Schauspiel Frankfurt Reihe »Liedschatten« mit dem Thema »Looking For Freedom«

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kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Seit Januar dieses Jahres gibt es am Schauspiel Frankfurt die Reihe Liedschatten – Musik aus der Kammer. Ensemblemitglieder präsentieren dabei in den Kammerspielen einen bunten Songmix aus Pop & Rock, aus Chanson, Punk und Schlager (unterstützt von einer Live-Band). Die (wenigen) Vorstellungen sind stets schnell ausverkauft und haben sich zu einem Geheimtipp entwickelt. Denn der Spaß an der Performance steht im Mittelpunkt. Die gute Laune auf der Bühne spiegelt sich im Publikum. Die musikalischen Qualitäten fallen unterschiedlich aus. Es gibt nur wenige Proben, wodurch die Abende einen Hauch von Improvisation haben. Die Besetzungen sind bei jeder Liedschatten-Vorstellung unterschiedlich (einzig Torsten Flassig war bisher immer beteiligt).

Nach „Sweet Dreams“ (Januar), „Space Oddity“ (Februar) und „Hit Me Baby“ (Juni) stand jetzt die nunmehr vierte Ausgabe unter dem Thema „Looking For Freedom“. Dabei ging es nicht um ein aktuelles politisches Thema, was die gegenwärtigen Kriege durchaus anbieten würden, sondern um den Mauerfall im November 1989. Seitdem haben so manche Songs eine plötzliche Wendung bekommen. Beispielsweise die Liedzeile „Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein“ aus „Als ich fortging“ der Leipziger Rockband Karussell (Album Café Anonym von 1987).

Songs aus Ost und West

Torsten Flassig, Sarah Grunert, Jochen Kipp, Rokhi Müller, Annie Nowak, Lotte Schubert, Melanie Straub und Andreas Vögler präsentierten an diesem Abend Songs aus Ost und West. Darunter heutzutage eher unbekannte. Damit wirkte der Abend, im Vergleich zur Juni-Ausgabe, um einiges politischer.

Noch vor dem ersten gesungenen Ton sorgten die wilden Outfits an Bekleidung und Frisuren für Begeisterung und Lachattacken im Publikum (Kostüm: Merjam Kiefer / Jonathan Wasmer). Die 1980er-Jahre lebten u. a. mit wilden Punk-Styles (Annie Nowak) und Vokuhila-Frisuren (Andreas Vögler) auf. Gleich zu Beginn nahm Melanie Straub (entsprechend androgyn mit Krawatte) mit einer sehr subtilen Interpretation von David Bowies „Heroes“ für sich ein.

Als am Tag der Wende Geborene outete sich Sarah Grunert. An diesem Abend konnte sie zudem ihre Mutter im Publikum begrüßen. Nah am Berliner Bahnhof Schlesisches Tor aufgewachsen, hat sie eine enge Verbindung zum Kult-Musical Linie 1 (Grips-Theater). Jetzt erfüllte sie sich mit „6 Uhr 14 Bahnhof Zoo“, dem ersten Lied aus dem Musical, ihren Kindheitstraum, ein Teil davon zu sein. Durch ihre starke Präsenz saß man als Zuschauer gewissermaßen mit ihr im Wagen der Linie 1 und begleitete sie bei ihrer Ankunft in Berlin.

Als heitere und starke Ensemblenummer begeisterte der Song „FKK“ („Hurra, hurra, der Bus ist da, wir fahren an den FKK“) der Magdeburger Band Juckreiz aus dem Jahr 1983, mitsamt einer sich mutig freizügig und nur mit einem großen Wasserball gebenden Annie Nowak. Diese setzte mit Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“ bezüglich energetischer Umsetzung dann noch einen drauf.

Nachdenkliches gab es mit „Reichtum der Welt“ von Holger Biege (gesungen von Melanie Straub). Torsten Flassig, mit Lederjacke und Jeans-Schlaghose, interpretierte den ironischen Song „Hurra“ (Hipp, hipp, hurra! Alles ist super, alles ist wunderbar) von Die Ärzte tonsicher und ausdrucksstark.

Einen zarten Hauch Optimismus verbreiteten Annie Nowak und Jochen Kipp mit dem Duett „Der Traum ist aus“ von Ton Steine Scherben. Eine etwas spezielle Kurz-Fassung des Ärtze Klassikers „Schrei nach Liebe“ stellte Rokhi Müller vor.

Zwischen den Songs wurden kurze Texte aus der Zeit der Wende über die damaligen Denkweisen in Ost und West lebhaft vorggetragen.

Die Band als Begleiter und Gestalter

Die Band (Max Mahlert, Alex Matwijuck, Ralf Merten) ist bei der Reihe Liedschatten stets mehr als nur Begleitung, sie ist auch Gestalter, sei es bei den Solo- oder den Ensemble-Songs. Dabei wird nicht nur klassisch an E-Gitarre, Schlagzeug und Keyboard gespielt. Auch ein Akkordeon und eine akustische Gitarre (wie bei Gerhard Gundermanns „Gras“, gesungen von Lotte Schubert) kommen zum Einsatz. Die musikalische Ausdrucksvielfalt ist groß und die Songs haben einen besonderen Charakter. Bei der besuchten vierten Vorstellung wurde das Trio sogar von einem talentierten Juniormusiker unterstützt (wurde namentlich nicht genannt).

Am Ende lautstarker und kräftiger Applaus. Als Zugaben „Sweet Dreams“ der Eurythmics und ein weiteres, kurzes Sandmännchen-Lied.

Markus Gründig, November 23


Liedschatten – Musik aus der Kammer mit dem Ensemble: »Looking For Freedom«

Mittwoch, 1. November 23 (Kammerspiele)

Mit: Torsten Flassig, Sarah Grunert, Jochen Kipp, Rokhi Müller, Annie Nowak, Lotte Schubert, Melanie Straub, Andreas Vögler

Band: Max Mahlert, Alex Matwijuck, Ralf Merten
Einrichtung: Katrin Spira, Christina Lutz und Ensemble
Bühne: Devin McDonough
Kostüm: Merjam Kiefer / Jonathan Wasmer

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