Liederabend Jennifer Larmore (Mezzosopran), Antoine Palloc (Klavier)
Oper Frankfurt, 14. Juni 11
An Enchanted Evening With Miss Butterfly
Für einen erfrischenden Liederabend sorgte im März dieses Jahres der britische Bariton Christopher Maltman. Die amerikanische Mezzosopranistin Jennifer Larmore toppte diese Stimmung jetzt gut gelaunt und voll packender Lebensenergie um Längen. Getreu dem neutestamentarischen „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“ (Matthäus Evangelium, 12, 34) drückte sie mit jeder gesungenen Liedzeile aus, dass Musik und insbesondere der Gesang etwas ungemein Schönes ist (wie auch das Leben generell). Schon bei ihrem ersten Lied, Roger Quilters populärem „Loves´s philosophy“ zeigte sie mit jugendlichem Übermut, dass ein Liederabend nicht zwangsläufig ernst und trocken präsentiert werden muss. Frohgemut und beinahe stürmisch präsentierte sie dieses Auftaktlied. Darauf folgten Lieder amerikanischer Komponisten, u.a. John Dukes dramatisches „Heart We Will Forget Him“ und Samuel Barbers melancholisches „Solitary Hotel“. Sehr ruhig dann der Vortrag von Richard Hundleys „The Astronomers“, eine kleine Gedenkminiatur an die Astronomen Susan und Brian Campbell, die Larmore mit dankbarem Ausdruck sang. Bei Charles Ives´ euphorischen „Memories“ unterstützte sie der Pianist Antoine Palloc zusätzlich vokal: mit Pfeifen zwischen den Versen. Wie er sich auch bei den anderen Liedern als souveräner Partner zeigte und mit seiner ausstrahlenden Ruhe einen passenden Gegenpol darstellte. Viel Mimik zeigte Larmore bei Jake Heggies „The Leather Winged Bat“, das den heiteren Liedteil beendete. Denn darauf folgten drei ruhige Lieder von Claude Debussy, die Larmore mit großer Intensität und Sinnlichkeit vortrug: „Les cloches“, „Romance“ und „Beau soir“. Ihr großes schauspielerisches Talent bewies sie dann ausgiebig bei drei Hits aus Georges Bizets Oper „Carmen“ („Havanaise“, „Sequidille“ und „Chanson bohéme“). Mit feurigem Talent flirtete sie dabei mit Palloc und dem Publikum gleichermaßen.
Nach der Pause stand dann wieder ein ernster Teil auf dem Programm: Maurice Ravels „Shéhérazade“, ein aus drei Liedern bestehender Zyklus, aus der unvollendet gebliebenen, gleichnamigen Oper. Die dynamische Abstufung ihrer dunkel gefärbten Stimme konnte sie hier vom Piano bis zum Forte besonders gut vorführen. Mit bei uns weitgehend unbekannten Liedern von Joaquin Nin, Fernando Obrador und Carlos Guastavino leitete sie dann auf das große Finale mit vier Musicalklassikern par excellence über (dabei wie ein Schmetterling über die Bühne tanzend).
Gewöhnlich wird bei Liederabenden nur nach den jeweiligen Liedgruppen applaudiert. Auch dies war bei Larmores Liederabend anders, hier drückte bei nahezu jedem Lied das Publikum seine Freude unmittelbar anschließend aus.
Zu diesem freudigen Ereignis im frühen Sommer, mit hohen Temperaturen im Saal (weshalb Larmore die Herren im Saal aufforderte, sich doch ihrer Jacketts und Krawatten zu entledigen) passten einzig das prächtige Blumengesteck auf der Bühnenseite nicht so recht, erinnerte es doch eher an Totensonntag als an eine laue Frühsommernacht.
Grandios dann ihre Zugabe, bei der sie Freude und Leidenschaft für das Singen noch einmal mit großem darstellerischen Talent präsentierte: Victor Herberts „Art is calling for me“ („I want to be a Prima Donna“) aus der Operette “The Enchantress“ von 1911. Für diesen ungewöhnlich heiteren, sinnlichen und dennoch anspruchsvollen Abend gab es großen Jubel.
Markus Gründig, Juni 11
Liederabend John Mark Ainsley (Tenor), Roger Vignoles (Klavier)
Oper Frankfurt, 26. April 11
MUSIC, MYTH, AND MAGIC
Im zweiten Anlauf hat es geklappt. Denn eigentlich wollte der britische Tenor John Mark Ainsley schon vor drei Jahren, im April 2008, einen Liederabend an der Oper Frankfurt geben. Dieser musste damals kurzfristig krankheitsbedingt umbesetzt werden, Britta Stallmeister und Stella Grigorian (mit Helmut Deutsch am Klavier) sangen stattdessen. Dabei war der nun erfolgte Liederabend für ihn, der sich schon seit langem einem Namen als Opern-, Oratorien- und Liedsänger gemacht hat, kein Debüt an der Oper Frankfurt. Hier verkörperte er bereits den Captain Vere in „Billy Budd“ und die „Madwoman“ in „Curlew River“ (Bockenheimer Depot). Beides Opern von Benjamin Britten, dessen Œuvre die Oper Frankfurt schon mit vielen Inszenierungen gewürdigt hat.
Unter dem Motto “MUSIC, MYTH, AND MAGIC” präsentierte Ainsley ein überaus klug zusammengestelltes Programm, das einerseits Mythen und Legenden thematisierte, gleichzeitig die Welt der englischen Liedkunst der deutschen Liedkunst gegenüberstellte. Wobei der größere Kontrast zunächst im ersten Teil zu liegen schien. Denn hier stellte Ainsley die beiden herausragendsten britischen Komponisten gegenüber: Benjamin Britten und Henry Purcell. Rund 250 Jahre liegen zwischen deren Geburtsjahren. Überraschend dann das Ergebnis. Dank seines speziellen Vortragstils waren viel weniger Unterschiede herauszuhören, als zunächst angenommen. Das klang vielfach fast wie aus einem Guss. Was auch am überaus mitfühlenden, intensiven Begleitspiel von Roger Vignoles am Klavier lag. So war der erste Teil eine ruhige Symphonie des britischen Wohlklangs (so kurz vor der Hochzeit von Kate und William zusätzlich eine bezaubernde Angelegenheit). Eröffnet wurde der Liederabend mit „Let the Florid Music Praise!“, eines von fünf Liedern aus Brittens Zyklus „On This Island“. Es folgte Purcells bekanntes „Music For A While“, das dieser für das Schauspiel „Ödipus“ komponiert hat. Die glorifizierende Kraft der Musik wird hier zu höchster Emphase erhoben („Eine Zeitlang soll Musik alle unsere Sorgen betören; wundersam die Leiden lindernd und alle Begierden verachtend…“).
Nach jeweils einem weiteren Britten/Purcell Lied, beendete Brittens Zyklus „Winter Words“ (nach Texten von Thomas Hardy) den ersten Teil. Eigenwillige Beobachtungen und Geschehnisse klingen hier melancholisch, aber auch skuril-humoristisch an. Der Zyklus endet mit „Before Life And After“, einer sehnsuchtsvollen Reminiszenz an die Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war.
Ainsley präsentierte die Lieder mit vornehmer britischer Zurückhaltung und gleichzeitig auf höchstem Niveau.
Im zweiten Teil bot Ainsley Liedkunst deutscher Romantiker, mit Liedern, die von antiken Figuren handeln. Wie Franz Schuberts „Ganymed“ (nach Goethe) oder das innig vorgetragene „Die Götter Griechenlands“. Carl Loewes „Tom der Reimer“ bot dann wieder einen Bezug zu Großbritannien, spielt es doch in schottischer Szenerie. Auch hier wieder passte sich Roger Vignoles nicht nur hervorragend an Ainsley an, sondern spielte seine Melodienbögen eines zwitschernden Vogels lebhaft aus.
Bewegt war dann „Die Lorelei“, ein Lied, das in kurzer Form die schöne Jungfrau beschwört, von Clara Schumann (ja, sie hat auch ein paar Lieder geschrieben).
Finaler Höhepunkt war dann der „Erlkönig“. Jedoch nicht die bekannte Vertonung von Franz Schubert, sondern eine von Carl Loewe (drei Jahre nach Schuberts entstanden). Loewes Vertonung weist eine stärkere Wirkung des Kolorits und der geisterhaften Atmosphäre auf. Und Ainsley wusste diese besonders betörend zu verdeutlichen. Wenn auch Ainsleys Stimme nach zwei Stunden intensiven Gesangs am Ende insoweit erschöpft war (was er nur mit einer Geste anzeigte), dass er trotz starkem Applaus leider keine Zugabe geben konnte, bezauberte er insgesamt mit seiner leichten und brillant geführten Stimme und seinem nuancierten Vortrag, sodass einem der Abend noch lange in bester Erinnerung bleiben wird.
Markus Gründig, April 11
Konzert: Francesco Tristano
Cocoon Club Frankfurt, 12. April 11
Technopapst Sven Väth setzte sich mit seinem Cocoon Club im Fechenheimer U.F.O.-Gebäude schon 2004 ein Denkmal. In dem stylishen Club (nach Entwürfen von 3deluxe aus Wiesbaden) sind die angesagtesten Acts der internationalen Techno- und House-Szene zu Gast. Die außergewöhnliche Raumgestaltung mit der über 100 Meter langen weißen Membranwand mit ihren eingearbeiteten Cocoons, das high-end Soundsystem und die ausgefallene Video- und Lichtkunst geben einen außergewöhnlichen Rahmen ab. Nicht nur für wilde Partys, sondern auch für Konzerte. Dabei müssen es nicht nur Künstler wie 2Raumwohnung sein, die hier auftreten. Selbst klassische Musik kann hier im Main Floor groß zur Geltung kommen. Wie bei der Veranstaltungsreihe „Yellow Lounge“, die in unregelmäßigen Abständen zu Gast im Cocoon Club ist. Aus Anlass seines neuen Albums „bachCage“ besuchte nun Francesco Tristano den Club. Und er passt wie kein anderer Künstler hierher. Ist er doch Komponist, klassischer Pianist und Technofreak gleichermaßen, arbeitete auch u. a. schon gemeinsam mit dem amerikanischen Techno-Produzenten Carl Craig zusammen. Und so befanden sich neben dem Flügel ein Keyboard und ein Synthesizer, auf dem Flügel ein Laptop, um vielfältige Klangbilder und Sounds zu kreieren, nebst mit über den Saiten liegenden Mikrofonen für weitere Klangeffekte.
Vor dem eigentlichen Beginn lief ein Teil des legendären Köln-Konzerts von Keith Jarret über die Lautsprecher, währenddessen Franceso Tristano die letzten Feineinstellungen an seinen Geräten vornahm. Passender hätte eine Einführung zu diesem außergewöhnlichen Abend nicht sein können. Wie auch auf der CD „bachCage“ begann Tristano mit einer Eigenkomposition. Die Live-Version war allerdings deutlich länger und ausgefeilter. Die Verbindung von elektronischen Sounds und live gespieltem Piano klang hier schon in den Bann ziehend an. Faszinierend ruhig war das bunt gemischte, überwiegend junge Publikum, das auf den aufgestellten weißen Sofas und Sandsäcken Platz genommen hatte (dagegen ist ein Liederabend in der Oper oder ein Opernbesuch ja ein reines Hustenkonzert). Hier herrschten absolute Stille und Konzentration, auch Respekt für den Künstler. Der leitete dann zu Bachs Partita Nr. 1 in B-Dur (BWV 825) über, ein aus sieben „Tänzen“ bestehendes Werk, das er voller Inbrunst und Hingabe überaus feinfühlig spielte (vgl. auch die ausführliche Besprechung zur CD „bachCage“ auf kulturfreak.de).
Noch interessanter war dann der Teil nach der gut halbstündigen Pause. Zunächst stellte sich Tristano dem Publikum persönlich vor, erklärte dem anwesenden Hausherrn Sven Väth seine Hochachtung und kündigte an, dass nach dem ersten Teil mit Tristano und Bach im zweiten Teil nun Cage und Tristano gespielt werden. Von Cage präsentierte er nicht das auf der CD „bachCage“ enthaltene Hauptwerk „The Seasons“, sondern nur das 1948 komponierte „In a landscape“, bei dem John Cage für Tristano den Begriff der Stille neu definierte. Tristano spielte Cages Musik mit sphärischen Klängen, die durch Raum und Zeit schwebten und auch perfekt zum äußeren Rahmen des Cocoon Club Main Floor passten. Zart endeten sie quasi im Nichts. Höhepunkt des Abends war dann die darauf folgende groß angelegte Eigenkomposition von Tristano. Ein gut 30minütiges Stück, das zwischen Klavier und Elektrosounds chargierte, dabei stets sein eigenes Motiv, man könnte hier durchaus vom Tristano-Motiv sprechen, repetierend und modulierend. Dabei wechselte er zwischen Laptop, Keyboard und Flügel, schaffte mit Fingerklopfen auf den Saiten ungewöhnliche Effekte (und folgte damit John Cages Konzept des „Präparierten Klaviers“). Stellenweise waren die Schallwellen der groovigen Beats auch physisch zu spüren. Es wurde also schon laut, aber nie unangenehm, im Gegenteil. Das Publikum war von Francesco Tristano begeistert, worauf natürlich auch eine Zugabe folgte. Fazit: Ein starkes Event. Bitte wiederkommen!
Markus Gründig, April 11
Liederabend Christopher Maltman (Bariton), Malcom Martineau (Klavier)
Oper Frankfurt, 28. März 11
Ah! Wie wunderbar!“
Was war das denn nun? Ein euphorischer Liederabend? Eine Kurzunterweisung in schauspielerischer Mimik? Eine Sternstunde des Gesangs? Ein Abend der gebündelten Energie? Ein Abgesang auf das mühevolle Erdenleben und ein Entschweben von allem Irdischem? Nun, irgendwie von allem etwas! Auf jeden Fall ein starker Abend, den der jugendlich wirkende, britische Bariton Christopher Maltman mit spitzbübischem Charme jetzt an der Oper Frankfurt gab. Er verzichtete auf einen muttersprachlichen Beitrag und stellte den ersten Teil des Abends unter das Motto Venedig. Dabei entsprachen die gewählten Stücke von Bartholdy, Fauré, Hahn, Schubert und Schumann dem klassischen Liedgut und boten keine Schunkelseligkeit einer Offenbachschen Barcarole.
Da sage mal einer, die Engländer mögen keine Franzosen. Maltman scheint sie jedenfalls zu lieben. Der Romantiker Gabriel Fauré ist einer der größten französischen Liedkomponisten. Sein ganz dem Dichter Paul Verlaine gewidmetes Opus 58 gilt als ein Höhepunkt der gesamten Liedliteratur. Diese „Cinq mélodies de Venise“ stellte Maltman an den Beginn seines Programms. Der bittersüßen, stürmisch wirbelnden Persiflage „Mandoline“ folgte „En sourdine“. Übersetzt heißt das „gedämpft“ und dies passt zur Umschreibung dieser gefühlsvollen Liebesszene. Ruhig beginnend, steigert es sich beinahe ekstatisch empor, um dann in ätherische Höhen aufzusteigen, das letzte Wort „chantera“ von Maltmann dann schon fast gehaucht (dabei hat er eine überaus voluminöse, kraftvolle Stimme). Das melodisch facettenreiche Adagio “C´est léxtase“ („vergessene Weisen“) weist dramatische Ausbrüche und innige Momente aus, Maltman trug es authentisch und souverän vor. Aus dem Block der vier Gondolieren-Lieder von Robert Schumann, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy, sei Schuberts „Gondelfahrer“ erwähnt, bei dem Maltman am Ende („und nur der Schiffer wacht“) seine Stimme in betörende Höhen führte.
Reynaldo Hahn (1874-1947) ist ein bei uns weitgehend unbekannte Liedkomponist, dabei gehört er nach Jaques Offenbach zu den wichtigsten französischen Operettenkomponisten. Dazu komponierte er Ballett-, Instrumentalmusik, Opern und viele Lieder. Seine sechs Chansons von „Venezia“ schrieb er im Jahre 1901. Diese Miniaturen handeln von ruhigen Wassern, Booten, Gondeln und dem, was darin so an Herzensangelegenheiten alles passiert. Bei „La Barcheta“ ist ein Liebhaber scharf auf seine Nineta, jeder Vers wird mit einem „Ah“ beendet. Faszinierend, wie Charmeur Maltmann selbst bei nur diesen zwei gesungenen Buchstaben damit gleichzeitig eine ganze Geschichte erzählte, so euphorisch und lustvoll zog er die Töne in die Länge. Man merkt deutlich, dass Liederabende für ihn gleich bedeutend wie Opern sind. Seine dunklen Töne konnte er bei dem warnenden „L’Avertimento“ zeigen. In diesem Lied erkennt ein Liebhaber in seiner Nana das Herz eines Tigers. Maltman interpretierte dies mit fast diabolischer Schärfe. Bei “ La Biondina in gondoleta“ beobachtet ein Mann seine Blonde, wie sie glückselig in seinen Armen immer wieder auf der Gondel einschläft und er von ihrem Ansehen derart verzückt ist, dass es der glücklichste Moment seines Lebens wird. Auch hierbei war Maltmans inniger Vortrag voller Anteilnahme. Nach der Pause stand zunächst Franz Schubert auf dem Programm. Dabei begann Maltman mit „Drei Lieder“ („L’ incanto degli occhi“; „Il traditor“ und „Il modo“), bei denen es sich um ganz aus dem Schubertstil fallende Außenseiterstücke handelt. Die Arien sang er vehement und gut fokussiert, stimmstark und doch sehr differenziert. Dem folgten drei Lieder mit Texten von Rückert, beginnend mit dem Klassiker „Du bist die Ruh“.
Zum Ende gab es schwere Kost und vieler Liederfreunde höchstes Gut: fünf Lieder aus Mahlers resignativer Sammlung „Sieben Lieder aus letzter Zeit“ (vier davon hatte auch Johan Reuter Anfang des Monats in seinem Liedprogramm). Sunnyboy Maltman trug auch diese mit großem Respekt akzentfrei vor, von Stück zu Stück sich immer mehr zurücknehmend. Bei „Um Mitternacht“ ließ er den Puls des Schmerzens fühlbar werden. Demutsvoll beendete er mit dem ruhigen „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ seinen Parforceritt durch die Gefühlswelt und den Abend. Also den offiziellen Teil. Das Publikum war hin und weg und Maltman bedankte sich mit vier (!) Zugaben: Zwei kurze Stücke von Francis Poulenc („La maîtresse volage“ [Nr.1] und „Chanson à boire“ [Nr.2] aus den «Chansons gaillardes »), „Eccomi solo alfine … O vecchio cor“ (Szene und Arie des Francesco aus dem ersten Akt von Giuseppe Verdis “I due Foscari”) und Ruggero Leoncavallos: “Mattinata”.
Am Klavier begleitete ihn Malcolm Martineau, der hier zuletzt Magdalena Kozena und Michael Schade begleitet hat. Er ist unbestritten ein Meister in akkurater, zuverlässiger Begleitung, der mit Verve auch die wenigen solistischen Passagen spielte.
Im Mai wird Maltman an der Opéra Bastille in Paris an der Seite von Ann Muray, Dorothea Röschmann und Erwin Schrott die Rolle des Il Conte di Almaviva in Mozarts „Le Nozze di Figaro“ übernehmen.
Markus Gründig, März 11
Liederabend Johan Reuter (Bassbariton), Jan Philip Schulze (Klavier)
Oper Frankfurt, 1. März 11
Bass-Liederabende waren in der Vergangenheit stets ein großes Erlebnis an der Oper Frankfurt, so begeisterte Kwangchul Youn im Jahr 2007 oder Rene Papes im Jahr 2009. Jetzt, 2011, reiht sich Reuter in diese Liga trefflich ein. Seit 1996 ist er Ensemblemitglied der Königlichen Oper Kopenhagen, gleichzeitig bewältigt er auch international viele Auftritte (in Barcelona, London, Madrid, New York, Wien etc.). Im Mekka der Wagnerianer, den Bayreuther Festspielen, hatte der dänische Bassbariton mit dem deutsch anmutenden Namen im vergangenen Jahr für den erkrankten Albert Dohmen kurzfristig die Partie des Wotans im Rheingold übernommen, mit der er im Jahr zuvor an der Deutschen Oper in Berlin glänzte und die seitdem zu seinem Kernrepertoire gehört.
Göttervater Wotan gleich betrat Johan Reuter die Bühne der Oper Frankfurt zu seinem Liederabend. Wie ein Fels in der Brandung stand er sodann souverän neben dem Flügel. Von Anspannung nichts zu spüren. Er wartete mit einer starken Präsenz bei gleichzeitiger Zurückhaltung auf und beeindruckt von den ersten Takten an mit seiner kraftvollen, souverän geführten und voluminösen Stimme, die mehr nach Bass als nach Bariton klingt. Trotz der nahezu eruptiven Kräfte, die aus ihm strömten, hatte er ein ausgesprochen feinfühliges Gespür für musikalische Nuancen und präsentierte sich mit charmanter Professionalität und sang mit hervorragender Textverständlichkeit.
Er eröffnete seinen Liederabend an der Oper Frankfurt, wo er 2004 als Don Giovanni sein Hausdebüt gab, mit einem gewaltigen Werk: Malers „Der Tamboursgesell“ (aus der Sammlung “Des Knaben Wunderhorn“). Ein bedrückendes Lied eines Deserteurs, der zum Galgen geführt wird. Nach einem expressiven Beginn endet es voller Schmerz und Trauer überaus innig. So hat Reuter schon im ersten Lied die große Bandbreite seines Vortrages präsentiert, die im Folgenden noch feiner ausgelotet wurde. Wie mit den Fünf Liedern des Opus 40 von Robert Schumann. Deren „Der Spielmann“ schildert ein unbarmherziges Seelengemälde eines Musikanten, der bei der Hochzeit seiner Liebsten zum Tanz aufspielt. Grell, hart und mit einem besänftigenden Ende.
So wie Gustav Mahler hingebungsvoll und meisterhaft Lieder komponierte, trug Reuter auch die vier Mahler-Lieder mit Texten von Rückert vor. Kurz und heiter beginnen mit „Blicke mir nicht in die Lieder“ über das zarte Liebeslied „Ich atmet´ einen linden Duft“ zu dem herausragenden „Um Mitternacht“. Hier steigert sich die Komposition aus einer beklemmenden Symbolik der Leere und der Finsternis zu einem nahezu sakralen, glänzenden Bekenntnis einer Zuversicht. Die Tiefen der Nacht, die Angst und Trostlosigkeit ist überwunden. Das Lied beendete Reuter fast schon mit dem arienhaften Aufblühen „Herr über Tod und Leben / Du hältst die Wacht / Um Mitternacht“. Entrückt, aber glücklich folgte als Lied vor der Pause „Ich bin der Welt abhanden gekommen.
Nach der Pause gab es Gelegenheit, Lieder eines Landsmannes von Johan Reuter kennen zulernen: Hakon Børresen (1876 – 1954). Er war ein führender Organisator des dänischen Musiklebens und seine Oper „Denkongelige Gæst“ zählt zu den am häufigsten gespielten dänischen Opern. Sein musikalischer Stil nimmt weniger Bezug zur Moderne als zur Spätromantik und so ist seine Musik von melodischen und harmonischen Melodien geprägt. Aus seinem op.8 präsentierte Reuter vier Lieder. Beginnend mit dem zunächst hymnisch anmutenden, dann ruhig endenden „Lad Vaaren komme“ (Den Lenz lasst kommen), über das innig vorgetragene „Landskab“ (Landschaft), dem kurzweiligen „I Seraillets Have” (Im Garten des Serails), hin zum expressiven „Marine“ (Marine).
Dem folgten sechs Lieder von Richard Strauss, die gleich mit einem Minidrama begannen („Ach weh mir unglückhaftem Mann“) und mit der stürmisch überschäumenden Liebeswerbung „Cäcilie“ endeten. Dies war gleichzeitig das Ende vom offiziellen Programm. Natürlich durfte auch Johan Reuter nicht ohne Zugaben das Frankfurter Opernhaus verlassen. Dabei wählte er Mahlers, ebenfalls aus „Des Knaben Wunderhorn“ stammenden, militärischen Weckruf „Revelge“ und Carl Nielsens „Irmelin Rose“ in deutscher Übersetzung. „Revelge“ wollte Reuter ursprünglich an den Anfang seines Programms setzen, entschied sich aber dann doch für „Der Tamboursgesell“. „Revelge“ ist ein breit angelegtes, schauriges Tongebilde, bei dem ein toter Tambour (Trommler) seine gefallenen Kameraden aus dem Schlaf trommelt und vor das Haus seiner Liebsten ziehen lässt. Das bisweilen zum Grellen und Grässlichen führende Stück war gleichsam wie geschaffen für den vokal starken Johan Reuter. Anteil nehmender und packender kann man es kaum vortragen. Die vorgetragenen Mahler Lieder entstanden alle in den Jahren 1901/02 und wurden im Jahr 1905 unter dem Titel „Sieben Lieder aus letzter Zeit“ veröffentlicht. Disharmonie und Widersprüchlichkeit der Welt spiegeln sich nicht nur in den Texten von Rückert und der Musik von Mahler, sondern stehen als Signum der Epoche.
Am Klavier begleitete ihn Professor Jan Philip Schulze, der hier mehrfach die Gelegenheit hatte, eindrucksvoll seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen, bei denanspruchsvollen Strauss Liedern und insbsesondere bei sind für Singstimme und Orchester geschriebenenen Liedern von Mahler. Entsprechend vielfarbig war sein auftrumpfendes, manchmal fast schon ekstatisches Spiel.
Markus Gründig, März 11
Gregorian: The Dark Side Of The Chant
Alte Oper Frankfurt, 15. Februar 11
Seit über einem Jahrzehnt ist die Formation GREGORIAN mit ihrem besonderen Mix aus dem Crossover-Bereich überaus erfolgreich: Mit der Interpretation moderner Pop- und Rocksongs im gregorianischen Stil (den manche gerne als Neo-Gregorianik bezeichnen). Kopf der Gruppe ist der Hamburger Frank Peterson, der vor allem durch sein Projekt „Enigma“ bekannt wurde. Ende vergangenen Jahres erschien die letzte GREGORIANs CD „The Dark Side Of The Chant“, auf deren Cover fünf Männer in Mönchskutten und gesenkten Blicken in einem Gewitter stehen. Doch ganz so düster wie das Cover andeutet, ist die CD dann doch nicht. Gecovert werden diesmal nur eben Titel mit einer gewissen Schwermütigkeit. Auf der aktuellen Europatour, die auch den CD-Titel trägt, werden im zweiten Programmteil sechs der zwölf Lieder von „The Dark Side Of The Chant“ gegeben, dazu aber auch viele Highlights aus den bislang über 150 Aufnahmen der GREGORIANs (wie Uriah Heeps „Lady in Black“, U2s „With or Without You“ oder Led Zeppelins legendären Song „Kashmir“).
Der große Saal der Alten Oper ist sehr gut gefüllt, das Publikum bunt gemischt, vom Jungster bis zum Rockveteran, von der Teenygöre bis zur reifen Rocklady. Pünktlich um 20.00 Uhr wurde der Frankfurter Abend mit dem Metallica-Klassiker „Nothing Else Matters“ spektakulär eröffnet, bei dem auch gleich reichlich Feuer die Bühne illuminierte. Neben einem großen gotischen Fenster im Hintergrund dienten zwei kleinere Torbögen an den Seiten als Projektionsfläche für Videobilder (für vom anfänglichen sakral anmutenden Kirchenfenster bis hin zu schwarz-weiss Bildern eines Raben, über ein mystisches Haus nebst einer Frau in Panik, bis hin zu einer aufgepeitschten See). Jeder Song wird mit einer ausgefallenen Lichtshow präsentiert. Neben den klassischen Spot kommen auch viele Laser zum Einsatz, ebenso Feuer und leuchtende Schlagstöcke. Jeder Song wurde zu einem außergewöhnlichen Ereignis. So wurde beispielsweise beim grün ausgeleuchteten Phil Collins Song von 1981 „In the Air Tonight“, jeder der acht Sänger zusätzlich von zwei seitlichen Spots angestrahlt, was dem Ganzen eine fesselnde Atmosphäre verlieh.
Die Sänger gaben sich in demutsvoller Zurückhaltung und mit minimaler Mimik. Das soll wohl den Ernst und die Achtung gegenüber dem klassischen gregorianischen Gesang ausdrücken. Auch wenn fast jeder einmal einen Solopart hatte, stand die Gruppe stets im Mittelpunkt. Gleiches galt auch für die Musiker, wobei der gut gelaunte E-Gitarrist auch mal ausbrach und mit verzerrtem, jubelndem Gesicht ein Solo am vorderen Bühnenrand spielte. Unterstützt wurden die acht Sänger von Amelia Brightman, der Schwester von Andrew Llyod Webbers Ex-Frau Sarah Brightman (deren Produzent Peterson einst war). Sie wartete mal im klassischen schwarzen langen Kleid auf, mal im ausgeschnittenen und mit Fangbändern ausgestatteten Reifrock die Männerfantasie anregend oder als Hexe auf einem brennenden Scheiterhaufen steht. Ihre Stimme ist eine angenehme Abwechslung zu den sonoren Klängen der Männer, die die unterschiedlichen Pop- und Rocksongs mit viel Gefühl präsentierten. Besonders wirkungsvoll war Brightman bei „Bring Me To Life“ (Evanescence). Zehn Mal besser als auf der CD kam AC/DCs „Hells Bells“ im Live-Vortrag rüber. Hier drehten die Musiker voll auf und es gab einen satten Klang. Nach fünf Zugaben (inklusive dem einzig auf lateinisch gesungenen „Oh Fortuna“) jubelte das Publikum als weiter und bedankte sich mit Standing Ovations.
Die Tour läuft noch bis März 2011, im November und Dezember 2011 folgt als Kontrastprogramm eine Weihnachtstour durch deutsche Kirchen.
Markus Gründig, Februar 11
Liederabend: Christine Schäfer (Sopran), Eric Schneider (Klavier)
Oper Frankfurt, 25. Januar 11
Wenn bei einem Liederabend die Oper Frankfurt ausverkauft ist, kann dies nur eins bedeuten: ein Superstar ist zu Gast. Und ein ganz besonderer war es jetzt allemal. Christine Schäfer gehört mit Opern- und Konzertauftritten in Salzburg, London, Frankfurt, Wien, Paris, Berlin, München und New York sowie den Rollen Lucia, Gilda, Adele, Konstanze, Traviata, Alcina, Partenope, Cherubino und Donna Anna, deren Interpretation in den letzten Jahren Maßstäbe setzte, sowie ihrem großen Konzertrepertoire zu den erfolgreichsten und besten Sängerinnen unserer Zeit. Ausgezeichnet wurde sie u. a. als „Sängerin des Jahres“, erhielt den „Echo Klassik“ für die beste Liedeinspielung des Jahres 2007, gefolgt vom Bundesverdienstkreuz und der Berufung zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin.
Ihr aktuelles Liederabendprogramm überrascht mit der großen Bandbreite. Beginnend mit Mozart ging es sodann gleich ins 21. Jahrhundert, zu Liedern von Anton Webern und Alban Berg (Komponisten, von denen Christine Schäfer in 2008 zusammen mit dem Petersen Quartett eine CD eingespielt hat) weiter. Im Programmteil nach der Pause folgte Franz Schubert. Wobei Christine Schäfer ja auf keine Epoche festgelegt ist. Seit Jahren überzeugt sie ihre große Fangemeinde mit einem Repertoire, das vom Barock bis zur Moderne reicht.
Ihr aktueller Liederabend in Frankfurt begann also mit Mozart, genauer gesagt, mit der ruhigen Kanzonette „Ridente la calma“ (Der Sylphe des Friedens). Ein Lob der Seelenruhe und der glücklichen Liebe, ein Lieblingsstück der Sopranistinnen und ein passender Einstieg in einen Liederabend. Ihm folgte „Das Veilchen“, mit diesem Lied eröffnete Malin Hartelius im vergangenen Oktober ihren Liederabend in Frankfurt. Schon bei diesen ersten beiden Vorträgen führte Christine Schäfer ihre hohe Sangeskunst und ihr ausgeprägtes Talent vor, einen Liedtext akkurat und mit großer Leichtigkeit zu vermitteln, so dass ein Blick in die im Programmheft abgedruckten Liedtexte überflüssig wird. Den finalen Satz „Das arme Veilchen! es war ein herzig Veilchen“ spricht sie nahezu, gleichzeitig schwingt in ihrer Umsetzung ein großes Maß an Empathie mit. Mit „An Chloe“ präsentierte sie als drittes Stück ein ebenfalls populäres Werk. Es chargiert zwischen Lied und Ariette und wies dadurch schon auf den vierten Vortrag hin, die dramatische Bravourarie „Misera, dove son“. Diese bot Schäfer Gelegenheit, ihren großen Stimmumfang und -volumen eindrucksvoll unter Beweis zu stellen. Nach diesem stürmischen Klagegesang folgten die Fünf Lieder aus „Der siebente Ring“ von Stefan George, ein krasser Wechsel. Die Kompositionen des Schönberg Schülers Webern zeichnen sich durch ihren zarten und fragilen Charakter aus. In freier Atonalität konzipiert, sind sie zu gedrängter Kürze komprimiert (so enthalten beispielsweise das zweite und das vierte Lied nur jeweils zehn Takte). Kaum begonnen, war der Zyklus auch schon beendet. Was in Anbetracht der äußersten Feinfühligkeit im Vortrag der mehrheitlich von Piano bis zum dreifachen Pianissimo reichenden Schattierungen den musikalischen Höhepunkt des Abends bildete. Wobei die nachfolgenden Liedern Alban Bergs fast gleichwertig waren. Berg wird nachgesagt, vor allem Dramatiker gewesen zu sein. Dennoch schuf er, überwiegend in seinen jungen Jahren, 88 Lieder, die er allerdings nicht alle veröffentlichte. Diejenigen, die veröffentlicht wurden, zeugen von seinem Ausnahmetalent, nicht eine belanglose Note geschrieben zu haben. Für Christine Schäfer auch hier Gelegenheit, die Töne plastisch und mit viel Gefühl zu vermitteln. Ihrem disziplinierten Äußeren (im Kontrast dazu lediglich ihr sommerliches Paisleykleid) passte sich auch Eric Schneider am Klavier an. Er begleitete mit großer Souveränität und Ruhe. Ein gut eingespieltes Duo!
Im Programmteil nach der Pause präsentierte Schäfer ausschließlich Lieder des Romantikers Franz Schubert, beginnend mit Auszügen aus „Ellens Gesänge“. Diese enthalten mit „Ave Maria“ ein Lied, dass jeder Klassikfreund kennt, nur vielleicht eher in der Kirche oder auf dem Friedhof vermutet, denn bei einem Liederabend. So wirkte es ein wenig, als würde die U-Musik Einzug halten. Innig und hoch konzentriert vorgetragen folgte „Der Wanderer an den Mond“. Highlight des zweiten Teils war „Auflösung“, mit einem Text von Johann Mayrhofer (einem Freund Schuberts und der von ihm am meisten vertonte Autor). Das Klavierspiel besteht hier aus lauter wogenden Arpeggien über ununterbrochenem Baßtremolo. Die Stimme hebt sich in ekstatische Höhen auf, um dahingehaucht wie im Nichts zu enden. Ein seltenes Beispiel dionysischer Begeisterung von Schubert und von Christine Schäfer brillant vermittelt.
Eine gewisse Zurückhaltung übte Christine Schäfer bei den Zugaben: Die Titel wurden nicht angesagt. Das frenetisch applaudierende Publikum genoss sie auch so, denn auch hier war die Deklamation und der Vortragsstil perfekt (die Zugaben waren: Franz Schuberts „An den Mond“, Richard Strauss´ „Amor“ und Alban Bergs „Schließe mir die Augen beide“).
Markus Gründig, Januar 11
Liederabend: Malin Hartelius (Sopran), Helmut Deutsch (Klavier)
Oper Frankfurt, 26. Oktober 10
Ein schwedischer Engel zu Gast an der Oper Frankfurt
Bereits im Juni 2008 hatte Anne Schwanewilms einen Liederabend an der Oper Frankfurt gestaltet. Nicht zuletzt aufgrund ihres großen Erfolges bei Richard Strauss´ Oper “Arabella“ freuten sich jetzt viele auf ein Wiedersehen bei einem weiteren Liederabend. Leider konnte sie diesen krankheitsbedingt nicht wie angekündigt gestalten. An ihrer Stelle war es der Oper Frankfurt gelungen, kurzfristig die gebürtige schwedische Sopranistin Malin Hartelius zu gewinnen. Sie studierte in Wien, war dort Mitglied des Opernstudios und in der Spielzeit 1990/91 gehörte sie dem Ensemble der Wiener Staatsoper an. Seit 1991/92 ist sie dem Opernhaus Zürich verbunden. Im Jahr 2007 sang sie an der Oper Frankfurt die Adina in Andrea Schwalbachs Inszenierung von Donezettis „L’Elisir d’Amore“ („Der Liebestrank“). Im Januar 2010 wurde ihr in Stockholm vom schwedischen König Carl XVI Gustaf die Litteris et Artibus-Medaille verliehen, mit der besondere Leistungen auf kulturellem Gebiet, insbesondere der Musik, gewürdigt werden.
Bei ihrem Frankfurter Liederabend wurde sie von der Koryphäe unter den Klavierbegleitern unterstützt, von Helmut Deutsch. Er war erst vor Kurzem bei der ECHO Klassik 2010 Preisverleihung an der Seite von Angelika Kirchschlager im ZDF zu sehen und die Liste derjenigen, die er bereits begleitete, liest sich wie die Crème de la Crème der Sänger (zusätzlich ist er Professor für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und Theater München). Bei der ECHO Klassik 2010 Preisverleihung sprach sich Angelika Kirchschlager ausdrücklich für den Liedgesang aus, der in der Publikumsgunst noch zulegen kann. Malin Hartelius hat mit ihrem in Frankfurt gebotenen Abend genau diese Stimmung aufgegriffen und gezeigt, wie herausragend, wie vielschichtig und nuanciert Kunstlieder erfreuen und gesungen werden können. Hierbei wählte sie Klassiker (wie Mozarts „Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“ und Schumanns „Frauenliebe und –lebe“), Populäres (wie vier Rückert-Lieder von Clara Schumann und vier Lieder aus Gustav Mahlers „Wunderhorn-Liedern“), sowie mit Bezug zu ihrer nordischen Herkunft, vier Lieder des Finnen Jean Sibelius.
Eröffnet wurde der Abend mit einem Lied, bei dem sich dichterisches und musikalisches Genie vereinigen: Mozarts „Das Veilchen“, nach dem gleichnamigen Gedicht von J.W. Goethe. Das Sterben einer bescheidenen Blüte wird hier zum dichterischen Symbol demütig leidender Liebe. Mozart hat das Gedicht nicht nur zu einer zauberhaften Ballade umgeformt, sondern auch mit einem Schlusssatz versehen: „Das arme Veilchen! Es war ein herziges Veilchen!“. Mozarts vierstrophiges Couplet „Der Zauberer“ handelt von der Erzählung eines Mädchens, die ihre Freundinnen vor den gefährlichen Künsten Damötas warnt. Hartelius konnte hier mustergültig die Balance zwischen lebendigem, mitreißendem Vortrag und gesanglicher Perfektion halten. Schumanns Zyklus „Frauenliebe und –leben“ schildert in acht kurzen Liedern einen Lebensroman, vom ersten Verliebtsein bis zum Tod. „Nun hast du mir den ersten Schmerz getan“ ist alles andere als ein schmissiges Lied zum Pausenauftakt. Dennoch trumpfte Hartelius auch damit auf: mit einer fast atemlosen, unter die Haut gehenden Intensität, die nur noch von Helmut Deutschs behutsamen Nachspiel überboten wurde.
Der zweite Teil begann mit vier Liedern der sechsfachen Mutter Clara Schumann. Vielleicht auch ein besonderer Gruss Hartelius’ an das Frankfurter Publikum, denn Clara Schumann ist schließlich hier am 20. Mai 1896 verstorben. Höhepunkt im zweiten Teil bildeten vier Lieder des finnischen Komponisten Jean Sibelius. Die Kraft der Natur und der Wildnis, gepaart mit tonmalerischem Gefühlsreichtum zeichnen diese Lieder aus, die Hartelius in Finnisch sang. Schwerere Kost gab es dann zum Abschluss: vier Lieder aus Gustav Mahlers „Der Knaben Wunderhorn“, voll gepackt mit leidenschaftlichen Gefühlen zwischen Liebesglück, Liebestrauer, Freuen und Grauen, bis hin zum finalen, übermütigen Soldatenlied „Aus! Aus! . Ihren strahlkräftigen Sopran spielte die stets eine engelhafte Souveränität ausstrahlende Hartelius zu keiner Zeit opernhaft aus, sondern überzeugte mit klarer Diktion gerade bei den vielen leisen Phrasen des Programms.
Am Ende gab es keine Zugabe, auch keine zwei Zugaben, wie meistes oder gar drei, wie seltener. Nein, unter vier Zugaben ließ sie das Publikum nicht gehen (Robert Schumanns „Du bist wie eine Blume“, Edvard Griegs „Ich liebe dich“ und „Solveigs Lied“ und schließlich „Clara Schumanns „Die gute Nacht“). Ein klassischer, ein wunderschöner Liederabend. Ob der so angenehm vermittelten Freude am Kunstlied, der ausgedrückten Emotionen war es dann auch ganz egal, wie kalt es draußen war. Hartelius hatte mit ihrem spontanen Einsatz in Frankfurt zahlreiche Herzen erwärmt.
Markus Gründig, Oktober 10
Liederabend Barbara Frittoli (Sopran), James Vaughan (Klavier)
Oper Frankfurt, 28. September 10
Ob Barcelona, London, München, New York, Wien oder Zürich, die italienische Sopranistin Barbara Frittoli ist in den Operhäusern dieser Städte eine gefeierte Interpretin. Nun kann sich auch Frankfurt in diese Städteliste einreihen, hatte Barbara Frittoli doch jetzt ihr Debüt an der Oper Frankfurt. Nicht in einer Opernproduktion, sondern sie eröffnete die hochkarätige Liederabendreihe der neuen Saison. Wobei in diesem speziellen Fall die Bezeichnung Liederabend nicht ganz zutreffend ist, widmete sie sich doch mehr Arien bzw. arienhaft gesungenen Liedern. Die klassischen Liedkomponisten Brahms, Schumann oder Schubert standen nicht auf ihrem Programm, wie generell kein Lied in deutscher Sprache. Dafür im ersten Teil überwiegend romantische Klassiker ihrer italienischen Heimat, deren Komponisten vor allem aufgrund ihrer Opern berühmt sind: Rossini, Bellini und natürlich Verdi. Dieser Liedblock, in Reihenfolge der Entstehungszeit, war eingerahmt von Beethoven und Mozart. Im zweiten Teil folgte ein Exkurs ins Nachbarland Frankreich, zu Henri Duparc.
Die erste Nummer, Ludwig van Beethovens „Ah perfido!“ („Ach! Du treuloser“; Szene und Arie G-Dur op. 65) ist eine große Konzertarie, die also üblicherweise mit großem Orchester gegeben wird. Auch bedeutende Sängerkolleginnen wie Maria Callas, Montserrat Caballé oder Renata Tebaldi haben diese Arie in ihrem Repertoire gehabt. Frittoli präsentierte sie mit einer intensiven und lebhaften Ausgestaltung. James Vaughan am Klavier war vom ersten Lied an stark gefordert und bestach als souveräner Unterstützer und virtuoser Pianist gleichermaßen. Auf Beethoven folgte Gioacchino Rossini. Seinen Liedern haftet ganz besonders der Glanz italienischer Klassizität an, wie sie beispielsweise in seinen Opern „La Cenerentola“ und „Il barbiere di Siviglia“ zum Ausdruck kommt. Davon zeugt auch die gegebene Kanzonette „La promessa“(„Das Versprechen“), ein frohgemutes Liebeslied mit effektvoller Klavierbegleitung. Für Frittoli war dies Gelegenheit, diese mit Leib und Seele zu gestalten. Wie sie generell eine lebendige und emotional ansprechende Interpretation zeigte, oft mit metallener Intensität, die weit über einen üblichen Vortragsstil hinausgeht (was sie zweifelsohne ihren zahlreichen Opernrollen verdankt, übrigens oft auch als Partnerin von Plácido Domingo). In der Entwicklung der italienischen Oper folgte auf Rossini, neben Donizetti, Vincenzo Bellini. Letzterer gilt als Genie der italienischen Romantik, bei ihm verband sich erstmals Klangsinnlichkeit mit elegischem Ausdruck. Sein Lied „Vaga luna, che inargenti“ („Lieblicher Mond“) zeugt von dunklen, schwermütigen Tönen und melancholisch-schwärmerischem Temperament. Verdi bildet gewissermaßen den Höhepunkt italienischen Musikschaffens. Wobei er kein Komponist war, der sich in seinen Liedern ausdrücken wollte. Sie dienten ihm viel mehr als Vorstufe und Skizze für seine Opern. Das Lied „In solitaria stanza“ („In einem einsamen Zimmer“), ein ruhiges Gebet eines Mannes zu den Göttern, eine Gebärende zu schützen, beinhaltet beispielsweise die Phrase „Salvate, o Dei pietosi“, die später in Leonores Kavatine im „Travatore“ Einklang fand. Mit Mozart beendete Frittoli den ersten Teil. Hierfür hatte sie sich zwei schwere Brocken ausgewählt. „Misero! O sogno…“ (Rezitativ und Arie KV 431) und das Rezitativ und die Arie der Elettra aus dem 3. Akt von der Oper „“Idomeneo“. Bei letzterer stieß Frittoli, ob der trockenen Luft im Saal, bis an ihre Grenzen vor. Ein hochdramatischer, famoser, leidenschaftlicher und bewegender Vortrag, der einen ordentlich in den Sessel drückte.
Gemäßigter ging es im zweiten Teil zu, ausschließlich mit Liedern des französischen Komponisten Henri Duparc, dem Lieblingsschüler von César Franck. Für Duparc war die Musik wichtiger Ausdruck des Seelenlebens. Seine 13 Mélodies sind die Glanzpunkte des französischen Kunstliedes schlechthin. Acht dieser populären Lieder, die ursprünglich für männliche Stimmen geschrieben wurden, präsentierte Frittoli mit vornehmer Zurückhaltung. Darunter Klassiker wie „L´invitation au voyage“, „Chanson triste“ und „Extase“. Letzteres Lied verspricht nicht, was der Titel vermuten lässt. Bei einer melancholischen Grundstimmung erklingen dezent abgewandelte „Tristan“-Harmonien.
„Das Beste zum Schluss“ kann man ob der beiden Zugaben festhalten, wo Frittoli noch einmal ihre hochdramatische Gestaltungsart in den Mittelpunkt rückte und für einen nachhaltigen Eindruck sorgte (mit der Arie der Adriana „Io son l’umile ancella“ aus dem ersten Akt von Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ und der Arie der Tosca „Vissi d’arte“ aus dem zweiten Akt von Giacomo Puccinis „Tosca“).
Markus Gründig, September 10