Gertrud-Eysoldt-Ring 2025 geht an Thomas Schmauser

Mephisto ~ Münchner Kammerspiele ~ Thomas Schmauser ~ Foto: Armin Smailovic

Fritzi Wartenberg erhält den Kurt-Hübner-Regiepreis


Thomas Schmauser wird für seine Rolle in „Mephisto“ ausgezeichnet

Es ist die eindringliche Darstellung eines Künstlers, der im Pakt mit der Macht seine Seele zu verlieren droht: Für seine Verkörperung von Hendrik Höfgen in Klaus Manns „Mephisto“ in der Inszenierung von Jette Steckel bei den Münchner Kammerspielen erhält Thomas Schmauser den Gertrud-Eysoldt-Preis 2025. Das gaben die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste jetzt bekannt.

„Thomas Schmauser ragte für uns auf eine so bezwingende Art mit seinem Mephisto an den Münchner Kammerspielen heraus, dass wir dachten: dieser Dreifach-Erfolg, er muss jetzt sein!“ Mit „wir“ ist nichts weniger als die neu formierte Eysoldt-Jury gemeint, die in diesem Jahr das Zepter übernommen hat: Ulrich Matthes, Juliane Köhler und Caroline Peters haben erstmals die Entscheidung getroffen und den „Ring“ einem Schauspieler zugesprochen, der in diesem Jahr für besagte Rolle nicht nur zum Schauspieler des Jahres 2025 von „Theater heute“ gewählt wurde, sondern erst kürzlich mit dem FAUST-Theaterpreis in der Kategorie „Darsteller:in Schauspiel“ ausgezeichnet wurde.

„Und jetzt kommen wir auch noch mit dem Eysoldt-Ring …?!“, fragt das Trio in seiner Begründung augenzwinkernd. Eine Antwort auf diese Frage erübrigt sich selbstredend, denn das Triple ist wahrlich Ausdruck eines Erfolges eines großartigen „Spielers, der schönsten Widersprüche“, wie es aus den Reihen der Jury weiter heißt.

Mephisto
Münchner Kammerspiele
Thomas Schmauser
Foto: Armin Smailovic

Schmausers Leistung würdigt das Gremium mit Worten, die bewusst erst mit der Preisverleihung öffentlich werden – beim Lesen der Zeilen lässt sich erahnen, dass die Entscheidung von einer leidenschaftlichen und überzeugten Debatte getragen war: „Schmauser verausgabt sich ganz außerordentlich, bewahrt aber immer einen hellen Rest von Kontrolle. Er ist gleichzeitig Entertainer und Somnambulist. Verführer und Verführter. Er ist das, was man landläufig ‚authentisch‘ nennt, versteckt aber immer wieder auch kleine Kommentare über seine Figur in seinem Spiel.

Schmauser ist radikal persönlich, er ist ein Nervenspieler des Mephisto und seiner selbst. Wäre er ein Maler, er malte gleichzeitig realistisch und abstrakt. Er ist der Protagonist einer wunderbar sinnlich-klugen Inszenierung Jette Steckels in einem glänzenden Ensemble […]. Wir freuen uns mit ihm und gratulieren von Herzen“, schließt das Gremium.

An dessen Spitze steht seit kurzem Ulrich Matthes, selbst Träger des Eysoldt-Rings 2004. Dass er nun den Vorsitz innehat, verleiht der Juryarbeit eine fast poetische Wendung: Einer, der einst geehrt wurde, entscheidet nun darüber, wem heute die Ehre zuteil wird – eine Ehre, die seit 1986 in Form eines der bedeutendsten Schauspielpreise im deutschsprachigen Raum vergeben wird: dem mit 10.000 Euro dotierten Gertrud-Eysoldt-Ring.

Sein Ursprung liegt in einem Vermächtnis des Theaterkritikers Wilhelm Ringelband, der seine Bewunderung für die Schauspielerin Gertrud Eysoldt in ein testamentarisches Vermächtnis verwandelte. Gertrud Eysoldt gilt als erste Feministin des deutschen Theaters. Sie war in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Max Reinhardt eine der bedeutendsten Theaterschauspielerinnen im Berlin des frühen 20. Jahrhunderts. 

Von Doris Schade über Cornelia Froboess, Nina Hoss und Ulrich Mühe bis hin zu Charly Hübner, Sandra Hüller und Birgit Minichmayr: Die Liste der Preisträgerinnen und Preisträger liest sich wie ein Kompendium herausragender Bühnenkunst. Und in diese einzigartige Liste reiht sich 2025 nun auch Thomas Schmauser ein.

Der vielseitige Schauspieler wurde 1972 im oberfränkischen Burgebrach geboren. Von 1992 bis 1996 studierte er Schauspiel an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Nach mehreren kleineren Filmrollen hatte er einen ersten großen Kinoauftritt 1995 zusammen mit Franka Potente in der Komödie „Nach fünf im Urwald“.

Von 1998 bis 2000 stand Schmauser im Niedersächsischen Staatstheater Hannover auf der Bühne, unter anderem spielte er die Rolle des Prinzen Friedrich von Homburg in Heinrich von Kleists gleichnamigem Stück.

Im Jahr 2000 wechselte er in das Ensemble des Thalia Theaters Hamburg, wo er bis 2006 in zahlreichen Inszenierungen zu sehen war. In „Ein Sommernachtstraum“ verkörperte er unter der Regie von Jorinde Dröse die Rolle des Zettel. Seit 2007 gehört Thomas Schmauser zum Ensemble der Münchner Kammerspiele, an denen er bereits während seines Studiums Engagements erhielt.

Die feierliche Übergabe des Gertrud-Eysoldt-Rings und des Kurt-Hübner-Regiepreises findet nach aktuellen Planungen voraussichtlich im März 2026 im Parktheater Bensheim statt.

Hintergrund: Erste Entscheidung der neuen Jury

Für die Eysoldtpreis-Jury war es ein Debüt – und gleichzeitig ein Stück Verantwortung, das deutlich über die reine Preisvergabe hinausgeht. Mit der Wahl von Juliane Köhler, Caroline Peters und Ulrich Matthes wurden drei Persönlichkeiten berufen, die nicht nur Bühnen prägen, sondern die Theaterentwicklung der letzten Jahrzehnte aus nächster Nähe erlebt und geprägt haben. Der vielfach ausgezeichnete Schauspieler Ulrich Matthes, bekannt für seine eindringlichen Darstellungen auf der Bühne wie auch in Film und Fernsehen, ist seit Jahren eine prägende Kraft der deutschsprachigen Theaterlandschaft.

Juliane Köhler hat sich als vielseitige und ausdrucksstarke Schauspielerin einen Namen gemacht. Sie begeistert seit Jahrzehnten ihr Publikum sowohl in klassischen als auch zeitgenössischen Rollen und hat sich als feste Größe im deutschsprachigen Theater etabliert. Als renommierte Schauspielerin feiert sie sowohl auf der Bühne als auch im Film große Erfolge.

Und Caroline Peters, die die neue Jury komplettiert, gilt nicht erst seit „Mord mit Aussicht“ und ihren Erfolgen am Wiener Burgtheater als eine der prägnantesten Stimmen ihrer Generation. Mit ihrer einzigartigen Bühnenpräsenz und ihrem breiten Repertoire hat sie das Theater in den vergangenen Jahren maßgeblich mitgeprägt.

kammerspiele.de


Fritzi Wartenberg erhält den Kurt-Hübner-Regiepreis

Der Kurt-Hübner-Regiepreis wird von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste und der Stadt Bensheim seit 1991 im Zuge der Eysoldtpreis-Verleihung in Bensheim an junge Regisseurinnen und Regisseure vergeben. In diesem Jahr erhält die Auszeichnung Fritzi Wartenberg für ihre Inszenierung von Werner Schwabs „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“ am Burgtheater Wien.

Fritzi Wartenberg
Foto: Hilde van Maas

Dotiert ist der Preis mit 5000 Euro. Fritzi Wartenbergs Arbeit zog in diesem Jahr die Aufmerksamkeit von Alleinjurorin Almut Wagner auf sich. Als diese hörte, dass die junge Regisseurin eines der Hauptwerke des österreichischen Dramatikers, ein radikaler Erneuerer des Volksstücks, am Burgtheater inszenieren würde, wurde Wagner „umso hellhöriger und neugieriger“ – nicht zuletzt, weil Schwabs Stücke gegenwärtig nur selten auf den Spielplänen zu finden sind.

Zuvor hatte die Jurorin die gebürtige Kölnerin „bereits für ihre souverän-witzige und hochenergetische Inszenierung von Max Frischs Lehrstück ‚Biedermann und die Brandstifter‘ am Berliner Ensemble bewundert“. Wagner, die sich bereits während ihres Studiums intensiv mit Werner Schwab beschäftigte, betonte, sie habe mit besonderer Spannung verfolgt, wie sich eine junge Regisseurin einem Werk annähert, das Schwabs schonungslose Demontage bürgerlicher Selbstgewissheiten und autoritärer Kontinuitäten so kompromisslos in den Blick nimmt.

In ihrer Jurybegründung stellt sie daher die von Neugier getriebene Frage: „Wie würde sich Wartenberg diesem wilden Steiermärker nähern, der sich in der Tradition von Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek unverblümt in die finsteren Ecken der österreichischen Gesellschaft und Geschichte vorwagt und die Spuren der autoritären Gesinnung als ungebrochene Folge des Nationalsozialismus schonungslos offengelegt hatte?“

Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos
Burgtheater Wien
Ensemble
Bild: Tommy Hetzel

Mit der Wahl, der jungen Regisseurin in diesem Jahr den Nachwuchspreis zuzusprechen, liefert Wagner zugleich die Antwort auf diese Frage: „Fritzi Wartenbergs inszenatorischer Zugriff ist unerschrocken und wahnsinnig klug – und funktioniert erst einmal über die Ästhetik. Denn sie und die Bühnenbildnerin Jessica Rockstroh kippen das Mietshaus mit den drei Etagen und Wohnungen aus dem Stück mitsamt den Bewohnerinnen und Bewohnern aus der Horizontalen in die Vertikale.“ Auf diese Weise entsteht eine „artistische Kletterwand, auf der Schwabs Figuren Halt suchen und quasi um ihr physisches Überleben kämpfen müssen“. Für die Schauspielerinnen und Schauspieler stelle dies eine akrobatische Herausforderung dar – während sie sprachlich um die komplexen, sonderbar gestelzten Schwab’schen Wortdrechslereien ringen.

Wagner hebt in ihrer Begründung hervor, dass das „Oben und Unten der gesellschaftlichen Hierarchien sofort sichtbar und körperlich real“ wird – verbunden mit der ständigen Gefahr des Absturzes in einen tiefen Abgrund, die das Publikum jederzeit spüre.

Fritzi Wartenberg, ihrem Team und ihrem Ensemble ist für Schwabs böse Radikalkomödie eine stringente Übersetzung aus einer ihr fernen Zeit gelungen – eine Übersetzung „an der man sich aufgrund der hervorragenden schauspielerischen Leistungen des gesamten Ensembles erfreut“. Besonders hervorzuheben seien dabei Stefanie Reinsberger als Hermann Wurm und Franziska Hackl als Frau Grollfeuer.

Trotz des Genusses aller sprachlichen Schwab’schen Finessen verlassen die Zuschauerinnen und Zuschauer, so Wagner, diesen Theaterabend mit Erschütterung und einem Gefühl des Unwohlseins. Denn Fritzi Wartenbergs fabelhafte Schwab-Interpretation verdeutlicht, „dass die finsteren Abgründe des ‚Gestern‘ schon längst wieder in unserem Heute angekommen sind“.

Almut Wagner ist stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin am Residenztheater in München und Mitglied im Vorstand des Internationalen Theaterinstituts. Zur Stadt des Gertrud-Eysoldt-Rings hat sie einen besonderen Bezug. Hier wuchs Almut Wagner auf, bevor es sie in die große, weite (Theater)-Welt zog.

Der Regiepreis erinnert an Kurt Hübner, den legendären Theatermann, der in den 1970er-Jahren mit seinem Wirken in Bochum Maßstäbe setzte und bis heute als Wegbereiter moderner Regiehandschriften gilt. Als Theaterleiter schuf er Freiräume für große Theatertalente. Von 1992 bis 2006 war er Juror des später nach ihm benannten Kurt-Hübner-Regiepreis. Die feierliche Übergabe des Kurt-Hübner-Regiepreises findet im Rahmen der Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Rings nach aktuellen Planungen voraussichtlich im März 2026 im Parktheater Bensheim statt.

burgtheater.at


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