribüne diesen Raumeindruck nachzubilden. Außerdem ist es extrem wichtig, den optischen mit dem akustischen Eindruck zusammenzubringen.

Was heißt das?

Die Distanzen auf der Seebühne sind groß. Zwischen der Bühne und dem obersten Sitzplatz liegen bis zu 100 Meter. Mit bloßem Auge ist so nicht auszumachen, wer gerade singt. Dann wird es für das Publikum anstrengend. Daher ist es unsere Aufgabe, Orientierung mit dem sogenannten Richtungshören zu geben. Wir verstärken immer genau an jener Position, an der sich ein:e Sänger:in gerade befindet. Wenn er oder sie sich bewegt, bilden wir das tontechnisch auch ab. Dafür haben wir allein im Bühnenbild 66 Lautsprecher untergebracht, insgesamt sind es 400 Stück. Je entspannter das Publikum zuhören kann, umso leichter fällt es sich auf die Musik, das Geschehen und die Emotionen einzulassen.

Welche Rolle spielt die Tontechnik aus Ihrer Sicht?

Wir sind ein elementarer Bestandteil der Aufführung. Das liegt schon daran, dass das Orchester im Haus sitzt und ohne Verstärkung gar nicht zu hören wäre. Wir tragen hier viel Verantwortung und können zum Beispiel Einfluss auf die Dynamik nehmen. Der offensichtlichste Faktor ist die Lautstärke. Wenn es die Umgebungsgeräusche zulassen, können wir an einer leisen Stelle etwas herunterpegeln und danach an einer lauten Stelle mehr Gas geben.

Was sind die Besonderheiten der Freischütz-Produktion für Ihr Team?

Anders als bei vielen anderen Opern wird auf Deutsch gesungen: Das Publikum erwartet, die Gesangspartien zu verstehen. Dazu kommen sehr viele Dialoge, etwa 40 Prozent Dialoge gegenüber 60 Prozent Gesang. Unsere Aufgabe ist es, vor allem die Dialoge gut zu verstärken – ohne andererseits Rückkopplungen zu riskieren.

Was ist Regisseur Philipp Stölzl beim Thema Ton wichtig?

Er hat viele Filme gemacht und denkt auch diese Oper sehr filmisch. In der Praxis bedeutet das für uns: Es gibt mindestens drei Klangebenen. Die wichtigste ist der Dialog, dazu kommt Musik von Musiker:innen direkt auf der Bühne und eine Art Klangteppich. Das kann in diesem düsteren Setting beispielsweise eine Krähe oder ein heulender Wolf sein. Es ist eine Herausforderung, diese Klangebenen so zu verbinden, dass sie Sinn ergeben. Vor allem dürfen sie niemals den Dialog zerstören. Außerdem gibt es spezielle Einspielungen, wenn zum Beispiel die Schlange aus dem Wasser steigt. Insgesamt sind es an die 200 Effekte. Madame Butterfly war das krasse Gegenteil: Da hatten wir mit dem Kanonenschuss nur eine einzige Einspielung. (tb)


Die Bregenzer Festspiele in Radio und TV

Die Bregenzer Festspiele kann man nicht nur vor Ort, sondern auch von zu Hause aus erleben: Die Liveübertragung von Carl Maria von Webers Der Freischütz läuft am Freitag, 19. Juli 2024 im ORF2. Bereits am Vormittag des 17. Juli 2024 kann man bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele auf ORF 2 und 3sat live dabei sein.

Die Oper im Festspielhaus 2024, Tancredi von Gioachino Rossini, wird am 18. Juli 2024 um 19.30 Uhr auf Ö1 übertragen, am 25. August 2024 um 23.45 Uhr wird die Oper im Festspielhaus in ORF III zu sehen sein.

Weitere Festspiel-Veranstaltungen wie etwa die Orchesterkonzerte werden vom Radiosender Ö1 übertragen. Neben den (Live-)Übertragungen bieten einige Themensendungen in Fernsehen und Radio weiterführende Informationen zu den Bregenzer Festspielen.


Die Bregenzer Festspiele 2024 finden von 17. Juli bis 18. August statt.
Tickets und Infos unter bregenzerfestspiele.com und Telefon 0043 5574 4076.

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