Mit größeren zeitlichen Abständen finden im Holzfoyer der Oper Frankfurt regelmäßig besondere Liederabende statt. Sie werden meist von Ensemblemitgliedern gestaltet und ergänzen die äußerst erfolgreiche Liederabend-Serie im Opernhaus.
Die litauische Mezzosopranistin Zanda Švēde gehört seit der Spielzeit 2018/19 zum Ensemble und gestaltete bereits vor fünf Jahren (im Dezember 2019) einen Liederabend im Holzfoyer (Besprechung). Damals präsentierte sie ein rein deutsches Programm mit Liedern von Korngold, Strauss und Wagner.
Jetzt gestaltete sie den ersten Liederabend dieser Reihe in der laufenden Saison, am Klavier begleitet von Tatiana Vassilieva. Er stand unter dem den Titel Soirée en Mer (Abend auf am Meer). Aufbrausende Wellen, stürmische See oder spiegelglatte See, Unergründlichkeit in Weite und Tiefe und Entspannung durch den gleichmäßigen Rhythmus der Brandung. Das Meer weckt viele Assoziationen und übt eine große Faszination aus, auch auf viele Künstler:innen. So wie auf die französischen Komponisten Camille Saint-Saëns und Gabriel Fauré, den Norweger Edvard Grieg, den Russen Sergei W. Rachmaninow und den Briten Edward Elgar. Von diesen fünf waren bei dem Liederabend Werke zu hören. Es war eine sorgfältig recherchierte und kluge Auswahl seitens Zanda Švēdes.
Sie eröffnete den Abend mit der titelgebenden Komposition „Soirée en mer“ von Camille Saint-Saëns. Sie beruht auf dem gleichnamigen Gedicht aus Victor Hugos Gedichtzyklus Lieder der Dämmerung und handelt von der unterschiedlichen Wahrnehmung des Meeres durch eine Frau und einen Mann. Es ist eine Reflexion über die Gleichzeitigkeit von Leben und Sterben, von Liebe und Leid. Schon hierbei nahm Zanda Švēde mit ihrer prägnanten, kraftvollen und warm tönenden Stimme sehr für sich ein.
Danach folgte der kleine Zyklus L’horizon chimérique von Gabriel Fauré als ein weiteres schönes Beispiel für französische Mélodies. Daraus berührte besonders die sanfte Klage „Diane, Séléné“ (Diana, Selene).
Einen ersten Höhepunkt bildeten drei Lieder von Edvard Grieg. Nach dem heiteren „Mens jeg venter“ (Im Kahne) stellte Zanda Švēdes mit „Vug, o Vove“ (Wieg´, o Welle) ein Lied voller Emotionen und mit dramatischem Potential dar. Zugleich legte sie die komplexen Emotionen des Stücks offen dar. Flexibel in Ausdruck und Gestaltung präsentierte sie das bewegte „Der gynger en Båd på Bølge“ (Ein Schiff schaukelt auf den Wellen), über ein von einer Schlange bedrohtes schönes Mädchen, allein auf einem Boot.
Als Intermezzo spielte die russisch-amerikanische Pianistin Tatiana Vassilieva eine Etüde aus Sergei W. Rachmaninows Etudes-tableaux (Bilder-Etüden) vor (op 39,2), und zeigte damit ihre hohe Kunstfertigkeit. Die darin musikalisch beschriebene bewegte See und die über sie kreisende Seemöwen waren förmlich zu spüren.
Ein weiterer Höhepunkt schloss den Abend ab: Edward Elgars Zyklus Sea pictures. Elgar ist in erster Linie für seinen Marsch Pomp and Circumstance bekannt. Umso schöner war es, auch einmal Lieder von ihm zu hören. Insbesondere bei diesen anspruchsvollen fünf Liedern lieferten Švēde und Vassilieva bewegende, wunderbar innige Darbietungen voller Leidenschaft.
Nicht nur am Ende des einstündigen Abends gab es intensiven Beifall. Die beiden bedankten sich beim Publikum mit zwei Zugaben. Nach einem themenbezogenen lettischen Volkslied zeigte sich Zanda Švēde mit den bekannten französischen Chansons „La Mer“ von Charles Trenet wie befreit. Als nächstes wird sie ab 5. Januar 25 bei der Wiederaufnahme von Händels Rodelinda in der Partie der Eduige zu erleben sein.
Markus Gründig, November 24