Staatstheater Mainz spürt mit »Nach dem Olymp« nach, wie Spitzensportler mit der Beendigung ihrer Karriere fertig werden

Nach dem Olymp ~ Staatstheater Mainz ~ Monika Dortschy ~ © Andreas Etter)

Solang Siege eingefahren werden, sei es bei deutschen oder internationalen Meisterschaften oder gar bei den Olympischen Spielen, stehen die Erstplatzierten im Mittelpunkt. Wenn Talent, hartes Training und auch ein Quäntchen Glück zusammenfallen, tun sie dies sogar über mehrere Jahre. So wie Tennisstar Steffi Graf, Schwimmerin Franziska von Almsick, Turner Fabian Hambüchen oder Ringer Alexander Leipold. Manche werden gar, so wie Boris Becker, als „Legende des Sports“ ausgezeichnet. Doch selbst für die großen Stars des Sports ist irgendwann Schluss mit der aktiven Karriere und es stellt sich die Frage,“ was nun?“

Die sportaffine Regisseurin Jana Vetten ist bei der Stückentwicklung Nach dem Olymp gemeinsam mit vier Ensemblemitglieder des Staatstheater Mainz genau dieser Frage nachgegangen. Hierfür wurde die Spielstätte U17 in eine kleine Sportarena (Dome) verwandelt. Im Blickfang steht mittig ein hoch positionierter Boxring, über dem zwei Bildschirme positioniert und an dessen Seite eine Garderobenbank und ein Schminktisch aufgestellt wurden. Die vier Protagonisten erscheinen zunächst in legeren Joggingoutfits und passen sich dann optisch den von ihnen verkörperten Sportlern an (Ausstattung: Eugenia Leis). Kurze Videoprojektionen untermauern das Geschehen (Video: Gerald Sommerauer), ebenso markant gesetzte Soundeinspielungen (Musik: Fabian Kalker).


Nach dem Olymp
Staatstheater Mainz
Monika Dortschy, Mark Ortel, Lorenz Klee
© Andreas Etter

Schlaglichtartig werden verschiedene Szenarien gezeigt. Beispielsweise eine Pressekonferenz, bei der das Ende der aktiven Karriere verkündet wird. Auch heikle Themen, wie Doping und die Macht der Manager und Trainer werden thematisiert. Aus zunächst allgemeinen Bekundungen wird das Stück mit dem Blick auf einzelne Sportler deutlich konkreter. Dies sind Monika Dortschy als Eiskunstläuferin (in einem niedlichen Tüllkleid mit goldenen Palmen), Sebastian Brandes als mit Testosteron vollgepumpter extrovertierter und siegreicher „böse“ Wrestler, Lorenz Klee als ratloser Tennisspieler, der alles gegeben hat und am Ende sein Menschsein verloren hat (und als Ringrichter), sowie Mark Ortel als sich schindender Radrennfahrer (und „guter“ Wrestler). Jeder dieser Einzelsportler hat seine eigene Biografie, die wechselseitig erzählt wird. Dabei kommt zur Sprache, was bei der normalen Sportberichterstattung ausbleibt: die Schattenseiten im Leben eines Spitzenathleten). Keine Freunde, da ständig nur in Schule (und dann noch ohne hohen Abschluss) oder im Training, beim miesesten Wetter rein aus eiserner Disziplin rauf aufs Rad und auf die harte Straße, die Ungewissheit, wie es weitergehen soll und die pure Angst, durch den Sport zum Krüppel und zur Belastung für die Familie zu werden.


Nach dem Olymp
Staatstheater Mainz
Mark Ortel, Sebastian Brandes
© Andreas Etter

In der 80-minütigen Aufführung gibt es als Höhepunkt einen großen Wrestling-Schaukampf, bei dem Sebastian Brandes und Mark Ortel und einen authentischen Wrestling Kampf vermitteln. Schonungslos fallen sie übereinander her, lassen die Bodenbretter ordentlich knallen, um alles als abgekartetes Spiel zu zeigen und dann wieder weiterzukämpfen. Erfolgreiche Attacken werden, wie bei Wrestlingkämpfen üblich, namentlich bezeichnet (wie „Bodyslam“ oder „Scorpion Death Lock“). Für diese Kampfszenen haben sie sicher intensiv trainiert, um gegenseitige Verletzungen zu vermeiden.

Ihr Spiel wird von der resoluten Monika Dortschy unterbrochen, die die beiden Kämpfer kurzerhand aus dem Boxring wirft. Ihr Echauffieren über die patriarchalische Sportwelt (inklusive der Sexismusvorwürfe bei der diesjährigen Leichtathletik WM in Doha) münden in einem innig dargebotenen Sportlerinnenporträt. Ohne Namen zu nennen, geht es hierbei um die „Eishexe“ Tonya Harding. Diese wurde im Zusammenhang mit der Eisenstangenattacke auf die Eiskunstläuferin Nancy Kerrigan (vor den Olympischen Winterspiele in Lillehammer 1994) vom US-Verband der Eiskunstläufer lebenslänglich von Wettkämpfen ausgeschlossen und musste zudem wegen vorsätzlicher Behinderung der Ermittlungen eine hohe Geldstrafe zahlen, weshalb sie ins Musikbusiness und in die Erotikbranche wechseln musste. Am Ende bekennt sie als trauriges Resümee ihres Lebens: „ich habe ein gutes Herz“. Auch wenn das Thema verfrühter Feierabend allgemeingültig interpretiert werden kann, ist diese Stückentwicklung vor allem für Sportinteressierte spannend.

Am Ende langer und intensiver Applaus für das Schlaglicht auf die andere Seite des Spitzensports.

Markus Gründig, November 19


Nach dem Olymp

Stückentwicklung

Von: Jana Vetten und Ensemble

Premiere/Uraufführung am Staatstheater Mainz: 28. November 19 (U17)

Inszenierung: Jana Vetten
Ausstattung: Eugenia Leis
Musik: Fabian Kalker
Choreografie: Erin Hill
Video: Gerald Sommerauer
Licht: Jürgen Sippert
Dramaturgie: Boris C. Motzki

Besetzung:

Eiskunstläuferin: Monika Dortschy
Wrestler: Sebastian Brandes
Tennisspieler: Lorenz Klee
Radrennfahrer: Mark Ortel

staatstheater-mainz.de