

Die erlesene Liederabendreihe der Oper Frankfurt bietet seit vielen Jahren spannende Neuentdeckungen, versierte Sänger:innen und mitunter auch große Namen. Zu einen der ganz großen Liedinterpreten unserer Zeit zählt der US-amerikanische Tenor Matthew Polenzani. Seine lyrische Stimme, sein souveräne, gleichzeitig aber dennoch sehr präsente und intensive, Liedpräsentation, verbunden mit einer exzellenten Gesangstechnik, zeichnen ihn aus. An der Oper Frankfurt überzeugte er damit bereits u. a. mit einem Liederabend im Mai 2016 (Besprechung). Seit knapp 20 Jahren ist er hier zu Gast.
In Kürze beginnen an der Staatsoper Stuttgart die Proben für eine Neuinszenierung von Verdis Otello (Musikalische Leitung: Stefano Montanari, Regie und Bühne: Silvia Costa). Dort wird Matthew Polenzani die Titelrolle verkörpern (Vorstellungen im Mai und Juli). Nach Engagements an der San Francisco Opera, der Lyric Opera of Chicago und der New Yorker Metropolitan Opera wird er im Juli 26 die Partie des Florestan (Fidelio) bei den Münchner Opernfestspielen geben.
Für seinen zweiten Liederabend an der Oper Frankfurt wählte Matthew Polenzani deutsch und englischsprachige Kompositionen von Franz Schubert, Gerald Finzi, Robert Schumann und Charles Ives. Mit insgesamt 29 Lieder war der Abend prall gefüllt. Als weiterer Beleg seiner Professionalität: Sämtliche Lieder trug Polenzani ohne ausliegende Noten vor.

Oper Frankfurt (18. März 25)
Julius Drake, Matthew Polenzani
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de
Schon beim eröffnenden „Im Frühling“ von Franz Schubert (1797 – 1828) bestach Polenzani mit dem Glanz seiner Stimme und dem Nuancenreichtum seiner Klangfarben. Ein Programmheft mit den Liedtexten war bezüglich der vorgetragenen Lieder von Schubert und Schumann gewissermaßen überflüssig. Denn Polenzanis Textverständlichkeit ist mustergültig. Innig das „Ständchen“ („Leise flehen meine Lieder durch die Nacht zu dir“).
Der Liedzyklus A Young Man´s Exhortation des britischen Komponisten Gerald Finzi (1901 -1951) basiert auf Gedichten von Thomas Hardy (1840 – 1928). Es ist sein einziger Zyklus für Stimme und Klavier. Die ersten fünf Vertonungen handeln von jugendlichem Sturm und Drang („Am Morgen blüht und wächst es“). Die anderen fünf blicken von einem erfahrenen Standpunkt aus zurück („Am Abend vergeht es und verwelkt“). Polenzani präsentierte den Zyklus intensiv und ausdrucksstark, aber stets mit Eleganz.
Nach der Pause folgte Robert Schumanns (1810 – 1856) früher Liederkreis nach Gedichten von Heinrich Heine. Dabei gab es einen Überraschungsmoment. Ein Zuschauer aus der 1. Reihe kehrte mit Verspätung aus der Pause zurück. Ein begonnenes Lied setzte Polenzani nach einer kurzen Unterbrechung souverän neu an. Atemberaubend, welch Töne Polenzani noch im pianopianissimo ausdrucksstark hervorbringen kann (wie beim träumerischen „Ich wandelte unter den Bäumen“).
Zum Abschluss nahm Polenzani das Publikum mit fünf Lieder aus den 114 Songs des US-amerikanischen Komponisten Charles Ives (1874 – 1954) mit in seine Heimat. Sie zeugen von einem reichen Erfahrungsschatz, auf dem dankbar zurückgeblickt wird. Den Song „In Summer Fields“ trug er überraschend in seiner deutschen Übersetzung vor („Feldeinsamkeit“; das Gedicht von Hermann Allmers gibt es auch in einer Vertonung von Johannes Brahms). Den offiziellen Teil des Abends schloss das sehnsuchtsvolle „When stars are in the quiet skies“.
Wie bereits in 2016, wurde Polenzani auch jetzt wieder vom britischen Pianisten Julius Drake begleitet. Er zählt zu den gefragtesten Liedbegleitern und arbeitet seit vielen Jahren mit weiteren Stars zusammen.
Polenzani und Drake bildeten ein harmonisches Team (wirkten manchmal fast wie Zwillinge).
Drake unterstützte Polenzani geflissentlich auf höchstem Niveau und setzte zart gesponnene Nachspiele (Finzis „The Comet at Yell’ham“). Alles stets mit einer gewissen Lockerheit. Dazu passte auch sein vehementer Ausruf „Curtain“ zum Abschluss von Ives´ „Avery Plesant“.
Intensiver Schlussapplaus und als Dankeschön drei Zugaben in drei Sprachen.
Markus Gründig, März 25
Die Zugaben:
- Francesco Paolo Tosti (1846-1916): „Marechiare“ (1886)
- Franz Liszt (1811-1886): „Enfant, si j’étais roi“ (1844)
- traditional „Danny Boy“ (1910) / Text von Frederic Weatherly (1848-1929) auf die Melodie von „A Londonderry Air“ (traditional)