»Rigoletto«: Clownesker Schreckenstrip mit vokalen Highlights am Staatstheater Wiesbaden

Rigoletto ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Rigoletto (Vladislav Sulimsky), Ensemble (Foto: Karl & Monika Forster)

kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Hofnarr Rigoletto hat es nicht leicht. Nicht nur, weil sein Arbeitgeber von einem starken Donjuanismus und tyrannischen Zügen geprägt ist, er selbst wird allein schon wegen seines Buckels zum Gespött der Leute. Wobei er selber auch gerne austeilt und sich auf Kosten anderer lustig macht. In der Neuinszenierung des Staatstheater Wiesbaden verzichtet Regisseur (und Intendant) Uwe Eric Laufenberg, Rigoletto mit einem Buckel auszustatten. Dafür stellt er ihm aber eine Clownpuppe an die Seite. Und dies ist kein freundlicher Clown aus dem Kaspertheater, eher eine Fratze aus einem Horrorfilm, mit breitem Mund, furchterregendem Blick und zerzausten roten Haarbüscheln. Diese Puppe unterstreicht seinen Charakter, wenn er sich beispielsweise über den Graf von Ceprano (Frederic Mörth) lustig macht. Später verfolgt ihn diese Puppe. So tragen die Höflinge im 2. Akt eine etwas kleinere derartige Puppe vor ihrem Latz, halten ihm gewissermaßen einen Spiegel vor, wie auch bei der sterbenden Gilda am Ende eine derartige Puppe den imaginären Bogen schließt (im Programmheft zeigt eine Abbildung bereits die Figur des Hofnarren Triboulet, zur Uraufführung von Victor Hugos Dramenvorlage »Le Roi sámuse«, mit einer Clown-Figurine, insoweit ist der zusätzlich Clown aufführungshistorisch legitimiert).

Der Clown kommt bereits bei der Ouvertüre zum Einsatz. Während dieser ist zunächst ein schwarzer Leichensack in der Bühnenmitte zu sehen und man ist geneigt zu denken, die Geschichte wird vom Ende her aufgerollt. Doch nein, die darin liegende Frau lebt und ihr Mann kann sie wieder in die Arme nehmen, es war nur ein makabrer Spaß Rigolettos.
Regisseur Uwe Eric Laufenberg und Bühnenbildner Gisbert Jäkel geizen nicht mit plastischen Bildern. Der Palazzo des Herzogs ist herrschaftlich groß und gleicht mit seinen erotischen Gemälden aus unterschiedlichen Zeitepochen und der Skulptur eines erigierten Penis einem Edelbordell. Wie auch die dort beschäftigten weiblichen Bedienungen püppchenhaft und äußerst reizvoll in schwarzer Lackmontur, Lederstiefeln und einheitlicher Frisur auftreten (zwei von ihnen fungieren auf dem Boden liegend/kniend als Sitz und Tisch; Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer). Im zweiten Akt ist des Herzogs Lustzimmer gar als große Bühne angedeutet, über der die Ziffern einer Uhr zwölf verschiedene Liebespositionen zeigen. Die Schlichtheit von Rigolettos Haus ist nur durch die Fenster von dessen ersten Obergeschoss zu sehen. Noch nüchterner ist der öde Platz am Ufer des Mincio ausgefallen. Sparafuciles Landhaus ist hier ein verkommener Wohnwagen vor dem abgenutzte Sesseln stehen und der von Müll umgeben ist.


Rigoletto
Staatstheater Wiesbaden
Herzog von Mantua (Ioan Hotea), Gräfin Ceprano (Isolde Ehinger), Ensemble
Foto: Karl & Monika Forster

Der plakativen Optik folgt auch das Dirigat von Will Humburg, der gemeinsam mit dem Hessischen Staatsorchester Wiesbaden den emotionalen Kern von Verdis populärer Oper groß herausarbeitet. Es ist vor allem die sängerische Seite, die stark überzeugt. Vor allem durch den Bariton Vladislav Sulimsky in der Titelrolle, der sich im April 2018 am Staatstheater Wiesbaden als Renato in Verdis Un ballo in maschera erstmals vorgestellt hat. Im Juni wird er sein Debüt an der Wiener Staatsoper geben (als Jago in einer Neuproduktion von Verdis Otello). Die Rolle des Rigoletto verkörperte er bereits an der schwedischen Oper Malmö, beim Open-Air-Opern-Festival Oper im Steinbruch St. Margarethen und am Mariinski-Theater in Sankt Petersburg, doch von Routine keine Spur. Rigolettos Leid, sein fast schon wahnhaftes Beschützen der Tochter vermittelt er eindringlich und besticht mit seiner voluminösen Baritonstimme, die er perfekt zu dosieren weiß.
Tenor Ioan Hotea verführt charmant und lüstern als Herzog von Mantua reihenweise Frauen, die ihm stets widerstandslos verfallen. Seinen tenoralen Schmelz und seine stimmliche Strahlkraft führt er mit der Arie „Ella mi du rapita…“ bei herabgelassenem Vorhang an der Rampe mit vornehmer Zurückhaltung vor. Die bekannte Kanzone „La donna è mobile“ folgte später umso publikumswirksamer. Sehr von sich überzeugen kann auch Sopranistin Cristina Pasaroiu als Rigolettos Tochter Gilda, auch wenn ihre Stimmfarbe nicht ganz so hell ist, wie es für die unschuldige Gottesdienstbesucherin vorstellbar ist. Diesem herausragenden Trio schließen sich die weiteren SängerInnen trefflich an, wie Young Doo Park als Auftragsmörder Sparafucile, Silvia Hauer als Sparafuciles Schwester Maddalena, Thomas de Vries als vehementer Graf von Monterone und Elisabeth Bert als Gildas Gesellschafterin Giovanna.

Nach sehr viel Zwischenapplaus folgte am Ende starker Schlussapplaus und zahlreiche Bravo-Rufe.


Markus Gründig, Januar 19


Rigoletto
Staatstheater Wiesbaden
Gilda (Cristina Pasaroiu)
Foto: Karl & Monika Forster

Rigoletto
Oper in drei Akten

Von: Giuseppe Verdi

Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 19. Januar 19 (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Will Humburg
Inszenierung: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Gisbert Jäkel
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Licht: Andreas Frank
Chor: Albert Horne
Dramaturgie: Katja Leclerc

Besetzung:

Der Herzog von Mantua: Ioan Hotea
Rigoletto: Vladislav Sulimsky / Aluda Todua / Ludovic Tézier
Gilda: Cristina Pasaroiu / Gloria Rehm
Sparafucile: Young Doo Park
Maddalena: Silvia Hauer
Graf von Monterone: Thomas de Vries
Marullo: Daniel Carison
Borsa: Erik Biegel
Graf von Ceprano: Frederic Mörth
Gräfin Ceprano: Isolde Ehinger
Giovanna: Elisabeth Bert
Gerichtsdiener: Aldomir Mollov
Page des Herzogs: Izumi Shibata / Izumi Shibata

Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden

www.staatstheater-wiesbaden.de