»La Cenerentola« entfacht Begeisterungsstürme in Mainz

La Cenerentola ~ Staatstheater Mainz ~ Angelina (Karina Repova), Clorinda (Alexandra Samouilidou), Tisbe (Alexandra Uchlin) ~ © Andreas Etter

Spätestens wenn ein Klassiker wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ oder „Der kleine Lord“ im Fernsehen läuft ist klar: Die Weihnachtszeit naht. Dabei ist der Wunsch nach einem sentimentalen Märchen zu allen Zeiten vorhanden, nicht nur bei Kindern. Ein weiterer Klassiker ist die Geschichte von Aschenputtel. Sie handelt von der zu einer Dienstmagd verstoßenen Tochter, die schließlich ihr Glück bei einem wahren Prinzen findet.

Bekannt wurde das Märchen durch die Gebrüder Grimm, die Erzählung „Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre“ von Charles Perrault und nicht zuletzt durch englischsprachige Adaptionen unter dem Titel „Cinderella“. Die Vertonung dieser Geschichte („La Cenerentola“) durch den italienischen Komponisten Gioachino Rossini wurde 1817 in Rom uraufgeführt und hat seitdem einen festen Platz im Opernrepertoire.

Für das Staatstheater Mainz hat jetzt Stephanie Kuhlmann die Oper im Großen Haus neu inszeniert. Die Premiere wurde vom Publikum frenetisch gefeiert: Beim lang anhaltenden Schlussapplaus gab es stehende Ovationen. Das kommt bei Opern nicht oft vor.

Klassische, zeitlose Inszenierung

Kuhlmanns Umsetzung ist klassisch und fast zeitlos gehalten, ganz so wie es das Märchen nun einmal ist. Verortet wurde die Geschichte in einem Grandhotel. Es gibt ein paar wenige vage Bezüge zu den 1970er Jahren (wie die Kleider von Corinda und Tisbe oder das Deckblatt des Programmhefts). Zuschauer:innen werden schon beim Betreten des Staatstheaters auf das „Hotel Magnifico“ eingestimmt: Die als Hotelpagen gekleideten Einlassmitarbeiter begrüßen das Publikum, für das extra ein roter Teppich ausgerollt wurde. Auf der Treppenanlage zur Parkett-Ebene steht auf der rechten Seite gar ein einzelner goldener Frauenschuh als Verweis auf das Märchen.

La Cenerentola
Staatstheater Mainz
Alidoro (Stephan Bootz), Don Ramiro (Pablo Martinez), Dandini (Gabriel Rollinson)
© Andreas Etter

Während der Ouvertüre wird hinter einem Gazevorhang die Vorgeschichte gezeigt: Ein Mädchen sitzt auf einem Schaukelpferd und will so gar nicht ins Bett. Schließlich kommen die Eltern und das Familienglück ist sorglos und perfekt. Eine Vision, wie es für Angelina, die Titelfigur, lief, bevor die Eltern verstarben.

Zauberhafte kleine Details

Hebt sich dann der Vorhang, wird schnell deutlich, dass das Nobelhotel des Baron Don Magnifico schon bessere Zeiten erlebt hat. Die Tapeten lösen sich teilweise von den verschmutzten Wänden, Eimer stehen unter hoch hängenden Heizkörpern und eine Pflanze ist total verdorrt. Don Magnifico braucht dringend Geld, das ist unmissverständlich.

Angelinas kleine Schlafkammer und der Festsaal des Prinzen werden durch Einsatz der Drehbühne sichtbar. Dazu gibt es zauberhafte kleine Details: Etwa wenn sich die Rezeption in die Lüfte erhebt, der weise Philosoph und Lehrer Alidoro (fürsorglicher Portier: Bass Stephan Bootz; alternierend Tim-Lukas Reuter) hinter einem hoch hängendem Wandbild erscheint oder wenn versucht wird, ein Fenster zu schließen, durch das unwetterbedingt kräftiger Wind zieht.

La Cenerentola
Staatstheater Mainz
Don Magnifico (Vincenzo Nizzardo), Tisbe (Alexandra Uchlin), Angelina (Karina Repova), Clorinda (Alexandra Samouilidou)
© Andreas Etter

In knalligen Farben sind die Kleider der hochmütigen Schwestern gehalten. Angelina präsentiert sich im Festsaal in einem unifarbenen hellblauen Kleid zwar ohne Schleier, dafür aber mondän wie ein Filmstar mit einer Sonnenbrille (Ausstattung: Bernhard Bruchhardt).
Die Kavaliere und Kellereimitarbeiter des prinzlichen Hofes tragen gestreifte Kellnerwesten. Hier bringt sich der Chor des Staatstheaters Mainz spielfreudig und klanglich expressiv ein (Einstudierung: Sebastian Hernandez-Laverny). Hofdamen gibt es bei dieser Produktion übrigens keine.

Klangschöner Belcantogesang

Rossini zählt zu den großen Vertretern des Belcanto („Schöngesang“). Der Gesang steht mit anspruchsvollen und melodisch reichen Arien in seinen Opern stets im Mittelpunkt. Mit hoher Virtuosität wird Rossinis Anspruch am Staatstheater Mainz deutlich.

Mit großer Innigkeit und perlenden Koloraturen gibt die Mezzosopranistin Karina Repova die gütige und herzliche Angelina, die schlicht Cenerentola/Aschenputtel genannt wird (alternierend mit Verena Tönjes). Bei Rossini ist die Figur einiges selbstbestimmter. So verliert sie nicht einen ihrer Schuhe, sondern übergibt ihn direkt an den Prinzen, damit er nach ihr suche. Regisseurin Stephanie Kuhlmann geht zum Schluss noch einen Schritt weiter: Das Hotel wird renoviert und in „Casa Angelina“ umbenannt.

Ein Trumpf der Produktion ist der Tenor Pablo Martinez in der Partie des Prinzen Don Ramiro (alternierend: Mark Watson Williams). Seine Stimme klingt jugendlich frisch und frei, gleichzeitig hat sie große Strahlkraft.

La Cenerentola
Staatstheater Mainz
Don Magnifico (Vincenzo Nizzardo), Herrenchor
© Andreas Etter

Dandini, die Rolle des Dieners, der gerne Prinz wäre, scheint für den gut aufgelegten Bariton Gabriel Rollinson wie auf den Leib geschrieben. Den moralfreien Stiefvater Don Magnifico verkörpert Bariton Vincenzo Nizzardo grandios als schräge Figur im Buffo-Stil.

Die einfältigen und geldgierigen Töchter geben die Sopranistin Alexandra Samouilidou (Clorinda) und die Mezzosopranistin Alexandra Uchlin (Tisbe) mit viel Engagement.

Rossinis zwischen Tragik und Komik zu gespitzte Musik setzt das Philharmonische Staatsorchester Mainz unter Kapellmeister Samuel Hogarth lebhaft und sehr sängerfreundlich um.

Die Inszenierung hat das Potential, zu einem Publikumsliebling zu werden. Nicht zuletzt, weil die Wünsche nach einem Leben im Wohlstand und einer erfüllten Liebe zur Menschheit dazugehören.

Markus Gründig, November 25


La Cenerentola ossia La bonta in trionfo

(Aschenputtel oder Der Triumph der Tugend )
Dramma giocoso in zwei Akten

Von: Gioachino Rossini
Libretto: Jacopo Ferretti, nach Charles Perrault
Uraufführung: 25. Januar 1817 (Rom, Teatro Valle)

Premiere am Staatstheater Mainz: 29. November 25 (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Samuel Hogarth
Inszenierung: Stephanie Kuhlmann
Ausstattung: Bernhard Bruchhardt
Licht: Frederik Wollek
Chorleitung: Sebastian Hernandez-Laverny
Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez

Besetzung:

Don Ramiro: Pablo Martinez / Mark Watson Williams
Dandini: Gabriel Rollinson
Don Magnifico: Vincenzo Nizzardo
Clorinda: Alexandra Samouilidou
Tisbe: Alexandra Uchlin
Angelina: Verena Tönjes / Karina Repova
Alidoro: Stephan Bootz / Tim-Lukas Reuter

Philharmonisches Staatsorchester Mainz
Herrenchor des Staatstheater Mainz
Statisterie des Staatstheater Mainz


staatstheater-mainz.com