Große Begeisterung für sensationelles »Rigoletto« Gesamtkunstwerk bei den Bregenzer Festspielen

Rigoletto ~ Bregenzer Festspiele ~ Ensemble ~ © Bregenzer Festspiele / Anja Köehler)

Dass Giuseppe Verdis Rigoletto dieses Jahr bei den Bregenzer Festspielen gespielt wird, ist etwas ganz Besonderes, denn diese Oper wurde auf der Seebühne noch nie gespielt. Mit ihrer dramatischen Geschichte und ihrer packenden Musik, die zudem mit bekannten Melodien und einem der bekanntesten Opernohrwürmern der Opernliteratur aufwartet, passt sie hervorragend zur größten Seebühne der Welt. Einmal auf dieser arbeiten zu können, ist für viele Kreative und Künstler ein Traum, selbst für Branchengrößen. So auch für Philipp Stölzl, wie er im Vorfeld erklärte. Er begann als Bühnen- und Kostümbildner und produzierte schon bald erste Musikvideos (wie für Rammstein, Evanescence oder Marius Müller-Westernhagen) und Werbefilme für namhafte Firmen. Seit über 10 Jahren inszeniert er erfolgreich Opern (wie beispielsweise für die Salzburger Festspiele, die Deutsche Oper Berlin, die Dresdner Semperoper oder die Bayerische Staatsoper München).


Rigoletto
Bregenzer Festspiele
Ensemble
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Das Geschehen um den Hofnarr Rigoletto am herzoglichen Schloss in Mantua im 16. Jahrhundert verlegte Stölzl in eine bunte und überdrehte Zirkuswelt mit allerhand ausgefallen gekleideten Artisten (Kostüme: Kathi Maurer). Nach zuletzt einer großen Mauer (Turandot) und einem von zwei Händen in die Luft gewirbelten Kartenspiel (Carmen), beherrscht für Rigoletto eine marionettenhafte Kopie der Titelfigur in Form eines großen Clownkopfs, umsäumt von zwei Fäusten die von Philipp Stölzl und Heike Vollmer konzipierte Bühne. In seiner linken Hand (vom Publikum aus gesehen rechts) hält diese einen riesigen, gelb grau gestreiften Fesselballon. In dessen Korb können drei Personen fliegen und dies tut er im Laufe der Vorstellung spektakulär. Zu sehen sind im Korb maximal zwei Personen, doch für Gildas, in dieser Form sicher noch nie dagewesenen, Entführung lohnt es sich, hier genau hinzu schauen…

Viel Technik steckt in der anderen flexiblen Hand, deren Finger einzeln bewegbar sind. Hauptelement des rund 8 Millionen teuren Bühnenbilds ist der 40 Tonnen schwere Kopf, ein Stahlkonstrukt, das mit Holz ausgestattet und mit Styropor verkleidet wurde. Der äußere Eindruck eines Holzkopfes täuscht geschickt, handelt es sich doch um wetterfest aufgebrachte Farbe. Mit seiner Ausdrucksstärke und Wandelbarkeit (bis hin zum Fratzenhaften und zum Totenschädel) ist er der heimliche Star der Inszenierung. Mit großen Kulleraugen schafft er es, unterschiedliche Emotionen darzustellen: freudig, traurig, ganz nach der jeweiligen Situation. In ihm finden nicht nur bis zu 13 Personen Platz, auch auf seiner Stirn und seinen Ohren wird gespielt. Besonders beeindruckend ist die Szene, wenn dort hoch oben der Herzog in einer Hängematte chillt (und zugleich tragisch, da zeitgleich unten Rigoletto seine sterbende Tochter in den Armen hält).


Rigoletto
Bregenzer Festspiele
Gilda (Mélissa Petit), Rigoletto (Vladimir Stoyanov)
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Stölzels Inszenierung bietet durchgehend sehr viel an starken und bühnenwirksamen Momenten, es ist ein Fest der perfekten Unterhaltung. Die Pagen des Herzogs sind Schergen in Affengestalt, die mit artistischem Geschick fantastisch bewegungsstark agieren. Wer überflüssig ist, wird von ihnen kurzerhand über die Reeling in den See geworfen und so entsorgt (Stunt- und Bewegungsregie: Wendy Hesketh-Ogilvie). Einen großen Anteil am überwältigenden szenischen Eindruck haben auch die zahlreichen Mitglieder vom Wired Aerial Theater, egal ob sie per Handstand über die Bühne laufen, den hoch oben schwebenden Ballonkorb erklimmen oder auf Rigolettos Kopf Schabernack treiben.


Rigoletto
Bregenzer Festspiele
Der Herzog von Mantua (Stephen Costello; Mitte) und Ensemble
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Trotzdem verzichtet Stölzl nicht auf intime, sehr berührende Momente (wenn etwa Gilda von ihrem Studenten träumt). Er folgt hier ganz der Musik Giuseppe Verdis, bei der bei den heiteren Melodien dennoch schon Rigolettos Schmerz und Wehmut dezent mitschwingen.
Auch die Ausleuchtung sorgt für Dramatik: Wird Rigoletto verflucht, färbt sich die Szenerie blutrot (Licht: Georg Veit und Phillipp Stölzl). Zeitgleich zerreißt die Bühne, die als seine Halskragen gesehen werden kann, von nun an steht ihm das Wasser bis zum Hals.


Rigoletto
Bregenzer Festspiele
Gilda (Mélissa Petit)
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Die Rollen sind ob der vielen Spieltermine mehrfach besetzt. Die Auswahl derjeniger, die bei der Premiere sangen, beinhaltet keine Wertung hinsichtlich der weiteren Besetzungen. In der Titelrolle des übermütigen, gleichfalls manisch verunsicherten Hofnarren Rigoletto sorgt der bulgarische Bariton Vladimir Stoyanov für große Momente. Wie auch die Gilda der aus Südfrankreich stammenden Sopranistin Mélissa Petit (am eindrucksvollsten mit der hoch oben im aufgestiegenen Ballonkorb gesungene Arie „Caro nome“). Als auf die Gefühle seiner Mitmenschen mit Verachtung herabblickende Herzog, der dafür umso mehr der Reihe nach Frauenherzen erobert, glänzt der US-amerikanische Tenor Stephen Costello mit großer darstellerischer Präsenz und stimmloicher Vitalität. Wenn er seine legendäre Arie „La donna è mobile“ singt, hängen, angelehnt an ein Mobile, vier mehrbrüstige Frauen in kurzen Tanztrikots an den Fingern der beweglichen Hand. Ein Bild, das bei aller Komik auch unter die Haut geht. Im Totenkostüm tritt der Auftragsmörder Sparafucile (mit fundiertem Bass: Miklós Sebestyén) auf. Als seine Schwester, wie auch Gildas Gouvernante Giovanna, überzeugt die Mezzosopranistin Katrin Wundsam. Mit stimmlicher Autorität glänzt der Graf von Monterone des litauischen Bass Kostas Smoriginas.


Rigoletto
Bregenzer Festspiele
Ensemble
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Der italienische Dirigent Enrique Mazzola ist seit der Saison 2012/2013 Künstlerischer Leiter und Musikdirektor des Orchestre National d’Île de France, seit der Saison 2018/2019 ist er zudem Erster ständiger Gastdirigent der Deutschen Oper Berlin. Die Wiener Symphoniker spielen (im Festspielhaus) unter seiner Leitung prägnant und leidenschaftlich. Sie betonen die Vielschichtigkeit von Verdis Musik ausgezeichnet. Die von Lukáš Vasilek und Benjamin Lack einstudierten Chöre (Prager Philharmonische Chor und der Bregenzer Festspielchor) fügen sich, wie auch die in Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium erarbeitete Bühnenmusik homogen ein.

Neu zu erleben ist ab diesem Jahr das überarbeitete Soundsystem der Bregenzer Festspiele, für das rund 2,5 Millionen Euro investiert wurden. Das vor 15 Jahren eigens für die Bregenzer Festspiele entwickelte BOA-Tonsystem (Bregenz Open Acoustics) wurde weiterentwickelt. BOA 2.0 berücksichtigt mit neuen Lautsprechertürmen (anstelle des Lautsprecherbands) insbesondere die fortgeschrittene Digitaltechnik. So können Richtungshören, Effektbeschallung (hier zum Beispiel Donner und Klopfgeräusche) und akustische Raumsimulation noch authentischer miteinander verwoben werden.

Zum Schluss der pausenlosen zweistündigen Aufführung setzt Stölzl ein weiteres Highlight: Gildas Seele entschwebt friedlich gen Himmel. Von diesem poetischen Schlussbild berührt, folgte bei der besuchten Premierenvorstellung seitens der knapp 7000 Zuschauer kräftiger Applaus für dieses Maßstäbe setzende Gesamtkunstwerk.

Markus Gründig, Juli 19


Im Festspielhaus zeigen die Bregenzer Festspiele dieses Jahr Jules Massenets Oper Don Quichotte und darüber hinaus gibt es bis zum 18. August ein umfangreiches Zusatzprogramm (wie Don Quijote mit Ulrich Mathes und Wolfram Koch, Eugen Onegin, Konzerte u.v.m.).
Noch gibt es Karten für die diesjährigen Aufführungen von Rigoletto (auch wenn am Tag der Premiere bereits 95% verkauft waren).
Der Vorverkauf für Rigoletto, Nero und die Orchesterkonzerte in 2020 startet am 18. August 19 (um 21.00 Uhr).
Viel zu entdecken gibt es auch in der Urlaubsregion Vorarlberg.


Rigoletto
Oper in drei Akten

Von: Giuseppe Verdi
Libretto: Francesco Maria Piave nach Victor Hugos Le Roi s’amuse (1832)

Premiere bei den Bregenzer Festspielen: 17. Juli 19

Musikalische Leitung: Enrique Mazzola
Inszenierung: Philipp Stölzl
Bühne: Philipp Stölzl, Heike Vollmer
Kostüme: Kathi Maurer
Licht: Philipp Stölzl, Georg Veit
Stunt- und Bewegungsregie: Wendy Hesketh-Ogilvie
Mitarbeit Regie: Philipp M. Krenn
Dramaturgie: Olaf A. Schmitt

Besetzung:

Der Herzog von Mantua: Stephen Costello | Sergey Romanovsky | Pavel Valuzhin
Rigoletto: Scott Hendricks | Vladimir Stoyanov | Franco Vassallo
Gilda: Stacey Alleaume | Mélissa Petit | Ekaterina Sadovnikova
Sparafucile: Goderdzi Janelidze | Miklós Sebestyén
Maddalena | Giovanna: Rinat Shaham | Katrin Wundsam
Der Graf von Monterone: Jordan Shanahan | Kostas Smoriginas
Marullo: Liviu Holender | Wolfgang Stefan Schwaiger
Borsa: Taylan Reinhard | Paul Schweinester
Der Graf von Ceprano: Jorge Eleazar | David Oštrek
Die Gräfin: Gloria Giurgola | Léonie Renaud
Page: David Kerber | Hyunduk Kim

Wiener Symphoniker
Prager Philharmonischer Chor
Bregenzer Festspielchor
Wired Aerial Theatre | Statisten
Bühnenmusik in Kooperation mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium


bregenzerfestspiele.com