Zauberoper im Thermalbad: Oper Frankfurt zeigt Händels »Amadigi di Gaula«

Amadigi ~ Oper Frankfurt ~ Amadigi: Brennan Hall) ~ © Barbara Aumüller (Szenenfoto.de)

Georg Friedrich Händels Amadigi di Gaula gehört nicht zu seinen bekanntesten Opern. Durch die Beschränkung auf vier Stimmen gilt sie immerhin als seine persönlichste Oper. Und mit der Arie „Pena tiranna“ (Tyrannei) hat sie einen Hit, der sich auch auf Alben großer Countertenöre (wie bei Max Emanuel Cenčić, Philippe Jaroussky, Jakub Józef Orliński, oder Xavier Sabata) findet, ebenso auf Zusammenstellungen schöner Händel-Arien. Am Staatstheater Mainz war sie 2010 in einer Inszenierung von Peer Boysen zu erleben.

Amadigi
Oper Frankfurt
Dardano (Beth Taylor), Amadigi (Brennan Hall)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Andrea Bernard überrascht mit vielen kleinen Details und ausdrucksstarken Bildern

Nun bietet die Oper Frankfurt die Gelegenheit, diese Rarität kennenzulernen (in der Spielstätte Bockenheimer Depot). Dabei sitzt das Publikum inmitten des Geschehens. Bühnenbildner Alberto Beltrame hat für diese Produktion das Depot in ein Thermalbad verwandelt. Die Zuschauer laufen an edel gestylten Gängen zu ihren Plätzen (auf der traditionell aufgestellten Sitztribüne). Zuvor kann im Foyer beobachtet werden, wie Heilwasser von Karaffen in Gläser gefüllt wird. Die Spielfläche zeigt einen Pool, Duschen und eine Sauna (anstelle eines nächtlichen Gartens und des Inneren eines Palastes der Zauberin Melissa). Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielt im Hintergrund, ist hinter einem dünnen Vorhang aber immer zu sehen (mitunter wird der Vorhang auch geöffnet). Eine gewisse ungeheuerliche Atmosphäre wird durch zugespieltes Raben-Gekrächze erzeugt. Einzelne Raben-Nachbildungen zieren die Mauersimse, später kommen welche als direkte Todesboten ins Spiel. Der aus der Südtiroler Landeshauptstadt Bozen stammende Regisseur Andrea Bernard gibt mit dieser Amadigi-Inszenierung sein Debüt an der Oper Frankfurt, ein überaus geglücktes. Mit vielen kleinen Details (Injektionen, Zaubertränken, Kostümwechsel) sorgt er für Abwechslung und ausdrucksstarke Bilder (in das „Wasser der Wahrheit“ wird hier vollständig eingetaucht und darin dramatisch gestorben).

Amadigi
Oper Frankfurt
Oriana (Kateryna Kasper; vorne), Darano (Beth Taylor; hinten rechts) und Melissa (Elizabeth Reiter; hinten links)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Die Liebe ist das große Thema dieser Oper. Sie geht zurück auf die Romanfigur des Amadis von Gallien aus dem 14. Jahrhundert. Jeder der hier Beteiligten leidet an unerwiderter Liebe, die Hälfte stirbt (im Kampf oder freiwillig), doch es gibt ein glückliches Ende. Die Figur des Orgando, der Onkel von Oriana als Deus ex machina, wurde hier gestrichen, ebenso Chor und Ballett. Dafür gibt es sechs Dämonen/Gehilfen und eine Assistentin der bösen Zauberin Melissa.

Amadigi
Oper Frankfurt
Melissa (Elizabeth Reiter)
© Barbara Aumüller ~ szenenfoto.de

Brennan Hall verführt klanglich und sinnlich

Das in kleinerer Besetzung aufspielende Frankfurter Opern- und Museumsorchester verzichtet auf große Klangausbrüche, die Blitz- und Donner nachempfinden. Unter der achtsamen musikalische Leitung von Roland Böer ertönt ein anregender Händel-Klang. In der Titelfigur ist der US-amerikanische Countertenor Brennan Hall zu erleben. Er gastiert zum wiederholten Mal an der Oper Frankfurt. In der Spielzeit 2019/20 gab er sein Europa-Debüt (in Tamerlano). Ab dem 22. Dezember 2021 wird er in Hauke Berehides Oper The People Out There, eine Auftragsproduktion der Oper Frankfurt, erneut im Bockenheimer Depot zu erleben sein. Bei Amadigi verführt er klanglich und sinnlich gleichermaßen. Eine Army-Hose nimmt lose Bezug zu seinem Status als Soldat (Ritter; Kostüme: Elena Beccaro). Auch der Dardano der Mezzosopranistin Beth Taylor trägt Armee-Kleidung, dem Charakter entsprechend nur dunkler. Taylor gibt mit dieser Hosenrolle ihr Debüt an der Oper Frankfurt und gefällt mit ihrer kräftigen Stimme. Im Februar und März 2022 wird sie als Falliero in Rossinis Bianca e Falliero im Opernhaus zu erleben sein. Stimmlich und szenisch trumpfen die um Amadigi rivalisierenden Damen des Ensembles auf. Kateryna Kasper als einfühlsame und willensstarke Oriana und Elizabeth Reiter als finstere und manisch verliebte Zauberin Melissa (die gleich zu Beginn demonstrativ ein Herz in einer Vitrine ausstellt).

Am Ende großer Jubel und Getrampel.

Markus Gründig, September 21


Tickets, ab 20 €, sind für die verbleibenden Aufführungen derzeit noch erhältlich.


Amadigi di Gaula

Oper in drei Akten

Von: Georg Friedrich Händel
Libretto: vermutlich Giacomo Rossi oder Nicola Francesco Haym

Uraufführung: 25. Mai 1715 (London, King´s Theatre, Haymarket)

Premiere an der Oper Frankfurt: 25. September 21 (Bockenheimer Depot)

Musikalische Leitung: Roland Böer
Inszenierung: Andrea Bernard
Bühnenbild: Alberto Beltrame
Kostüme: Elena Beccaro
Licht: Jan Hartmann
Dramaturgie: Zsolt Horpácsy

Besetzung:

Amadigi: Brennan Hall
Oriana: Kateryna Kasper
Melissa: Elizabeth Reiter
Dardano: Beth Taylor

Statisterie

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

oper-frankfurt.de