Und wer dir seine Brust erschließt,
O tu ihm, was du kannst, zu lieb!
Und mach ihm jede Stunde froh,
Und mach ihm keine Stunde trüb. (Ferdinand Freiligrath)
Im Foyer wartende Zuschauer sind an sich nicht ungewöhnlich. Beim jüngsten Liederabend warteten die Zuschauer jedoch vor geschlossenen Saaltüren. Glück für diejenigen, die knapp bzw. leicht verspätet eintrafen. Als Grund für die knapp 15-minütige Verspätung nannte Dramaturg Zsolt Horpacsy einen Fehler der Firma, die beauftragt war, den benötigten Steinway-Flügel vom 7. Stock rechtzeitig auf die Bühne zu transportieren. Der guten Stimmung konnte dies nichts anhaben.
Für fünf Spielzeiten war die lyrische Sopranistin Louise Alder Ensemblemitglied der Oper Frankfurt (von 2014/15 bis 2018/19). In dieser Zeit hat sie sich mit ihrer samtigen Stimme und herzlichen Art beim Publikum beliebt gemacht. U.a. als Cleopatra (Giulio Cesare in Egitto), Atalanta / Romilda (Xerxes), Susanna (Le nozze di Figaro), Despina (Così fan tutte), Pamina (Die Zauberflöte), Gretel (Hänsel und Gretel), Gilda (Rigoletto), Sophie (Werther), Füchsin Schlaukopf (Das schlaue Füchslein), Sophie (Der Rosenkavalier) und zuletzt Monica (The Medium).
Nachdem sie im Oktober 2014 bereits kurzfristig für die damals erkrankte Julia Kleiter einen Liederabend an der Oper Frankfurt gestaltete (gemeinsam mit Bariton Björn Bürger und Helmut Deutsch am Klavier), ist sie jetzt erneut eingesprungen (nun für den erkrankten französischen Tenor Stanislas de Barbeyrac).
Die gebürtige Britin und Wahlfrankfurterin präsentierte, in einem eleganten roten Abendkleid, ein breit gefächertes und anspruchsvolles Programm mit Liedern der Romantik und der Klassik (Schubert, Mendelsohn, Strauss, Hensel und Liszt), davon gut die Hälfte auf Deutsch, dazu etwas französisch (Liszt), polnisch (Chopin) und italienisch (Puccini, Verdi und Rossini; kein muttersprachliches Lied im offiziellen Programmteil). Immer wiederkehrendes Thema: Die Liebe in ihren vielen Facetten.
Was besonders überraschte war, dass es schien, als hätte sie sich seit langem für den Abend vorbereiten können, denn sie sang ihre zwei Dutzend Lieder frei von ausliegenden Noten (lediglich für zwei Lieder von Frédéric Chopin auf Polnisch hielt sie lässig Notenblätter in den Händen). Dass sie dieses Programm so souverän hat abrufen können, zeugt von ihrem großen Talent. Im August hatte sie es gemeinsam mit Pianist Gary Matthewman bei den „Live at BBC Proms from Cadogan Hall“ in London gegeben.
Louise Alder begann Ihren Frankfurt-Abend mit einem der beliebtesten Lieder Franz Schuberts, mit seinem Charakterstück „Gretchen am Spinnrade („Mein Ruh´ist hin“). Mit Drängen und Dramatik untermauerte sie die Unruhe der verliebten Frau und vermittelte weniger die manische Gewalt der Gefühle. Umso liebreizender, zudem ihre wunderbare lyrische Qualität hervorhebend, gestaltete sie mit feinem Timbre „Nacht und Träume“, den hymnischen Charakter dieses Kleinods vorführend.
Richard Strauss´ Drei Lieder der Orphelia“ gestaltete Sie ausdrucksstark und vielseitig. Wie bei allen anderen auch hier mit guter Textverständlichkeit, da machte sich hörbar, dass sie inzwischen in Deutschland lebt. Als Raritäten vor der Pause stellte sie drei Lieder von Fanny Hensel, der älteren Schwester von Mendelssohn, vor. Lieder von Frauen sind im klassischen Liederabendrepertoire im Prinzip nicht existent, die Frauenquote ist äußerst marginal. Das heitere „Nach Süden“ mit seinem Ende „Jetzt aber hinaus! hinaus“ passte dann natürlich sehr gut als letztes Lied vor der Pause.
Ihr großes Stimmvolumen ließ Alder immer wieder durchscheinen, so auch bei den Liedern von Franz Liszt. Mit ariosen Zügen aufblühend etwa „O lieb, so lang du lieben kannst“ . Wunderbar schwungvoll gab sie Chopins Mazurka „Mein Geliebter“ (es spricht für Alder, dass sie Chopin auf Polnisch sang). Keck hingegen Verdis volksliedhaftes Stornello („Tu dici che non m’ami“) und gewitzt und mit Fledermaus-Attitüde „Der Schornsteinfeger“ (durch den Walzer-Refrain). Am Ende des für Frankfurt besonders passenden internationalen Programms, Rossinis Canzonetta spagnuola, bei dem Louise Alder ihre warmherzige Stimme zum Glühen brachte.
Elegant im Frack gab sich Gary Matthewman am Klavier, mit schönen Akzentuierungen und großem Feingefühl aufspielend. Die beiden harmonierten ausgesprochen gut miteinander und benötigten kaum Blickkontakt.
Kein Wunder, dass der Applaus ob des emphatischen Vortrags am Ende stark war. Beide bedankten sich mit vier Zugaben. Darunter auch das englische Lied „Fair House of Joy“ und das schwebend leicht vorgetragene „À Chloris“.
Markus Gründig, November 19
Die Zugaben:
Roger Quilter (1877-1953): „Fair House of Joy“ aus 7 Elizabethan Lyrics, Op.12
Léo Delibes (1836-1891): „Les filles de Cadix“ (Lied, 1874)
Reynaldo Hahn (1874-1947): „À Chloris“ (1913) aus dem Liederzyklus 20 Mélodies II
Giacomo Puccini (1858-1924): Arie der Magda („Chi il bel sogno di Doretta“) aus dem I. Akt der Oper La rondine (1917)