kulturfreak.de Besprechungsarchiv Liederabende etc., Teil 3

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Liederabend Michael Schade (Tenor), Malcom Martineau (Klavier)

Oper Frankfurt: 8. Juni 10

Liebe denkt in süßen Tönen

Der Deutsch-Kanadier Michael Schade gilt nicht nur als einer der prägenden Mozart-Tenöre unserer Zeit, sondern auch als einer der bedeutendsten Liedinterpreten. Im legendären Wiener Musikverein (dem Eldorado klassischer Musik) gestaltete er in dieser Saison gar eine eigene, nach ihm benannte Reihe. Dabei kann man sich Schade durch seine mannhafte Statur auch gut als Ranger in den kanadischen Rocky Mountains vorstellen. Im schwarzen Anzug und gelber Krawatte macht er aber auch einen formidabeln Eindruck. Bei seinem Liederabenddebüt an der Oper Frankfurt bezauberte er vom ersten Auftritt an mit seiner charmanten und vornehmen Art und, last but not least, mit seiner begeisterten Freude am Singen. Selten vermittelte ein Sänger eine derartige Leichtigkeit bei gleichzeitig vorbildlich geführter Stimme. Dieser Abend kann ohne Frage als absolutes Highlight der Liederabendsaison 2009/2010, wenn nicht gar der letzten Jahre, bezeichnet werden. Ein Geschenk für alle, die im gut gefüllten Frankfurter Opernhaus zu Gast waren.

Liederabend Michael Schade
Oper Frankfurt, 8. Juni 10
Malcolm Martineau (links) und Michael Schade (rechts)
© Wolfgang Runkel

In seiner Präsentation zeigte er sich gegenüber dem Publikum ungewohnt offen. Der visuelle Kontakt zu diesem ist ihm, wie er einmal in einem Interview geäußert hat, bei einem Liederabend wichtig. Am besten wäre es, wenn das Publikum das Gefühl habe, in sein Wohnzimmer eingeladen zu sein. Bevor er mit seinem Programm begann, richtete er dann auch zunächst ein paar Worte an das Publikum. Dabei ging es nicht darum, eine eventuelle Indisponiertheit anzukündigen, sondern um einen ersten Kontakt herzustellen. Er freue sich in Frankfurt singen zu können, auch wenn heute der 77. Geburtstag seiner Mutter sei. Dieser widmete er dann auch diesen Abend (die Mutter war als VIP-Gast einer Einladung zum zeitgleichen Konzert der Wiener Philharmoniker im Schlosspark Schönbrunn gefolgt).
Sang beim letzten Liederabend Bernarda Fink den ersten Teil ihres Liedprogramms einzig Lieder von Robert Schumann, so ging Michael Schade jetzt noch einen Schritt weiter. Sein Liedprogramm war einzig und allein einem Komponisten gewidmet: dem genialen Liedkomponisten Franz Schubert (1794 – 1828). Dieser hatte mit der Ballade vom „Erlkönig“ und mit „Gretchen am Spinnrad“ bereits in jungen Jahren formvollendete Werke geschaffen. Seine Liedzyklen „Die schöne Müllerin“ und „Winterreise“ sind Klassiker schlechthin. Aus seinen mehr als 660 Liedern wählte Michael Schade, für den Schubert der Inbegriff des Liedes darstellt, eine interessante Auswahl (mit überwiegend selten vorgetragenen Titeln).
Eröffnet wurde das Liedprogramm mit den „Vier Jahreszeiten“ (nicht mit denen von Vivaldi, sondern mit aus unterschiedlichen Zeiträumen stammende Lieder zu Frühling, Sommer, Herbst und Winter), gefolgt von einer Auswahl an Liedern, die einzelnen Musikinstrumenten gewidmet waren und im zweiten Teil dann Lieder über die Liebe und das Leben. Verbunden war diese breite Auswahl, von bewegten (wie „Herbst“ und „Der Musensohn“) bis zu den ruhigeren (wie „Die Sommernacht“) von Michael Schades authentischem Vortragsstil, der von Ehrfurcht, Respekt, Freude und Liebe zum Lied geprägt war; selbst die dunkelsten, wehmutsvollen Töne klingen dann noch besänftigend wohl. Stimmlich brilliert er durch sein Nuancenreichtum und den intensiv gestaltetetn Piano-Nuancen (trotz enormer tenoraler Strahlkraft). Beendet wurde der Abend ganz leise, mit dem hymnisch anmutenden „Nacht und Träume“.
Am Klavier begleitete ihn Malcolm Martineau (hier zuletzt als Begleiter von u.a. Pavol Breslik, Magdalena Kozena und Simon Keenlyside). Dabei schien zwischen den beiden eine symbiotische Beziehung zu bestehen, so harmonisch und sich selbst zurücknehmend passte sich Martineau Schade an.
Nach zwei lange Zugaben (den Liedern „Ganymed“ und „Der Neugierige“ [aus der „Schönen Müllerin“]) verabschiedete sich Michael Schade, auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen am gleichen Ort.

Markus Gründig, Juni 10


Liederabend Bernarda Fink (Mezzosopran), Anthony Spiri (Klavier)

Oper Frankfurt: 25. Mai 10

Doppelte Hommage zum 200.

Vor 200 Jahren wurde Robert Schumann in Zwickau geboren (8. Juni 1810), der deshalb dieses Jahr im Mittelpunkt vieler Veranstaltungen steht. Weit entfernt, im südamerikanischen Argentinien, fanden vor 200 Jahren bedeutende politische Ereignisse statt, die in der Unabhängigkeit Argentiniens mündeten. Seitdem wird am 25. Mai stets der Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien gedacht. Der Tag ist der höchste Nationalfeiertag des Landes.
Die Mezzosopranistin Bernarda Fink, in Argentinien geboren (und mit slowenischen Wurzeln), machte bei Ihrem Liederabend-Debüt an der Oper Frankfurt, das ja auf den argentinischen Nationalfeiertag fiel, beide Ereignisse zum Programm. Im ersten Teil präsentierte sie eine Auswahl von Liedern Robert Schumanns, im zweiten Teil Lieder von Enrique Granados, Luis Giannéo, Luigi Dallapiccola und Joaquin Rodrigo. Dabei fand, wie Fink beim Schlussapplaus anmerkte, ein weiteres Ereignis am Tag zuvor statt: Die Wiedereröffnung des weltberühmten Teatro Colón (www.teatrocolon.org.ar) in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires (an dem sie ihre musikalische Ausbildung erhielt). Schumann und die argentinische Heimat bestimmten das Liedprogramm, das inhaltlich durch das große Thema Liebe ausgefüllt war (hier fast ausschließlich reflektiert aus der tiefen Schwermut enttäuschter Liebe).
Begonnen wurde mit Liedern nach Friedrich Rückert, die aus verschiedenen Werken zusammengestellt wurden. „Liebster, deine Worte stehlen“ blieb als Eröffnungsnummer interpretatorisch noch etwas im Belanglosen. Inniger gestaltete Fink dann bereits „Aus den östlichen Rosen“, ein wehmutsvolles Lied aus dem Zyklus „Myrten“ (den Schumann seiner Braut am Hochzeitstag als Geschenk überreicht hat). Kennzeichnend für Schumann ist, dass er, wie kein anderer Vertreter der Romantik, ein überaus feinfühliger Seismograph für Empfindungen und Stimmungen war und diese eben auch perfekt musikalisch umzusetzen wußte. Im Folgenden gelang Fink wiederum, die Schumannsche Gefühlswelt mit einer unglaublichen Souveränität breit aufzufächern, bei gleichzeitiger warmherziger Ausstrahlung.
Bewegter war dann der Block mit Liedern nach Robert Burns, der mit dem temporeichen „Die Hochländer-Witwe“ endete. Eine wunderbare Rarität wurde mit den fünf Maria-Stuart-Lieder (nach Übersetzungen von Gisbert Freiherr von Vincke) gegeben. Zweifelsohne der Höhepunkt im ersten Teil. Hier lebte Maria Stuart förmlich auf (die ja von Königin Elisabeth zum Tode verurteilt wurde). Dies weniger durch starke Gestik oder Mimik, aber mit einer unter die Haut gehenden, feinfühligen sängerischen Darbietung durch Bernada Fink. Ein Blick in das Programmheft mit den dort abgedruckten Texten war beim ersten Teil überflüssig, Finks Aussprache war überaus deutlich.

Liederabend Bernada Fink
Oper Frankfurt, 25. Mai 10
Anthony Spiri (links) und Bernarda Fink (rechts)
© Wolfgang Runkel

Doch Lieder technisch perfekt vorzutragen ist das eine, ihnen Leben einzuhauchen, etwas anderes. Dies wurde im mit Spannung erwarteten zweiten Teil noch deutlicher. Hier sang Bernarda Fink nun ohne Notenpult (in das sie selbst im ersten Teil ohnehin nur wenig und sehr kurz geblickt hatte) deutlich gelassener und freier in ihrer Muttersprache. Wenn man bei den angekündigten südamerikanischen und spanischen Liedern heiße Sambarythmen oder feurigen Flamenco erwartet hat, wurde man enttäuscht. In Ihrem Trübsinn standen diese Lieder, denen von Schumann in nichts nach. Schon das erste Lied, Enrique Granados „Das trauernde Mädchen 1“ beginnt mit den Worten „Oh grausamer Tod!“. Liebessehnsucht und Liebesleiden war also auch in diesem Teil das beherrschende Thema. Und doch unterschied sich dieser Teil deutlich vom Ersten, was nicht nur im mit viel mehr Feingespür, Intensität und Vitalität gegebenen Vortragsstil begründet war. Schließlich sind spanische Lieder, die oftmals ein starkes nationalen Kolorit aufweisen, eine Rarität beim traditionellen Liederabendprogramm. Dies gilt erst recht für die „Sechs Coplas“ des argentinischen Komponisten Luis Gianneo (1897-1968), sechs meisterhafte Miniaturen unterschiedlicher Färbung. Anthony Spiri, der hier wie bei allen anderen Programmpunkten am Klavier feinfühlig, aber auch vehement, aufspielte, ließ beim zweiten Coplas mit seinem illustren und heiteren Spiel den Distelfink durch den Opernsaal fliegen. Luigi Dallapiccola (1904-1974) ist mit seinen Opern „Volo di notte” und “Il Prigioniero“ in den Inszenierungen von Keith Warner an der Oper Frankfurt unvergessen. Dallapiccola gilt als Klassiker der dodekaphonischen Musik in Italien, war er doch der erste italienische Komponist, der die Zwölftontechnik der Wiener Schule übernahm. Allerdings verband er sie mit einer charakteristischen italienischen Kantabilität und Klangsinnlichkeit, die in den gegebenen „Quattro liriche di Antonio Machado“ von Bernarda Fink meisterhaft ausgedrückt wurden.
Das begeisterte und zahlreiche Publikum ließ Bernarda Fink nicht ohne drei Zugaben gehen. Schumanns „Ständchen war dabei von zwei argentinischen Liedern von Carlos Lopez und Carlos Guastavino eingerahmt.

Markus Gründig, Mai 10


Liederabend Sohie Karthäuser (Sopran), Cédric Tiberghien (Klavier)

Oper Frankfurt, 23. März 10

Zwischen den Künstlerfotos der Ankündigung von Liederabenden und dem tatsächlichen Erscheinungsbild der Sänger auf der Bühne liegen oftmals mehrere Jahre. Davon hat man zumindest den Eindruck. Im Falle der belgischen Sopranistin Sophie Karthäuser ist es eher umgekehrt. Bei ihrem Liederabend an der Oper Frankfurt punktete sie schon allein mit ihrer jugendlich wirkenden Erscheinung (im eleganten, roten Abendkleid mit Spagettiträgern, mit als Schärpe umgelegten breitem weiß-roten Schal und zum Zopf zusammengebundenen Haaren). Auf dieser Bühne gab sie in der Saison 2000/01 ihr Debüt als Opernsängerin (in der Rolle der Pamima im Mozarts „Zauberflöte“). Nun, fast 10 Jahre später, hat sie trotz großer Erfolge auf den internationalen Bühnen von ihrer freundlichen und natürlichen Art nichts verloren.
Der erste Teil ihres Liedprogramms beinhaltete Klassiker des Liedguts von Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert und Hugo Wolf. Einer von diesen, Mozarts „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“, eröffnete den Abend. Ohne Bitterkeit im Ausdruck präsentierte sie die tieftraurige „Abendempfindung“ (die mehr von banger Todesahnung handelt) mit eleganter Unbeschwertheit: solch einen sanften Engel wünscht man sich an seinem Grab.

Liederabend Sophie Karthäuser
Oper Frankfurt, 23. März 10
Cédric Tiberghien (links) und Sophie Karthäuser (rechts)
© Wolfgang Runkel

Mit großer Freude und Lebendigkeit folgte „Die Alte“ („O gute Zeit… O schlechte Zeit…“), ihre intensivste Interpretation an diesem Abend, mit ausdrucksstarker Stimme und augenzwinkernder Mimik. Als Pendant zu den Klassikern folgte als Abschluss des Mozart-Blocks „Eine kleine deutsche Kantate“, zwar auch populär, aber selten bei einem Liederabend geboten. Schuberts Hit „Gretchen am Spinnrade“  („Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer“, nach Goethe) gilt als sein Durchbruch zum Ausdruckslied. Hier geht es nicht nur um eine Liebessehnsucht, sondern auch um die manische Gewalt der Gefühle, der die Liebende ausgesetzt ist. Karthäuser überzeugte auch hier mit ihrem innigen Vortrag. Drei Lieder aus dem Spanischen Liederbuch von Hugo Wolf beendeten den ersten Teil.
Bestimmte ein lebhafter Vortragsstil den ersten Teil, fiel der zweite Teil des Abends durch vornehme Zurückhaltung auf. Mit impressionistischen und melancholischen Tonmalereien von Gabriel Fauré (1845 – 1924) und Claude Debussy (1862 – 1918) präsentierte Karthäuser die bedeutendsten Vertreter des französischen Liedgutes.
Fauré, Schüler von Saint-Saens und geistig César Franck nahestehend, schuf mit den „Fünf Liedern aus Venedig“ weniger italienisches Kolorit, als Stücke mit starken Ausdrucksnuancen und differenzierten harmonischen Reizen. Nicht ohne Grund gilt dieses Opus als Höhepunkt der Liedliteratur seiner Epoche.
Die sechs „Vergessenen Lieder“ widmete Claude Debussy der Sängerin Mary Garden, der ersten Mélisande (seines lyrischen Dramas „Pelléas et Mélisande“). Sie sind voll von grundloser Traurigkeit, zarter Wehmut und kleinen Freuden. Karthäuser gestaltete auch diesen Teil, den sie in französisch sang, mit ihrer starken Ausstrahlung, Präsenz und vor allem mit ihrer stimmlichen Wandlungsfähigkeit, dabei stets die Klangschönheit und Leuchtkraft ihrer Stimme nuanciert darbietend. Musikalisch getragen wurde sie vom jungen Cédric Tiberghien am Klavier. Anfangs bei den Mozart-Liedern noch mit vollen Sturm und Drang Aktionismus spielend, nahm er sich bei Schubert und Wolf dann schon stark zurück, um schließlich bei Fauré und Debussy äußerst innig einen impressionistischen Klangteppich heraufzubeschwören.
Am Ende starker Beifall für einen emotionalen Stimmungsausflug, für den sich Sophie Karthäuser mit zwei Liedern von Francis Poulenc bedankte.

Markus Gründig, März 10


Liederabend Pavol Breslik (Tenor), Malcom Martineau (Klavier)

Oper Frankfurt, 2. März 10

Eine Sängerpersönlichkeit mit Weltruhm hat die slowakische Hauptstadt Bratislava bereits hervorgebracht: die Koloratursopranistin Edita Gruberová (die gerne auch als „Königin der Koloratur“ oder „slowakische Nachtigall“ bezeichnet wird). 33 Jahre nach ihr wurde im Jahr 1979 eine weitere Sängerpersönlichkeit in Bratislava geboren, die sich nun anschickt, die Bühnen der Welt zu erobern: der Tenor Pavol Breslik. Von 2002 bis 2006 war er Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper unter den Linden. Über seine Rollendarbietung des Lehrers Wanja Kudrjasch in Katja Kabanow schrieb Jörg Königsdorf vom Tagesspiegel: „Pavol Breslik singt den gescheiten Lehrer wie ein junger Gott“. Das war im Jahr 2005. Im selben Jahr wurde Breslik zudem von der Zeitschrift Opernwelt zum „Nachwuchssänger des Jahres“ gekürt. Seit 2006 freischaffend tätig, sang er seitdem bereits bei den Salzburger Festspielen und an der New Yorker Met. Vor einem Jahr, im Februar 2009, stand er erstmals mit Edita Gruberová gemeinsam auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper (in Christof Loys Inszenierung von Donizettis „Lucrezia Borgia“).

Liederabend Pavol Breslik
Oper Frankfurt, 2. März 10
Malcom Martineau (links) und Pavol Breslik (rechts)
© Wolfgang Runkel

Jetzt, 31-jährig, gab er an der Oper Frankfurt sein Liederabenddebüt, das er mit Robert Schumanns populären Liederzyklus „Dichterliebe“ eröffnete. Diese 16 Miniaturen behandeln das Thema Liebe zwar mit Ernst und manchem Wehmut, zeugen aber auch von einer gewissen Ironie und Leichtigkeit. Das erste Lied („Im wunderschönen Monat Mai“) gab Breslik noch sehr ernst und verhalten. Technisch einwandfrei gesungen, war von aufbrechender Frühlingsleidenschaft interpretatorisch jedoch noch wenig zu spüren. Das änderte sich dann unmittelbar bei den folgenden Liedern, die teilweise nicht nur äußerst innig, sondern auch mit großer Emphase vorgetragen wurden (wie bei „Ich grolle nicht“). Dieses Wechselspiel zwischen zurückhaltender, gedämpfter und für einen Liederabend ungewöhnlich expressiver Ausgestaltung, kennzeichnete auch den zweiten Teil des Abends, besonders bei den ausgewählten Liedern von Richard Strauss (die Breslik wie bereits die „Dichterliebe“, akzentfrei und mit hervorragender Diktion sang), aber auch bei den in seiner Muttersprache gesungenen „Zigeunermelodien“ von Antonin Dvořák.
Überaus betörend und das romantische Liebesleidgefühl beschwörend, interpretierte er die lyrischeren Lieder, wie Strauss´„Traum durch die Dämmerung“ und „Morgen!“, bei denen er mit seiner eleganten Stimmführung am stärksten beeindruckte und sein warmherziges Timbre zum glanzvollen Leuchten bringen konnte.
Malcom Martineau, der an der Oper Frankfurt bereits im November 2008 die gebürtige Tschechin Magdalena Kožená am Klavier begleitete, erwies sich auch für Pavel Breslik als ein souveräner Begleiter, der ihm viel Freiraum ließ und mit viel Feingefühl bei manch Zwischen- und Nachspiel (vor allem bei Schumanns „Die alten, bösen Lieder“) für zusätzliche Klangfreude sorgte. Mit seiner zweiten Zugabe (ohne Klavierbegleitung!), einem slovakischen Volkslied, bedankte sich der sympathisch wirkende Pavol Breslik nicht nur beim begeisterten Frankfurter Publikum, sondern auch indirekt bei seiner Mutter und Großmutter, die dieses Lied oftmals bei Hochzeitsfeiern gesungen haben.

Markus Gründig, März 10


Das Weisse Album

Schauspiel Frankfurt
Besuchte Vorstellung: 6. Februar 10 (Premiere)

Florian Fiedler rockt das Schauspiel Frankfurt

Sie prägten eine ganze Generation, sie schrieben Musikgeschichte und ihre Musik ist unvergessen: Die Beatles. 13 Alben in nur 7 Jahren. Im November 1968 erschien ihr einziges Doppelalbum „The Beatles“. Aufgrund seiner einfachen Covergestaltung wird es als „Das Weisse Album“ bezeichnet. Hätte der Coverdesigner Richard Hamilton vorher die abwechslungsreiche Musik gehört, wäre es sicher anders ausgefallen.
Obwohl die enthaltenen dreißig Songs so unterschiedliche Stile wie Blues, Country, Folk, Reggae, Soul und natürlich Pop und Rock´n´ Roll enthalten, klingt jeder Song dennoch nach den Beatles. Dabei ist es alles andere als ein „Harmonie-Album“. Schon lange war die Atmosphäre innerhalb der Gruppe angespannt, auch ein gemeinsamer Trip nach Indien konnte da nicht weiterhelfen. Ringo Star verabschiedete sich gar temporär von der Gruppe, die Songs wurden getrennt aufgenommen. Als das Album im November 1968 erschien, wurde es dennoch sofort zu einem Riesenerfolg.
Wer fürchtet, nach dem Trend, literarische Stoffe für die Bühne zu dramatisieren (wie z.B. jüngst Camus´ “Die Pest“), würde nun als nächstes die Musikindustrie für Dramatisierungsstoff herhalten müssen, braucht keine Angst zu haben: die Inszenierung am Schausiel Frankfurt ist ein kunstvoll inszeniertes Konzert, kein Theaterstück. Ähnliche Programme gab es auch schon in der Vergangenheit, schließlich öffnet Musik die Herzen und spricht den Menschen auf einer anderen Ebene an. So gab es beispielsweise am Staatstheater Mainz u.a. Till Löfflers szenischen Liederabend „Abgetaucht“ und am Schauspiel Frankfurt Dietmar Loefflers „Männerbeschaffungsmassnahmen“. In der ehemaligen Außenspielstätte schmidtstrasse12 inszenierte der frühere Kurator derselbigen, Florian Fiedler, den Liederabend „Kampfchor Galaktika“. Jetzt, dreieinhalb Jahre später, inszenierte er im Frankfurter Schauspielhaus (ehemals: Großes Haus) „Das Weisse Album“ und ist dabei über sich selbst hinausgewachsen. Auch wenn es „nur“ ein Konzert ist, die Songs werden so vielseitig und leidenschaftlich dargeboten, dass Zuhören und Zuschauen die pausenlosen 100 Minuten zu einem rauschenden Erlebnis machen, Suchtgefahr nicht ausgeschlossen!
Vier Musiker (Martin Engelbach, Friedrich Paravicini, Dirk Ritz und Frank Wulff) bilden die Band „Piggies“ (nach dem gleichnamigen Song). Sie unterstützen die voll zügelloser Leidenschaft singenden Schauspieler (Nadja Petri, Nele Rosetz;, Torben Kessler, Christoph Pütthoff und Marc Oliver Schulze) mit einem kräftigen und rockigen Sound, der an den typischen Beatles Sound nur lose angelehnt ist. Für die Balladen wird es aber auch ruhiger (unter Einsatz von Violine, Violoncello, Bass, Querflöte; wobei auch eine Tuba nicht fehlt). Teilweise sind auch die Darsteller als Musiker beteiligt, spielen auf der Harmonika oder steuern mit dem Rascheln einer (Schauspiel Frankfurt)-Streichholzschachtel zum vielseitigen Klangerlebnis bei. So ist das „Konzert“ schon ohne das umfangreiche Bühnengeschehen ein audiophiler Genuss und eine musikalische Entdeckungsreise (Musikalische Leitung: Martin Engelbach). Zudem werden die 30 Lieder nicht in der Reihenfolge gegeben, wie sie auf der LP veröffentlicht wurden. Zu 20 von Ihnen gibt es auf dem als Plattencover gestalteten Programmheftplakat Hintergrundinformationen, doch auch hier ist die Reihenfolge wahllos (die Rückseite mit Fotos der Beteiligten ist dem „White Album“ beigefügten Plakat nachempfunden).

Das Weisse Album
Schauspiel Frankfurt
Torben Kessler, Marc Oliver Schulze, Nadja Petri, Christoph Pütthoff
© Katrin Ribbe

Ein Jahr vor Erscheinen des Albums wurde Roland Schimmelpfennig geboren, der gefeierte Bühnendramatiker übersetzte für diese Inszenierung die 30 Lieder ins Deutsche. Wobei deutlich wird, das auch groß gehaltene Lieder oftmals einen trivialen Text haben (der nur in der Übersetzung deutlicher hervortritt). Das klingt manchmal süß („Zuckerschnecke“), manchmal nachdenklich („Das Glück ist eine Treibjagd“), meistens macht das Zuhören aber nur einfach Spaß, weil die alten Songs sich wie neue Songs anhören, die auch von Mia oder Silbermond stammen könnten.
Eine derartige Präsentation kann natürlich nicht in die Tiefe gehen. Die psychedelischen Erfahrungen der damaligen Zeit werden folglich nur sehr dezent eingestreut, die Studentenrevolte und politischen Unruhen ebenso. Obwohl 1968 ein bewegtes Jahr war. Allein im Monat November geschah einiges: John und Cynthia Lennon wurden geschieden, Yoko Ono erlitt eine Fehlgeburt, sie und John wurden wegen Besitzes von Cannabis mit einer Geldstrafe von 150 brit. Pfund belegt, US-Präsident Johnson ordnete das Einstellen des Bombardements in Nordvietnam an, Richard Nixon wurde zum neuen Präsidenten der USA gewählt, in Prag gab es antisowjetische Unruhen… Davon ist teilweise in Videoprojektionen zu sehen (Video: Bert Zander). Allerdings waren die Beatles in erster Linie Musiker, weniger politisch engagierte Friedenskämpfer und so ist es richtig, die Musik und die Freude daran in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei sind die singenden Schauspieler ganz schön gefordert, gilt es nicht nur den Ton zu treffen, sondern auch zu performen. In ihren weißen Hosen, Hemden und Pullis unterschiedlichen Stils (Kleidung: Selina Peyer) wirken sie stets authentisch und bewegen sich dabei sehr musikalisch, allen voran Christoph Pütthoff mit tänzerisch anmutenden Einlagen.
Die Bühne von Maria-Alice Bahra ist offen, vor einer frei stehenden weißen Wand sind die Sänger und die Band platziert: Rockkonzertatmosphäre im Theater. Für einzelne Songs öffnet sich eine Art Fenster, darin lümmeln sich zwei Sänger oder philosophieren im Liebesrausch. Zum Ende hin wird die Rückseite sichtbar, eine Puppenhaus ähnliche Installation, getrennte Räume weisen auf das Zerbrechen der Gruppe hin.
Fußgetrampel und endloses Geklatsche, selbst vom vornehmen Premierenpublikum, zeugen von der Lebendigkeit der kreativen Energie der Beatles, die hier in zeitgemäßer Form publikumsnah präsentiert wird.

Markus Gründig, Februar 10


Liederabend Krassimira Stoyanova (Sopran), Jendrik Springer (Klavier)

Oper Frankfurt: 19. Januar 10

Die Liederabendserie der Oper Frankfurt erfreut sich seit Jahren eines aufmerksamen und treuen Publikums. Große und kleine Stars sind hier in einem intimen Rahmen bei einer der anspruchvollsten Herausforderungen zu erleben: einen Abend ausschließlich mit solistischen Kunstliedern zu gestalten. Von den mittelalterlichen Anfängen bis zur Gegenwart gibt es ein breites Spektrum innerhalb der Gattung. Eine starke Ausprägung hat das Kunstlied bei Franz Schubert und Robert Schumann erfahren, aber auch Namen wie Hugo Wolff, Johannes Brahms und Richard Strauss sind eng damit verbunden.
Beim ersten Liederabend des neuen Jahrzehnts an der Oper Frankfurt wurde um diese Komponisten jedoch ein großer Bogen gemacht, stattdessen erklangen, bisher bei Liederabenden nur selten zu hörende, Lieder von Gounod, Donizetti, Puccini, Tschaikowski und Rachmaninov. Zu Gast war die gebürtige Bulgarin und nunmehrige Wahlösterreicherin Krassimira Stoyanova, die mit diesem Abend ihr Debüt an der Oper Frankfurt gab. Ihr musikalisches Fundament hat sie sich als Violinistin erarbeitet und kann dadurch jede Partitur wie ein Buch lesen. Längst hat sie nicht nur an den großen europäischen Häusern gesungen, sondern auch an der MET in New York. Seit ihrem Debüt als Micaëla in „Carmen“ im Jahr 1998 ist sie eng mit der Wiener Staatsoper verbunden. Dort wurde sie am 8. Oktober 2009 zur Kammersängerin ernannt.

Liederabend Krassimira Stoyanova
Oper Frankfurt, 19. Januar 10
Jendrik Springer (links) und Krassimira Stoyanova (rechts)
© Wolfgang Runkel

Den Liederabend an der Oper Frankfurt gestaltete Krassimira Stoyanova vom ersten Ton an zu einem herausragenden Erlebnis, auch wenn er sich vom üblichen Rahmen abhob. Ungewöhnlich war zum einen die Auswahl der in französisch, italienisch und russisch gesungenen Lieder (auch wenn sie neben bulgarisch, italienisch und russisch inzwischen auch immer besser deutsch spricht, ist sie erst dabei, sich auf das deutsche Fach [wie Richard Strauss, Ludwig Spohr und Franz Schubert] vorzubereiten.), zum anderen ihr expressiver Vortragsstil, der näher an der Grenze zum opernhaften Gesang lag, als am zart seidenen klassischen Kunstliedgesang.
Im schwarzen Kleid mit Schulterträgern und einem lässig übergelegten langen zitronengelben Schal präsentierte sie sich selbstbewusst und äußerst sympathisch, ganz so als sei sie hier in „ihrer“ gut Stubb.
Mit ihrem leicht dunkel gefärbten lyrischen Sopran verfügt sie über eine ausnehmend kräftige Stimme, die sie vorbildlich führt und kontrolliert. Nur zu gerne würde man sie hier auch einmal in einer Oper auf der Bühne erleben. Bildeten die drei Gounod Lieder noch einen eher konventionellen Auftakt (das erste Lied „O ma belle rebelle!“ sang sie noch ganz auf sich konzentriert mit geschlossenen Augen), steigerte sich die Leidenschaft bei den Liedern von Donizetti (hier insbesondere bei „La sultana“) und natürlich beim großen Meister der leidenschaftlichen Gefühle: Puccini. Neben seinen Opernwelterfolgen hat er lediglich ein Dutzend Lieder geschrieben, die dann auch die Nähe zu seinen Opern nicht leugnen können.
Den mehr heiteren Liedern im ersten Teil folgten mit Liedern Tschaikowskis und Rachmaninows im zweiten Teil des Abends dann stärker melancholisch gefärbte Stimmungen. „Herrscht der Tag“ endete mit einem furiosen, glanzvollen Abschluss, den Jendrik Springer elegant und dynamisch am Klavier begleitete.
Mit zwei Zugaben aus ihrer Heimtatland Bulgarien verabschiedete sie sich die vielseitige Ausnahmekünstlerin.

Markus Gründig, Januar 10


Liederabend Michaela Schuster (Mezzosopran), Markus Schlemmer (Klavier)

Oper Frankfurt: 17. November 09

So entfliehn des Lebens schönste Stunden,
Fliehn vorüber wie im Tanz.

                                     (aus Mozarts „Abendempfindung“, Text: J.H.Campe)

Florinda, Preziosilla, Kundry, Laura, Eboli und Caesonia – dies sind die herausragenden Opernrollen, mit denen Michaela Schuster an der Oper Frankfurt (bei konzertanten Aufführungen in der Alten Oper Frankfurt) bereits glänzte. Nun präsentierte sich die gefragte Mezzosopranistin dem Frankfurter Publikum beim letzten Liederabend des Jahres 2009 erstmalig als Konzertsängerin. Dafür wählte sie klassisches deutsches Liedgut von der Aufklärung und Klassik über die Romantik bis zur Spätromantik und streifte dabei auch Italien, Frankreich und Spanien.

Liederabend Michaela Schuster
Oper Frankfurt, 17. November 09
Markus Schlemmer (links) und Michaela Schuster (rechts)
© Wolfgang Runkel

Vom ersten Ton aus Benedetto Marcellos „Il mio bel foco“ (Mein Liebesfeuer) an, bestach Michaela Schuster mit ihrer unaufdringlichen und dennoch äußerst starken Präsenz. Schlicht im ärmelfreien, schwarzen Kleid und funkelndem Halsschmuck, dicht am Klavier stehend (der Deckel des Flügels ist den Abend über nur einen Spalt geöffnet), hielt sie sich mit der rechten Hand oft an diesem fest oder lehnte sich an, von Unsicherheit oder Unbeholfenheit ist aber nichts zu spüren gewesen. Einerseits fast schon demutsvoll und zurückhaltend wirkend, trumpfte sie dann aber doch mit einer ungeheuren Authentizität in der Liedinterpretation auf, spannte wundervolle Bögen und bestach klangschön mit einer klaren, reinen Artikulation (lediglich bei manchen expressiven Passagen rückte sie dem Opernhaften nah) und ausdrucksvollem mimischen Spiel.
Im Zentrum des ersten Teils stand Johannes Brahms’ Liederzyklus „Zigeunerlieder“, der allerdings wenig Zigeunerhaftes ausmacht (soweit sich dies überhaupt musikalisch auf eine Richtung festlegen lässt, allenfalls klingt ein alteriertes Zigeuner-Moll durch). Von der Entstehungszeit stammt dieser temperamentvolle Zyklus aus Brahms’ Spätwerk, hörbar ist das jedoch nicht. Ursprünglich für vier Solostimmen und zweihändiges Klavier geschrieben, überwiegen leidenschaftliche und melancholische Stimmungen.
Lieder der Spätromantik erklangen im zweiten Teil des Abends, der mit drei als Miniaturdramen dargebotenen Gesängen des Franzosen Henri Duparcs begann, mit Richard Strauss fortgesetzt und mit dem Katalanen Fernando Obradors beendet wurde. Die dargebotenen vier kurzen Lieder Obradors stammen aus seinem berühmtesten Werk „Canciones clásicas españolas“. Die feurige Stimmung passt bestens zu Michaela Schuster. Am Klavier wurde Michaela Schuster vom Wahl-Berliner Markus Schlemmer begleitet, der ihre intime Interpretation übernahm und dezent wie intensiv, die musikalische Stimmung wiedergab (besonders gelungen beim Nachspiel von Richard Strauss´ „Morgen!“). Zwei bezaubernde Stunden, die rasch entflohen.

Markus Gründig, November 09


Liederabend Michael Nagy (Bariton), Gerold Huber (Klavier)

Oper Frankfurt: 20. Oktober 09

“Wunderschön ist doch das Leben!“

Das klassische deutsche Kunstlied wurde von den Meistern der Romantik geprägt, Liebes- und Weltschmerz bis hin zur Todessehnsucht sind dabei kennzeichnend. Der Bariton Michael Nagy wählte bei seinem Liederabendprogramm an der Oper Frankfurt allein 15 Lieder von Robert Schumann (1810-1856) aus, einem der Hauptvertreter des romantischen Liedrepertoires. Die ausgesuchten  „Zwölf Gedichte von Justinus Kerner op.35“ passten als typische Vertreter klassischen Liedguts ebenso wie die „Drei Lieder nach Joseph v. Eichendorff“ zur melancholisch anmutenden nass-kalten Herbstzeit. Dennoch schwebte über diesen Abend eher ein Zauber der Leichtigkeit als der Schwermut, wofür die Präsenz des jugendlich anmutenden Michael Nagy (Jahrgang 1976) sorgte. Nagy ist seit der Spielzeit 2006/2007 Ensemblemitglied an der Oper Frankfurt, wo er vor allem für seine Rolleninterpretation als Guglielmo in Christof Loys preisgekrönter Inszenierung von Mozarts „Cosi fan tutte“ für Aufsehen sorgte. Demnächst wird er zusätzlich auch in Baden Baden, Oslo und an der Bayerischen Staatsoper München zu erleben sein.
Einen ersten Höhepunkt seines Abends bildete das zweite, überaus traurige Lied „Stirb, Lieb´und Freud´“, bei dem er mit inniger Anteilnahme die große Bandbreite seiner Stimme vorführte und bis in den Bereich der Kopfstimme vordrang, insbesondere aber mit seiner Fähigkeit mit seidenen Pianotönen verzauberte. Als Pendant dazu gab es kurz darauf das fast wie von einem Baß gesungene „Auf das Trinkglas eines verstorbenen Freundes“.
Aus den „Zwölf Gedichte von Justinus Kerner“ gilt „Stille Tränen“ als das herausragendste Lied, bei dem “schöner Schmerz” in breiten Bögen angelegt ist. Nagy trug es mit starker Vehemenz temporeich vor.

Liederabend Michael Nagy
Oper Frankfurt, 20. Oktober 09
Gerold Huber (links) und Michael Nagy (rechts)
© Wolfgang Runkel

Den zweiten Teil nach der Pause eröffneten fünf dunkel gefärbte Lieder des zu Unrecht selten gespielten Schweizer Othmar Schoeck (1886-1957), gefolgt von drei weiteren Schumann Liedern. Als quasi Ankündigung und Einladung zur nächsten Premiere im Opernhaus („Die tote Stadt“; Nagy wird hierbei die Hauptrolle des Frank bestreiten), folgten zum Abschluss Lieder von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), die sich deutlich vom bisherigen unterschieden. Nah der Oper zeichnet die Lieder eine heitere, gelöste Stimmung aus, die treffend im Schlusssatz von „Aussicht“ zusammengefasst ist: „Wunderschön ist doch das Leben!“. Das kann eben im romantischen Leiden oder auch in frohgemuter Grundhaltung (wie in „Die Geniale“) gesehen werden. Nagy, zwar gestisch erst dem Ende zu wirklich gelöst (durchaus passend das Schlusslied „Sangesmut“), betörte mit seiner warm timbrierten, vielschichtigen und kraftvollen Stimme und seiner symaptischen Art.
Am Ende gab es für ihn und Gerold Huber am Klavier starken Applaus im gut besuchten Frankfurter Opernhaus, den sie mit drei Zugaben beantworteten. Die erste zwar etwas arg sentimental, letztlich aber einfach ungemein rührend: das mit tenoralem Liebhabergepose gegebene „Lehn deine Wang‘ an meine Wang‘ “ von Adolf Jensen (nach Heinrich Heine).

Markus Gründig, Oktober 09


Liederabend: David Daniels (Countertenor), Martin Katz (Klavier)

Oper Frankfurt: 29. September 09

Seit 15 Jahren ist er weltweit ein gern gesehener Gast als Händel-Interpret: der mehrfach ausgezeichnete US amerikanische Countertenor David Daniels. Er gilt als einer der ganz Großen seiner Zunft. Ersten Schritten als Tenor folgte 1992 der Wechsel zum Countertenor. Seitdem hat er sich nicht nur Barockopern spezialisiert, sondern erweitert bei seinen Liederabenden auch ständig sein Repertoire. Zudem kann er bereits auf eine große Anzahl an CD-Veröffentlichungen zurück schauen.
Seine aktuelle Liederabend-Europa-Herbsttour begann er jetzt an der Oper Frankfurt, am Klavier souverän und zuverlässig von Martin Katz begleitet. Betrachtet man ihn zunächst nur wie er schick im Frack auf der Bühne steht, wirkt er freundlich, wie ein großer, gestandener Kuschelbär und man erwartet eigentlich eher eine tiefe Bassstimme. Fängt er dann an zu singen, ist der Klang seiner Stimme nur schwer zu beschreiben. Töne wie aus einer fernen, friedlichen Welt erklingen, sicher im Alt-Bereich geführt. Obwohl er sich mimisch zurückhielt, zeigte Daniels eine starke Präsenz, legte er doch den ganzen Ausdruck in die kunstvoll interpretierten Lieder.

David Daniels
© Robert Recker / Virgin Classics

Daniels eröffnete sein Programm mit einer Liedauswahl von Johannes Brahms, also ganz klassisch und somit, als freundliche Geste, mit Liedern auf Deutsch. Wollte man seinen US-Akzent heraushören, so musste man sich dafür ziemlich anstrengen, so klar und deutlich artikuliert trug er Lieder wie „Nicht mehr zu dir zu gehen“ oder „O wüsst‘ ich doch den Weg zurück“ vor.
Den Brahmsliedern folgten selten zu hörende Lieder hier nicht so bekannter Komponisten, die Daniels hervorragenden Ruf als Barockspezialist fundierten. Höhepunkt bildete dabei der innige Vortrag von Giulio Caccinis „Amarilli“. Lieder des französischen Impressionisten Reynold Hahn (1875-1947) beendete den ersten Teil.
Der Teil nach der Pause stand ganz im Licht britischer Komponisten, den Daniels mit der 10-minütigen Händel Arie „Cara sposa, amante cara“ aus der Oper Rinaldo, gefolgt von „Furibondo spira il vento“ aus der Oper Partenope begann. Englischsprachige Lieder von Komponisten des 20. Jahrhunderts (Roger Quilter, Ralph Vaughan Williams, Sir Edward Elgar, Herbert Howells und Peter Warlock) folgten.
Das Publikum in der gut besetzten Frankfurter Oper freute sich hörbar und zu recht über diesen glanzvollen Auftakt der Liederabendsaison 2009/10.

Markus Gründig, September 09


Liederabend: René Pape (Bass), Camillo Radicke (Klavier)

Oper Frankfurt: 30. Juni 09

Eineinhalb Jahre dauerte es, bis nach Kwangchul Youn im November 2007 erneut ein Bass einen Liederabend an der Oper Frankfurt gestaltete. Doch das Warten hat sich gelohnt. Mit René Pape präsentierte die Oper Frankfurt beim letzten Liederabend der Saison 2008/2009 einen Sänger von Weltformat, der gern gesehener Gast auf allen bedeutenden Bühnen ist. Seine Gastiertätigkeit brachte ihn bereits unter anderem nach Bayreuth, Salzburg, Wien, London und New York. Dabei hat der 44-Jährige bereits seit 1988 (!) ein festes Engagement an der Berliner Staatsoper Unter den Linden.
Trotz umfangreicher Konzerttätigkeit debütierte Pape erst vor zwei Monaten als Liedinterpret. Als „bescheidenen“ Ort für dieses Debüt wählte der, sehr selbstbewusst wirkende, Sänger die New Yorker Carnegie Hall. In seiner Heimatstadt Dresden wiederholte er diesen Liederabend Anfang Juni. Die Frankfurter Liederabendfangemeinde konnte also nun am dritten Liederabend Papes teilhaben. Zwischen den Liederabenden in Dresden und Frankfurt/Main gab er zudem in London, zusammen mit dem London Philharmonic Orchestra, sein Programm „Mein Herz brennt“, mit Texten der für ihren brachialen Musikstil berühmten Rockband Rammstein.

Rene Pape
© Lennys-Studio

Mit Liedern von Franz Schubert, Hugo Wolf und Robert Schumann standen Klassiker der deutschen Liedkunst auf seinem Liederabendprogramm. Ganz klassisch gab Pape sich auch im Frack (aufgrund der sommerlichen Hitze befreite er sich nach den ersten Schubert-Liedern von seiner Fliege). Hoch konzentriert und mit wenigen Gesten und dezenter Mimik präsentierte er die Lieder. Nur bei wenigen brach die in ihm steckende große Energie förmlich aus ihm heraus, etwa bei den Goethe Vertonungen von Franz Schubert: „Der Musensohn“ und bei „Prometheus“.
Aber egal ob es diese großen, dramatischen Lieder waren, oder stille (wie „Alles endet, was entstehet“), René Pape überzeugte vom ersten Ton an mit seiner schier unbändigen Präsenz, die er dennoch sehr wohl zu dosieren wusste. Die Tageszeitung DIE WELT titelte anlässlich der Vorstellung seiner ersten Solo-CD („Gods, Kings & Demons“) im September 2008: „René Pape hat Dämonen in der Stimme“. Nun, von bösen Geistern war hier nichts zu spüren, auch wenn er mitunter verschmitzt lächelt wie Larry Hagmann als „J. R.“ Ewing in der 1980er-Jahre Fernsehserie Dallas.
Was diesen Abend zu einem außergewöhnlichen Highlight machte, war seine volle, tiefe Stimme, die er mit eleganter Farbe leicht führte. Selten war ein Bass in solch einer Deutlichkeit und Klangschönheit zu erleben (am Klavier bestens unterstützt von Camillo Radicke).
Nach einer Auswahl von Schuberts letzten Liedern, der sogenannten „Schwanengesängen“, Hugo Wolfs „Drei Lieder nach Gedichten von Michelangelo“ und weiteren Schubert Liedern (wie mit dem gerne als Zugabe gesungenen „An die Musik“ oder dem Klassiker „Heideröslein“ schlechthin), folgten im zweiten Teil die sechszehn Gesänge von Schumanns Dichterliedern, nach Texten von Heinrich Heine. Dieser Zyklus, von Schumann der Dresdner Sopranistin Wilhelmine Schröder-Devrient gewidmet, ist sowohl bei Heine wie auch bei Schumann samt und sonders titellos, weshalb hierfür die Liedanfänge verwendet werden.
Pape überrascht mit einer ganz eigenwilligen Interpretation, die stellenweise seine große Opernerfahrung nicht leugnete („Ich grolle nicht“), daneben aber auch hauchzart und überaus innig („Ich hab’ im Traum geweinet“) war.
Schauen wir mal wie lange es dauert, bis wieder ein Bass einen Liederabend an der Oper Frankfurt gestalten kann. Für die kommende Saison ist zumindest keiner vorgesehen. Egal wer es einmal sein wird, er wird es schwer haben, diesen Abend zu toppen.

Markus Gründig, Juli 09


Liederabend Miah Persson (Sopran), Roger Vignoles (Klavier)

Oper Frankfurt, 7. April 09

Frühlingshafte Leichtigkeit

“Eine schwedische Nachtigall“ und „Nr. 1 der schönsten Diven von morgen“ sind nur zwei  Bezeichnungen, die die Presse für die lyrische Sopranistin Miah Persson gefunden hat. Stationen der in Schweden geborenen Sängerin waren bisher unter anderem Brüssel, Berlin, Glyndebourne, London, Paris, Salzburg und Wien, ihr Debüt an der Met steht im Dezember an. Ihre Wahlheimat ist inzwischen England, wo sie mit ihrem Ehemann (dem Tenor Jeremy Ovenden) und der gemeinsamen Tochter lebt.
An der Oper Frankfurt beeindruckte sie bereits bei ihrem Debüt als Gouvernante in Benjamin Brittens „The Turn of the Screw“ (November 2002) und in ihrer Paraderolle als Susanna (in Mozarts „Le nozze di Figaro“; März 2007). Nachdem bereits im Juni 2006 ein Liederabend mit ihr krankheitsbedingt nicht zustande kam, holte sie diesen jetzt nach. Dabei schien auch dieser zunächst nicht unter einem guten Stern zu stehen, denn erneut hatte sie mit einer Erkältung zu kämpfen, wofür sie sich zu Beginn auf deutsch beim Publikum entschuldigte (und auf drei im Programm angekündigte Lieder verzichtete).
Das ausgewählte Liedprogramm beinhaltete im ersten Teil Lieder von Wolfgang Amadeus Mozart und Robert Schumann, im zweiten Teil skandinavische Lieder von Gösta Nystroem (Schweden), Jean Sibelius (Finnland) und Edvard Grieg (Norwegen). Eröffnet wurde der Liederabend mit Mozarts heiterem „Un moto di gioia“: „Ein´ Regung von Freude“, gefolgt vom leidenschaftlichen „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“, das als eines der eigenartigsten Lieder Mozarts gilt. Im Zentrum des ersten Teils stand jedoch Roberts Schumann exemplarischer Liedzyklus „Frauenliebe und -leben“, ein Monodrama bestehend aus acht Liedern (nach Adelbert von Chamissos Vorlage), den Schumann in der glücklichsten Zeit seines Lebens komponiert hat. Es ist ein kleinbürgerliches Lebensgemälde einer Frau, keiner idealisierten Heldin. Der Zyklus spannt den Bogen vom scheuen Mädchen zum verliebten Mädchen und führt ihn über die Geliebte, die Verlobte, die Braut, die Schwangere, die Mutter bis hin zur trauernden Witwe (bei Chamisso gibt es dazu noch die rückwärts blickende Großmutter, bei Schumann ersetzt durch ein Klaviernachspiel).
Maritime Bezüge wiesen sämtliche der von Gösta Nystroem ausgewählten Lieder aus. Das Meer spielt in allen eine Rolle und drückt die enge Naturverbundenheit der nordischen Menschen aus. Hervorzuheben ist das dramatische „Själ och landskap“ („Weißes Land“), das Miah Persson außerordentlich intensiv gestaltete.
Nordischer Schwermut, stimmungsvolle Landschaftsgemälde und eine eigene Klangsprache zeichnen Jean Sibelius Werke aus. Und Edvard Grieg hat nicht nur die „Peer Gynt“-Suit komponiert, sondern zählt auch als Meister des romantischen Liedes. Mit seinem populären „Ich liebe dich“ als Zugabe, beendete Mia Persson ihren Liederabend. Ihre freundlich strahlende Natürlichkeit (auch im Gesang), bei gleichzeitiger inniger Darstellung, wird lange in Erinnerung bleiben.
Als zuverlässiger Begleiter am Klavier betörte einer der gefragtesten Pianisten: Roger Vignoles, der auch Stars wie Kiri Te Kanawa, Anne Sofie Von Otter oder Thomas Hampson, am Klavier begleitet (an der Oper Frankfurt war er zuletzt im Januar zu Gast).
Ursprünglich sollte die Liederabendreihe an der Oper Frankfurt mit dem Ende der laufenden Spielzeit auslaufen. Wie dem Programmheft des Liederabends jedoch erfreulicherweise zu entnehmen ist, wird es in der nächsten Saison eine Fortführung geben, Details sollen am 23. April 09 bekannt gegeben werden.

Markus Gründig, April 09


Yes we can – Barak Obama Inauguration Party und musical cabaret im English Theatre Frankfurt

English Theatre Frankfurt, 20. Januar 09

Das ganze Jahr 2008 über begleiteten die Medien weltweit den Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Hierbei ging es nicht nur um die Frage, ob Demokraten oder Republikaner gewinnen werden, viel mehr interessierte zunächst, ob Hilary Clinton oder Barack Obama zum Spitzenkandidat der Demokraten gewählt würde. Mit der dann erfolgten Wahl des 1961 in Honolulu/Hawaii geborenen Barack Obama zum 44. Präsidenten, bewiesen die US-Amerikaner, dass sie die Schatten ihrer Vergangenheit überwunden haben, denn Obama ist ein Afroamerikaner und der erste schwarze US-Präsident.
Seine Amtseinführung begleiteten unzählige Menschen auf der Washington Mall und Millionen saßen weltweit vor ihren Fernsehern und vor öffentlichen Übertragungsbildschirmen, um diesen historisch bedeutsamen Moment zu erleben und zu feiern.
In Deutschland fand eine der größten Feiern zur Amtseinführung Obamas im English Theater Frankfurt statt, dass gemeinsam mit dem US-Generalkonsulat Frankfurt (dem weltweit größten US-Konsulat) zu diesem Event eingeladen hatte. Der Erlös dieser Veranstaltung diente zudem einem guten Zweck: „Windows on America“ (einem Besuchsprogramm in die USA für Gruppen von Jugendlichen aus Deutschland, die bislang in Austauschprogrammen stark unterrepräsentiert sind).

In der Bar des Theaters verfolgten mehr als 300 Amerikaner und Amerikafreunde das von CNN live übertragene Programm. Eine gelöste Stimmung herrschte von Anfang an, ekstatische Schreie gab es, als Obama dann erstmals zu sehen war (ganz so als wäre ein Superstar wie Michael Jackson oder Madonna auf der Bühne). Gemeinsam mit den in Washington versammelten Fans erhob man sich auch im English Theatre Frankfurt bei Abgabe des Amtseides oder beim Singen der Nationalhymne. Freude, Dankbarkeit und vor allem Hoffnung war in den vielen Gesichtern abzulesen, bis hin zu zarten Tränen der Rührung.
Unter den Gästen weilte auch die US-Generalkonsulin Jo Ellen Powell, die eine enge Beziehung zum English Theatre Frankfurt pflegt. So ließ sie es sich auch nicht nehmen, während Ihrer Ansprache Daniel Nicolai (Leiter des English Theatre) ein kleines Geschenk als Dank für die kontinuierlich gute Zusammenarbeit zu überreichen.
Seit vergangenen November wird im English Theatre das „tribal love-rock“ Musical „HAIR“ gespielt, das eng mit dem Wunsch nach einer anderen, besseren Welt verknüpft ist. Insoweit passt es ganz hervorragend zur Situation in den Vereinigten Staaten, wo mit Obama als Präsident, auch viele Hoffnungen auf eine Wende zum Positiven verbunden sind. Seit der Uraufführung vor über 40 Jahren hat sich die Welt schon stark geändert. Und doch muss noch vieles getan werden. Powell: „Let us do like the cast of HAIR, for a brighter and better future. And let the sunshine in“.

US-Generalkonsulin Jo Ellen Powell und Intendant Daniel Nicolai am Tag der Amtseinführung von Barack Obama
Foto: Anja Kühn

Aus Anlass der Amtseinführung gab es für die Gäste an diesem Abend jedoch keine HAIR-Vorstellung, sondern ein „musical-cabaret“, ein knapp zweistündiger Mix aus Pop- und Musicalliedern. Hier konnten sich die Darsteller einmal ganz anders präsentieren. Besonders gut gefiel dabei, dass die Lieder nicht nur einfach vorgetragen, sondern in liebevollen kleinen Szenen und mit exzellenten Tanzeinlagen dargeboten wurden. Für letztere war Grant Murphy verantwortlich, dem HAIR -Dance Captain. Egal ob Solo-, Duo- oder Ensemblenummern, Murphy bewies stets großen Einfallsreichtum, und die Darsteller großes Können in der Umsetzung. Der Musikalische Leiter Thomas Lorei und die HAIR- Band sorgten für die stets passende und stilvoll arrangierte live Musik (aufgrund der engen Platzverhältnisse waren die Musiker allerdings nur beim Schlussapplaus auf der Bühne).
Im ersten Teil überwogen Pop-Songs. Hier glänzten Rosalind James mit „Love you I do“ (aus „Dream Girls“), Jacqui Sanchez mit Alanis Morissettes “Ironic” und Peter Saul und Matthew J. Henry mit Elton Johns „Don’t let the sun goes down on me“. Höhepunkt, musikalisch wie optisch, war vor der Pause dann “The Prayer“, der Song der nicht zuletzt durch Celine Dion und Andrea Boceli bekannt geworden ist und hier famos und innig von Rebecca Wicking und Josh Canfield dargeboten wurde.
Einen Schnelldurchlauf durch die Musicals der Gegenwart zurück bis zur Zeit der Uraufführung von Hair (1967), folgte im zweiten Teil. Als grandioser Opener, mit Brücke zwischen den USA und Deutschland, sorgte „Schadenfreude“ aus Avenue Q für Begeisterungsstürme im Publikum (Carly Mercedes Dyer und Peter Saul), gefolgt von „Popular“ aus „Wicked“ (Rebecca Wicking und Carly Mercedes Dyer). Die Ensemblenummer „Seasons of Love“ („525.600 minutes“) aus RENT verdeutlicht nicht nur, was wirklich zählt im Leben, hier bildete sie auch eine schöne Erinnerung an die Produktion im English Theatre vor drei Jahren. Sich der Außenseiter, der Vergessenen und Totgeschwiegenen zu besinnen, verdeutlicht kein Song eindrücklicher als “ Bui Doi“ aus Miss Saigon, den das Publikum mit viel Applaus an das Herrenensemble beantwortete. Eindringlich und berührend boten Matthew J Henry und Stephan Sinclaire den Sonheim Song „Agony“ („Liebesqual“) aus „Into the Woods).
Grant Murphy bot mit „Tragedy“ aus Saturday Night Fever den letzten „ernsten“ Titel, bevor mit „Disco Inferno“ (auch SNF) und einem beschwingten Medley aus HAIR das Programm beende wurde. Nicht der Abend, denn in der James Bar ging die Obama Inauguration Party gut gelaunt weiter.

Markus Gründig, Januar 09


Liederabend Kate Royal (Sopran), Christine Rice (Mezzosopran), Roger Vignoles (Klavier)

Oper Frankfurt, 6. Januar 09

Auch schwesterliche Eintracht hat ihre Grenzen

Gewöhnlich werden Liederabende von einer Sängerin/einem Sänger bestritten. Das es auch im Duo geht, bewiesen bereits im letzten April Britta Stallmeister und Stella Grigorian, die kurzfristig für den erkrankten John Mark Ainsley einen Liederabend an der Oper Frankfurt gestalteten. In der aktuellen Saison sind es gar zwei Termine, an denen im Duo gesungen wird/wurde. Neben der Sopranistin Genia Kühmeier und dem Bariton Christian Gerhaher (am 5. Mai 09) gestalteten jetzt die jungen und attraktiven Briten Kate Royal und Christine Rice gemeinsam einen Liederabend an der Oper Frankfurt. Hier trafen sich nicht nur zwei großartige Sängerinnen, sondern scheinbare Schwestern, so gemeinschaftlich und harmonisch war der Abend.
Das Verhältnis zwischen Duo- und Solovorträgen könnte eindeutiger nicht ausfallen: 16 zu 6! Oder in Prozenten: 73 zu 23 bzw. gerundete ¾ zu ¼. Dies gab dem Liederabend eine einmalige Note. Die hohe Kunst des Liedgesangs zelebrierten beide auf höchstem Niveau, ihre unterschiedlichen Stimmen (Royal mit hellem Sopran, Rice mit kraftvollem und tief geerdeten Mezzo) führten sie dabei getrennt und doch zusammen vor. Ihre vielen Duette bildeten eine gelungene Symbiose, wo keine sich in den Vordergrund sang, sondern sich beide zur Freude des Publikums ausgewogen und leidenschaftlich präsentierten.
Dabei sind die beiden durchaus sehr unterschiedlich, nicht nur vom Klang ihrer Stimme. Kate Royal stammt zwar aus einer musikalischen Familie, jedoch war bei ihr Zuhause weniger Schubert, Schumann oder Strauss tonangebend, als David Bowie, Earth Wind and Fire und Stevie Wonder. Christine Rice beendete erst ihr Physikstudium, bevor sie sich entschloss, eine professionelle Gesangskarriere einzugehen. Ihr Frankfurt-Debut hatte Rice bereits im Sommer 2007 als Penelope in Monteverdis „Il ritorno d´Ulisse in patria“ im Bockenheimer Depot gegeben.

Den multilingualen Liederabend eröffneten Royal und Rice gemeinsam elanvoll mit „Sound the trumpet“ vom englischen Brockmeister Henry Purcell. Das Gegenteil von dem worüber sie sangen, vermittelten sie beim drauffolgenden Lied „Lost is my quiet“, das wohltuend besänftigend wirkte, auf das Publikum wie auf die Sängerinnen gleichermaßen. Charmant und mit zwei doppeldeutigen Lächeln herzhaft vorgeführt, gefiel „What can we poor females do?“.
Nach diesen drei Purcell-Liedern bestand der weitere Teil vor der Pause ausschließlich aus in Deutsch gesungenen Liedern von Felix Mendelssohn-Bartholdy (an dessen 200. Geburtstag ja am 3. Februar gedacht wird) und von Johannes Brahms. Die gewählten Lieder stellten eine gelungene Auswahl aus dem großen Fundus des deutschen Liedgutes dar, ohne dessen Schwermut zu verfallen. Hierbei ragten besonders Mendelssohn-Bartholdys innig vorgetragenes „Herbstlied“ , Brahms heiteres „Die Schwestern“ (nicht beim Geld, sondern beim Mann hört die Freundschaft auf) und, fast arienhaft, „Walpurgisnacht“ heraus.
Lieder auf französisch (von Charles Gounod und Ernest Chausson) und italienisch (von Gioacchino Rossini) bestimmten den zweiten Teil des Programms. Engelhaft wirkte das im Duo gesungene „D´un coeur qui táime“ von Gounod, innig Royals „La promessa“ (Rossini) und mit Leidenschaft und Freude Rices „L´invito“.
Als zuverlässiger Begleiter sorgte Roger Vignoles am Klavier. Erst beim Schlusslied „La regata veneziana“ konnte er mit kleinem Vor- und Nachspielen auch solistisch in den Vordergrund treten.
Dem Schnee und den im doppelstelligen Minusbereich liegenden Temperaturen außerhalb trotzten die jungen Sängerinnen mit viel Haut zeigenden Trägerkleidern und auf hohen Schuhen. Und mit ihrer zweiten Zugabe: Robert Schumanns „Sommerruh“ (..wie schön bist du…), ein hoffnungsvoller Ausblick für den Nachhauseweg. 

Markus Gründig, Januar 09