Radialsystem Berlin: Das Programm in 2024

Radialsystem Berlin (© Phil Dera)

Das Radialsystem ist ein Ort der Künste und des gemeinschaftlichen Handelns, der unterschiedliche Kulturtraditionen und Wissensformen in Dialog miteinander bringt. Als Ankerinstitution für die Freie Szene Berlins und aktiver Teil eines internationalen Netzwerks von Institutionen weit über die Kulturszene Berlins hinaus entwickelt, erprobt und präsentiert das Haus insbesondere in den Bereichen Choreografie, Musiktheater und Konzert neue künstlerische Ausdrucksformen.

Darüber hinaus positioniert sich das Radialsystem verstärkt in Fragen zu Normativität und Repräsentation. Der beständige Austausch und die Zusammenarbeit mit Künstler*innen, Ensembles und Partner*innen ist dabei ein ebenso wichtiges Anliegen wie die Offenheit gegenüber Transformation und Veränderung.

Das Programm 2024 bringt vielfältige Positionen zusammen, sucht künstlerische Potenziale in den Zwischenräumen von Genres, Formaten und Disziplinen und arbeitet weiter an der Durchlässigkeit und Verschiebung fester Kategorien.


Musiktheater und Konzertformate

In Konzertformaten und Programmreihen befragt das Radialsystem Begriffe wie klassische und zeitgenössische Musik und betrachtet sie über eine europäische Perspektive hinaus. In Hinblick auf das zeitgenössische Musiktheater nimmt das Haus, das sich dezidiert der freien Musikszene widmet, eine herausgehobene Position ein und öffnet einen Blick jenseits der Ästhetik und Fragestellungen traditionellerer musiktheatraler Formen.

Anknüpfend an Elaine Mitcheners Neuinterpretation des Musiktheaterstücks „Eight Songs for a Mad King“ im November 2023 wird 2024 mit mehreren Premieren in der ersten Jahreshälfte ein besonderer Schwerpunkt auf das Erleben von Musik und deren Verkörperung in aktuellen Formen des Musiktheaters verlegt.

Als Berlin-Premiere zeigt der argentinische Komponist und Theatermacher Santiago Blaum das Musiktheater „Schweigt Stille / Sober Up!“ und konfrontiert humorvoll Bachs „Kaffeekantate“ mit den politischen und ökonomischen Bedingungen seiner Produktion – und lenkt den Fokus von einer „Musik für den Geist“ auf deren Körperlichkeit. Das Ensemble für aktuelles Musiktheater DieOrdnungDerDinge beschäftigt sich in der Premiere von „Brain Pitch“ mit (pseudo-)wissenschaftlichen Methoden musikalischer Selbstoptimierung. Das Forschungsprojekt „(in)operabilities“ von Benjamin van Bebber, Leo Hofmann, Franziska Henschel und Jeanne Charlotte Vogt befragt mit dem Musiktheaterstück „Die Insel“ die Kunstform Oper nach den Grenzen ihrer Zugänglichkeit. Mit Klang, Vibration, Gebärden, Licht, Berührungen und gesungener Audiodeskription entwickeln sie vielsinnliche Formen des musikalischen Erlebens. Die herausgehobene Position, die das Musiktheater 2024 im Radialsystem einnimmt, wird abgerundet durch eine Wiederaufnahme und eine Deutschlandpremiere von NICO AND THE NAVIGATORS sowie eine Neuproduktion des Solistenensemble Kaleidoskop mit Silvia Costa.

Im Rahmen der transtraditionellen Konzertreihe „Outernational“, kuratiert von Elisa Erkelenz, arbeitet das Radialsystem an einer Neuverortung von Kunstmusik jenseits eines normativen Musikverständnisses. Mit dem neuen Programm „Outernational: Songs of Protest and Kindness“ sowie der Wiederaufnahme von „Outernational: Isles & Rivers“ wird die soziale Verfasstheit von Musik in den Fokus genommen. Das installativ-performative Format „Extended Spaces – Resonant Bodies: Alvin Lucier“ von singuhr-projekte sowie Konzerte des Ensemble KNM Berlin und eine neue Konzertreihe „STOP OVER 2“ in Kooperation mit dem „Zentrum under construction“ runden das musikalische Programm 2024 im Radialsystem ab.

Frühjahr 2024

  • Santiago Blaum „Schweigt Stille / Sober Up!“ (Berlin-Premiere)
  • DieOrdnungDerDinge „Brain Pitch“ (UA)
  • Benjamin van Bebber, Leo Hofmann, Franziska Henschel und Jeanne Charlotte Vogt „(in)operabilities: Die Insel“ (UA)
  • ICO AND THE NAVIGATORS „Wasted Land“ (Wiederaufnahme)
  • Outernational „Isles and Rivers“ (Wiederaufnahme)

Sommer, Herbst und Winter 2024

  • Solistenensemble Kaleidoskop & Silvia Costa, „Buffalo Girls“ (UA)
  • Outernational „Songs of Protest and Kindness“ (UA)
  • Ensemble KNM Berlin
  • STOP OVER 2, eine neue Konzertreihe in Kooperation mit dem „Zentrum under construction“ singuhr – projekte „Extended Spaces – Resonant Bodies: Alvin Lucier“
  • NICO AND THE NAVIGATORS „The Whole Truth about Lies“ (Berlin-Premiere)

Tanz & Choreografie

Als Teil der vielfältigen Berliner Tanzszene wird ein Fokus auf die Förderung unterschiedlicher Generationen von Choreograf*innen gelegt. Mit Residenzformaten und institutionenübergreifenden Kooperationen wird Raum und Sichtbarkeit für lokal und international agierende Künstler*innen geschaffen.

Seit 2020 bietet das Residenzprogramm „Body Time Space“ Berliner Tanzschaffenden Raum und Zeit für vorkonzeptionelles Erproben künstlerischer Praxis. Darauf aufbauend zeigten Künstler*innen wie Lina Gómez, André Uerba oder Kasia Wolinska ihre Produktionen am Haus. 2024 werden Frida Giulia Franceschini, Valeria Oviedo García und Kiana Rezvani als Resident*innen in den Räumen begrüßt.

Gemeinsam mit der Tanzfabrik Berlin präsentiert Radialsystem seit 2019 – und seit 2022 unter dem Titel :LOVE: – jedes Frühjahr Künstler*innen auf den Bühnen des Radialsystems. Die langjährige Zusammenarbeit zielt auf die Verbesserung von Arbeits- und Präsentationsbedingungen von Tanzschaffenden in Berlin ab. Im Frühjahr 2024 beschäftigt sich die Choreografin Tatiana Mejía in ihrem neuem Stück „SWAY“ mit dem Superwoman-Syndrom und dem Mainstream-Archetyp der starken schwarzen Frau. Zwischen westlicher „zeitgenössischer“ und afro-diasporischer Bewegungssprache und Musik erforscht sie verschiedene Ebenen von Selbstwahrnehmung und Vorurteilen. Ebenfalls im Rahmen der :LOVE:-Kooperation und zum Abschluss des Tanzjahres 2024 werden im Dezember in einer Double-Bill neue Stücke von Sergiu Matis und Ixchel Mendoza Hernández gezeigt, die sich mit der Verbundenheit von Mensch und Natur und mit Perspektiven einer klimagerechten Zukunft auseinandersetzen.

Weitere Highlights im Tanzkalender markieren in der zweiten Hälfte von 2024 eine neue Choreografie von Raphael Moussa Hillebrand, der Auftakt des Tanz-Festivals „Emerging Change“ von Makisig Akin und Nara Virgens, Renae Shadler, die den Park am Gleisdreieck bespielen wird sowie die Neuproduktion von Sasha Waltz & Guests in Kollaboration mit Stefan Kaegi (Rimini Protokoll), die Ende August unter dem Titel „Spiegelneuronen“ als Deutschlandpremiere im Radialsystem gezeigt wird. Die Tanzcompagnie ist darüber hinaus mit Wiederaufnahmen von „In C“ und „Beethoven 7“ im Spielplan vertreten

Mit eigenen Formaten wie der Publikation „Encounters: Embodied Practices“ (2023) und dem Festival „Breathing Rivers“ (2023) legt das Radialsystem einen Fokus auf kulturelle Praktiken, die mit dem Körper als Ort der Erfahrung beginnen und ein Forum für die Produktion von Wissen außerhalb normativer Denk- und Handlungsweisen bilden. In 2024 ist eine Weiterführung des Themenschwerpunkts „Körperwissen / Körperpraktiken“ geplant.

Frühjahr 2024

  • :LOVE:-Kooperation mit Tanzfabrik Berlin: Tatiana Mejía „SWAY“ (UA)
  • Sasha Waltz & Guests „In C“, „Beethoven 7“
  • „Body Time Space“-Residenzen: Frida Giulia Franceschini, Valeria Oviedo García und Kiana Rezvani
  • Renae Shadler „Greyline“ (im Park am Gleisdreieck)

Sommer, Herbst und Winter 2024

  • Raphael Moussa Hillebrand „2050“ (UA)
  • Makisig Akin, Nara Virgens „Ermerging Change“-Festival, Auftakt
  • Sasha Waltz & Guests – Stefan Kaegi „Spiegelneuronen“ (Deutschlandpremiere)
  • Kindertanzcompany von Sasha Waltz & Guests „Showing“
  • :LOVE:-Kooperation mit Tanzfabrik Berlin: Ixchel Mendoza
  • Hernández „THE INFINITE GESTURE“ (UA) & Sergiu Matis „Earth Works“ (UA)

Festivals

2024 wird die Zusammenarbeit mit zahlreichen in der Berliner ulturlandschaft fest verankerten und seit vielen Jahren ins Radialsystem wiederkehrenden Festivals fortgeetzt: Ultraschall Berlin, CTM-Festival, MaerzMusik, Forecast-Plattform, ID-Festival, Heroines of Sound, A L’ARME! und Tanz im August.

Frühjahr 2024

  • Ultraschall Festival Berlin
  • CTM Festival 2024 – Sustain
  • MaerzMusik
  • Forecast Festival & Forum
  • ID Festival

Sommer, Herbst und Winter 2024

  • Heroines of Sound Festival
  • Emerging Change, Tanz-Festival
  • A L’ARME! Festival Vol. XII
  • Tanz im August
  • Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit

Die Relevanz als kulturelle Institution wird auch an der Frage, wie Radialsystem sein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und klimagerechtes Handeln stärken kann, gemessen. Die Erarbeitung und Umsetzung eines umfassenden Nachhaltigkeitskonzepts für das Haus resultierte 2023 in der Zertifizierung des Radialsystems durch Sustainable Meetings Berlin und Sustainable Tourism Berlin.

Innerhalb des künstlerischen Programms wird nach Schnittstellen von Kunst, überlieferten Wissensformen, Aktivismus und Forschung gesucht. 2023 haben sich u.a. die Choreograf*innen Amanda Piña und Martha Hincapié Charry gezielt mit dem Verlust der kulturellen und biologischen Vielfalt des Planeten beschäftigt. Auch 2024 will Radialsystem mit Neuproduktionen von Sergiu Matis und Ixchel Mendoza Hernández Erzählungen und Praktiken stärken, die die Verwobenheit von Mensch und Natur berücksichtigen.

Darüber hinaus bemüht sich Radialsystem kontinuierlich um den Auf- und Ausbau eines inklusiveren und barrierefreien künstlerischen Programms – wie beispielsweise 2024 das vielsinnliche Musiktheater „Die Insel“, das für viele Wahrnehmungsweisen gleichzeitig zugänglich ist.

radialsystem.de