kulturfreak.de Besprechungsarchiv Liederabende etc., Teil 1

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Liederabend Bejun Mehta (Countertenor), Kevin Murphy (Klavier)

Oper Frankfurt, 3. April 07

Ein Liederabend mit einem Countertenor ist wahrlich nicht alltäglich, finden doch schon Liederabende an sich relativ selten statt. Nachdem an der Oper Frankfurt in der Vergangenheit bereits mehrfach Countertenöre bei Operproduktionen sangen (beispielsweise Martin Wölfel bei der Uraufführung von Detlef Glanerts Caligula) und sie nicht zuletzt durch den Erfolg von Jochen Kowalski einen großen Bekanntheitskreis erlangt haben, war jetzt an der Oper Frankfurt die Zeit gekommen, diese besondere Stimmlage mit einem eigenen Abend zu würdigen. Als Vertreter seines Faches stand kein geringerer als Bejun Mehta auf der Bühne. Mehta wurde in North Carolina (USA) geboren und entstammt einer musikalischen Familie. Sein Vater (Pianist) ist der Cousin des Dirigenten Zubin Mehta, seine Mutter ist ebenfalls Sängerin (sie war auch seine erste Gesangslehrerin). Bereits als Knabensopran konnte er beispielslose Erfolge feiern. Leonard Bernstein äußerste sich begeistert über den Reichtum und die Reife seines musikalischen Verständnisses, das er schon als Kind besaß.

Seine erste Karriere endete mit der Pubertät, dem Singen blieb er jedoch stets treu. Zunächst als Bariton, doch schon bald entdeckte er sein besonderes Talent für hohe Töne. Sein Operndebüt gab Bejun Mehta 1998 an der New Yorker City Opera als Armindo in Händels Oper Partenope. Seitdem ist er nicht nur in den USA, sondern auch in Europa ein begehrter Sänger.

Sein akzentfrei vorgetragenes Programm mit Liedern von Mozart und Franz Schubert stand ganz im Zeichen der Klassik und der Romantik. Im kürzen zweiten Teil gab es nach der Pause neben vier Liedern von Hugo Wolf allerdings auch einen Ausflug ins England des 20. Jahrhunderts, mit Liedern von Ralph Vaughan Williams, Roger Quilter und Gerald Finzi.

Mit Mozarts “Das Veilchen“ (Text: Goethe) wurde der Abend eröffnet. Dieses Lied stellt einen einzigartigen Beleg der Verbindung von dichterischen und musikalischen Genie dar.  Feinfühlig spürt Mozart hier dem schicksalhaften Gehalt der Dichtung nach, die Bejun Mehta wohl mehr sagt, als man gemeinhin von einem Amerikaner erwartet: er studierte deutsche Literatur in Yale. Von Liebe und Lust, Enttäuschung und Freude handelten die weiteren Mozart Lieder, die Bejun Mehta bedächtig vortrug. Tiefe Leidenschaft bestimmte auch die sechs Schubert Lieder, die mit dem optimistischen „Frühlingsglaube“ begannen. Der Hoffnung auf einen Neubeginn folgte aber sogleich der Sturz ins tiefe Leid, verursacht durch die Sehnsucht („Lied der Mignon“, zum hingebungsvollen Mitleiden von Bejun Mehta ergreifend präsentiert). Einem jeden bekannt ist das „Heideröslein“, dessen flotte und leichte Melodie konträr zur Dramatik des Textes steht. Versöhnlich versucht sich der Tod in „Der Tod und das Mädchen“ einzuschleichen: eine bewegende Sterbeszene. Sehr innig und anteilnehmend folgte „Am Tage Aller Seelen“. Voller pulsierender Lebenslust beendete „Der Musensohn“ den ersten Teil des Abends. Die in Englisch vorgetragenen Lieder von Williams, Quilter und Finzi verdeutlichten eine andere, etwas gelöstere Stimmung. Williams „Bright Is the Ring of Words“ hat dabei fast den Klang einer Hymne, während Quilters „It Was A Lover And His Lass“ sogar ausgesprochen heiter daherkommt (immerhin entstammt der Text Shakespeares „Wie es euch gefällt“). Quilters „Hey, Ho, the Wind And the Rain“ beendete das Programm, frohgemut und kräftig.

Bei der Zugabe, einer Arie aus Antonio Vivaldis L’Orlando finto pazzo, kam dann der Bejun Mehta durch, den ein Kritiker einmal als „sheer singing animal“ bezeichnet hatte. Gab die Arie ihm doch wesentlich mehr Gelegenheit, mit viel Ausdruck sein ungewöhnlich breites Spektrum an Tönen vorzuführen, das Ganze gepaart mit gewaltiger Energie und glühender Leidenschaft. Starker Applaus des gut besuchten Opernhauses folgten natürlich jetzt erst recht.

Markus Gründig, April 07


Liederabend: Stella Doufexis (Mezzosopran), Axel Bauni (Klavier)

Oper Frankfurt, 6. Februar 07

Dieser Abend könnte auch mit „Griechenland zu Gast in Frankfurt“ betitelt werden. Mit Stella Doufexis stand nicht nur eine deutsch-griechische Mezzosopranistin auf der Bühne (die, wie Opernintendant Bernd Loebe in seiner Begrüßung anmerkte, bereits im Kinderchor an gleicher Stelle gestanden hat), auch ihr Programm unter dem Titel „Schöne Welt, wo bist Du?“ hatte einen unmittelbaren Bezug zu Griechenland (mit Liedern über die Antike oder von griechischen Komponisten stammend). Auch äußerlich gab sich Stella Doufexis heimatverbunden: im eleganten Gewandkleid, türkis und blau mit mediterranem Mosaik und langen, goldenem Schaal, präsentierte sie sich ganz als sympathische wie stolze, griechische Frau.
Eigentlich sollte an diesem Abend Magdalena Kožená singen, doch musste diese erkältungsbedingt absagen. Dies war die Chance für Stella Doufexis, die erst zwei Tage zuvor in Berlins Komischer Oper (dessen Ensemble sie angehört) in der Premiere der Neuinszenierung von Jacques Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ als Muse brillierte („Stella Doufexis zieht alle Blicke auf sich. Diese Muse ist die wahre Protagonistin des Abends, die Heldin in Reinhardts Interpretation.“, Der Tagesspiegel).

Bei dem aktuell trüben Wetter, wo es tagsüber gar nicht richtig hell werden will, wird sich so mancher fragen „Schöne Welt, wo bist Du?“. Antworten darauf gab Stella Douxesis freilich nicht, mit ihrer stimmigen Liedauswahl führte sie jedoch zu einer Reflexion über das persönliche Glück und nicht zuletzt zum ewigen Thema der glücklichen und/oder unglücklichen Liebe, die uns immer wieder bewegt und antreibt. Eröffnet wurde der Abend ruhig und gefühlsvoll mit Franz Schuberts melancholischen „Die Götter Griechenlands“, nach dem gleichnamigen Gedicht von Friedrich Schiller (dem auch der Titel entnommen ist), in dem sich sehnsuchtsvoll nach der guten alte Zeit gesehnt wird („Kehre wieder, holdes Blüthenalter der Natur! Ach, nur in dem Feenland der Lieder lebt noch deine fabelhafte Spur…“). als weitere romantische Lieder von Franz Schubert sang sie leidenschaftlich und bewegt die Geschichte vom Knaben „Atys“, ehrfürchtig die Klage der „Iphigenia“, zurückhaltend das dunkle „Lied eines Schiffers an die Dioskuren“ (womit die Halb- und Zwillingsbrüder Castor und Pollux gemeint sind) und das Programm abschließende, Hoffnung stiftende, „Im Abendrot“ nach Karl Gottlieb Lappe („O wie schön ist deine Welt, Vater, wenn sie golden strahlet!“). Für einen französischen Blick auf das antike Griechenland sorgten Claude Debussys „Trois Chansoons de Bilitis“ und Maurice Ravels „Cing Mélodies populaires Grècques“.
Die ob ihrer Menge und Mannigfaltigkeit bemerkenswerte Musik Griechenlands entwickelte sich mit unterschiedlichen historischen und geographischen Einflusse während vieler Jahrhunderte. Für einen modernen Eindruck sorgten Werke von Arghyris Kounadis („Drei Lieder nach Gedichten von Giorgios Seferis“) und Dimitri Mitropoulos („I Kassiani“).

Dieser Abend der zarten Leidenschaft wurde gekrönt mit der lyrischen Szene „Koma“, die Doufexis Ehemann Christian Jost im Jahr 2002 komponiert hat. Axel Bauni hat bei diesem Stück nicht nur einfach am Flügel zu begleiten, sondern zeigte sich hier als besonderer Klaviervirtuose: Anfang und Ende dieses erotischen Traums (eine Hommage an Sappho, die bedeutendste Lyrikerin des klassischen Altertums) bilden Klänge, die an ein altes griechisches Saiteninstrument (eine Kithara) erinnern und bei dem die Flügelsaiten gezupft und  angeschlagen werden. In diese zarte Klangwelt fügte sich Stella Doufexis feinfühlig ein, um Sapphos leidenschaftliche Eros-Erinnerungen aufleben zu lassen und schließlich nur noch aushauchend, sie in die Antike zurückkehren zu lassen.

Das Frankfurter Publikum bedankte sich bei diesem „Überraschungsgast“ aus der eigenen Stadt mit lang anhaltendem Applaus (und Doufexis konterte mit zwei wunderbaren Zugaben).

Markus Gründig, Februar 07


Liederabend: Maxim Mironov (Tenor), Rodion Pogossov (Bariton), Iain Burnside (Klavier)

Oper Frankfurt, 23. Januar 07

Zwei junge russische Sänger waren die Gäste des Liederabends im Januar 07 in der Oper Frankfurt: der Tenor Maxim Mironov und der Bariton Rodion Pogossov. Beide waren in der Vergangenheit schon an der Oper Frankfurt zu erleben. Mironov jüngst als Don Ramiro in Rossinis „La Cenerentola“ und Pogossov als Jeletzki in Tschaikowskis „Pique Dame“.
Bei ihrem gemeinsamen Liederabend präsentierten sie ein besonderes Programm: einen von leidenschaftlichen Liedern umrahmten Potpourri beliebter Opernhits. Der Abend wurde programmatisch mit Henry Purcells „Music for a while“ eröffnet, dass dieser 1692 für das Schauspiel „Ödipus“ komponierte (die Musik wird hier als Bezwingerin der Furien gefeiert). Der erste Liedvers „Eine Zeit lang soll Musik alle unsere Sorgen betören“ erwies sich nicht nur als bloße Ankündigung, Mironov und Pogossov bannten vom ersten bis zum letzten Stück die Zuschauer in ihren Bann und man kann nur hoffen, sie hier bald wieder zu hören.
Vom Barock ging es mit einem großen Sprung in der Romantik weiter. Bei Bellinis kleiner Ariette „Mi rendi per contarto“ stellt ein Liebender mit zarten, innigen Gefühl das Glück seiner Angebeteten über sein eigenes. Dem folgte Donizettis heiteres „Me voglio fà ´na casa“. Den Abschluss des ersten Romantikblocks bildeten drei Lieder des Norwegers Edvard Grieg, der ein Zeitgenosse Henrik Ibsens war. Grieg erkannte dessen Qualitäten früh und die Vertonung von Ibsens Dichtung bedeutete für Grieg den Durchbruch zur weltgültigen Liedlyrik. Ein besonderer Naturklang gelang Grieg „Mit einer Wasserlilie“, dem ein viertaktiges Wellenmotiv und ein Text von Ibsen zugrunde liegen.
Diesen Liedern folgten stimmungsvolle Arien aus „Cosi fan tutte“, „Die Zauberflöte“, „L´italiana in Algeri“ und „Il barbiere di Siviglia“. Einen Ohrenschmauss bildete vor der Pause das Duett „Au fond du temple saint“ von Nadir und Zurga aus Bizets „Les Pecheurs de perles“ (Die Perlenfischer).

Für ein Programm mit russischen Sängern ist es ja quasi Pflicht, auch russische Komponisten zu berücksichtigten. Diese standen sodann auch im Mittelpunkt des zweiten Teils. Michail Ivanovič Glinka („Ein Leben für den Zaren“) war der erste Komponist der nationale Sujets und folkloristische Elemente in die russische Kunstmusik eingebracht hat. Zu hören gab es sein „Venezianische Nacht“, „Il desiderio“ und die phantastische Arie des Sobinin aus „Ein Leben für den Zaren“ (IV.Akt).
Sergei Rachmaninow ist vor allem durch seine Klavierkonzerte ein Begriff, hier gab es sein „Im mysteriösen Schweigen der Nacht“ zu hören. Melodisch und harmonisch folgte noch Tschaikowski mit der bewegten „Don Juans Serenade“ und der Arie des Jeletzki aus Pique Dame (II. Akt). Arien beendeten auch den zweiten Teil. Zunächst die sehr einfühlsame Romanze des Nadir „Je crois entendre encore“ (Bizets „Les Pecheurs de perles“), gefolgt von dem abschließenden Duett „All ´idea di quel metallo“ zwischen Graf Almaviva und Figaro (Rossini „Il barbiere di Siviglia“).

Mironov und Pogossov wechselten sich bei diesem Programm stets ab, begleitet wurden sie am Klavier von Iain Burnside. Der junge Tenor Maxim Mironov gilt als neuer Stern unter den Tenören, hochkonzentriert und nicht so lässig wie auf dem Ankündigungsplakat wirkt, präsentierte er seine Lieder und Arien mit sehr viel Feingefühl und herrlicher tenoraler Strahlkraft. Als Vollblutsänger zeigte sich der erfahrener Bariton Rodion Pogossov, der neben seinem sicheren Gesang und baritonaler Wärme vor allem mit großer Spielfreude überzeugte.

Markus Gründig, Januar 07


Liederabend: Susan Bullock (Sopran), Phillip Thomas (Klavier)

Oper Frankfurt, 12. Dezember 06

Susan Bullock gab mit diesem Liederabend Ihr Lieddebüt an der Oper Frankfurt, wo sie längst keine Unbekannte mehr ist. Neben der Els im Schatzgräber und als Isolde ist sie hier besonders durch ihre Elektra gefeiert worden. Da lag es nahe, auch den Liederabend mit Liedern von Richard Strauss zu beginnen. Als Achtzehnjähriger komponierte er bereits das Opus 10, Vertonungen aus der Sammlung „Letzte Blätter“ von Heinrich von Gilms. Hieraus wählte Bullock mit „Zuneigung“ einen enthusiastischen Auftakt. Das dreimalige „Habe Dank“ konnte auch im übertragenen Sinne für die Beziehung zwischen Sängerin und Publikum verstanden werden. Wird bei „Befreit“ der traurige Abschied zweier Liebender besungen, endeten die Strauß-Lieder heiter mit „Hat gesagt – bleibt´s nicht dabei“.
Es folgten fünf Romanzen nach Anna Andrejewna Achmatowa, der bedeutendsten russischen Dichterin, vertont von Sergej Prokofjew (nicht zuletzt bekannt durch seine Ballettmusik und durch „Peter und der Wolf“), die Bullock tief empfindend, in russisch vorgetragen hat. Der erste Teil des Liederabends endete mit Richard Wagner, natürlich nicht mit einer seiner langen Arien, sondern mit den fünf Wesendonck-Liedern (insgesamt schrieb Wagner übrigens nur 20 Lieder), die Stationen auf Wagners Weg bezeichnen (Agnes Mathilde Wesendonck war Wagners Geliebte). Die Lieder haben eine enge Verbindung zu seiner Oper „Tristan und Isolde“, zwei Lieder hat Wagner sogar ausdrücklich als Studien diesbezüglich bezeichnet. Gilt Susan Bullock auch als führende Wagner-Sopranistin Großbritanniens, musste sie sich jedoch bei den Wagner Liedern zurücknehmen.
Französische und englische Lieder bestimmten den zweiten Teil dieses Abends, mit Liedern von Henri Duparc (1848-1933), Alison Bauld (geb. 1944) und Roger Quilter (1877-1953). Alison Baulds „Banquo´s Buried“ („Banquo ist begraben“, ein Auszug aus Shakespeares Drama „Macbeth“) bildete den Höhepunkt des Abends. Phillip Thomas, als Fels in den Gefühlsbrandungen von Susan Bullock, am Flügel war hierbei besonders gefordert. Er begann mit seinem lebhaften Spiel vor ihrem Bühnenauftritt. Langsam tastet sich Susan Bullock dann am Hintergrundvorhang hervor, verstört und entsetzt über den „Fleck“, der da noch ist… Hier war sie ganz in ihrem Element, verstand, mit wenigen Gesten eine enorme Spannung aufzubauen und mit dieser quasi szenischen Darstellung die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen.
Ihr Programm beendete die einnehmende Susan Bullock mit dem lebhaften Lied „Love´s Philosophy“ von Roger Quilter.
Ihre erste Zugabe musste sie nicht ansagen, Elisabeths „Dich, teure Halle“ ist ein Wunschkonzertfavorit und erfreute nicht nur die Operliebhaber, sondern war zugleich eine schöne Einstimmung auf die übernächste Premiere der Oper Frankfurt (Richard Wagners „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ am 28. Januar 07). Bezug nehmend auf ihre Heimat sang Bullock als zweite Zugabe einfühlsam ein liebliches walisisches Wiegenlied. Neben dem vokalen Genuss überzeugte Susan Bullock mit einer außergewöhnlich klaren Aussprache (in allen vier Sprachen) und selbst ein mit lautem Knall durchgebrannter Bühnenscheinwerfer konnte sie während des Liederabends nicht aus der Ruhe bringen.

Markus Gründig, Dezember 06


Eislermaterial

schauspielfrankfurt / Ensemble Modern
Besuchte Vorstellung: 29. November 06

Hanns Eisler steht in der Mitte der großen Bühne des schauspielfrankfurt. Um ihn herum liegen verstreut rot eingeschlagene Partituren und kleinere Steine. Die Mitglieder des Ensemble Modern haben ihren Platz auf Bänken eingenommen, die hufeisenförmig am Bühnenrand stehen. So steht Eisler einsam im Mittelpunkt, beschützt und umschlossen. Er wurde nicht exhumiert, sondern steht dirigierend in Form einer kleinen Skulptur da, die keine zwanzig Zentimeter groß ist. Die Steine um ihn herum scheinen wie Fußstapfen, die er mit seinem musikalischen Oeuvre hinterlassen hat und das weit mehr ist, als die Nationalhymne der DDR (womit er meistens in Verbindung gebracht wird). Der Schönberg-Schüler Eisler hatte schon früh kommunistische Gedichte vertont und engagierte sich für die Arbeitermusikbewegung. Nach seinem US-Exil lebte er ab 1950 in Ost-Berlin, wo er 1962 starb.

Eislers Musik hat auf den 1952 geborenen Komponisten Heiner Goebbels einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt. Nicht nur, dass diese Musik ein wichtiges Element für Goebbels Zugang zur Neuen Musik bedeutete, Goebbels schrieb auch seine Soziologie-Diplomarbeit über Eisler. Zum 100. Geburtstag Eislers fertigte Goebbels als Kompositionsauftrag der musica viva, München das Stück „Eislermaterial“ an, eine melancholisch wie witzige Hommage an Eisler. Auf einer überaus geschickten Weise hat Goebbels hier Instrumentalmusik, Kampflieder und Theatersongs miteinander verwoben und zusätzliche Elemente hinzugefügt. Bei zwei Stücken wird Eislers eigene Stimme eingespielt. Dabei ist auch noch Platz für Improvisationen, so dass ein Konzert wie jetzt im schauspielfrankfurt, ein ganz besonderes und einmaliges Vergnügen ist. Der bayerische Schauspieler Josef Bierbichler liest dazu mit anrührender und meist hoher Stimme kurze Texte und Gedichte, darunter etliche Brecht-Vertonungen. Das Ensemble Modern, zu Anfang und am Ende nicht nur musizierend, sondern auch singend, ist das unerlässliche Fundament dieses Programms. Mit großer Intensität vermitteln die Musiker die große Bandbreite Eislers Musik, zwischen leisen und schmachtenden Arrangements, die Goebbels zu einem delikaten musikalischen Bogen verbunden hat.

Markus Gründig, November 06


Liederabend Violeta Urmana (Sopran), Jan Philip Schulze (Klavier)

Oper Frankfurt, 7. November 06

In der Bayerischen Staatsoper München sang die aus Litauen stammende Violeta Urmana im Jahr 1991 gerade einmal neun Worte (Rolle des Sklaven in „Salome“). Damals studierte sie noch bei Professor Josef Loibl und war Mitglied des Opernstudios (heute: Junges Ensemble) der Bayerischen Staatsoper. So schnell wie sie neue Rolen einstudieren kann, folgten nach kurzen Zwischenspielen in der Provinz schnell Engagements an den angesagtesten Häusern (wie der Wiener Staatsoper, den Opernfestspielen in Salzburg oder an der Metropolitan Opera in New York). Dies war der Beginn ihrer internationalen Karriere. Obwohl sie in Vilnius im Sopranfach ausgebildet wurde, sang sie zu nächst im Mezzofach. Erst im Jahr 2003 kehrte sie zum Sopran zurück (mit der „Madeleine de Coigny“ in Umberto Giordanos „André Chenier“ an der Wiener Staatsoper). In all den Jahren ist sie ihrer Münchener Wahlheimat treu geblieben und lebt jetzt mit ihrem Freund, dem Tenor Alfredo Nigro, im westlich von München gelegenen Germering.

Für den Liederabend in der Oper Frankfurt wählte Sie Werke von Berlioz, Rachmaninow und Richard Strauß. Eine viel versprechende, unübliche Auswahl, die nicht enttäuschte. Eröffnet wurde der Abend mit vier der insgesamt sechs Liedern aus Hector Berlioz „Les nuits d´été (entstanden 1834). Diente das leichte Frühlingslied „Villanelle“ noch eher zum warm singen, so gab Violeta Urmana mit „Le spectre de la rose“ anschließend gleich einen ersten Höhepunkt zum Besten. Das Lied beginnt leise, dahinschwebend und steigert sich fast ekstatisch, um wiederum im zarten Pianissimo zu enden. Von amouröser Poesie ist nicht nur der Liedtext über eine Blume, die am Busen einer schönen Frau starb, sondern auch der sinnliche Vortragstil Urmanas, voller Innigkeit und Wärme.
„Au cimetiére“ führte sodann die Dunkelheit der Romantik vor. Der an diesem Abend vorherrschende Nebel außerhalb des Frankfurter Opernhauses passte bestens zur Stimmung dieses Liedes, bei dem an einem weißen Grabmal von einer Taube die Seele eines verlassenen Mädchens heraufbeschwört wird. Mit ihrer dunklen Stimmfärbung unterstrich Violeta Urmana dieses feinsinnige Lied bestens.
Rachmaninov ist weitgehend durch sein Klavierkonzert Nr. 2 bekannt, doch er komponierte auch viele Lieder und auch ganze Opern. Seine Lieder sind unverkennbar Russisch geprägt, temperamentvoll und mit viel melodischer Wärme. Also bestens geeignet für Violeta Urmana, die „Dissonanz“ voller Leidenschaft darbot. Ausgezeichnet und ergreifend die „Vocalise“, ein Lied ohne Text, nur auf dem Vokal „a“ gesungen. Nach der Pause folgten neun Lieder von Richard Strauß, mit packender Intensität hierbei vor allem die Lieder „Wasserrose“ und „Befreit“. Mit einem beherzten Anruf von Adonis (Heinrich Heines „Frühlingsfeier“) endete das offizielle Programm.
Die nicht enden wollenden „Bravo“ Rufe des Publikums erwiderte Violeta Urmana mit drei Zugaben! Darunter ein scherzhaft gegebenes Lied über eine Mosquito Fliege, die ein Brautpaar belästigt und Francis Poulenc „Violon“. Mit Puccinis „Vissi d´arte“ (aus „Tosca“) beschenkte sie das Publikum noch mit einem mitreißenden Operklassiker.

Markus Gründig, November 06


Liederabend: Philip Langridge (Tenor), David Owen Norris (Klavier)

Oper Frankfurt, 3. Oktober 06

Ein besonderes Anliegen von Frankfurts Operintendanten Bernd Loebe ist die Vermittlung des Werkes von Benjamin Britten (1913-1976). Dessen Opern „Peter Grimes“, „The Turn of the Screw“ und „Death in Venice“ wurden bereits in den vergangenen Jahren erfolgreich an der Oper Frankfurt inszeniert. Beim ersten Liederabend in der neuen Spielzeit standen nun erstmals Lieder von Benjamin Britten im Mittelpunkt des Programms. Begonnen wurde mit Brittens Bearbeitungen von Volksliedern, die eine unerwartete Leichtigkeit zeigten. Die nachfolgenden acht Lieder aus „Winter Words (op.52, entstanden 1953) wechseln in ihrer Stimmung zwischen Melancholie und Komik. Nach der Pause machten ausgewählte Lieder Frank Bridges (1879 – 1941) deutlich, wessen Geistes Kind Britten ist, denn Britten war ein Schüler von Bridge (Brittens Widmung an ihn, die „Variationen über ein Thema von Frank Bridge“ sorgte einst bei den Salzburger Festspielen für internationales Aufsehen). Höhepunkt des Abends bildete Brittens Vertonung der Geistlichen Sonette von John Donne (1572-1631), Brittens bedeutender Beitrag zum geistlichen Lied, der von Tod und Reue geprägt ist. Britten vollendete die Liedfolge im August 1945 im Anschluss an seine Deutschlandreise mit Yehudi Menuhin.

Für die Vermittlung dieses besonderen Britten-Programms engagierte die Oper Frankfurt Philip Langridge, unbestritten ein Meisterinterpret Brittens. Ausgezeichnet wurde Langridge mit einem Grammy für „Peter Grimes“, mit The Grammaphone Award für „War Requiem“ und mit dem Colins Classic Award für „The Turn of the Screw“. Vor allem ist er aber ein gefragter Sänger an den großen Opernhäusern der ganzen Welt. Der in der englischen Grafschaft Kent geborene Langridge gab sich bei diesem Liederabend ganz als der englische Gentlemen, in vornehmer Zurückhaltung, aber auch mit verschmitzten, dezenten Humor (schließlich trägt er auch den Titel „Commander of the British Empire“).
Am Flügel wurde Langridge von David Owen Norris begleitet, der Brittens kompositorische Feinheiten mit großer Spielfreude exakt herausarbeitete.

Einen besonderen musikalischen Leckerbissen hatte sich Langridge für die Zugabe vorbehalten: eine Bearbeitung des Weihnachtsliedes „I Wonder As I Wander“ (John Jacob Niles). Mit diesem a cappella vorgetragene Lied, mit nur ein paar gesetzten Noten zwischen den Versen, zeigte Langridge noch einmal beeindruckend, dass auch ein leise, zart vorgetragenes Lied unter die Haut gehen kann. Langer Applaus war da nur zu selbstverständlich.

Markus Gründig, Oktober 06


Happy New Ears Werkstattkonzert: Ensemble Modern spielt Glanert

Oper Frankfurt, 27. September 06

Komponistenforum, Einführungsvorträge und ein Werkstattkonzert – die Oper Frankfurt hat ein umfangreiches Begleitprogramm zur bevorstehenden Uraufführung von Detlev Glanerts Oper Caligula zusammengestellt. Frank Harders-Wuthenow, der Verleger Glanerts im renommierten Verlag Boosey & Hawkes, hatte bereits vor einem Jahr die Idee, die musikalische Welt von Detlev Glanert mit einem Werkstattkonzert dem Frankfurter Publikum vorzustellen. Die Realisierung dieser Idee elf Tage vor der Premiere von Caligula passte nun auch zeitlich bestens. Der Abend begann mit einem Gespräch zwischen Detlev Glanert und Frank Harders-Wuthenow, in dem Glanert im Schnelldurchlauf seine musikalische Entwicklung skizzierte (vgl. hierzu auch die  Glanert Info auf der Caligula Seite). Noch bevor Glanert Noten lesen konnte, komponierte er bereits. Das war im zarten Alter von 12 Jahren. Sein erstes Instrument war ein Naturhorn, später kam unter anderem ein Kontrabass dazu. Bei seinen verschiedenen Orchesterengagements nutzte er spielfreie Momente, um die Spieltechnik seiner Mitmusiker ausgiebig zu beobachten. Das waren Studien, die Einfluss auf seine Kompositionstechnik hatten.
In Glanerts umfassenden Werken nehmen Opern einen breiten Raum ein, wobei er sich von der Operntradition nicht belastet fühlt: „Kinder brauchen Märchen, Erwachsene brauchen Opern“, dies gilt auch heute noch.
Im Vergleich zu seinen Opern sind seine über einen Zeitraum von acht Jahren (1994 – 2002) entstandenen drei Kammersonaten experimenteller und abstrakter (weitere Kammersonaten wird es von ihm übrigens nicht geben). Sie haben nicht nur die gleiche Besetzung (Flöte, Klarinette, Klavier, Schlagzeug, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass) und Dauer (+/- 10 Minuten), unter dem Begriff „Kunst“ sind sie auch thematisch miteinander verbunden, behandeln einen imaginären Raum, eine Gestalt und ein vergessenes Bild.
Bei diesem Konzert wurden sie entgegengesetzt ihrer zeitlichen Entstehung gespielt, also die jüngste Kammersonate zuerst, die älteste Kammersonate zuletzt.

“Geheimer Raum“, Kammersonate Nr. 3, untersucht die vier Wände eines Raumes, der akustisch vermessen und abgetastet wird. Dies geschieht so schnell wie mit einem Laser, der wild und hektisch jeden Quadratzentimeter einer Oberfläche erfasst. Plötzliches Stoppen an einer Unebenheit, folgt eine nahezu innehaltende ruhigere Untersuchung. „Gestalt“, Kammersonate Nr. 2, wird vom „Ticken“ eines Holzblocks beherrscht. Zarte, leise Klangstrukturen wechseln auch hier mit kräftigen und lauten Tönen ab. Wobei es auch eine Stelle gibt, wo das Klavier (Flügel) fast „rockt“. Kurz vor dem aushauchenden Schluss bewegt ein nahezu orgiastischer Höhepunkt. Bei „Vergessenes Bild“,. Kammersonate Nr. 1, wurde zusätzlich eine Video-Projektion von Dan Fern eingeblendet, die parallel zur Musik wie ein Mikroskop eine Struktur untersucht.

Oliver Knussen leitete das Ensemble Modern, das mit seinen Musikern Christiane Albert, Nina Janssen, David Haller, Markus Bellheim, Markus Däunert, Thomas Rössel, Eva Böcker und Hans Joachim Tinnefeld vertreten war und die plastische, farbenreiche Musik Glanerts hervorragend präsentierte. Einfühlsam besonders bei den Stellen, die an der Grenze des Unhörbaren waren.
Eine Einführung zu seiner Oper „Caligula“ mit Vertretern des Kreativteams unter der Moderation von Dr. Norbert Abels gibt es am kommenden Sonntag um 11 Uhr im Holzfoyer der Oper Frankfurt (aber Achtung, diese Veranstaltungsreihe ist meist ausverkauft).

Markus Gründig, September 06


Liederabend Christian Gerhaher (Bariton), Gerold Huber (Klavier)

Oper Frankfurt, 20. Juni 06

Deutschland besiegt Ecuador 3:0, rund 70.000 Fans feiern das letzte Vorrundenspiel der deutschen Fußball-Mannschaft während der WM 2006 mit großem Geschrei in und um die Mainfanarena herum. Selbst Leute, die sonst eher ruhig und verschlossen sind, verlieren ihre Hemmungen und grölen entfesselnd mit. Nur wenige Meter entfernt davon, in der Oper Frankfurt, ist der Bariton Christian Gerhaher mit seinem Schubert-Abend zu Gast. Eben noch umgeben von wild bemalten, euphorischen Fußballfans, erscheint die Respekt zollende, andächtige Ruhe in der Oper, mit großen Steinway-Flügel und sommerlichen Blumenbukett auf der Bühne, schon erstmal als ein krasser Unterschied. Auch wenn der ernste Liedvortrag im schwarzen Frack Hochkultur vom feinsten darstellt, ist der Unterschied zum grölenden Volk draußen gar nicht so groß. Eigentlich handelt es sich um das gleiche, nur in einer anderen Verpackung: um große Gefühle.
Christian Gerhaher vorgetragenen Liedauswahl von Franz Schubert dringt dabei natürlich in tiefere Gefühlsebenen vor, reicht von Sturm und Drang („Der Musensohn“) über poetische Liebesgeständnisse („Du bist die Ruh“) bis hin zu zarter Dankbarkeit („im Abendrot“). Große Dichter (wie beispielsweise Goethe, Klopstock und Rückert lieferten den Text, den Schubert in die Klaviatur emotionalen Ausdrucks großartig verarbeitet hat.
Christian Gerhaher wurde für seine zahlreichen Liedeinspielungen vielfach ausgezeichnet (u.a. mit dem Echo Klassik in 2002 und 2004) und gilt als einer der größten Liedsänger der Gegenwart. Bei diesem Liederabend zeigte er, dass er seinem Ruf in nichts nach steht. Nicht nur durch seinen Lockenkopf wirkt er jung und locker, auch der Vortrag der Lieder ist bei ihm, bei allem Ernst und trotz wenigen Bewegungen, stets gelöst und unverkrampft. Zum Genuss wird der Abend aber hautsächlich durch seine farbenreiche Stimme, die insbesondere in den überwiegend ruhigen und langsamen Liedern nie an Tragkraft und Ausdruck verlor, stets mit wunderbar hellen und warmen Klang. Eindrucksvoll mit welcher Eleganz er die Bögen zwischen den piano- und den fortissimo- Tönen phrasierte.
Gerhahers kongenialer, langjähriger Partner am Flügel, Gerold Huber, begleitete ihn äußerst feinfühlig (und auch mimisch sehr ausdrucksstark).

Markus Gründig, Juni 06


Cabelo Branco e Saudade: Fados

Teatro Nacional de São João im schauspielfrankfurt im Rahmen des 15. Festival der Union des Théâtres de l’Europe
Besuchte Vorstellung: Premiere vom 6. Mai 06

Das Prinzip Hoffnung trägt den Menschen durch das Leben. Eng damit verbunden ist die Sehnsucht nach Glück, Liebe, Erfolg, Gesundheit, Macht, Anerkennung. Gerade im Theater ist sie Sehnsucht allgegenwärtig. Der Wunsch des Schauspiels auf der Bühne zu brillieren, der Wunsch des Zuschauers, sich in eine andere, bessere, Welt zu versetzten und/oder sich von den Darstellern auf der Bühne identifizieren zu können oder mit ihnen Dinge zu erleben, die in der realen Welt nicht erlebt werden können. Zum Abschluss des 15. Festival der Union des Théâtres de l’Europe, das erstmals in Frankfurt und zum zweiten mal in Deutschland stattfand, gab es jetzt zum stillen Abschluss Sehnsucht satt zu erleben: das Fado-Konzert „Cabelo Branco e Saudade“ (Weißes Haar ist Wehmut).
Der portugiesische Fado (=Schicksal) handelt von unglücklicher Liebe, sozialen Mißständen, vergangenen Zeiten, der  Sehnsucht nach besseren Zeiten und sehnt den „Saudade“ herbei, die portugiesische Art des Weltschmerzes, für den es keine exakte Übersetzung gibt („Sehnsucht“, oder „Wehmut“ trifft ihn nur teilweise). „Saudade“ ist vor allem ein widersprüchliches Gefühl, schrecklich und einsam, dass einem zum Heulen ist, aber gerade deshalb auch motivierend (so sind viele Kunstwerke aufgrund von „Saudade“ entstanden).
Höchste, andachtsvolle Stimmung herrscht im großen Saal, als sich ganz langsam der Vorhang hebt und Alcindo de Carvalho den Abend mit rauchiger und von tiefer Erfahrung geprägter Stimme beginnt.
Lieder wie „Kehr zurück, gelebtes Leben“ „Der Mond und der Körper“ verlangen nicht nur ausdrucksstarken Gesang, den die vier SängerInnen hervorragend darbieten, sondern auch die Notwendigkeit, Gemütszustände zu vermitteln. So ist es gar nicht wichtig die Texte zu verstehen, der Fado vermittelt Gefühle als eigene, internationale, Körpersprache. Dies gelingt den beiden Sängerinnen, Argentina Santos und Celeste Rodrigues, am besten. Santos Stimme ist kaum zu hören, so leise, betroffen, nah an der Grenze zur Sprachlosigkeit erinnert sie sich an Vergangenes um dann in einen kraftvollen wehklagenden Stil zu wechseln. Ehrfuchtsvoll ergriffen Rodrigues, mit Anmut und Stolz und doch voller schönem Schmerz, den man gerne mit ihr teilt. Als altersmäßiger Kontrapunkt und als Bild zur Weitergabe des Fado an die jüngere Generation: der junge Sänger Ricardo Ribeiro. Begleitet wurden die SängerInnen von den drei jungen (ohne Noten spielenden) Musikern Bernardo Couto, Diogo Clemente und Nando Araüjo.
“Wenn Liebe käme” war das Motto des U.T.E. – Festivals. Bei diesem Konzert konnte man sich wundervoll an die Zeiten erinnern, wo Liebe einen ergriffen hatte und davon träumen, wieder von ihr gefangen genommen zu werden.

Markus Gründig, Mai 06


Podiumsdiskussion: Musik im Kopf – Über die Entstehung und Rezeption von Musik

Frankfurter Positionen
schauspielfrankfurt, Glashaus, 17. Januar 06

Drei Komponisten (Oliver Augst, Alan Fabian & Claus Steffen Mahnkopf) und ein Musikmanager (Karsten Witt) sprachen am vergangenen Montag unter der Moderation von Claus Spahn(Die Zeit) über die Wirkung der Neuen Musik im Hinblick auf das Motto der Frankfurter Positionen 2006 „Gut ist was gefällt – Versuche über die zeitgenössische Urteilskraft“.
Neue Musik und Gefallen ? Gefallen wem? Einigkeit herrschte darüber, dass bei dem Thema des Abends sehr genau unterschieden werden müsse, ob jeweils die Musik im Kopf des Komponisten, beim Interpreten oder beim Zuhörer gemeint sei.
Das System der Neuen Musik zieht sich zusammen und wird weniger, obwohl die neue Musik den Anspruch hat etwas zu bewegen, zu bewirken und zum gesellschaftlichen Diskurs beizutragen.
Da die Grundsituation heute eine ganz andere, sehr viel schwierigere ist, als noch vor zwanzig Jahren, stellt sich indirekt die Frage, ob die Neue Musik bereits am Ende ihrer Entwicklungsmöglichkeit angekommen sei. Was kann es noch wirklich Neues geben?
Ein Einbezug aktueller Themen in die Neue Musik ist denkbar, bei den oft langen Zeiträumen zwischen Komposition und Aufführung aber letztlich nicht realisierbar.
Ein Problem ist auch die zunehmende Diskrepanz zwischen dem musikalischen Anspruch und dem Grundwissen der Hörer. Vielen Außenstehenden ist es nicht einfach einen Zugang zur Neuen Musik zu finden, sie brauchen eine Krücke im Sinne einer Erklärung durch beispielsweise den Komponisten.
So war bei dieser Veranstaltung von Euphorie nicht viel zu spüren, es herrschte trotzt Spahns engagierter Moderation eher eine trockene Sachlichkeit.

Markus Gründig, Januar 06


Szenisches Konzert mit dem Ensemble Modern

Frankfurter Positionen 2006
schauspielfrankfurt, Montag 16. Januar 06

Die „Frankfurter Positionen 2006“ hinterfragen vom 8. Januar bis 28. Februar 06 unter dem Motto „Gut ist was gefällt – Versuche über die zeitgenössische Urteilskraft“ in einem umfangreichen Programm in den Sparten bildende Kunst, Theater, Film und zeitgenössische Musik die Kriterien des alltäglichen Urteilens.
Am Montag den 16. Januar 06 wurde im schauspielfrankfurt in diesem Rahmen das zweite szenische Konzert des Ensemble Modern gegeben, bei dem drei Kompositionen uraufgeführt wurden. „Gut ist was gefällt“ – gerade die moderner Musik hat trotzt zunehmender Akzeptanz noch nicht den Weg zu den breiten Massen gefunden. Umso verdienstvoller für die von der BHF-Bank-Stiftung initiierten Frankfurter Positionen, dass sie der modernen Musik mit mehreren Kompositionsaufträgen einem breiten Publikum Gehör verschafften.

Die erste Komposition an diesem Abend stammte von Jens Joneleit (Jahrgang 1968). Sein 2004/2005 entstandenes „Verve“ bezeichnet er selber als Hörfilm für Ensemble und Mehrkanalbeschallung. Aufgeführt wurde es im unteren Foyer des schauspielfrankfurts (dem sogenannten Zwischendeck). Das Publikum sitzt auf den Treppenaufgang, an den Seiten die Musiker und der Blick frei auf eine zwar nicht hohe, dafür um so breitere weiße Wand, die zusammen mit sechs Projektoren Kinostimmung im XXL-Format ermöglichte. Für einen Film ohne Bilder. Es sind einzelne Objekte, Menschen und organisiertes Chaos das Joneleit auf hohem ästhetischem Niveau sehr dezent und punktgenau zeigt. Diese zum Greifen nah erscheinenden Bilder werden mit „Ideenmusik“ musikalisch begleitet, kommentiert und karikiert. Dazu die Stimme von Thomas Bernhard: „es gibt nur Vorurteile, keine Urteile“.

Für Alan Fabian (Jahrgang 1973) Komposition „Resonance“ (aus 2005) saß das Publikum dann traditionell im Großen Saal, allerdings nur in den ersten zehn Reihen. Der Eiserne Vorhang wurde nur zu einem Teil geöffnet, am Bühnenrand mittig vier Bildschirme die die Musiker im Schattenspiel wiedergaben. Wobei die Musiker verteilt waren: auf der Bühne die Schläger, vor den Saaleingängen rechts und links außen die Streicher und die Bläser. Fabian gehört zu den Vertretern der Computergestützten Komposition, die die Entwicklung algorithmischer Kompositionsmethoden für ihre Arbeit verwenden. Getreu der darwinistischen Evolutionstheorie ergibt sich für ihn aus der Computerprodzedur heraus, wie gut das jeweils berechnete Ergebnis gefällt, das dann verwendet wird.

Die dritte Komposition des Abends diente dazu, auch ein junges Publikum für die Neue Musik zu begeistern. Kinderchor und Percussionisten der Frankfurter Wöhlerschule, drei Sänger der Oper Frankfurt und das Ensemble Modern verteilt auf der großen Bühne des schauspielfrankfurt. Das Publikum bunt gemischt mitten drin. Da der eiserne Vorhang herunter gefahren war und es nur wenig Licht gab, ein intimer Raum.
Der Komponist Jonathan Bepler (geboren 1959) saß inmitten dieser Schar und wirkte aktiv mit.
Wie bei den anderen Aufführungen auch dirigierte Sian Edwards, hier hatte sie noch Subdirigenten zur Hilfe. Mit einfachen Mitteln wie Folien, Legosteinen und Bällen wurden einzelne Geräusche erzeugt, die sich dann zu einem großen Ganzen zusammen fügten. Die Beteiligten waren mit sehr viel Freude dabei (wenn gleich Neue Musik Kenner hier wegen der einfachen Muster nicht voll auf Ihre Kosten kamen).

Gut ist was gefällt – hier gab es gleich drei Werke, diese Frage individuell zu beantworten.

Markus Gründig, Dez. 05


Schwarz auf Weiß

Musiktheater von Heiner Goebbels für 18 Musiker des Ensemble Modern
schauspielfrankfurt, 30. Dezember 05

Vor zehn Jahren starb der Dramatiker Heiner Müller. Zu dieser Zeit probte der Komponist und Regisseur Heiner Goebbels mit dem Ensemble Modern an seinem neuen Stück „Schwarz und Weiß“. Da Heiner Müller für Goebbels stets eine wichtige Inspirationsquelle war, stellt „Schwarz und Weiß“ eine Art Abschied von Heiner Müller da. Kein Requiem im Sinne von Andacht und Stille. Im Gegenteil: lebendig, humorvoll, virtuos und mit Licht- und Schattenbildern spielend.
Mit dem Untertitel „Musiktheater für 18 Musiker (des Ensemble Modern)“ stellt sich die Frage, ob die Musiker hier auch zu Schauspielern werden. Nun, teilweise sprechen sie auch, überwiegend sind sie aber (neben dem Musizieren) Akteure für eine kaum zu beschreibende geniale musikalisch visuelle Umsetzung von Texten Edgar Allan Poe´s, des Literaturtheoretikers und Schriftstellers Maurice Blanchot und T.S. Eliot (das ist der, dessen Gedichtband „Old Possums Katzenbuch“ von Andrew Lloyd Webber zum Musical CATS vertont wurde).

Während die Zuschauer in den Saal kommen, kommen auch die ersten Musiker auf die Bühne und nehmen auf einer der vielen Bierzeltbänken platz, den Rücken zum Publikum gewandt. So ist alle Konzentration zunächst allein auf die Musik konzentriert. An den Seiten stehen Scheinwerfer, dahinter Tische zur Ablage der Musikinstrumente. Denn beim Ensemble Modern spielt jeder Musiker mehr wie ein Instrument. Und oft wird auch mit Gegenständen musiziert, die kein Instrument im eigentlichen Sinn sind. Beispielsweise mit Soft- und Tennisbällen, die einer Sportstunde gleich, locker gegen eine Metallplatte geworfen werden, die an eine Verstärkeranlage angeschlossen ist. So gerät der Aufprall fast zum Donnerschlag. Später pfeift ein Wasserkessel auf einem kleinen Campingkocher vor sich hin, ein Flötist nähert sich diesem Pfeifen mit seiner Piccoloflöte immer mehr an. Die Bühnenrückwand, ein eckiger großer Torbogen, fällt zweiteilig nach vorne. Nicht nur dass dabei erstaunlich viel Wind durch das Publikum weht, so als wäre gerade eine U-Bahn vorbeigerauscht, dies erfordert auch eine eigene Choreografie, denn schließlich darf da kein Musiker am falschen Platz sitzen.
Neben allen spielerischen Elementen und allen Positionswechsel der Musiker, sorgt ein äußerst präzise abgestimmtes Lichtdesign für vielfältige ungewöhnliche visuelle Verfremdungen. So wird eine Lampe unter den Bänken weggezogen, während von vorne ein Projektor Licht auf eine Leinwand projiziert. Als Gesamtbild entsteht ein sich wundersam wandelndes Schattenspiel.
Die Texte werden zum Teil von Ensemblemitgliedern vorgelesen, teilweise ist aber es auch Heiner Müller selber, der vom Band spricht. Da ist das Publikum noch stummer, als es eh schon ist. Wobei Heiner Müller, wie Heiner Goebbels in der dieser Vorstellung vorangehenden Gesprächsrunde erläuterte, eine eigentümliche Art zu sprechen hatte. Unglaublich rhythmisch und präzise, aber sonderbar frei, die Interpunktion unhörbar machend, bleibt das Gesprochene stets ein Angebot.
Was Heiner Goebbels „Musiktheater Schwarz auf Weiß für 18 Musiker des Ensemble Modern“ (er arbeitet gerne mit den gleichen Leuten zusammen, weshalb das Stück auch den Ensemble Zusatz trägt) außergewöhnlich auszeichnet ist nicht nur der moderne Klang, sondern die beeindruckende Verbindung der vielen Aktionen, des Lichts und der Texte mit der Musik. So war der Abend ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk, für die, die dabei waren.

Markus Gründig, Dez. 05


Liederabend José Van Dam (Bassbariton), Robert Giordana (Klavier)

„Winterreise“ von Franz Schubert, Oper Frankfurt, 4. Oktober 05

Pünktlich zum ersten Oktoberwochenende änderte sich das Wetter. Von den spätsommerlichen milden Tagen ging es am vergangenen Samstag mit Dauerregen ruck zuck in den Herbst. Graue Wolken hängen seitdem über Deutschland und für viele ist es eine größere Sache, sich auf die die Herbst- Winterzeit, auf den Rückzug der Natur und auf weniger Tageslicht einzustellen.
Eine gute Gelegenheit dazu bot die Oper Frankfurt mit einem Liederabend mit Schubert´s Winterreise. Hierbei handelt es sich um einen der populärsten Liederzyklen, obwohl oder gerade weil sie voller Schwermütigkeit und Todessehnsucht ist.
Schubert war als er die Textvorlage von Wilhelm Müller vertonte, gerade einmal 30 Jahre alt, eigentlich kein Alter für Schwermut.
Heute ob seiner Größe in musikalischer Hinsicht unbestritten, war Schubert´s Leben alles andere als Erfolg und Frohsinn. Körperlich klein (157cm) und sich selbst als nicht hübsch empfindend (die Freunde nannten ihn „Schwammerl“), blieb ihm die Erfahrung von Liebe und Glück versagt. Bei einer Prostituierten mit der Syphilis angesteckt, wusste er bei der Komposition von „Die Winterreise“ von seinem bevorstehenden Tod.

Auf der verkleinerten Bühne der Oper Frankfurt neben dem Flügel nur ein großes, buntes Blumenbouquet, strahlend in den sommerlichsten Farben: gelb, orange, rot, mit einem kräftigen Grün vermischt, ein starker Kontrast zur inhaltsschweren musikalischen Darbietung, die überwiegend in Moll-Tonarten daher kommt. Aber so ist es zum Glück: nie ist eine Seite so stark, selbst in den dunkelsten Orten gibt es Zeichen von Freude und Hoffnung.

Der belgische Bassbariton José Van Dam trug die 24 Lieder der Winterreise äußerst behutsam mit der Ruhe und Kraft seiner großen Erfahrung vor. Dabei wurde die schwermütige, hoffnungslose Stimmung nicht zuletzt durch seine tiefe Stimmlage verstärkt: großes Leiden breit aufgetragen. Sei es bei „Gefrorne Tränen“ oder „Einsamkeit“, mit samtig weicher Stimme vermittelte Van Dame die zauberhafte Stimmung der Winterreise.
Die Textverständlichkeit war sehr gut, insbesondere bei den ganz leisen, schwermütigsten Liedern. Lediglich bei den wenigen etwas schnelleren und aufbrausenden Liedern wie bei „Mut“ war es hilfreich, einen Blick ins Programmheft zu werfen, indem die Texte abgedruckt waren.

Mit jugendlicher Leichtigkeit und Elan der 24-jährige Robert Giordana am Klavier. Er spielte mit äußerster Zurückhaltung, stets dezent und sehr präsent. Eine große Harmonie herrschte zwischen den beiden, zum Gewinn für das Publikum im großen Saal der Oper Frankfurt.

Markus Gründig, Oktober 05  

Der nächste Liederabend der Oper Frankfurt findet am 28. Oktober 05 statt, mit dem Tenor Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch am Klavier.


Kammermusik im Foyer: “Kammermusik mit Oboe”

Oper Frankfurt, Sonntag, 19. Juni 05

Nackedeis vor der Oper, Klassik in der Oper

Nun ist er endlich da, der Sommer. Gelegenheit für zwei junge Damen sich in unverhüllter Schönheit gegenüber der Oper Frankfurt am Sonntagmorgen vor Frankfurts Skyline ablichten zu lassen. Zeitgleich im Foyer der Oper, ein kammermusikalisches Konzert mit Oboe. Kontraste wie diese sind typisch für Frankfurt.
Kontrastreich war auch das Programm der Kammermusik mit Werken von Mozart, Britten und Beethoven.
Mozarts F-Dur Quartett eröffnete das Programm. Mozart hatte dieses Stück im Jahr 1781 seinem Freund und Musiker Friedrich Ramm auf den Leib geschrieben, denn er war begeistert von dessen leichtem, gewandten Spiel und seiner Ausdruckskraft.
Der junge Professor für Oboe an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, Nick Deutsch, spielte diesen Oboen-Hit beim Kammerkonzert äußerst lebendig und virtuos, unterstützt von Gesine Kalbhenn-Rzeka (Violine), Miyuki Saito (Viola) und Corinna Schmitz (Violoncello). Dabei war das Verhältnis zwischen Oboe und Streichern sehr ausgeglichen und unterstrich die romantischen Harmonien des F-Dur Quartett. Nur aus drei Sätzen (Allegro, Adagio, Rondeau. Allegro) bestehend, bildete das kurze, wundervoll melodische Adagio den Mittelteil. Musik zum Träumen pur.

Mozart folgte Benjamin Brittens Phantasy-Quartett, das einhundertfünfzig Jahre später komponiert wurde. Gilt Britten zwar als einer der bedeutendsten britischen Komponisten, ist sein Werk bei uns aber noch immer recht unbekannt und meist auf seine Opern (hier vor allem „Peter Grimes“) beschränkt. Frankfurts Oper ist von Brittens Musik überzeugt und setzt seine Werke, auch entgegen dem allgemeinen Publikumstrend hinweg, auf den Spielplan (in der nächsten Saison wird es eine Inszenierung von „Death in Venice“ geben).
Ein Jahr jünger als Cage ist Brittens Musik trotz Hang zur “gemäßigten Moderne” noch tonal.
Das Oboenquartett „Phantasy op.2“ hat Britten neunzehnjährig geschrieben. Die neun kurze Sätze wurden von den Mitwirkenden leidenschaftlich interpretiert, ein audiophiler Genuss.

Nach der Pause folgte zum Abschluss ohne Oboe, Beethovens Trio c-Moll op.9/1 das sich im Adagio ma non tanto e cantabile zu dynamischen Steigerungen verdichtet und nach einem erregten Scherzo im Finale-presto leichtgewichtig endet und so schön in den sonnigen Sonntag überleitete.

Markus Gründig, Juni 05 


Kammermusik im Foyer: „Pianoforte con…“

Oper Frankfurt, Sonntag, 22. April 04

In dem Bemühen eine große Bandbreite kammermusikalischer Werke zu zeigen, setzte die Oper Frankfurt ihr jüngste Aufführung in der Reihe „Kammermusik im Foyer“ unter den Titel „Pianoforte con…“. und machte damit deutlich, dass ein Kammerkonzert nicht nur von Streichern gespielt werden kann.

Ein Flügel als feste Größe, nicht nur rein gegenständlich, bot den äußeren Rahmen dieser Veranstaltung am Sonntagmorgen. Neben Violine, Viola und Violoncello sorgte vor allem ein Horn für reges Interesse an diesem Konzert. Doch bevor das Horn mit Musik von Brahms zum Einsatz kam, gab es zunächst Werke von Mozart und Seiber.

Mozart´s Klavierquartett g-moll (KV 478) bietet mit seinen drei Sätzen Allegro, Andante und Rondo Allegro nicht die Leichtigkeit anderer Werke Mozarts, bezaubert aber durch seine herrliche Harmonie.
Christoph Ullrich spielte am Klavier mit höchster Konzentration, frischem Temperament und lyrischem Empfinden.
Imitationen zwischen Violine (Barbara Kummer), Viola (Miyuki Saito) und Violoncello (Sabine Krams) wurden gut betont.

Das herausragendste Stück an diesem Vormittag war die „Sonata da Camera“ des ungarischen Komponisten Mátyás Seiber, dessen 100. Geburtstag Anfang Mai gefeiert wurde. Seiber war einst Lehrer der Jazz-Klasse am Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt, lebte von 1935 an in London. Stark beeinflusst hat ihn James Joyce´s Ulysse. In seinen Werken spiegelt sich neben Volksliedern, leichten Klavierstücken und Solokonzerte für Bläser und Orchester auch Schönbergs Zwölftontechnik. Dazu schrieb er auch Filmmusik, zum Beispiel zu dem Film „Animal Farm“ (nach Orwell; 1954).
Die schwierige „Sonata da Camera“ wurde von Susanne Stoodt und Sabine Krams mit einer bravourösen Leichtigkeit gespielt. Dabei geschah das Verzögern, Innehalten oder Beschleunigen des Tempos sehr organisch.

Johannes Brahms berühmtes, dunkel gefärbtes Trio Es-Dur op 40 für Horn, Violine und Klavier bildete den Abschluss dieses Konzerts. Thomas Bernstein überzeugte dabei mit virtuosen Lippenspiel und atemtechnischer Sensibilität am Horn. Das herrlich ausbalancierte Zusammenspiel von Horn, Klavier und Violine sorgte für einen ausgesprochenen Musikgenuss.

Markus Gründig, Mai 05


Liederabend Meisterkurs Helmut Deutsch

Britta Stallmeister (Sopran), Annette Stricker (Mezzosopran), Hans-Jürgen Lazar (Tenor), Nathaniel Webster (Bariton), Helmut Deutsch (Klavier)
Oper Frankfurt, Dienstag, 12. April 05

Schon seit jeher hat der Mensch im Lied eine Möglichkeit, seine Gefühle und Stimmungen intensiv auszudrücken. Lieder erheitern, machen betroffen und verzaubern.
In dem jüngsten Liederabend der Oper Frankfurt präsentierten vier Ensemblemitglieder eine feine Auswahl an Liedern, Duetten und Quartetten von Joseph Haydn, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Franz Schubert, Robert Schumann, Hugo Wolf und Richard Strauss. Das ganze war der Abschluss eines so genannten Meisterkurses mit dem namhaftesten Liedbegleiter seiner Generation, Helmut Deutsch. Alle vier Ensemblemitglieder sind nicht erst seit gestern dabei, vermittelten aber mit jungen und frischen Elan ihre Freude am Singen.

Allen voran die Sopranistin Britta Stallmeister die mit Liedern von Mendelssohn-Bartholdy und Wolf nicht zuletzt Dank ihres großen mimischen Talents innige und heitere Momente darbot. Großartig aus Wolfs Mörike Liedern die Huldigung an den Frühling „Er ist´s“, bei dem sie ihr eindrucksvoll Ihr Stimmvolumen zeigen konnte.
Die Mezzosopranistin Annette Stricker stand Stimmlagen bedingt bei den Quartetten nicht unbedingt im Vordergrund, doch trumpfte sie bei Schumanns „Lieder der Maria Stuart“ mit wunderbar timbrierter Stimme auf.
Schuberts „Auf dem Strom“ wurde vom erfahrenen Tenor Hans-Jürgen Lazar geboten und zusätzlich von Mahir Kalmik am Horn begleitet, was die sehnsuchtsvolle Stimmung des Liedes kräftig untermalte.
Am meisten überzeugte der amerikanische Bariton Nathaniel Webster: souverän in allen Stimmlagen mit makelloser Artikulation bot er eine mitreißende Leistung, sei es bei der Auswahl an Schubert Liedern oder aus Wolfs „italienischen Liederbuch“.
Am Anfang und Ende des Abends standen jeweils Quartette, wobei der anfängliche Vortrag über die Harmonie in der Ehe (Haydn) für einige Schmunzle sorgte. Sehr bewegend, zart und einfühlsam das „Wiegenlied am Lager eines kranken Kindes“ -Duett (Schumann) von Strickler und Webster.

Viele Facetten wurden bei diesem rundrum gelungenen Meister-Abend dargeboten, der mit zwei Zugaben von Brahms („Rote Rosenknospen“ und „Der Gang zum Liebchen“) endete.

Markus Gründig, 13. April 05


Kammermusik im Foyer

Oper Frankfurt, Sonntag 10. April 05, 11 h

Violine: Michel Guerchovitch, Nathalija Raithel, Christine Schwarzmayr
Viola: Yumiko Noda
Viooncello: Johannes Oesterlee
Kontrabass: Ichiro Noda

“Klassik und…“ lautete das Thema der Kammermusik im Foyer der Oper Frankfurt. Impliziert der Begriff „Kammermusik“ auch eine gewisse Biederkeit, weist doch das Thema der Veranstaltung darauf hin, das Klassik mehr sein kann als Sonate und Streichquintett. Neudeutsch spricht man ja da auch von Klassik Crossover.

Entsprechend vielseitig und jung war die Auswahl für diese Matineeveranstaltung, die mit einer „Suite im alten Stil“ von Alfred Schnittke begann. Die im Jahr 1991 komponierte Suite wurden von den Mitwirkenden mit ihren fünf Sätzen Pastorale, Ballett, Menuett, Fuga und Pantomime äußerst feinstimmig und sehr gefühlsvoll gespielt. Das zeigte sich insbesondere im letzten Satz „Pantomime“ wo erst ruhig mit dem Bogen auf den Seiten geklopft wurde, Michel Guerchovitch ein ruhiges Solo begann und die anderen Musiker kurz später in die liebliche Stimmung einsetzten.

Gefühlsvoll ging es im ¾  Takt weiter, weniger emotional sinnlich wie zuvor, als kräftig Beine schwingend, denn Leryo Anderson´s „The Waltzing Cat“ versetzte das Opernfoyer kurzerhand nach Wien.

Aktuellstes Stück war Jerry Bocks „If I were a rich man“ aus dem Musicalklassiker Anatevka, mit dem die US-Sängerin Gwen Stefanie derzeit in den Pop-Charts ganz vorne vertreten ist („If I were a rich girl“). Auch hier wieder Michel Guerchovitch an der Violine zu Beginn alleine spielend und später dann das Einsetzten der anderen.

Großer Anklang dann für ein Werk des Argentiniers Astor Piazzolla (Oblivion/Addios Nonino), bei dem Michel Guerchovitch´s Violine die Rolle des legendären Bandoneón übernahm. Tango ist nicht nur ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann, sondern noch viel besser musikalisch umsetzten und ausbauen kann. Schmachtvoll leidend, doch auch leidenschaftlich dynamisch und mit großem Tempo stellte dieses Stück den Höhepunkt der Matinee dar.

Bevor Vittorio Monti´s „Czardas“ das Programm beendete, gab es noch eine Fantasie für Violine und Streicher aus Gershwins Volksoper „Porgy and Bess“, bei dem die Hits wie „Summertime“ , „I Got Plenty O‘ Nuttin“ oder „It Ain’t Necessarily So“ natürlich nicht fehlten.

Als Zugabe noch einmal ein Werk des durch seine Kompositionen für das Boston Pops Orchestra berühmt gewordenen Amerikaners Leroy Anderson „Fiddle Faddle“.

Die ansteckende Spielfreude der sechs Musiker und die bunte Auswahl an Stücken sorgten für einen schönen schwungvollen Sonntagmorgenauftakt, dessen positive Stimmung man gerne in die bevorstehende neue Woche mitnimmt.

Markus Gründig, 10. April 05