In einer Dauerschleife: »Glückliche Tage« am Staatstheater Wiesbaden

Glückliche Tage ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Winnie (Evelyn M. Faber) und Willie (hinten: Gottfried Herbe) ~ Foto: Karl und Monika Forster
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Standhaft verkündete am 29. April 20 der Intendant des Staatsheaters Wiesbaden, Uwe Eric Laufenberg, per Videobotschaft, dass sein Haus zum ursprünglichen Fach zurückkommen wolle. Ohne genau zu wissen, wann und wenn für wie viele Zuschauer gespielt werden könne und wie es dabei mit dem nötigen Sicherheitsabstand funktionieren würde. Auf jeden Fall habe man sich eine Beckett-Trilogie vorgenommen: Glückliche Tage als Beschreibung des Jetzt-Zustands, der immer gleichen Abläufe (z. B. im Homeoffice) und den Versuch, glückliche Tage zustande zu bringen, Warten auf Godot als Versuch, dem völlig Absurden noch etwas Lebendiges, Heiteres, Schönes und Lebensbejahendes abzugewinnen und schließlich Endspiel als Zustand, wie das Land aussehen könnte, würde der Shutdown anhalten. Sollte eine Aufführung vor Publikum nicht zustande kommen, würden die Inszenierungen in das Nichts des Weltalls geschickt. Dann seien Becketts Kraft, Aussage und Schönheit der Texte die letzten Signale einer Menschheit, die einst Großes und Wunderbares geleistet hat…
Doch dazu kam es nicht. Bereits am 7. Mai verkündete die hessische Landesregierung, dass ab 9. Mai die Theater wieder öffnen dürfen. Und schnell stand ein erster Ersatzspielplan.

Laufenberg ist nicht nur Intendant, sondern auch Schauspieler und Regisseur, weshalb er kurzerhand die Inszenierung der Trilogie übernahm. An seiner Seite: Rolf Glittenberg (Bühne) und Marianne Glitterberg (Kostüme).

Als Erstes gab es jetzt im Großen Haus das als letztes der drei Stücke geschriebene: Glückliche Tage (uraufgeführt 1961). Die weit geöffnete Bühne zeigt hierfür zunächst einen großzügigen weiten Salon zur Zeit der Uraufführung: nostalgisch anmutende Stehlampen mit kleinen Schirmen etwa, oder einer Musikanlage, dazu klassizistisch anmutende Sofas und Sideboards. Inmitten die Hauptfigur: Winnie, eine gestandene Frau um die fünfzig. Sie steht in einem überdimensional breiten Reifrock, der irgendwie auch wie ein großer Grashügel wirkt, zumal er mit vielen dunklen Buxbaum Kugeln versehen ist (die auch weit im Raum verstreut herum liegen). Sie kann herumlaufen, Gegenstände auf einem Sideboard zu ergreifen ist ihr ob zu kurzer Arme unmöglich. Ihr imaginärer Schutzschirm behindert sie massiv. Dafür ist sie redegewandt und hat ein Faible für Körperhygiene. Sie erzählt, wie sie ihren bescheidenen Alltag meistert und in kleinen Dingen glückliche Momente findet (wie die Aufmerksamkeit Willis zu erwecken). Evelyn M. Faber, seit vielen Jahren am Staatstheater Wiesbaden, gibt sie ausdrucksstark und facettenreich. Bei ihrem Ausruf „Was soll man tun, den ganzen Tag?“ fühlt man sich zwangsläufig an die harten Zeiten des Shutdowns erinnert.

Glückliche Tage
Staatstheater Wiesbaden
Winnie (Evelyn M. Faber)
Foto: Karl und Monika Forster

Nach der Pause lugt nur ihr Kopf aus einer Bettdecke hervor, der Raum ist jetzt kahl, leer und trostlos wie ein Krankenzimmer. Sie „liegt“ senkrecht in einem Krankenhausbett und setzt ihren Redefluss fort. Zunächst wird ihre Stimme eingespielt und sie scheint sich selbst zu beobachten. Aus ihrem Dämmerzustand mit Frank Sinatras „New York, New York“ aufgeweckt, ist sie wieder ganz die alte.
Große Präsenz zeigt auch Gottfried Herbe als gelassener, Zeitung lesender älterer Ehemann von Winnie, auch wenn er, zunächst im Morgenmantel, dann im eleganten Smoking, bei Beckett nicht viel zu sprechen hat.

Dezent beschwingt mit „Lippen schweigen“ aus der Lehár-Operette „Die lustige Witwe“, geht auch dieser glückliche Tag von Winnie zu Ende, da klingelt auch schon der Wecker für den nächsten. Und die Frage, wie Glück in aller Sinnlosigkeit der Existenz zu bewerten ist, ob Winnie wahrhaft glücklich ist oder nur ironisch spricht, kann jeder für sich entscheiden.

Lang anhaltender Applaus, auch für das Regieteam.

Markus Gründig, Juni 20


Glückliche Tage

(Happy Days)

Uraufführung: 17. September 1961 (Cherry Lane Theatre, New York)

Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 4. Juni 20 (Großes Haus)

Regie: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Rolf Glittenberg
Kostüme: Marianne Glittenberg
Dramaturgie: Anika Bárdos

Besetzung:

Winnie: Evelyn M. Faber
Willie: Gottfried Herbe

staatstheater-wiesbaden.de