Operndoppelabend am Staatstheater Wiesbaden: »Herzog Blaubarts Burg« und »Die sieben Todsünden«

Doppelabend: Herzog Blaubarts Burg ~ Die sieben Todsünden ~ Staatstheater Wiesbaden ~ Judit (Vesselina Kasarova) und Herzog Blaubart (Johannes Martin Kränzle ; beide oben), Anna (Nicola Beller Carbone; unten) ~ Foto: Karl & Monika Forster

Vor knapp vier Jahren feierte Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung von Béla Bartóks Operneinakter Herzog Blaubarts Burg Premiere am Staatstheater Wiesbaden. Damals in Kombination mit Francis Poulencs Monooper La voix humaine. Für die jetzige Wiederaufnahme der Burg werden den sieben verschlossenen Kammern Kurt Weils gut 30-minütiges „satirisches Ballett mit Gesang“ Die sieben Todsünden aus dem Jahr 1933 gegenübergestellt. Letzteres ist ein Werk, das im Gegensatz zur Dreigroschenoper oder zu Aufstieg und Fall der Stadt Mahagony, sehr selten aufgeführt wird. Die Zahl Sieben ist dabei nur eine äußerliche Verbindung zwischen den Stücken. Die relativ zeitnah entstandenen Werke (1918 und 1933) sind musikalisch sehr unterschiedlich, schildern aber beide intensiv seelische Zustände.


Herzog Blaubarts Burg
Staatstheater Wiesbaden
Judit (Vesselina Kasarova), Herzog Blaubart (Johannes Martin Kränzle)
Foto: Karl & Monika Forster

Abgründiges in coolem Ambiente
Bartoks Herzog Blaubarts Burg, nach einem Libretto von Béla Balázs, nimmt Bezug zum Blaubart-Mythos und konzentriert sich dabei ganz auf die hermetisch verschlossene männliche Seele und die weibliche Neugier. Die Oper führte bei Bartok zu einem maßgeblichen Durchbruch in seinem Komponieren und hat, wie öfters in der Musiktheatergeschichte, in Form einer unglücklichen Liebe autobiografische Züge.

Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung ist nicht so abstrakt, wie die, lediglich auf einem schwenkbaren Rund spielenden, von Barrie Koskys an der Oper Frankfurt (2010). Laufenberg erzählt das Drama des Herzog Blaubart auch als romantische Liebesgeschichte mit viel Sinn für Körperlichkeit. Herzog Blaubarts imaginäre Burg ist hier ein mondän eingerichteter fensterloser Loft mit Holzwänden, sieben verschlossenen Türen und einer Fahrstuhltür. Für zusätzliche Effekte sorgen die geheimnisvollen hinteren Wände, die zusammengeschoben oder schräg gestellt werden können und so dem Loft Enge und Weite geben können (Bühne: Matthias Schaller, Susanne Füller). In diesem Set agieren die beiden Vollblutdarsteller Vesselina Kasarova und Johannes Martin Kränzle, dass es eine Freude ist, ihnen zuzuschauen.
Mezzosopranistin Kasarova hat die Figur der Judith, die Verlobten und Familie verlässt, um Blaubarts Geheimnis auf die Spur zu kommen, bereits bei der Premierenserie in 2015 verkörpert. Sie gibt sie mit einer Frische und ausgewogenen Balance zwischen in ihr nagender Neugier und leidenschaftlicher Verliebtheit in Blaubart und glänzt dabei mit fülliger Stimme, die die Höhen leicht erklimmt. Zusammen mit dem Bariton Johannes Martin Kränzle wird die Aufführung zu einem Pflichtbesuch. Kränzle, „Sänger des Jahres 2018“ bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift OPERNWELT, ausgezeichnet mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2018 und jüngst mit dem Rheingold-Preis des Richard-Wagner-Verbands Frankfurt, wird zwar seine Paraderolle des Sixtus Beckmesser (in Richard Wagner Die Meistersinger von Nürnberg) im Rahmen der Internationalen Maifestspiele am 30. Mai 2019 in Wiesbaden singen (und im Sommer erneut bei den Bayreuther Festspielen), aber auch sein Herzog ist absolut hörens- und sehenswert. Kränzle gibt ihn mit stimmlicher Autorität, dies nicht starr, sondern sehr flexibel, als nonchalanten Womanizer, der voller Widersprüche ist, der selber begehrt, sein Glück teilen will und doch voller Abgründe ist. Besonders intensiv stellt Kränzle Blaubarts Verzweiflung dar, wenn Judith den letzten Schlüssel fordert.


Die sieben Todsünden
Staatstheater Wiesbaden
Anna (Nicola Beller Carbone; vorne), Mutter (Florian Küppers), Bruder II (Daniel Carison), Bruder I (Julian Habermann), Vater (Ralf Rachbauer)
Foto: Karl & Monika Forster

Satirisches mit Südstaatenbildern
Von der imaginären Burg Herzog Blaubarts geht es nach der Pause in eine andere Welt, in die neue Welt. Dorthin hat es die junge Anna verschlagen, die auf einer Reise durch sieben US-amerikanische Städte, in denen sie mit den sieben Todsünden (Faulheit, Stolz, Zorn, Völlerei, Unzucht, Habsucht und Neid) konfrontiert wird, Geld sammeln soll, damit sich die Familie ein kleines Häuschen am Mississippi in Louisiana bauen kann. Oberste Maxime ist stets die Gewinnerzielung bei all ihren Tätigkeiten, womit das gut halbstündige Stück eine Art ökonomischer Moraldarwinismus darstellt (der Text stammt von Bertolt Brecht).

Für die Rolle der Anna verpflichtete das Staatstheater Wiesbaden die Sopranistin Nicola Beller Carbone, die hier beide Figuren der Anna-Geschwister verkörpert, also eine multiple Persönlichkeit ist. Das macht sie mit bemerkenswert guter Laune und mit viel Energie, sodass sie die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses auf sich zieht. Während sie singt, schauspielert und tanzt, wird sie von der Familie als verlogene Sippe begleitet, die sarkastische Kommentare gibt (Florian Küppers als Mutter, Ralf Rachbauer als Vater, sowie Julian Habermann und Daniel Carison als Brüder).

Regisseurin Magdalena Weingut lässt Anna, schon während das Publikum im Saal Platz nimmt, mit einem Umzugskarton die Bühne entlang marschieren. Dessen Aufschrift „Fragile“ kann durchaus vielfältig interpretiert werden, im Hinblick auf politische und wirtschaftliche Systeme, wie auch auf das persönliche Leben. Carbone zeigt mit zahlreichen Perücken und durch verschiedene Kleider (Kostüme: Katarzyna Szukszta), sehr unterschiedliche Annas. Die Bühne, ebenfalls von Matthias Schaller, nutzt verspiegelte und verschiebbare Elemente. Neben einem Podest für die Familie Annas (die sowohl am reich gedeckten Essenstisch wie auch als Ärzteteam auftritt) ist eine zentral platzierte Badewanne ein Bühnenelement, das Carbone intensiv bespielt.

Am Pult des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden sorgt in beiden Stücken der gebürtige Wiener Dirigent Philipp Pointner für einen suggestiven Klang, der einen insbesondere bei Bartoks Burg, oft mit viel Vehemenz, in Bann zieht. Bei Weills „Todsünden“ sind es die radikalen Stilwechsel (zwischen Blues, Choral, Foxtrott, Walzer und Shimmy), die auffallen.

Am Ende intensiver Applaus, auch für die Todsünden, die sich ihren Platz im Repertoir erst noch erobern müssen.

Markus Gründig, März 19


Doppelabend »Herzog Blaubarts Burg« und »Die sieben Todsünden«

Wiederaufnahme/Premiere am Staatstheater Wiesbaden: 1. März 19

Herzog Blaubarts Burg (A Kékszakállú Herceg Vára)
Oper in einem Akt
Von: Béla Bartók (1881 – 1945)
Libretto: Béla Balázs
Uraufführung: 24. Mai 1918 (Budapest, Königliches Opernhaus)

Musikalische Leitung: Philipp Pointner
Inszenierung: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Matthias Schaller, Susanne Füller
Kostüme: Susanne Füller
Licht: Andreas Frank
Dramaturgie: Katja Leclerc

Besetzung:

Herzog Blaubart: Johannes Martin Kränzle
Judit: Vesselina Kasarova

Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden

Hessisches Staatsorchester Wiesbaden

Die sieben Todsünden
Von: Kurt Weill (1900 – 1950)
Text von: Bertolt Brecht
Uraufführung: 7. Juni 1933 (Paris, Théâtre des Champs-Élysées)

Musikalische Leitung: Philipp Pointner
Inszenierung: Magdalena Weingut
Bühne: Matthias Schaller
Kostüme: Katarzyna Szukszta
Licht: Oliver Porst
Dramaturgie: Regine Palmai

Besetzung:

Anna: Nicola Beller Carbone
Mutter: Florian Küppers
Vater: Ralf Rachbauer
Bruder I: Julian Habermann
Bruder II: Daniel Carison

Hessisches Staatsorchester Wiesbaden

www.staatstheater-wiesbaden.de