Klaus Florian Vogt und Kammerensemble mit »Die schöne Müllerin« am Staatstheater Wiesbaden

Liederabend Klaus Florian Vogt ~ Staatstheater Wiesbaden (29. Mai 2020) ~ Klaus Florian Vogt und Mitglieder des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden ~ © Markus Gründig

Mit seiner Paraderolle des Gralsritters Lohengrin erzielte Tenor Klaus Florian Vogt künstlerisch überdurchschnittlich große Erfolge. Er gab diese Partie viele Jahre lang bei den Bayreuther Festspielen, zudem u. a. auch in Baden-Baden, Berlin, Hamburg, Mailand, New York, Tokio, Wien, Zürich und bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden. Zu Letzteren kehrte er jetzt für einen Liederabend zurück. Dass die Veranstaltung ausverkauft war, ist bei seinem Renommee kein Wunder (auch wenn es durch die aktuellen Schutzmaßnahmen deutlich weniger verfügbare Plätze gab).

Auf dem Programm stand Franz Schuberts Liederzyklus Die schöne Müllerin, die Geschichte eines unglücklich verliebten Gesellen, der am Ende Suizid begeht (nach Wilhelm Müller). Was diesen Abend, abgesehen von Vogt als Star, besonders machte, war, dass er nicht wie üblich mit Klavier, sondern von einem Kammerensemble begleitet wurde. Für manch Traditionalisten mag dies ein Sakrileg darstellen, da Schuberts Klavierbegleitung ein wichtiger Gegenpart zum Gesang ist und beides perfekt aufeinander abgestimmt ist. Gleichwohl muss nicht immer alles unverändert fortgeführt werden. Die subtil erstellte Kammerensemblefassung von Andreas N. Tarkmann verleiht dem Zyklus eine deutlich andere Stimmung: weicher, zärtlicher aber vor allem mit viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten und Klangfarben. Vogt präsentierte sie erstmals vor einem Jahr in der Hamburger Elbphilharmonie. Die mitunter tiefe Melancholie des Werkes bildet bei dieser Fassung allerdings keinen Schwerpunkt.

Bei „Danksagung an den Bach“ drückt das Violoncello viel Melos aus, bei „Am Feierabend“ sind insbesondere die Klarinette, Fagott und Horn beteiligt. Die Streicher untermalen zärtlich „Der Neugierige“, wozu sich dezent die Klarinette mit einbringt. Besonders deutlich wird der Unterschied beim temporeichen „Ungeduld“, was in der Fassung für Kammerensemble etwas friedlicher wirkt, nicht so gehetzt und antreibend. Besonders schön auch „Mein!“, mit Horn wunderbar innig und geruhsam. Oder „Trockene Blumen“, bei dem zunächst die Streicher die Saiten ihrer Instrumente zupfen und die Klarinette mitfühlend einsteigt. Dabei spielten die acht Mitglieder des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden ohne einen Dirigenten (Violine: Alexander Bartha und Sebastian Max; Viola: Irene Baiter; Violoncello: Johann Ludwig; Kontrabass: Jochen Steinmetz; Klarinette: Adrian Krämer; Fagott: Peter Brechtel; Horn: Jens Hentschel).

Der ausgewogene Kammermusikklang passt sehr gut zur lyrischen Tenorstimme von Klaus Florian Vogt. Eine unbeschwerte Natürlichkeit klingt bei ihm allzeit mit, umschmeichelt jeden Ton. Die Stimme wirkt stets frei, leicht und jugendlich. Sehr schön intim der „Morgengruß“.
Bei allen lyrischen Spitzenleistungen verfügt er dennoch über viel Strahlkraft (wie bei „Ungeduld“).
Für den starken Zuspruch des Publikums in Form eines kräftigen Schlussapplauses und Standing Ovations verzichtete Vogt auf ein Opern-Highlight wie „An fernem Land“ aus Wagners Lohengrin zu geben und wiederholte stattdessen als Zugabe das Lied „Ungeduld“.

Markus Gründig, Mai 20