Das große Warten auf das Ende: »Endspiel« am Staatstheater Wiesbaden

Endspiel ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Hamm (Christian Klischat), Clov (Philipp Appel) ~ Foto: Karl und Monika Foster
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Becketts eigenwillige Sicht auf die ihm absurd erscheinende menschliche Existenz machten ihn weltberühmt. Seine drei bekanntesten Werke stehen zur Wiederinbetriebnahme des Spielbetriebs nach der Corona bedingten Zwangspause neu auf dem Spielplan des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Auf Glückliche Tage folgte jetzt Endspiel, das ursprünglich als letztes aus dieser Trilogie gezeigt werden sollte. Wegen eines krankheitsbedingten Ausfalls im Ensemble wurde es vorgezogen. Dabei übernahm Philipp Appel kurzfristig die Rolle des Dieners Clov von Michael Birnbaum.

Die Bühne im Großen Haus ist für Endspiel mit denselben Grundmauern wie bei Glückliche Tage abgegrenzt. Hinzugefügt wurden zwei kleine stilisierte Fenster, die hoch an der Rückwand angebracht sind und den Eindruck, man befinde sich in einem großen Verlies, unterstreichen. Auf der linken Seite befinden sich zwei 1100-Liter Mülltonnen für das Zuhause der Bein-losen Eltern des blinden und gelähmten Hauptprotagonisten Hamm, dessen Platz auf der rechten Seite in einem Ohrensessel (mit fahrbarem Unterbau) ist. Auf dem Boden liegt reichlich Müll (Bühne: Rolf Glittenberg). Unterschiede zwischen Tag und Nacht spielen in diesem Stück keine Rolle, hier werden sie durch dezente Lichtveränderungen erlebbar.

Endspiel
Staatstheater Wiesbaden
Nagg (Bernd Ripken), Hamm (Christian Klischat), Clov (Philipp Appel)
Foto: Karl und Monika Foster

Christian Klischat ist in Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung als Hamm unumstrittener Trumpf der Inszenierung. Zwar sind bei Beckett die Figuren nicht wirklich Individuen oder Typen, Klischats Hamm ist gleichwohl ein Musterbeispiel eines widersprüchlichen Homo sapiens. In der knapp zweistündigen Aufführung zieht er die ganze Zeit über alle Aufmerksamkeit auf sich (und dies, obwohl er fast die ganze Zeit über eine Nickelsonnenbrille trägt).
Philipp Appels gibt mit schwarzer Weste auf nacktem Oberkörper (Kostüme: Marianne Glittenberg) den des Sitzens unfähigen, stets langsam und mit Bedacht gehenden Dieners Chov. Er tritt auf, tritt ab, folgt den Befehlen von Hamm, um ihm dann doch zu widersprechen. Ein ständiger verbaler Zweikampf zwischen den beiden. Als ab und an aus den aus den Müllgefäßen auftauchende Eltern verleihen Bernd Ripken (Nagg) und Evelyn M. Faber (Nell) der Inszenierung einen Hauch von menschlicher Wärme in der ansonsten so gefühlskalten Atmosphäre.

Nach langem Warten auf das Ende der Welt: Viel freundlicher Applaus.

Markus Gründig, Juni 20


Endspiel

(Fin de partie)

Uraufführung: 3. April 1957 (London, Royal Court Theatre)
Deutsche Erstaufführung: 30. September 1957 (Berlin, Schlossparktheater)

Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 5. Juni 20 (Großes Haus)

Regie: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Rolf Glittenberg
Kostüme: Marianne Glittenberg
Dramaturgie: Daniel C. Schindler

Besetzung:

Hamm: Christian Klischat
Clov: Philipp Appel
Nagg: Bernd Ripken
Nell: Evelyn M. Faber

staatstheater-wiesbaden.de