Trotz geplatztem Traum zum gesellschaftlichen Aufstieg: »Life Is But A Dream« am Schauspiel Frankfurt

Life Is But A Dream ~ Schauspiel Frankfurt ~ Melanie Straub, Anna Böger, Wolfgang Vogler, Michael Schütz, Christina Geiße ~ Foto: Felix Grünschloß

Fjodor Michailowitsch Dostojewski ist der meistbeachtete russische Schriftsteller. Existenzielle Fragen wusste er fesselnd und unterhaltsam darzustellen. Seine großen Romane Dämonen, Der Idiot und Schuld und Sühne waren bereits im Schauspielhaus zu sehen. Seine Novelle Onkelchens Traum fällt gegenüber diesen Dramen aus dem Rahmen. Sie ist nicht nur sehr viel kürzer, sondern auch eher eine Farce. Dazu ist sie weitestgehend unbekannt und wird auch nur sehr selten für die Bühne adaptiert. Dabei eignet sie sich ob ihres possenhaften Charakters par excellence für eine szenische Umsetzung als Boulevardstück.

Ganz in diesem Sinne hat Regisseurin Barbara Bürk jetzt eine von ihr erstellte Fassung unter dem Titel Life Is But A Dream in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt vorgestellt. Hier inszenierte sie bereits 2020 Eduard Keyserling Am Südhang und 2021 Irmgard Keuns Nach Miternacht. Trotz eigenem Titel ist ihre Umsetzung recht originalgetreu. Und mit viel Slapstick und etwas Travestie ist sie hinreißend komisch.

Life Is But A Dream
Schauspiel Frankfurt
Christina Geiße, Uwe Zerwer
Foto: Felix Grünschloß

Der Inhalt ist kurz und einfach zu verstehen. Eine berechnende, skrupellose Mutter bemüht sich eifrig, ihre erwachsene Tochter an einen alten, aber finanzstarken Mann zu vermitteln. Das geht gehörig schief (nicht zuletzt wegen eines vermeintlichen Traums).

Der verwendete Titel Life Is But A Dream ist prägnanter und zeitgemäßer als Onkelchens Traum. Es gibt u. a. einen Song der US-amerikanischen Doo-Wop-Gruppe Harptones aus den 1950er Jahren, der so heißt. Gleichfalls erinnert der Titel an Pedro Calderóns Versdrama Das Leben ist ein Traum.

Life Is But A Dream
Schauspiel Frankfurt
Melanie Straub, Ensemble
Foto: Felix Grünschloß

Zu Beginn steht auf der Bühne allein ein Klavier nebst kleinem Keyboard. Auf ihm spielt der Musiker Markus Reschtnefki zunächst klassische Musik, einer Ouvertüre gleich. Bühnenmitarbeiter schieben eine Küchenzeile herein, rollen einen Teppich aus und stellen ein Sofa und zwei Sessel auf ihm ab. Fertig ist der Salon von Mutter Marja. Die restliche Ausstattung wird erzählerisch dargeboten (bewusst konträr zur gezeigten Realität). Die Kleidung der Figuren ist heutig, mit Bezügen zu den schrillen 1970er-Jahre (Bühne und Kostüme: Anke Grot).

Life Is But A Dream
Schauspiel Frankfurt
Torsten Flassig, Ensemble
Foto: Felix Grünschloß

Schrill und plakativ ist auch die temporeiche Inszenierung von Barbara Bürk. Das Ensemble ist von Anfang an mit hoher Energie dabei, zum Teil gibt es Mehrfachbesetzungen. Die detaillierten Charakterbeschreibungen Dostojewskis werden treffend hervorgehoben. Die ehrgeizige Mutter und erste Dame im Städtchen Mordassoff, Marja Alexandrowna, gibt mit kontrolliert dargebotener vornehmer Attitüde Christina Geiße. Dennoch hat sie schwache Stellen: Wird sie verbal angegriffen, kann sie gehörig fauchen. Ihre äußerst attraktive und besonnene Tochter Sina gibt im engen, kurzen Kleid Melanie Straub. Marjas eigensinnigen und ob seines dummen Geredes mit einem Redeverbot belegten Gatten Afanassij Matwejewitsch verkörpert Uwe Zerwer mit viel Würde. Noch stärker nimmt er als beleidigte und echauffierte Nebenbuhlerin Anna Nikolajewna Antipowa für sich ein. Die ersten Lacher kann Wolfgang Vogler als intriganter Pawel (Paul) Alexandroeitsch mit seinem glitzernden Gürtel und seiner blonden Haarpracht für sich verbuchen. Das erste Schmunzeln Anna Böger als Haushälterin Nastasja, wenn sie den zusammengekehrten Dreck einfach unter den Teppich kehrt. Torsten Flassig gibt zunächst charmant und souverän den Erzähler, später die dickliche Frau des Staatsanwalts Natalja Dmitrijewna und den todkranken Lehrer Wassja. Daneben singt er klangschön den Titelsong.

Den Vogel schießt Michael Schütz als der sehr auf sein Äußeres bedacht Fürst K., der besagte Onkel, ab. Äußerlich hat die Maske ganze Arbeit geleistet. Glatze und Perücke, strahlendes Gebiss, ein Buckel, er ist kaum wiederzuerkennen. Wenn er körperlich geschwächt stets in Gefahr ist zu stürzen und dazu extrem vergesslich ist, wirkt das einerseits sehr lustig, andererseits aber auch ernüchternd real der Wirklichkeit im Alter nachempfunden.

Das Publikum ist trotz vorhersehbarer Geschehnisse die ganzen 105 pausenlosen Minuten gebannt dabei. Zum Ende gibt es einen Kostümwechsel zu festlichen Kleidern und das Geschehen löst sich schnell auf: Sina hat mit der Heirat eines reifen Generalgouverneurs ihren finanziellen Aufstieg geschafft. Bei der Premiere folgte lang anhaltender Applaus für diesen etwas anderen Dostojewski.

Markus Gründig, Januar 23


Life Is But A Dream

Nach der Erzählung »Onkelchens Traum« von Fjodor M. Dostojewski

Premiere am Schauspiel Frankfurt: 20. Januar 23 (Kammerspiele)

Regie: Barbara Bürk
Bühne und Kostüme: Anke Grot
Musik: Markus Reschtnefki
Dramaturgie: Julia Weinreich

Mit: Anna Böger, Torsten Flassig, Christina Geiße, Michael Schütz, Melanie Straub, Wolfgang Vogler, Uwe Zerwer und Markus Reschtnefki (Live-Musik)

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