Soiree des Opernstudios: “Der romantische Verdi”
Maren Favela (Sopran)
Elizabeth Reiter (Sopran)
Marta Herman (Mezzosopran)
Francisco Brito (Tenor)
Iurii Samoilov (Bariton)
Eytan Pessen (Musikalische Einstudierung und Klavier)
Oper Frankfurt (Holzfoyer), 25. Juni 2013
Seit 2008 gibt es an der Oper Frankfurt ein Opernstudio als Beitrag zur aktiven Nachwuchsförderung. Jungen Sängern wird damit der Schritt von der Hochschule auf die Opernbühne erleichtert. Unterrichtsinhalte sind u.a. Rollenstudium, Coaching, Sprach- und Meisterkurse, szenische Workshops, Gesangsunterricht, Teilnahme an laufenden Produktionen und auch die Möglichkeit, sich dem Publikum in eigenen Veranstaltungen zu präsentieren. Die letzte Veranstaltung, der als „Soiree des Opernstudios“ bezeichneten Reihe, in der laufenden Saison stand anlässlich der Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Oper „Die sizilianische Vesper“ unter dem Titel „Der romantische Verdi“. Dabei präsentierten die aus Argentinien, Kanada, Mexiko, Ukraine und den Vereinigten Staaten von Amerika stammenden angehenden Sängerpersönlichkeiten einen bunten Mix von Arien, Liedern und Romanzen.
Dabei wurde deutlich, dass die Lieder Verdis eine große Nähe zu seinen Arien aufweisen. Sie sind weniger Ausdruck für sein persönliches Gefühlsleben (wie es bei den deutschen romantischen Liedkomponisten vorwiegt), als vielmehr Genrebilder von Leidenschaften und Schicksalen. Das wurde schon beim von der Sopranistin Maren Favela vorgetragenen affektgeladenen Eröffnungslied „Non t´accostare all´urna“ deutlich. Es gehört zu einem kleinen Zyklus von sechs Romanzen, die Verdi noch vor seiner ersten Oper veröffentlicht hat. Dem folgte, fast wie ein Kontrast, die Arie des Oscar aus dem 3. Akt von „Der Maskenball“: „Saper vorreste“. Die Sopranistin Elizabeth Reiter präsentierte sie leichtfüßig und hingebungsvoll. Gleichwohl ist es für sie natürlich eine leichtere Sache, verkörpert sie doch den Oscar in der aktuellen Wiederaufnahmeserie und erhielt hierfür schon hohe Anerkennung.
Die Mezzosopranistin Marta Herman, äußerlich mit ihren kurzen Haaren ein wenig an Liza Minelli erinnernd, grundierte dann die Stimmung mit gefühlvollem, im ruhigen hinströmenden Gesang „In solitaria stanza“, dem Gebet eines Mannes zur Protektion einer Gebärenden. Für Liebhaber den Kunstliedes war dann vor allem „Perduta ho la pace“ interessant. Übersetzt heißt es „Meine Ruh´ ist hin“. Es ist eine Vertonung von Goethes Gretchen Monolog. Anders als beim gleichnamigen und bekannteren Lied von Robert Schubert kommt es bei Verdi zwar ohne surrendes Spinnrad in der Begleitung aus, bietet dafür aber tiefen Pathos. Marta Herman, sehr in sich ruhend, bewegte durch ihren charakterstarken Ausdruck.
Passend hierzu stellte Maren Favela dann eine Gretchenvertonung von Verdis Zeitgenossen Richard Wagner gegenüber (Meine Ruh´ ist hin), leider forcierte sie bei den expressiven Stellen zu stark und nahm so dem Lied etwas von seiner Intimität.
Francisco Brito sang zwar nur eine Arie, die des Fenton aus dem 3. Akt aus „Falstaff“ („Dal labbro il canto), überzeugte aber mit innigen und sentimentalem Ausdruck und schönem tenoralen Schmelz.
Sehr souverän präsentierte sich auch der Bariton Iurii Samoilov, der den stärksten Applaus vom Publikum erhielt. Von seinen vier vorgetragenen Liedern sei die glückseliges Temperament verströmende Kanzonette „Brindisi“ erwähnt, die er mit Schmiss präsentierte, als sei sie ihm auf den Leib geschrieben worden.
Elizabeth Reiter zeigte mit dem schwermütigen „Ad una stella“, das vom Aufblick einer gefangenen Seele zu den Sternen erzählt, eine andere Seite als zuvor: nun voller Innigkeit und Zurücknahme.
Alle fünf Beteiligten erhielten begeisterten Applaus. Die Zugabe durfte Maren Favela geben. Mit der Opernarie en miniature „L’esule” („Die Verbannte“) aus den Composizioni da camera per canto e pianoforte bot sie ihre beste Leistung, voller glänzender lyrischer Emphase und ausgewogenem und dennoch fesselndem Ausdruck.
Glücklich konnten sich die Nachwuchssänger mit ihrem Begleiter am Klavier schätzen, der ihnen auch bei der musikalischen Einstudierung zur Seite gestanden hat: Eytan Pessen. Er ist nicht nur Operndirektor der Dresdner Semperoper, sondern auch Künstlerischer Berater des Teatro Massimo in Palermo. Diese Zusammenarbeit mit Profis, seien sie nun von der Oper Frankfurt oder von außerhalb, zeichnet das Opernstudio aus.
Francisco Brito und Maren Favela sind übrigens ab kommendem Wochenende bei der Frankfurter Erstaufführung des mittelalterlichen Mysterienspiels „Das Spiel von Seele und Körper“ („Rappresentazione di anima e di corpo“) im Bockenheimer Depot zu erleben.
Markus Gründig, Juni 13
Liederabend Aleksandra Kurzak (Sopran) und Eric Schneider (Klavier)
Oper Frankfurt, 11. Juni 2013
Das Glück hängt von kleinen Dinge ab
Alles für die Katz! Da opfert eine Nachtigall bei Mondlicht ihr Herzblut und ihr Leben, damit sich eine blasse Rose in eine leuchtend rote Rose verwandeln kann und ein Student dadurch die Möglichkeit bekommt, diese Rose der Tochter eines Professors zu überreichen, damit sie beim Ball des Prinzen mit ihm tanzt. Doch seine Liebste hat Zweifel, ob die Rose zu ihrem Kleid passt und zudem hat ihr der Sohn des Kämmerers echte Juwelen geschickt, die schließlich wertvoller sind. Also Pech für den Studenten und die Rose, die enttäuscht auf der Strasse landet und überfahren wird. Und die Nachtigall opferte sich umsonst für die Liebe.
Diese Geschichte schrieb Oscar Wilde unter dem Titel „Die Nachtigall und die Rose“. Das Kunstmärchen wurde mehrfach für die Bühne bearbeitet. Für die polnische Sopranistin Aleksandra Kurzak diente der Titel als Motto für ihr Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt. Die junge und bereits international gefeierte Sängerin, die zudem bereits ein umfangreiches diskografisches Werk vorweisen kann, hat aus dem umfangreichen Liedgut ausschließlich Nachtigallen- und Rosen-Lieder zusammengetragen. Von klassischen deutschen Liedkomponisten wie Franz Schubert, Johannes Brahms und Richard Strauss, daneben aber auch aus ihrer polnischen Heimat (wie von Wladyslaw Zelenski; Witold Lutoslawski und Ignacy Jan Paderewski) und dem angrenzenden Russland (Pjotr Iljitsch Tschaikowski und Nikolai Rimski-Korsakow).
In auf zweimal gut halbstündig verteilten Blöcken präsentierte die sich mit graziösem Charme gebende Sängerin zunächst 12 Lieder, die das Thema Nachtigall behandelten, anschließend folgten 14 Lieder, die das Thema Rosen behandelten. In forschem Tempo reihte Aleksandra Kurzak ein Lied an das andere, mit regelmäßigen Blicken auf das Notenpult. Dabei brauchte sie, trotz aller Hingabe, etwas Zeit um hier wirklich anzukommen. Bei den ersten Liedern von Schubert und Brahms wirkte sie noch verhalten, gewann von Lied zu Lied an Selbstsicherheit, was sich auch positiv auf die Stimme auswirkte, die zunehmend befreiter klang. Ihre kräftige Stimme hatte sie dabei mehrfach demonstriert, wobei sie stets elegante Bögen vom Piano ins Forte spannte. Zulegen kann sie noch beim Hervorheben des Gestalterischen, denn es geht ja nicht nur um das korrekte Singen, sondern auch um die Vermittlung der in den Liedern besungenen Stimmungen.
Lockerer und nun auch mit Mimik im Gesicht wurde sie bei den Liedern in ihrer Muttersprache, wie bei Witold Lutoslawskis „Spóźniony słowik“ („Die verspätete Nachtigall), dem das mit ariosen Zügen folgende „Solovej“ („Die Nachtigall“) des Russen Pjotr Iljitsch Tschaikowski folgte. Beglückender Abschluss und Höhepunkt des ersten Teils war Alexander Alexandrowitsch Aljabjews „Solovej“ („Die Nachtigall“), ein heiteres Lied, das fast wie ein Trinklied erklang und fröhlich springende Koloraturen bietet, die Aleksandra Kurzak souverän meisterte.
Nach der Pause wirke Aleksandra Kurzak gelöster und gleichzeitig konzentrierter. Nun wurde die Stimmung der Lieder immer dunkler, melancholischer. Statt einer fröhlich tönenden Nachtigall ging es nun ja auch um geknickte und absterbende Rosen. Diese Lieder hatten einen intimeren, innigeren Charakter. Wunderbar einfühlsam und lyrisch vorgetragen etwa Richard Strauss´ “Das Rosenband“ oder Ignacy Jan Paderewskis „Gdy ostatnia róża zwiędła“ („Rosentage sind verronnen“)
Der Abschluss war still und leise, innig und traurig: Nikolai Rimski-Korsakows „Plenivshis‘ rozoy solovej („Gefangen von der Rose singt die Nachtigall“). Damit war auch der Bogen zu Oscar Wildes Erzählung geschlossen.
Begleitet wurde Aleksandra Kurzak vom erfahrenen Pianisten und Lehrer für Liedrepertoire Eric Schneider, der sich in seinem Spiel stark zurückgenommen hatte.
Ihr großes sängerisches Vermögen zeigte Aleksandra Kurzak bei den zwei Zugaben. Frei von vorliegenden Noten gab sie sich zwei populären Arien ganz hin und glänzte darin (Arie der Rosina „Una voce poco fa“ aus der Oper Il barbiere di Siviglia von Gioacchino Rossini und die Arie der Lauretta „O mio babbino caro“ aus der Oper Gianni Schicchi von Giacomo Puccini). Viel Applaus.
Markus Gründig, Juni 13
Liederabend Vesselina Kasarova (Mezzosopran) und Charles Spencer (Klavier)
Oper Frankfurt, 7. Mai 2013
Am vergangenen Dienstag (30.04.) sprang sie für die erkrankte Elina Garanca an der Wiener Staatsoper in Massenets Werther als Charlotte ein, diese Woche Dienstag an der Oper Frankfurt für die erkrankte Anne Schwanewilms. Die österreichische und bayerische Kammersängerin Vesselina Kasarova ist nicht nur auf allen großen Bühnen und Festivals der Welt zuhause, sie kann auch eine umfangreiche Discografie vorweisen. Und auch wenn es für manch einen vielleicht bedauerlich war, dass Anne Schwanewilms nicht singen konnte, mit Vesselina Kasarova war eine mehr als würdige Alternative gefunden worden. Und dies nur rund 30 Stunden vor dem Auftritt.
Von daher wurde Kasarova mit Ihrem langjährigen Begleiter am Klavier, Charles Spencer, vom Frankfurter Liederabendpublikum in der Oper Frankfurt auch gleich herzlich begrüßt.
Im ersten Teil standen Liedklassiker von Robert Schumann und Johannes Brahms. Zu Beginn die drei Lieder des unglücklichen Peter (Opus 53,3), der erst zusieht, wie zunächst Hans und Grete lebhaft miteinander tanzen („Der Hans und die Grete tanzen herum“), um dann nüchtern festzustellen „In meiner Brust, da sitzt ein Weh“ und im pathosbeschwerten „Der arme Peter wankt vorbei“ den kleinen Zyklus zu beschließen. Schon hier war Vesselina Kasarovas slawische Herkunft unüberhörbar. Ein gestisch ausdrucksstarker Vortrag, gepaart mit einer kräftigen und fülligen Stimme. Wobei die Textverständlichkeit nicht immer die beste war, eine gewisse Tendenz zum gutturalen Gesang war leider zu vernehmen.
Besonders schön im ersten Teil gelangen ihr die zwei Brahms-Lieder „Von ewiger Liebe“ und „Unbewegte laue Luft“.
Die sich sehr natürlich gebende Kasarova wirkte im zweiten Programmteil stärker und befreiter. Bei diesem standen zunächst Lieder von Sergej Rachmaninow auf dem Programm. Insbesondere bei diesen Liedern konnte auch ihr langjähriger Klavierbegleiter Charles Spencer seine Virtuosität unter Beweis stellen, schließlich ist Rachmaninow ja in erster Linie als virtuoser Klavierkomponist bekannt. Die melancholisch anmutenden Lieder von Tschaikowsky nutzte die Mezzosopranistin Kasarova erneut, ihre kräftige Stimme unter Beweis zu stellen, die durch ihre mitunter tief grundierte Lage auffiel und mit dramatischer Note bestach. Herausragend hier war das Lied „Otschego?“ („Warum?“).
Das Beste behielt sich die ansteckend gut gelaunte Kasarova für den Schluss auf, die Zugabe „Kalimanku Denku“, ein Volkslied in der Bearbeitung des bulgarischen Komponisten Krassimir Kyurkchiyski (* 1936), das sie auch bei der Verleihung des ECHO Klassik 2003 gesungen hat (damals wurde sie als „Beste Sängerin“ ausgezeichnet).
Wer diesen kurzfristig anberaumten Termin mit ihr versäumt haben sollte: Am 1. Oktober 2013 gibt sie einen Liederabend in der Alten Oper Frankfurt.
Markus Gründig, Mai 13
Liederabend Paula Murrihy (Mezzosopran), Simon Bode (Tenor) und Jan Philip Schulze (Klavier)
Oper Frankfurt, 19. März 2013
„Liebe ist ein süßes Licht“
Schon im Jahr 2012 musste der amerikanische Tenor Matthew Polenzani seine für Frühjahr 2013 geplante Liederabendtournee aus gesundheitlichen Gründen komplett absagen (neuer Termin an der Oper Frankfurt ist der 31. Mai 2016). Glück für die Ensemblemitglieder Paula Murrihy und Simon Bode, die dadurch die außergewöhnliche Gelegenheit erhielten, Polenzanis Termin wahrzunehmen und an „ihrem“ Opernhaus gemeinsam einen Liederabend zu gestalten. Dabei hatten Sie ausreichend Zeit, sich auf diesen Abend vorzubereiten. Und das Ergebnis zeigt, sie haben diese Zeit gut genutzt, auch wenn ihr normaler Arbeitsalltag weiter lief.
Bei ihrem Liederabenddebüt an der der Oper Frankfurt machten die beiden jungen Sänger den Eindruck, als würden sie schon eine lange Zeit Liederabende geben. Das ist insoweit bemerkenswert, als ein Liederabend eine ganz andere Herausforderung an die Sänger stellt, als „nur“ eine Opernfigur zu verkörpern. Persönlichkeit, Präsenz, Ausdruck und stimmlicher Wohlklang mit akzentuiertem Gesangsstil wollen über knapp zwei Stunden konzentriert dargeboten werden. Zudem hört das Liederabendpublikum meist mit spitzen Ohren zu. Am Klavier wurden die beiden von Jan Philip Schulze begleitet, der ihnen eine starke Unterstützung bot, bei Liedern wie „Erlkönig“ oder „Von ewiger Liebe“ und bei der Britten-Auswahl auch mit dramatischer Wucht auftrumpfte.
Eröffnet wurde der Liederabend vom Tenor Simon Bode, der zunächst eine Auswahl von Schubert Liedern präsentierte. Zu Beginn dessen „Der Musensohn“. Ein Lied, das seinen Inhalt schon im Titel trägt, handelt es doch vom hohen Selbstgefühl eines Sängers, der die Welt mit seinen Melodien verzaubert. Schon mit diesem ersten Lied überzeugte Simon Bode mit seiner jugendlich wirkenden, fast schon spitzbübischen Art, mit freudig ansteckender guter Laune, die das Kunstlied als etwas ganz Selbstverständliches darbot. Balsamisch anmutende sanftere Töne fand Bode schon im zweiten Lied „Abendlied für die Entfernte“.
Gemeinsam mit der gebürtigen irischen Mezzosopranistin Paula Murrihy, die zeitgleich mit Bode auf die Bühne trat und zunächst auf einem Stuhl Platz genommen hatte, präsentierten die beiden eine musikalische Perle mit Ohrwurmqualität: das Duett „Nachtgesang: Licht und Liebe“. Die Einzelstimmen finden sich hier wohlgeformt zu einer gemeinsamen Phrase („Liebe ist ein süßes Licht“) zusammen.
Das von Murrihy gestaltete Melodienlied „Auf dem Wasser zu singen“ bezauberte nicht zuletzt durch die Begleitmelodie, die hier noch enger mit der Gesangsmelodie verwachsen ist als bei der bekannteren Schubertschen „Forelle.
Ausdrucksstark zeigte sich Bode beim Klassiker „Erlkönig“. Der nachfolgende Block von Brahms Liedern wurde überwiegend von Paula Murrihy gestaltet. Sie ist Preisträgerin des ersten Anny-Schlemm-Preises und war zuletzt als Emilia in der Wiederaufnahmeproduktion von Verdis „Otello“ zu sehen. Herausragend hier „Von ewiger Lieber“, ein wunderschöne dreistrophige Geschichte über eine Liebe, bei der sich ein Mädchen trotz des gesellschaftlichen Spots zu einem Bauernburschen bekennt. Dabei fängt die Melodie zunächst eine geheimnisvolle Abendstimmung ein, um dann zu einem expressiven traumhaft-visionären Glückstaumel hinaufzusteigen. Dabei wurden die unterschiedlichen Stile der beiden Sänger deutlich. Wo Bode sich vornehm zurückhaltend gab, wartet Murrihy mit ihrem kräftigen Mezzosopran auf. Eine gewisse Tendenz zum opern-/operettenhaften ist bei ihr unverkennbar. Allerdings nur bei ihren auf Deutsch gesungenen Liedern. Bei den englischen Liedern von Benjamin Britten im zweiten Programmteil zeigte sie große liedhafte Noblesse im Ausdruck. In ihrer strahlenden Art erinnert sie mitunter auch an die Moderatorin Sonja Kraus.
Dass die Chemie zwischen den beiden stimmte, zeigte sich insbesondere bei den Duetten, die beide authentisch und mit großer Hingabe sangen (wie bei Brahms lebhaftem „Sagt mir, o schönste Schäfrin mein“ und dem anrührenden „Schwesterlein“).
Mit einem Highlight begann auch der zweite Programmteil nach der Pause. In diesem würdigten die beiden den britischen Komponisten Benjamin Britten, dessen 100 Geburtstag in diesem Jahr gedacht wird. Sein im Duett am Anfang gesungenes „Canticle II“ behandelt die alttestamentarische Erzählung der Opferung Isaaks durch Abraham. Damit wurde nicht nur eine Brücke zur aktuellen Neuinszenierung von Mozarts „Idomeneo“ geboten (geht es darin ja auch um die Opferung eines Jungen durch den Vater), die beiden bewiesen auch bei diesem schwierigen Lied ihre sängerische Souveränität und Textsicherheit. Auch die humoristische Seite kam nicht zu kurz, wie etwa bei Brittens „The Deaf Womans´s Courtship“, dem Werben eines Mannes um eine alte Frau oder bei den heiteren Liedern „Pray Goody“ (gesungen von Paula Murrihy) und „The Crocodile“ (gesungen von Simon Bode). Das gipfelte dann im Lied „Calypso“, bei dem Bode ob des schnellen Tempos einer besungenen Autofahrt aus der Bahn geworfen wird und auf dem Bühnenboden liegen bleibt. Viel Applaus für dieses sich unprätentiös gebende sympathische Paar, selbst mitten in den Liedgruppen (was gemeinhin eigentlich ein Tabu ist).
Drei Zugaben beschlossen diesen froh stimmenden Abend: Franz Schuberts „Heidenröslein“ (Bode), William Bolcoms „Amor“ (Murrihy) und das im Duett intonierte Brahmsche „Wiegenlied“ („Guten Abend, gut‘ Nacht“).
Markus Gründig, März 13
Liederabend mit Christiane Karg (Sopran) und Gerold Huber (Klavier)
Oper Frankfurt, 12. Februar 2013
Die als eine von drei Töchtern eines Konditormeisters im mittelfränkischen Feuchtwangen geborene Sopranistin Christiane Karg debütierte im Jahr 2006 bei den Salzburger Festspielen. Es folgte ein Engagement am Hamburger Opernstudio und seit Beginn der Spielzeit 2008/2009 ist sie Ensemblemitglied der Oper Frankfurt. Sie ist inzwischen auch als viel gefragte Konzert-, Lied- und Oratoriensängerin unterwegs. Im Jahr 2010 wurde sie beim ECHO Klassik 2010 in der Kategorie „Nachwuchskünstler“, Sparte „Gesang“ ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr erschien ihre viel beachtete CD „Amoretti“ – Arien von Mozart, Gluck und Grétry (Berlin Classics 85470003894). Bei solch vielseitigem Programm wurden ihre Rolleninterpretationen an der Oper Frankfurt stets mit viel Lob bedacht. Nicht nur als Mélisande in Debussys „Pelléas et Mélisande“ (in der Regie von Claus Guth), in schöner Erinnerung sind beispielsweise auch ihre Créuse („Medée“) und Calisto („La Calisto“; beide 2011 im Bockenheimer Depot).
Bevor Christiane Karg ab der nächsten Spielzeit als freie Künstlerin ihren Weg geht und vielleicht auch einen ähnlichen Erfolg wie das ehemalige Ensemblemitglied Željko Lučić haben wird (dessen Auftritt in Rigoletto an der New Yorker MET kommenden Samstag weltweit live in vielen Kinos übertragen wird), wird sie nicht nur auf der Bühne der Oper Frankfurt zu erleben sein, sondern u.a. auch bei den diesjährigen Salzburger Osterfestspielen (zusmmen mit der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann).
Vergangenen Samstag hatte sie ihr Debüt in der großen Rolle der Adele bei der 2. Wiederaufnahme von Strauß´ „Die Fledermaus“. Jetzt, nur drei Tage danach, gab sie einen Liederabend und wirkte dabei, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht. Überaus souverän, ohne Noten und mit voller Hingabe präsentierte sie ein Programm, das auf schöne Weise die Welt der Oper mit der Welt des Kunstliedes verband. Ihr Thema: Frauenfiguren. Ähnliches hatte die Sopranistin Marlis Peterson zu Saisonbeginn ebenfalls für ihr Liederabendprogramm gewählt. Bei Karg waren es jetzt Frauenfiguren, die aus der Welt der Oper bekannt sind und in den klassischen Liedern in anderer Form in Erscheinung treten.
Zu Beginn waren es Lieder von Franz Schubert und Hugo Wolf, darunter Schuberts bekanntes „Gretchen am Spinnrade“, bei dem das Klavier schön die vorhandene Unruhe untermalt. Highlight im ersten Programmteil waren die vier Mignon-Vertonungen von Hugo Wolf, bei denen Christiane Karg mit großer Intimität und gleichzeitiger Präsenz begeisterte. Diese Lieder passten hervorragend zu ihrem lyrischen Sopran. Mit großer Empathie trug sie diese Seelenbilder vor, mit der fantasiereichen Romanze „Mignon“ („Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?“) als vollendeter Höhepunkt. Der renommierte Klavierbegleiter Gerold Huber (hier begleitete er zuletzt Christian Gerhaher und Michael Nagy) konnte bei Wolfs Mignon-Liedern am stärksten sein virtuoses Können zeigen, wie er sich generell als äußerst zuverlässiger Begleiter und Unterstützer für Christiane Karg erwies.
Im zweiten Programmteil präsentierte sie Ophelia-Vertonungen von Johannes Brahms und Richard Strauss. Das Besondere hierbei war, dass sie die Lieder verschränkte, also abwechselnd Brahms und Schubert sang. Überraschendes Hörerlebnis war, dass sich die Lieder gar nicht so unterschiedlich anhörten (wobei Strauss´ Ophelia-Vertonungen nicht zu dessen besten Liedvertonungen gehören und eher einer schlechten Laune entsprungen sein sollen). Highlight in diesem Teil waren die nachfolgenden Frauenlieder der französischen Komponisten Camille Saint-Saëns, Reynaldo Hahn und Henri Duparc. Hier steigerte sich Christiane Karg abermals mit ihrer lyrischen Ausdrucksform und konnte französische Liebesempfindungen farbenreich zu edlen Perlen formen. Herausragendstes Lied hierbei war das mit einem aufbrausenden Ende aufwartende „Phidylé“ von Henri Duparc.
Karg erhielt viel Applaus für dieses feinfühlige und intim vorgetragene Programm. Mit ihrer ersten Zugabe nahm sie Bezug zu ihrer Mélisande aus Debussys „Pelléas et Mélisande“, die sie zu diesem Liedprogramm inspiriert hatte. So sang sie in englischer Sprache „Mélisande’s song“ op. 40 von Gabriel Faurè, das wie eine Zusammenfassung des Abends wirkte. Als 2. Zugabe und Abschiedslied gab sie „Solveigs Wiegenlied“ von Edvard Grieg in deutscher Sprache, ein schöner Abschluss dieses betörend romantischen Abends.
Markus Gründig, Februar 13
Liederabend mit Franco Fagioli (Countertenor), Luca Pianca (Erzlaute), Marco Frezzato (Violoncello), Jeremy Joseph (Cembalo)
Oper Frankfurt, 8. Januar 2013
Mit einem außergewöhnlichen Liederabend startete die Oper Frankfurt die zweite Hälfte der Liederabendserie in der Saison 2012/2013. Zu Beginn des Jahres 2013 präsentierte der 1981 im argentinischen San Miguel de Tucumán geborene Countertenor Franco Fagioli ein Liedprogramm, das abseits des klassischen Liedrepertoires lag. Außergewöhnlich an diesem Abend war vieles. Nicht nur, dass der Liederabend von einem Countertenor bestritten wurde. Außergewöhnlich war auch, dass der Sänger nicht an einem Klavier begleitet wurde, sondern von drei Musikern an Cembalo, Erzlaute (eine Laute mit einem zweiten Wirbelkasten) und Violoncello. Außergewöhnlich war auch das dargebotene Liedrepertoire aus der Renaissance, am meisten aber Franco Fagioli selber. Mit Verve kam er auf die Bühne gestürmt, fast wie ein Geschäftsführer, der seinen Aktionären eine Traumdividende verkünden will.
Dynamisch und voller Leidenschaft präsentierte er in einer angenehmen Mischung zwischen angestrengt und entspannt wirkend und mit ganzem Gesicht singend, seine glänzende Stimme, die einen breiten Stimmumfang hat. Den höchsten Spitzenton entlockte er ihr zwar erst bei der ersten Zugabe („Sì dolce è’l tormento“, SV 332 (1624) von Claudio Monteverdi), doch auch schon bei den vorherigen Liedern bestach er neben seiner starken Präsenz mit ätherisch klingenden Tönen, die klar fokussiert und ohne Brüche vom tiefen Alt bis zum hohen Sopran reichen.
Fagiolis Botschaft handelte von Liebe und vom Liebesleid, wie so viele Lieder aus dem Barock. Sie wurden geschrieben um das Publikum zu unterhalten und zu erheitern. Zwar wird in ihnen auch dramatisch geklagt, aber sie sind nie so schwermütig wie die Lieder der Romantik.
Die italienischen Liedtexte wurden im Programmheft auch in der deutschen Übersetzung abgedruckt. Allerdings war an diesem Abend das Licht im Saal so stark abgedunkelt, dass man die Texte kaum lesen konnte (was sonst durchaus möglich ist). So war alle Konzentration auf Fagiolis Gesang und die Musik der dazu exzellent passenden musikalischen Begleiter gerichtet. Die Kombination von Cembalo (Jeremy Joseph), Erzlaute (Luca Pianca) und Violoncello (Marco Frezzato) hüllte die vorgetragenen Lieder, Arien und Rezitative in einen formvollendeten Rahmen. Höhepunkte im ersten Teil waren Monteverdis „Ecco di dolci raggi” und Händels Kantate „Dolc’è pur d’amor l’affanno“.
Benedetto Ferraris “Amanti io vi so dire“ wurde von dem Quartett so beendet, wie es bei Joseph Haydns „Abschiedssinfonie“ üblich ist: die Beteiligten verließen nach und nach die Bühne.
Im zweiten Teil steigerte sich Fagioli dann zu glanzvollen Höchstleistungen. Händels „Aure soavi e lieti“ und Vivaldis “Pianti, sospiri a dimandar mercede” präsentierte er bravourös, elegant und mit herrlich sicherer Stimmführung trotz immenser Koloraturen. Die Fähigkeit selbst hohe Töne noch mit einer samtenen Note zu geben und die hohe Flexibilität der Stimme belegten seinen ihm vorauseilenden Ruf als herausragender Countertenor.
Einen besinnlichen Kontrast boten die Soli der Musiker: Giuseppe Antonio Donis “Toccata – Canzone – Passacaglia” (Laute Solo) und Francesco Geminianis “Sonate für Violoncello und Basso continuo a-Moll, op. 5/6”.
Am Ende ein glücklicher Sänger und ein noch glücklicheres Publikum für diesen außergewöhnlichen und leidenschaftlichen Abend.
Markus Gründig, Januar 13
Liederabend mit Luca Pisaroni (Bassbariton), Justus Zeyen (Klavier)
Oper Frankfurt, 4. Dezember 2012
Mit „Veni, vidi, vici“ (lat. „ich kam, ich sah, ich siegte“) lässt sich Luca Pisaronis Debüt an der Oper Frankfurt mit nur wenigen Worten treffend ausdrücken. Der italienische „U-40“ Sänger (Jahrgang 1975) brauchte kein langsames Einsingen. Er startete gleich von null auf hundert durch. Selbst- und textsicher präsentierte er sich gut gelaunt als Vollblutprofi, als würde er sein ganzes Leben bereits als Liedsänger auftreten. Das ist nicht selbstverständlich. Vielleicht liegt es an der italienischen Lebensart und den vielen italienischen Tenören, deren Gestus auf ihn abgefärbt hat.
Sein Programm war italienisch geprägt, auch wenn Rossini der einzige italienische Liedkomponist in seinem Programm war. Doch auch die Lieder der deutschen Komponisten Franz Schubert, Giacomo Meyerbeer (weltberühmt durch seine Oper „Les Huguenots“), und Franz Liszt hatten bei ihm eine italienische Note. Mit seinem noblen, fülligen Bassbariton verfügt er gleichzeitig über eine angenehme Leichtigkeit beim Singen und präsentierte sein Programm mit innigem mimischem Ausdruck, nahezu sprechenden Augen und galanter Präsenz hinsichtlich körperlichen Agierens (dabei erinnert er rein äußerlich an den jungen Tony Curtis).
Pisaroni begann sein Liedprogramm mit drei Liedern von Franz Schubert. Also ganz klassisch für einen solchen Abend. Aber nur scheinbar, denn es handelte sich um drei Lieder nach Pietro Metastasio, die einst ins italienische übersetzt worden waren. Eine Seltenheit also gleich zu Beginn. Beim ersten Lied „Il modo di prender moglie“ („Die Art, ein Weib zu nehmen“ zeigte er gleich schon seinen leicht buffonesken Vortragsstil. Sehr kraftvoll und lebhaft gestaltete er „Il traditor deluso“ („Der getäuschte Verräter“).
Seine Fähigkeit, auch leisen Tönen großen Raum zu geben, bewies er bei Rossini, dessen Lieder unverkennbar eine gewisse ariose Prägung haben. Bei „L´ultimo ricordo“ („Das letzte Andenken“) zeigte er viel höhensichere Emphase. Mit viel Schwung, aber ohne Übermaß, präsentierte Pisaroni das temperamentvolle „L´orgia“ („Das Festgelage“), ein Lied, das bereits an Verdis Trinklied in „La Traviata“ denken läßt. Ein Highlight im ersten Teil war Giacomo Meyebeers „Meerestille“, voll romantischer Sehnsucht und starkem Ausdruck. Ungewöhnlich rau war das gewählte Lied vor der Pause: „Menschenfeindlich“, mit intensiven, vehementen Ausdruck und einem grandiosen mehrfach repetierenden „allein!“ zum Ende.
Nach der Pause ging es mit einem wahren Klassiker deutscher romantischer Liedkunst weiter: Liszts „Im Rhein, im schönen Strome“, hier konnte man förmlich in Pisaronis Seelenleben eintauchen und versinken. Sehr zurückgenommen hat er sich beim Schluss von „O lieb, solang du lieben kannst!“, zärtlich betörend. Mit dem Lied „Die Vätergruft“ traf er ein weiteres Mal den Geschmack des Publikums, weist es doch im Ausdruck schon auf Richard Wagner hin.
Sehr ausdrucksstark gab Pisaroni sich auch beim Schlusslied „I´vidi in terra angelici costumi“ („So sah ich denn auf Erden Engelsfrieden und Glanz“), das „Amor“ im Mittelteil gestaltete er grandios sinnlich.
Mit Justus Zeyen hatte er einen wertvollen Begleiter, der ihn sicher durch das abwechslungsreiche Programm führte und solistisch bei Zwischenspielen wie bei „Das Festgelage“ und „I´vidi in terra angelici costumi“ mit seinem virtuosen Spiel betörte.
Begeistert zeigte sich das Publikum zum langen Schlussapplaus. Luca Pisaroni bedankte sich mit dem Schubert-Hit: „An die Musik“, der vom Publikum euphorisch aufgenommen wurde.
Markus Gründig, Dezember 12
Liederabend mit Alice Coote (Mezzosopran), Julius Drake (Klavier)
Oper Frankfurt, 30. Oktober 2012
Im Februar 2012 erschien Alice Cootes jüngstes Album „The Power of Love-An English Songbook“. Jetzt, einen Tag vor Halloween, bot die lyrische Mezzosopranistin bei ihrem Liederabend an der Oper Frankfurt französische Romantik pur. Und knüpfte damit in gewisser Weise an ihren Liederabend vom März 2008 an, bei dem Sie Schuberts „Winterreise“ interpretierte.
Bei ihrem jetzigen Liederabend an der Oper Frankfurt sang die gebürtige Britin alle Lieder (inklusive Zugabe) in der Originalsprache Französisch, sodaß man als Zuhörer eine gute Vorstellung von der französischen Liedkunst des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts bekommen konnte. Nostalgische Wehmut und eine gewisse Melancholie zeichnen diese Lieder aus, die aber auch von einer urbanen Lebendigkeit zeugen. Beides vermittelte Coote facettenreich und überzeugend. Ihre dunkle Stimmfarbe untermalte die mitunter elegische Stimmung der Lieder mit einer passenden Schwere, die sie mit zarten Ausdrucksnuancen und subtilen harmonischen Reizen garnierte.
Eröffnet wurde der Liederabend mit einem Block von Liedern des Komponisten Gabriel Fauré. Hierbei ragte besonders „En Sourdine“ („In aller Stille“) heraus, eines der schönsten Lieder Faurés. Es stammt aus dem, dem Dichter Verlaine gewidmeten, Opus 58 „Mandoline“. Die zart-leidenschaftliche Liebesszene steigert sich in ätherische Höhe, um sich dann in einen flimmernden Klangnebel aufzulösen. Cootes Vortrag bestach, da sie noch im Leisen eine überwältigende Expression entfaltete (auch wenn sie anfangs noch eine starke Anhaftung an die ausliegenden Noten gehabt hatte).
Auf Fauré folgten Lieder von Hector Berlioz, dem Meister der instrumentalen Tonmalereien, der ausschweifenden Klangorgien und der exzentrischen Programmsymphonien, der vielen von seiner epochemachenden „Symphonie fantastique“ bekannt ist. Genauer gesagt folgte Berliozs Liedzyklus „Les Nuits d´Eté“, sein lyrisches Meisterwerk nach Versen von Théophile Gautier von 1834 (Neufassung 1841, Klavier und Orchester). Der Titel, in der deutschen Übersetzung „Sommernächte“, ist eine Anspielung auf Shakespeares „Sommernachtstraum“ (Berlioz war ein großer Bewunderer Shakespeares). Die sechs Lieder wechseln zwischen fröhlichem, volksliedhaftem Frühlingslied („Villanelle“), amouröser Poesie („Le spectre de la rose“) und tiefer Melancholie (wie die Totenklage in Form einer venezianischen Barkarole bei „Sur les lagunes“) bis hin zum Morbiden (wie bei der Vision eines weißen Grabmales, bei dem der Gesang einer Taube an die aufsteigende Seele eines verlassenen Mädchens erinnert und flüstert „komm zurück“: „Au cimetière“).
Das diesen Zyklus abschließende „Líle inconnue“ führt als galanter Ausklang zurück in eine ausgeglichene Stimmung, zum hier und heute passend. Mit ihrer warmen und glanzvollen Stimme bestach Alice Coote. Wenn sie äußerst zart, fast wie gehaucht, innig sang, gestaltete sie wie nebenbei noch kleine Dramen aus den Liedern.
Nach der Pause folgten zunächst Lieder von Francis Poulenc (das kurze und hoffnungsvolle „Voyage à Paris“), Charles Gounod („Au Printemps“) und Camille Saint Saens (das auf Noblesse der musikalischen Diktion bedachte „Aimons Nous“). Höhepunkt des Abends waren die nun folgenden vier Lieder des Komponisten und Dirigenten Reynaldo Hahn. Er gilt nach Jacques Offenbach als der wichtigste französische Operettenkomponist.
Innigst gestaltete Alice Coote “L´enamouree“. Ruhig, zart aufblühend; mit schöner Höhe zum Schluss bei “Fumee“ berauschend bei “L´Heure Exquise“.
Eric Saties Chanson „Je te veux“ von 1897 gilt als eines der populärsten Werke aus der Zeit des „Belle Époque“. Dennoch wirkte es hier nicht wie ein Fremdkörper, denn die stark in sich ruhende Alice Coote fügte es ohne übertriebene Gestaltung harmonisch ein.
Drei Lieder Poulens beendeten den Abend. Das chansonartige „Chemins de l´amour“ hatte Poulenc der französischen Sängerin, Schauspielerin und Diva Yvonne Printemps gewidmet. Es bildete einen schönen Abschluss für den Ausflug in die französische Romantik.
Am Klavier begleitete Alice Coote erneut der empfindsam spielende Julius Drake, der bei diesem Programm sich stark zurück nehmen musste. Allen voran bei Berlioz hat das Klavier längst nicht so einen starken Anteil wie man es von den deutschen Liedklassikern Schumann, Schubert oder Strauss gewohnt ist.
Als Zugabe gab es erneut das kurze Eröffnungslied nach der Pause: „Voyage à Paris“ von Francis Poulenc (der neben seinem großen Repertoire an geistlicher Musik auch umfangreiches Liedgut geschaffen hatte). Es drückt besonders deutlich Poulencs Stil für unterhaltsame Musik „für alle Tage“ aus.
Markus Gründig, Oktober 12
Liederabend mit Marlis Petersen (Sopran), Jendrik Springer (Klavier)
Oper Frankfurt, 25. September 2012
Glücklich allein
ist die Seele, die liebt (Franz Liszt)
Mit Glatze, finstrem Blick und im schwarzen Talar gibt sich die italienische Sopranistin Cecilia Bartoli auf ihrer neuen CD „Mission marketingtechnisch brillant“. Dabei hat sie ein solches Auftreten gar nicht nötig. Die umjubelte Sängerin hat in den vergangenen Jahren als Aufspürerin längst vergessener Werke großen Ruhm geerntet. Als Aufspürerin kann man auch die Sopranistin Marlis Petersen bezeichnen, denn für ihr Liederabendprogramm „Johann Wolfgang von Goethe“ hat sie eine Vielzahl an unbekannten Liedern ausfindig gemacht. Allein die Zusammenstellung in sechs Gruppen, geordnet nach Figuren aus Goethes Œuvre (wie Suleika, Gretchen, Helena) weckte schon Interesse. Grandios ist dann aber der zweite Blick auf die Liste der gewählten Komponisten. Schubert und Schumann, Mendelssohn-Bartholdy und Franz Liszt fehlen zwar nicht, doch bilden diese Klassiker keinen Schwerpunkt. Denn daneben sind Lieder von nicht so ganz bekannten Komponisten wie Nikolai Karlowitsch Medtner, Hans Sommer, Walter Braunfels und Manfred Trojahn vertreten. Insgesamt bot Marlis Petersen an diesem Abend 21 Lieder von 20 Komponisten und umfasste dabei einen zeitlichen Rahmen der von der Klassik bis zur Gegenwart reichte. Ein Blick auf die im Programmheft abgedruckten Liedtexte erübrigte sich, denn sie sang mit hoher Textverständlichkeit.
Gekleidet in ein elegantes, schlichtes orange strahlendes Kleid das bestens zur herbstlichen Jahreszeit mit sich färbenden Blättern allerorten passte, merkte man ihre große Erfahrung als Sängerin schon allein dem äußeren Auftritt an (in der Opernwelt-Kritikerumfrage ist sie schon zweimal zur „Sängerin des Jahres“ gewählt worden, im Juli sang sie am Theater an der Wien in Offenbachs „Les Contes d‘ Hoffmann“ alle Frauenrollen). Als besondere Ehrung konnte sie den Sängerkollegen Christian Gerhaher im Publikum sichten, der hier vor einem Jahr einen Liederabend gegeben hatte und in wenigen Wochen als Pelléas in Pelléas et Melisande auf der Bühne stehen wird. Äußerst gelassen, ungekünstelt und in sich ruhend braucht Marlis Petersen keine großen Gesten, kein großes mimisches Spiel. Sie singt so selbstverständlich, wie manch anderer seinen Abwasch macht oder bügelt (und verzichtete auch vollständig auf bereitliegende Noten).
Schuberts Suleika I, das an den Freudenbringer, den Ostwind, gerichtete Lied, eröffnete den Abend erwartungsvoll. „Gretchen am Spinnrad“, das derzeit auch in einer von Henrike Johanna Jörissen bezaubernd vorgetragenen Version bei Faust. Erster Teil am Schauspiel Frankfurt zu erleben ist, wurde hier nicht in der bekannten Fassung von Franz Schubert, sondern in der von Richard Wagner gesungen. Einen ersten Höhepunkt bildete das bedeutende „Wonne der Wehmut“ von Ludwig van Beethoven, bei dem sich Empfindung und Tonmalerei vortrefflich zusammenfinden und Klavier und Stimme abwechselnd die Melodie führen. Petersen bestach hier mit einer unbeschwerten Stimmführung. Herausragend war auch das nachfolgende Lied, „Gretchen“ von Hans Sommer, mit innigen und äußerst expressiven Ausbrüchen. Bei „Wandrers Nachtlied“, auch von Hans Sommer, bezauberte Petersen mit ihrem innigen Vortrag.
Jendrik Springer am Klavier spielte mit sichtbar viel Freude. Insbesondere bei Nikolai Karlowitsch Medtners bewegtem „Vor Gericht“ konnte er seine Fertigkeiten als Pianist im Vor-, Zwischen und grollendem Nachspiel gut beweisen.
Mit Alphons Diepenbrocks stürmischem „Kennst du das Land“ begann der zweite Teil, bei dem Franz Liszts melancholisches „Freudvoll und leidvoll“ herausragte. Höhepunkt hier war Manfred Trojahns „Bewundert viel und viel gescholten“, das dieser 2008 eigens für Petersen komponiert hatte. Das Klavier spielt gespensterhaft anmutende Klänge, die vage an Musik von Richard Strauß und Kurt Weil erinnern. Als Göttin Helena konnte sich Marlis Petersen in der ganzen Bandbreite ihrer Sängerpersönlichkeit präsentieren.
Ob Petersens Programm nun als Nachklang zur Frankfurter Goethewoche 2012 aufgefasst wird, begleitend zum Faust-Projekt im Schauspiel Frankfurt oder nur einfach glücklicher Zufall war, der Abend bestach gerade mit den bisher nicht so bekannten Liedkompositionen zum „ewig Weiblichen“. Insbesondere der zweite Teil ging viel zu schnell vorbei. Zum Dank und Trost gab es noch zwei ergreifende, in die Nacht führende „Gìpfelgesänge“ (Franz Liszts „Über allen Gipfeln ist Ruh‘ “ und Charles Ives‘ „Ilmenau“), bei dem sie ihre stets bestens fokussierte, geschmeidige und warme Stimme dem Publikum fest in die Erinnerung einbrannte.
Markus Gründig, September 12
Marlis Petersens CD „Goethe Lieder ~ Das ewig Weibliche“ mit fast identischem Programm erschien im März 2012 bei Harmonia Mundi.