Heitere dänische Nationaloper »Maskerade« wieder an der Oper Frankfurt

Maskerade ~ Oper Frankfurt (2025) ~ Leander (Magnus Dietrich) und Leonora (Elizabeth Reiter) ~ © Barbara Aumüller (szenenfoto.de)
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Carl Nielsens heitere Oper Maskerade wurde 1906 in Kopenhagen uraufgeführt. Die Frankfurter Erstaufführung fand erst 115 Jahre später statt, im Jahr 2021 (Besprechung). Nun wurde sie erstmals wiederaufgenommen.

Der Plot der Geschichte ist schnell erzählt. Ein junges Paar soll dem Profit wegen miteinander verheiratet werden, ohne dass sich die beiden vorher kennen. Doch sie verlieben sich schon vorher ineinander. Dies auf einem Maskenball, ohne wirklich voneinander zu wissen. Zum fröhlichen Ende lösen sich dann alle Probleme mit den Vätern in nichts auf. Das Libretto von Vilhelm Andersen geht auf die gleichnamige Komödie des „dänischen Moliere“ Ludvig Holberg von 1724 zurück.

Text hat Gleichwertigkeit zu Musik und Gesang

Um Wortwitz und Situationskomik hervorzuheben, wird ausnahmsweise nicht in der Originalsprache gesungen. Das hat vor allem zwei Gründe. Das Einstudieren dänischen Gesangs für so ein selten gespieltes Werk wäre extrem aufwendig. Es in deutscher Sprache zu präsentieren zu können, ermöglicht ein noch tieferes Eindringen (zumal für die Erstaufführung 2021 eigens eine Neuübersetzung beauftragt wurde). Der stark an der heutigen Umgangssprache angelehnte und oftmals doppeldeutige Text mit vielen Reimen hat in dieser Inszenierung eine Gleichwertigkeit zu Musik und Gesang.

Tanzensemble mit exaltierten Posen

Ein sechsköpfiges Tanzensemble ist bei dieser Produktion von Anfang bis Ende beteiligt (Tadas Almantas, Hyewon Cho, Haizam Fathy, Gabriella Lemma, Sophie Melem und Rouven Pabst) und eng mit dem Geschehen verzahnt. Zu Beginn liegen die Tänzer:innen, lediglich Unterwäsche tragend, verteilt auf den Treppenstufen und zeugen von den Ausschweifungen der letzten Nacht auf dem Maskenball (gleiche Posen nehmen sie auch zum Schluss ein).
Mit geschmeidigen Bewegungen und exaltierten Posen unterstreichen sie im Handlungsverlauf die vorherrschende frivole Stimmung der feierfreudigen Gesellschaft. Drei geben zudem eine tänzerische Pantomime (über die untreue Venus als Wink mit dem Zaunpfahl an Jeronimus). Die rund sechsminütige Ballettmusik im dritten Aufzug, den sogenannten „Hahnentanz“, teilt sich das Tanzensemble mit stummen Auftritten der Sängerinnen und Sänger (Choreografie: Kinsun Chan, Choreografische Einstudierung: Irene Klein).

Maskerade
Oper Frankfurt (2025)
Pernille (Barbara Zechmeister) und Henrik (Liviu Holender; mit roten Haaren)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Äußere Gegebenheiten spielen eine untergeordnete Rolle

Inszeniert wurde Maskerade von Tobias Kratzer. Er wird ab der kommenden Spielzeit als Intendant die Hamburgische Staatsoper leiten. Sein Blick auf Maskerade ist stark auf die Figuren konzentriert. Äußere Gegebenheiten spielen eine untergeordnete Rolle. Einen in Erinnerung bleibenden bildlichen Fixpunkt gibt es nicht. So beschränkt sich das Bühnenbild von Rainer Sellmaier auf ein großes, nicht zu hohes Podest und einer umlaufenden Treppenanlage, der sich 21 Türen anschließen (alles in Schwarz gehalten). Ortswechsel zwischen dem Haus (nebst Vorplatz) von Jeronimus (Aufzüge 1 und 2) und dem gegenüber liegenden Saal des Maskenballs (Aufzug 3) werden lediglich durch getauschte Türblätter verdeutlicht.

Viel Augenmerk wurde auf die ausgesprochen divers gehaltenen Kostüme (ebenfalls Rainer Sellmaier) gelegt. Hier geht es weniger darum, farbenfrohe Kostüme eines Maskenballs zu zeigen. Das aus dem Alltag Heraustreten und mit einem Kostüm eine andere, die wahre Identität zu verwirklichen, wird hier zur Maxime.

Maskerade
Oper Frankfurt (2025)
Leonard (Michael McCown) und Magdelone (Juanita Lascarro)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Das Orchester ist mit viel Energie und guter Laune dabei

Carl Nielsens Musik ist gut hörbar, eher klassisch als modern gehalten. Auf jeden Fall sehr abwechslungsreich, schwungvoll und voller Gefühl. Für diese Wiederaufnahmeserie ist der Dirigent Benjamin Reiners zu Gast an der Oper Frankfurt. Er ist Generalmusikdirektor der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel und wird ab der kommenden Spielzeit in gleicher Position am Theater Chemnitz tätig sein (sowie als Chefdirigent der dortigen Robert-Schumann-Philharmonie). Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielt unter seinem Dirigat spürbar mit viel Energie und Laune auf, wie auch die Sängerinnen und Sänger viel Freude mit Maskerade vermitteln.

Maskerade
Oper Frankfurt (2025)
v.l.n.r. Henrik (Liviu Holender), Pernille (Barbara Zechmeister), Meister der Maskerade (Thomas Faulkner; mit Flügeln), Leonora (Elizabeth Reiter) und Leander (Magnus Dietrich)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Alber und Dietrich mit jugendlich wirkender Strahlkraft

Von der Besetzung 2021 sind vier Sänger:innen erneut beteiligt. Bass Alfred Reiter als erhabener und störrischer Bürger und Hausherr Jeronimus. Bariton Liviu Holender mit Verve in Ausdruck und Stimme als dessen emsiger Sohn Henrik, sowie Tenor Michael McCown (Jeronimus´ Geschäftsfreund Leonard) und Kammersängerin Barbara Zechmeister (Hausdame Pernille). McCown und Zechmeister geben zusammen ein bewegendes Duett.

Alle weiteren Sänger:innen haben hier ihr Rollendebüt, sie stammen fast alle aus dem Ensemble. Sopranistin Juanita Lascarro ist eine kecke Magdelone, Tenor Theo Lebow ein immens aufspielender Diener Arv. Als ein Art „Heerrufer“ fungiert der Nachtwächter / Meister der Maskerade, Bass Thomas Faulkner. Meist ohne Orchesterbegleitung a capella singend, kann er seine an klanglicher Tiefe und Fülle gereifte Stimme imposant vorführen. Ergänzt wird das Spiel u. a. vom elegant gekleideten Maskenverkäufer in roten Pumps, Leon Tchakachow und dem schnieken Magister des Sakhiwe Mkosana.

Das Paar um das sich alles dreht, geben Sopranistin Elizabeth Reiter (Leonora) und Tenor Magnus Dietrich (Leander). Mit jugendlich wirkender Strahlkraft glänzen sie stimmlich und darstellerisch. Das gilt auch für den Chor der Oper Frankfurt, der vom kommissarischen Chordirektor Álvaro Corral Matute einstudiert wurde.

Viel begeisterter Beifall.

Bis zum 14. Februar 25 gibt es noch fünf weitere Vorstellungen von Maskerade. Von der Premierenserie 2021 gibt es inzwischen eine DVD-Aufnahme (Label NAXOS Audiovisual, Art. Nr.: NBD0174V, naxos.de).

Markus Gründig, Januar 25


Maskerade

Komische Oper in drei Akten
Von: Carl Nielsen (1865–1931)
Text: Vilhelm Andersen nach der Komödie (1724) von Ludvig Holberg
Uraufführung: 11. November 1906 (Kopenhagen, Königliches Theater)
Neue deutsche Fassung von: Martin G. Berger (auf Grundlage der Linearübersetzung von Hans-Erich Heller)

Premiere / Frankfurter Erstaufführung: 31. Oktober 21 (Opernhaus)
Erste Wiederaufnahme: 10. Januar 25 (Opernhaus)

Musikalische Leitung: Benjamin Reiners
Inszenierung: Tobias Kratzer
Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Katharina Kastening
Bühnenbild, Kostüme: Rainer Sellmaier
Licht: Joachim Klein
Choreografie: Kinsun Chan
Chor: Álvaro Corral Matute
Dramaturgie: Konrad Kuhn

Besetzung:

Jeronimus: Alfred Reiter (auch 2021)
Magdelone: Juanita Lascarro
Leander: Magnus Dietrich
Henrik: Liviu Holender (auch 2021)
Arv: Theo Lebow
Leonard: Michael McCown (auch 2021)
Leonora: Elizabeth Reiter
Pernille: Barbara Zechmeister (auch 2021)
Ein Nachtwächter / Meister der Maskerade: Thomas Faulkner
Ein Maskenverkäufer: Leon Tchakachow
Ein Magister: Sakhiwe Mkosana°

Tänzer*innen: Gabriella Lemma / Sophie Melem / Rouven Pabst / Haizam Fathy / Hyewon Cho / Tadas Almantas

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester


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