
DIE STIMME ERHEBEN: 40 JAHRE BÜHNENBESETZUNG
Am 30. Oktober 2025, 18.00 Uhr, Kammerspiele
Im Oktober 2025 jährt sich zum vierzigsten Mal die Bühnenbesetzung, bei der Jüdinnen und Juden die Bühne des Schauspiels besetzten und so die Uraufführung von Fassbinders Stück »Der Müll, die Stadt und der Tod« verhinderten. Sie setzten nicht nur ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus im Kulturbetrieb, die Bühnenbesetzung war auch eine Form der Selbstermächtigung, mit der sich die jüdische Gemeinschaft in der Bundesrepublik erstmals öffentlich Gehör verschaffte. Was von der Bühnenbesetzung geblieben ist und wie es derzeit um den deutschen Kunst- und Kulturbetrieb steht, wird an diesem Abend Thema sein.
Szenische Lesung: »Die Opferperspektive« (UA)
Ein Schwank von Avishai Milstein zur Bühnenbesetzung, eingerichtet von Benno Plassmann
mit Ensemblemitgliedern des Schauspiel Frankfurt
In diesem im Auftrag des Instituts für Neue Soziale Plastik entstandenen Text widmet sich der israelische Theaterregisseur und Autor Avishai Milstein der auch aus heutiger Sicht spektakulären Besetzung der Bühne der Frankfurter Kammerspiele am 31. Oktober 1985 durch etwa 25 Mitglieder der Jüdischen Gemeinde mit einem für den Autor typischen Augenzwinkern. Gemeinsam mit den vor dem Theater protestierenden Jüdinnen und Juden traten sie erstmals seit 1945 sichtbar und selbstbewusst ins buchstäbliche Rampenlicht der bundesdeutschen Öffentlichkeit. »Die Opferperspektive« erlebt seine Uraufführung am historischen Ort des Geschehens.
Podiumsdiskussion: »Kunstfreiheit oder Hetze? – Die Besetzung als notwendiger Widerstand«
Eine Debatte über Verantwortung, Erinnerung und Öffentlichkeit
Mit: Michel Friedman, Kurt de Jong, Diana Schnabel, Eva-Maria Magel (Moderation)
Nicht erst seit der »documenta fifteen« hat die Debatte um die Kunstfreiheit und ihre Grenzen wieder an Aktualität gewonnen. Was lässt sich aus der Bühnenbesetzung von 1985, den Einwänden ihrer Protagonisten gegen die Aufführung des Stücks »Der Müll, die Stadt und der Tod« und den Argumenten derer lernen, die für die Aufführung eintraten?
Mit Michel Friedman, Kurt de Jong und Diana Schnabel sprechen drei Zeitzeugen über die damaligen Ereignisse und ihre weitreichenden Folgen.
Moderiert wird die Diskussion von Eva-Maria Magel, Leiterin des Kulturressorts der F.A.Z. Rhein-Main-Zeitung.
Theateraufführung »Dualidarität« von Avishai Milstein
zu Reaktionen des deutschen Kulturbetriebs auf den 7. Oktober
Benno Plassmann (Regie) – Stella Leder (Dramaturgie)
mit Ariel Nil Levy, Anabel Möbius (Schauspiel)
Kurz nach dem 7. Oktober 2023 ruft eine deutsche Dramaturgin den israelischen Autor Avishai Milstein an. Es geht um ein großes Vorhaben: An ihrem Theater soll ein Solidaritätsabend stattfinden. Im künstlerischen Teil des Abends soll eine Szenische Lesung seines Textes stattfinden. Der wegen Raketenbeschuss im Schutzraum seiner Wohnung in Tel Aviv sitzende Milstein versteht nicht alles, was die Dramaturgin berichtet, freut sich aber sehr über die Solidarität. Die Dramaturgin korrigiert ihn: Es geht um Dualidarität – also um Solidarität mit beiden Seiten. Ein kleines Problem hat die Dramaturgin noch: Wenn sie einen Text von ihm, dem israelischen Autoren, lesen – dann brauchen sie noch einen Text von einem palästinensischen Autor. Am besten von einem aus Gaza. Ob Milstein ihr nicht vielleicht schnell helfen kann bei der Suche? Sonst klappt doch der ganze Abend nicht…
Das vom Institut für Neue Soziale Plastik in Auftrag gegebene und inszenierte Minidrama entwickelt sich von einem komischen Text zu einer Bestandsaufnahme über die Gefühlskälte der deutschen Theaterszene gegenüber der israelischen Gesellschaft nach dem 7. Oktober.
Stella Leder hat die Dramaturgie für »Dualidarität« – und gemeinsam mit der Kulturabteilung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt das Gesamtkonzept für »Die Stimme erheben« – entwickelt. Sie ist Autorin und Dramaturgin, Mitgründerin und Geschäftsführerin des Instituts für Neue Soziale Plastik. Benno Plassmann führte bei »Dualidarität« Regie und hat »Die Opferperspektive« eingerichtet. Er ist Regisseur und Historiker, Mitgründer und Künstlerischer Leiter des Instituts für Neue Soziale Plastik.
Weitere Informationen zum Institut für Neue Soziale Plastik: neue-soziale-plastik.de.
Eine Zusammenarbeit des Instituts für Neue Soziale Plastik, der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und dem Schauspiel Frankfurt im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen 2025.
neue-soziale-plastik.org / jg-ffm.de / schauspielfrankfurt.de