

Wenn es in Frankfurt/M auch keine offiziellen Händelfestspiele wie in Göttingen, Halle oder Karlsruhe gibt, sein umfangreiches Opernwerk wird dennoch sehr gepflegt. Allein in den vergangenen zehn Jahren gab es an der Oper Frankfurt zehn Neuproduktionen: Amadigi (2021), Giulio Cesare in Egitto (2024), Hercules (2023), Messiah (2016), Orlando (2023), Radamisto (2016), Rinaldo (2017), Rodelinda (2019), Tamerlano (2019) und Xerxes (2017).
Und auch in der laufenden Spielzeit läuft es mit Händel. Nach dem Spielzeitauftakt mit der Wiederaufnahme von Hercules und der derzeitigen Partenope kehrt im Januar 25 Rodelinda zurück und im Juni 25 wird es eine Neuproduktion von Alcine geben. Insbesondere in dieser Spielzeit ist dies ein sanfter Ausgleich zu den anderen, oftmals moderneren Opern (wie Bergs Lulu, Henzes Der Prinz von Homburg und Reimanns L’invisible).
Neapolitanischste aller Händel-Opern
Wie viele dieser Produktionen, läuft auch die jetzt erstmals in Frankfurt/M gespielte Partenope in der Spielstätte Bockenheimer Depot. Im Œuvre Händels nimmt diese, vor bald 300 Jahren uraufgeführte, Oper einen besonderen Stellenwert ein. Händel stand im Jahr 1730 in seiner Wahlheimat London unter Erfolgsdruck. Das zusammen mit dem Impresario Johann Jacob Heidegger gegründete zweite kommerzielle Opernunternehmen brauchte dringend einen Erfolg.

Oper Frankfurt
v.l.n.r. Armindo (Cláudia Ribas), Arsace (Franco Klisović; mit dem Rücken zum Betrachter), Emilio (Magnus Dietrich), Rosmira (Kelsey Lauritano; am Boden sitzend) und Partenope (Jessica Niles; stehend)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de
Um die Gunst des Publikums zu gewinnen blieb er zwar einer antiken Thematik verhaftet, verband diese aber mit einem leichteren und melodischeren Stil. Dafür nutzte er insbesondere italienische Musikstile wie Belcanto-Melodien und samtige Begleitungen. Für den Dirigenten George Petrou ist sie gar die neapolitanischste aller Händel-Opern (und dies nicht nur, weil die Titelfigur als Gründerin der Stadt Neapel gilt). Er ist Künstlerischer Leiter der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen und des Athener Orchesters Armonia Atenea. Das auf barocken Instrumenten spielende Frankfurter Opern- und Museumsorchester führt er mit einer traumwandlerischen Souveränität.
Alles dreht sich um Partenope
Das Thema Traum ist auch in der Inszenierung von Julia Burbach gegenwärtig. Sie stellt sich mit dieser Arbeit erstmals in Frankfurt/M vor. Die zu mythischer Zeit in Neapel spielende Handlung verlegt sie in eine unbestimmte Zeit. Es gibt Bezüge zur Gegenwart (wie das Mobiliar) und zur Antike (u. a. mit federbesetzten Helmen). Letztlich bleibt alles aber unkonkret und nicht verortet.
Gespielt wird auf einer Drehscheibe, die immer wieder von einem durchsichtigen Lamellenvorhang umschlossen ist (mit einem zusätzlichen Quervorhang und Wolkenhimmel an den Seiten). Karussellartig dreht sich das Beziehungsgeschehen um Partenope, die alles betrachtet, schließlich ist sie diejenige, um die sich alles dreht. Am Ende ist Partenope zwar mit Armindo zusammen, nach ihrem gesungenen Schlusswort geht sie aber alleine ab. Möglicherweise war alles doch nur ein Traum für sie.
Auf der Drehscheibe werden Innen- und Außenbereiche (wie königliches Zimmer oder Garten) gleichermaßen dargestellt (Bühnenbild: Herbert Barz-Murauer). Pointiert sind die Kostüme von Raphaela Rose auf die Figuren zugeschnitten. Am auffälligsten sind die von Armindo (mit rüschenverzierter und mit Strass besetzter Jacke) und Emilio (als weltfremder Gockel und später als Gefangener in einem Kokon aus Gittern).

Oper Frankfurt
Partenope (Jessica Niles; links) und Ormonte (Jarrett Porter; rechts) sowie in der Bildmitte Tänzer:innen
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de
Ein Highlight dieser Produktion ist die Einbindung eines kleines Tanzensembles. Fünf Tänzer:innen (Tommaso Bertasi, Lara Fournier, Ariadna Llussá, Adrián Ros und Esmeralda Vollmer) spiegeln hier ausdrucksstark das bunte Treiben mit anmutigen, exaltierten oder kämpferischen Bewegungen (Choreografie: Cameron McMillan). Je nach Szene treten sie gemeinschaftlich oder solistisch auf und sind fast omnipräsent.
Erstmals an der Oper Frankfurt: Jessica Nils und Franko Klisović
Jessica Niles und Franko Klisović geben bei dieser Produktion ihr Debüt an der Oper Frankfurt. Die US-amerikanische Sopranistin Niles gestaltet die Titelfigur mit edelmütig und mit vokaler Stärke.

Oper Frankfurt
Arsace (Franko Klisović)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de
Der kroatische Countertenor Klisović ist erst relativ spät für die Partie des in Liebesangelegenheiten flatterhaften Arsace verpflichtet worden. Ähnlich wie 2017 Jakub Josef Orlinski bei Rinaldo, ist auch Klisović jemand, den man sich merken wird (bei vergleichsweise tiefer timbrierter Stimme). Als Arsace, Fürst von Korinth, nimmt besonders im zweiten Teil mit seiner Tiefe im Ausdruck für sich ein.
Als um die Liebe kämpfend Rosmira/Eurimene (Fürstin von Zypern) sorgt Mezzosopranistin Kelsey Lauritano für starke Momente. Mezzosopranistin Cláudia Ribas den schmachtenden Melancholiker Armindo, Fürst von Rhodos, erhaben (es ist eine Hosenrolle). Der einfältige Paradiesvogel Emilio, Fürst von Cumae, blüht bei Tenor Magnus Dietrich siegessicher vor Selbstbewusstsein auf. Bariton Jarrett Porter hat in der hier aufgewerteten Partie des Ormonte, enger Vertrauter von Partenope, Gelegenheit, nicht nur sein klangschönes Stimmtimbre vorzuführen, er kann auch selbst zur „Königin“ werden.
Am Ende intensiver Beifall, Getrampel und Standing Ovations.
Markus Gründig, November 24
Partenope
Oper in drei Akten
Von: Georg Friedrich Händel
Uraufführung: 24. Februar 1730 (London, King’s Theatre, Haymarket)
Premiere / Frankfurter Erstaufführung: 10. November 24 (Bockenheimer Depot)
Besuchte Vorstellung: 12. November 24
Musikalische Leitung: George Petrou
Inszenierung: Julia Burbach
Bühnenbild: Herbert Barz-Murauer
Kostüme: Raphaela Rose
Choreografie: Cameron McMillan
Licht: Joachim Klein
Dramaturgie: Zsolt Horpácsy
Besetzung:
Partenope: Jessica Niles
Rosmira: Kelsey Lauritano
Arsace: Franko Klisović Midlife-Crisis?
Armindo: Cláudia Ribas° Melancholiker
Emilio: Magnus Dietrich einfältig
Ormonte: Jarrett Porter
Tänzer*innen: Adrián Ros / Tommaso Bertasi / Lara Fournier / Esmeralda Vollmer / Ariadna Llussá
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Contuinuo:
Cembalo: Felice Venanzoni
Violoncello: Johannes Oesterlee
Laute: Theodoros Kitsos
°Mitglied des Opernstudios
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