Am Abend vor dem Tag der Deutschen Einheit hatte Friedrich Schillers dramatisches Gedicht Wallenstein Premiere am Staatstheater Wiesbaden. Gedicht ist hier nicht als kurzer Vortrag zu verstehen, im Gegenteil. Eine Aufführung der Wallenstein-Trilogie kann gerne auch einmal fast das Format eines Wagnerschen RING-Zyklus haben. In der Inszenierung von Nicolas Brieger am Staatstheater Wiesbaden beträgt die Spieldauer viereinhalb Stunden (inklusive einer Pause). Es sind sehr intensive und konzentrierte Stunden. Schließlich passiert bei diesem Epos nicht wirklich viel, dafür wird umso mehr geredet.
Die Deutsche Einheit war zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) noch kein Thema. Und doch gibt es zwischen dem Feldherrn und Politiker Wallenstein, einem der bekanntesten Persönlichkeiten dieser Zeit, und uns heute etliche Bezüge. Wie auch Kriege nie aufgehört haben zu existieren.
Musikalische Kommentare eines Bänkelsängers
Nicolas Brieger, der im Sommer in Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung von Shakespeares König Lear in der Titelrolle am Staatstheater Wiesbaden zu erleben war, zeigt das Epos auf einer nahezu leeren Spielfläche. Diese befindet sich auf dem abgedeckten Orchestergraben und wurde in den Saal hin verlängert. Das Publikum sitzt zusätzlich auf einer Tribüne hinter dieser Spielfläche. Da dem Haus derzeit noch strenge Auflagen vorgegeben sind, gibt es zwischen den Sitzplätzen noch sehr viel Platz. Die zusätzliche Tribüne ersetzt einen Teil der entfallenen Sitzplätze. Und ab dem 16. Oktober kann das Haus wieder eine 100%-ige Auslastung bieten. Die Spielfläche ist für die DarstellerInnen von mehreren Seiten zugänglich. Auf ihr befinden sich nur ein paar rote Kartons als Sitzfläche. Aus dem Universum ragt ein Rohr hinein, es erweist sich als Rohrpost mit dem die schicksalsträchtigen Nachrichten eintreffen (Bühne: Raimund Bauer). Grautöne bestimmen die Kleidung aller. Auf direkte Armeestile wurde dabei verzichtet (Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer). Zu Beginn und Ende zeigt Nicolas Brieger alle Soldateska, als tierische Objekte, die übereinander herfallen.
Für Auflockerungen des Gesprochenen sorgt die zusätzlich die Figur eines Bänkelsängers. Bernhard Moshammer kommentiert vielseitig mit Gesang und Musik das Geschehen.
Tom Gerber in der Titelrolle
Den zaudernden, Astrologie affinen und uneinsichtigen Feldherrn Wallenstein verkörpert mit Anmut, Stolz und virtuos Tom Gerber. Den nicht gerade kurzen Text spricht er allzeit fesselnd und überaus nuancenreich. Jürg Wisbach ist sein besonnener Widersacher Ottavio Piccolomini. Mit passend aufbrausender jugendlicher Attitüde gibt Lukas Schrenk seinen Sohn Max. Für die Trauer von Wallensteins Tochter Thekla (Maria Wördemann) um den verstorbenen Max gibt es ein drastisches Bild, das in Erinnerung bleiben wird: Die beiden befinden sich blutverschmiert in einer Art Kokon, aus dem Thekla ihn und sich befreit und ihn dann auf ihren Schultern davon trägt.
Der Gräfin Terzky der Sybille Weiser hebt sich ob ihres modern wirkenden Auftretens von all den Generälen und Soldaten ab. Das liegt nicht nur in ihrem fast schon an ein Geschäftskleid anmutenden Kostüm, sondern auch an ihrer natürlichen Art zu sprechen. Forsch ist der Buttler des Hanno Friedrich. Erheiternd die Szene mit dem Auftreten der Auftragsmörder Deveroux (Matthias Lamp) und MacDonald (Noah L. Perktold). Desweiteren sind dabei: Philipp Appel, Christian Klischat, Benjamin Krämer-Jenster, Martin Plass, Felix Strüven und Matze Vogel.
Viel Applaus für diese Umsetzung des monumentales Stücks.
Markus Gründig, Oktober 21
Wallenstein
Ein dramatisches Gedicht
Von: Friedrich Schiller
Uraufführungen:
Wallensteins Lager: 12. Oktober 1798 (Weimar, Hoftheater)
Die Piccolomini: 30. Januar 1799 (Weimar, Hoftheater)
Wallensteins Tod: 20. April 1799 (Weimar, Hoftheater)
Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 2. Oktober 21 (Großes Haus)
Regie: Nicolas Brieger
Bühne: Raimund Bauer
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Musik: Bernhard Moshammer
Dramaturgie: Anika Bárdos
Theaterpädagogik: Luisa Schumacher
Besetzung:
Wallenstein: Tom Gerber
Ottavio Piccolomini: Jürg Wisbach
Max Piccolomini / Schwedischer Hauptmann: Lukas Schrenk
Graf Terzky: Christian Klischat
Illo: Matze Vogel
Isolani / Deveroux: Matthias Lamp
Buttler: Hanno Friedrich
Questenberg / Oberst Wrangel: Martin Plass
General Götz / MacDonald: Noah L. Perktold
General Tiefenbach / Gordon: Benjamin Krämer-Jenster
Thekla: Maria Wördemann
Gräfin Terzky: Sybille Weiser
General Caraffa / Bürgermeister von Eger: Felix Strüven
Kellermeister: Philipp Appel
Bänkelsänger: Bernhard Moshammer
staatstheater-wiesbaden.de