Tagträumende OpernsängerInnen fassen ihr Glück nicht ~ Opera buffa »Impresario Dotcom« in Bregenz mit großer Spielfreude uraufgeführt

Impresario Dotcom ~ Bregenzer festtage ~ Ensemble ~ © Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Glück im Unglück für Impresario Dotcom

Die Absage der diesjährigen Bregenzer Festspiele ist nicht nur für alle Beteiligte auf, vor und hinter der Bühne ein in vielerlei Hinsicht tiefer Einschnitt im Jahr 2020. Auch für die Regionen Vorarlberg und Bodensee bedeutet das Ausbleiben von rund 200.000 Gästen einen herben Verlust (sei es für Cafés, Restaurants, Beherbergungsbetriebe oder Geschäfte). Glück im Unglück hatte die Uraufführung der Opera buffa Impresario Dotcom, die ursprünglich am 24. Juli 2020 im Bregenzer Theater am Kornmarkt das Licht der Welt erblicken sollte. Das Auftragswerk der Bregenzer Festspiele und des Slowakischen Nationaltheaters Bratislava konnte im Rahmen der kurzerhand organisierten Bregenzer Festtage jetzt im größeren Festspielhaus in einer angepassten Fassung uraufgeführt werden und erhielt dadurch nicht zuletzt auch eine größere mediale Aufmerksamkeit.

Impresario Dotcom
Bregenzer Festtage
Impresario Dotcom (Zeynep Buyrac)
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Goldonis Der Impresario von Smyrna als Vorlage

Unter der Einstellung des Kulturbetriebs aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen leiden selbst die Spitzenstars des Opernbetriebs. Wirklich leicht haben es OpersängerInnen aber noch nie gehabt. Dauerhafte Festengagements sind selten, zudem gibt es ein ständiges Gerangel um die besten Rollen. Der italienische Komödiendichter Carlo Goldoni (bekannt durch Der Diener zweier Herren oder Marandolina) widmete sich mit der 1761 in Venedig uraufgeführten Komödie Der Impresario von Smyrna eben dieser Berufsgruppe. Dabei geht es besonders um deren Eitelkeiten und um die Schattenseite des Opernbetriebs. Die slowakische Komponistin Ľubica Čekovská und die Librettistin Laura Olivi haben aus Goldonis Komödie mit pointierter Feder eine amüsante Oper gemacht, ohne die Schattenseiten des Opernbetriebs zu verleugnen. Statt Smyrna, dem heutigen Ismir/Türkei, heißt es bei ihnen schlicht Impresario Dotcom, womit zugleich ein Bogen zur Gegenwart geschaffen wurde (Dotcom als Synonym für die vorherrschende Informationsökonomie und auf den Internet-Hasardeut).
Inhaltlich geht es um ein Vorsingen für ein neues Opernhaus, dass ein mysteriöser Impresario eröffnen will. Ein von ihm beauftragter Künstleragent hat fünf SängerInnen in ein Hotel eingeladen. Werden sie es schaffen und eines der heiß begehrten Engagements ergattern können?

Impresario Dotcom
Bregenzer Festtage
Olympia (Eva Bodorova), Conte Lasca (Christoph Pohl)
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Violetta und Papageno sind ein Liebespaar

Die SängerInnenfiguren tragen bekannte Rollentitel aus populären Werken (Carmen, Hoffmanns Erzählungen, L`Orfeo, La traviata und Die Zauberflöte). In kurzen Ausschnitten ertönen als Anspielung Originalarien dieser Opern. Das Orchester spielt dabei nur die Anfangstakte im Original, schnell kommen neue Töne und Verfremdungen hinzu. Ľubica Čekovskás Musiksprache ist ausdrucksstark, vielschichtig und mitunter so herb wie das reale Leben.
Der sich immer wieder vor möglichen Viren schützende Orfeo (Bariton und Countertenor Hagen Matzeit), die exaltierte Olympia (Koloratursopranistin Eva Bodorová), die selbstbewusste Carmen (Mezzosopranistin Terezia Kružliaková) und das hier als Liebespaar auftretende Duo Violetta (Sopranistin Adriana Kučerova) und Tamino (Tenor Simeon Esper), sind zudem an ihren Kostümen zu erkennen. Allen voran die in einem silberfarbenen Lackanzug sich sehr agil bewegende Olympia (Kostüme: Nicole Pleuler).
Der Künstleragent Conte Lasca (Bariton Christoph Pohl) hat seine Last mit dieser Truppe karrierebesessener Individualisten. Die Sprechrolle des Impresario Dotcom füllt die Schauspielerin Zeynep Buyraç mit starker Präsenz aus.

Impresario Dotcom
Bregenzer Festtage
Ensemble
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Es lebe das Kollektiv!?

Der Abend beginnt im Festspielhaus zunächst mit charmant dargebotenen Hinweisen auf die Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen. Impresario Dotcom geht höchstpersönlich im Stile eines Conférenciers durch den Saal und weist u. a. darauf hin, die Mund-Nasen-Abdeckungen bereits beim Schlussapplaus wieder zu tragen und auch beim Verlassen des Saales die Abstandsregeln zu beachten. Diese können auf der großen Bühne des Bregenzer Festspielhauses durch die geringe Anzahl an Protagonisten gut eingehalten werden. Zahlreiche herabgelassene Zugstangen deuten im ersten der vier Bilder ein Personenleitsystem für die Warteschlangen des Vorsingens an. Später dienen Absperrbänder zur Begrenzung des Hotelzimmers. Mit dem Eintreffen von Dotcom (Bühne: Hermann Feuchter) kommt eine virtuelle Welt in Form von Videoprojektionen hinzu, schließlich fordert er als Prüfung Außerordentliches von den SängerInnen, was durchaus auf die mitunter krassen Einfälle des Regietheaters im Allgemeinen anspielt (Video: Fabio Stoll).

In kurzweiligen 90 Minuten zeigt Regisseurin Elisabeth Stöppler auf, wie schön das Leben ist, wenn es Arbeit gibt (selbst, wenn dabei die eine oder andere Eigenart des Gegenübers zu respektieren ist). Ľubica Čekovskás Klangkosmos fächert das unter der musikalischen Leitung von Christopher Ward aufspielende Symphonieorchester Vorarlberg farbenreich und virtuos auf.
Am utopisch anmutenden Ende siegt das Kollektiv. Ein schönes Signal!

Markus Gründig, August 20


Impresario Dotcom

Opera buffa in vier Bildern
Von: Ľubica Čekovská
Libretto: Laura Olivi nach Carlo Goldonis „Der Impresario von Smyrna“ (1761)


Uraufführung: 20. August 2020 (Bregenz, Festspielhaus)
Auftragswerk der Bregenzer Festspiele und des Slowakischen Nationaltheaters, Bratislava.
Fassung für Bregenz 2020. In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Musikalische Leitung: Christopher Ward
Regie: Elisabeth Stöppler
Bühne: Hermann Feuchter
Kostüme: Nicole Pleuler
Video: Fabio Stoll
Dramaturgie: Olaf A. Schmitt

Besetzung:

Dotcom: Zeynep Buyraç
Conte Lasca: Christoph Pohl
Orfeo: Hagen Matzeit
Olympia: Eva Bodorová
Carmen: Terezia Kružliaková
Violetta: Adriana Kučerova
Tamino: Simeon Esper

Symphonieorchester Vorarlberg

bregenzer-festspiele.de