Glück im Unglück hatten die Mitglieder des Frankfurter Opernstudios. Üblicherweise finden dessen Soireen im Holzfoyer der Oper Frankfurt statt. Im Rahmen des Corona bedingten Ersatzprogramms hatten sie nun die Gelegenheit, die Soiree im Opernhaus zu geben. Auf dessen Bühne haben die StipendiatenInnen in der Vergangenheit zwar auch schon gestanden, aber noch nicht exponiert als solistische Sänger. In Anbetracht der noch bestehenden Beschränkungen der Zuschauerzahlen, entsprachen diese im ausverkauften Opernhaus in etwa der sonst im Holzfoyer üblichen.
Mit großem Engagement präsentierten die jungen SängerInnen ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Programm mit Arien, mit denen sich „ihr künstlerischer Weg andeutet“, wie es im Ankündigungstext zur Soiree hieß. Der musikalische Bogen reichte von den Anfängen der Opernhistorie (Henry Purcell) über Klassiker wie Verdi und Mozart, bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts (Kurt Weil). An diesem Abend fehlten allerdings die beiden Tenöre des aktuellen Jahrgangs (der Chinese Tianji Lin und der Australier Michael Petruccelli, die sich wahrscheinlich in ihrer Heimat befinden).
Einen starken Eindruck hinterließ erneut Bariton Danylo Matviienko. Trotz seines zurückhaltenden Auftretens füllte er mit seiner warm timbrierten Stimme mühelos den großen Raum und vermittelte die besungenen große Gefühle voller Leidenschaft. Er präsentierte Francesco Paolo Tostis „Trístezza“ und die Zarzuela „Ya mis horas felices“ aus Reveriano Soutullo und Juan Verts La del oto del Parral, die nicht zuletzt durch Plácido Domingo bekannt wurde.
Große Oper bot die Sopranistin Julia Moorman mit Elsas „Einsam in trüben Tagen“ aus dem 1. Akt von Richard Wagners Oper Lohengrin. Als Kontrast dazu folgte später, eher heiter als sozialkritisch hinterfragend, „Denn wie man sich bettet, so liegt man“ aus Kurt Weils Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny.
Die Mezzosopranistin Karolina Makuła eröffnete die Soiree mit einer gefühlsvollen Interpretation von Octavians „Wie du warst, wie du bist“ aus Richard Strauss´ Der Rosenkavalier (mit kurzen Einlagen von Julia Moorman als Marschallin). Mit Dimitri Schostakowitschs „Proshchaj, Grenada!“ (Spanische Lieder, Op. 100) zeigte sie sich wandelbar mit spanischem Kolorit (und war bei beiden Liedern in passend schöner Kleidung).
Ab der nächster Spielzeit wird die Mezzosopranistin Kelsey Lauritano das Ensemble der Oper Frankfurt verstärken. Mit erhabener Erscheinung und lyrischer Ausgestaltung verkörperte sie sehr gut sowohl Dido, Königin von Karthago mit Henry Purcells Lamento »Thy hand, Belinda … When I am laid in earth« aus Dido and Aeneas, wie auch den persischen König Xerxes mit der Rachearie „Crude furie degli orridi abissi“ aus Händels Xerxes.
Bassbariton Pilgoo Kang gab sich zunächst zurückhaltend aber klangvoll bei Bancos Arie »Studia il passo, o mio figlio … Come dal ciel precipita« (aus Verdis Macbeth), von seiner komödiantischen heiteren gelösten Seite dann glänzend mit der Arie »La Vendetta« des Arztes Bartolo aus Mozarts Le nozze di Figaro.
Als ungekrönter Star des Abends erwies sich die Sopranistin Florina Ilie (ebenfalls ab nächster Spielzeit im Ensemble der Oper Frankfurt), die schon mit ihrer Gesamterscheinung, der Kombination von Grazie und strahlendem Lächeln stark für sich einnahm und dazu mit ihren sicher gestalteten Koloraturen verführte. Neben der Zarzuela „Me Ilaman la promorosa“ von Giménez und Nieto trumpfte sie mit Konstanzes Arie „Martern aller Arten“ aus Mozarts Die Entführung aus dem Serail auf. Hierbei gab es ein weiteres Novum: sie wurde nicht nur von Felice Venanzoni am Klavier begleitet, sondern auch von einem Quartett von Mitgliedern des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters (Ruth Pereira Medina – Flöte, Romain Curt – Oboe, Ingo de Haas – Violine, Mikhail Nemtsov – Violoncello). Sie spielten zunächst eine schön arrangierte Introduktion und machten deutlich, wie stark Orchesterklänge den Gesangsvortrag abrunden können.
Bei der Soiree begleiteten spannungsreich abwechselnd Felice Venanzoni (verantwortlich für die künstlerische Ausbildung im Opernstudio) und Michał Goławski (Solorepetitor) die SängerInnen.
„Ya mis horas felices“ („Meine glücklichen Stunden“) war nicht nur der Titel einer Zarzuela, sondern stand auch als Motto über diesem Abend, der auch für das Publikum eine glückliche Stunde war. Viel Applaus und eine gemeinsame Zugabe.
Markus Gründig, Juni 20