Teatr Wielki aus Posen mit Moniuszkos »Das Gespensterschloss« zu Gast bei den Internationalen Maifestspielen 2022

Das Gespensterschloss ~ Teatr Wielki in Posen ~ Ensemble ~ Foto: Michał Leśkiewicz

Zum Abschluss der Internationalen Maifestspiele 2022 gab es ein weiteres schönes Highlight: Das Teatr Wielki aus dem polnischen Posen war zu Gast in Wiesbaden. Angereist waren für diesen Anlass Solisten, Chor, Tänzer:innen und Orchester. Sie stellten mit großer Begeisterung die Oper Das Gespensterschloss von ihrem Landsmann Stanisław Moniuszko (1819 – 1872) vor. Diese ist bei uns weitestgehend unbekannt. Fast so wie seine Oper Halka, immerhin ist letztere in dem einen oder anderen Opernführer zu finden.

Stanisław Moniuszko komponierte neben Bühnenmusiken auch zahlreiche Instrumental- und Vokalwerke. Polnische Bräuche, Patriotismus und Traditionen finden sich in vielen seiner Werke. Er gilt deshalb als Vater der Polnischen Nationaloper. Bei seinem jüngsten Liederabend an der Oper Frankfurt stellte Józef Orliński einige Lieder Moniuskos vor.

Das Gespensterschloss
Teatr Wielki in Posen
Ensemble
Foto: Michał Leśkiewicz

Absage an die Frauenwelt

Die Oper Das Gespensterschloss gilt mit ihren polnisch-patriotischen Untertönen als wichtige, wenn nicht gar als die wichtigste Oper Polens, zumal sie die Männlichkeit glorifiziert. Das Besondere an der Inszenierung der italienischen Regisseurin Ilaria Lanzino ist, dass sie historische Bezüge nicht ausblendet und mit Bezügen zum heutigen Polen verbindet. Mit ihrem Konzept gewann sie den 1. Platz beim 11. Europäischen Opernregie-Preis 2020. Die damit verbundene Aufführung hatte im Juli 2021 Premiere in Posen. Im 150. Todesjahr des Komponisten erfolgte die Einladung durch Uwe Eric Laufenberg nach Wiesbaden.
Lanzino wies unmittelbar vor Beginn der Vorstellung auf Themen wie Zensur und das stark verschärfte Abtreibungsgesetz in Polen hin und übermittelte zudem Grüße der Intendantin des Teatro Wielki in Posen, Renata Borowska-Juszczyńska.

Die Oper handelt von den Husaren Stefan (gefühlvoll: Tenor Piotr Kalina) und Zbigniew (kraftvoll: Bass Rafał Korpik), die der Liebe und den Frauen abschwören. Sie wollen ablenkungsfrei ganz ihrem Vaterland dienen. Bei einem Besuch im Schloss des Marschalls von Kalinowa werden sie mit rätselhaften Erscheinungen konfrontiert und begegnen den attraktiven Töchtern Hanna (betörend: Koloratursopranistin Ruslana Koval) und Jadwiga (strahlend: Mezzosopranistin Magdalena Wilczyńska-Goś) des Marschalls (erhaben: Stanisław Kuflyuk). Das Unabwendbare nimmt seinen Lauf…

Das Gespensterschloss
Teatr Wielki in Posen
Ensemble
Foto: Michał Leśkiewicz

Banana-Gate und schwarze Regenschirme

Die Inszenierung fängt klassisch an. Die Soldaten kehren aus dem Krieg zurück. Ein gefallener Soldat wird an der Bühnenrampe mit einer polnischen Flagge (horizontal zweigeteilt in Weiss und Rot) abgedeckt. Die Soldaten tragen an die polnischen Flügelhusaren anlehnende Trachten mit folkloristischen Elementen. Wie generell die Kostüme der zur älteren Generation zählenden Figuren klassisch gehalten sind. So auch das prachtvolle Kleid der sturen Tante Cześnikowa (entschlossen: Anna Lubańska) und der Schutzpanzer des Marschalls Miecznik. Die junge, neue Generation ist ganz heutig gekleidet (in Jeans, farbenfrohen Kleidern und Röcken). Das Tanzensemble trägt teilweise lediglich hautfarbene Unterwäsche.

Das Gespensterschloss wirkt auf der Bühne nicht geheimnisvoll, eher wie ein großes Spieleparadies eines Möbelhauses. Rechteckige Elemente und Treppen in Blau, Gelb und Rot, erinnern an den Stil des niederländischen Malers Piet Mondrian (Ausstattung: Leif-Erik Heine). Wenn schwarze Regenschirme geöffnet werden, wird auf den Protest von Frauen gegen das Abtreibungsgesetz angespielt. Zwei sich wandelnde Frauenporträts (Video: Leszek Stryła) weisen auf den „Banana-Gate“ hin. Im Warschauer Nationalmuseum sollten 2019 Werke feministischer Künstlerinnen entfernt werden, was viele als Zensur empfanden.

Generell spielt die Inszenierung gegen die Gender-Ideologie der katholischen Kirche Polens und der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an. Beim erotischen Tanz wird eine Regenbogenflagge plakativ genutzt, wie natürlich teilweise auch gleichgeschlechtlich getanzt wird (Choreografie: Viktor Davydiuk) und sich im Hintergrund zwei Frauen recht nah kommen. Die Regenbogenfahne ist eine Reaktion auf die Regionen Polens, die sich als LGBT-ideologiefreie Zonen deklarieren und damit die LGBT-Gemeinschaft stigmatisieren (LGBT = Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender ~ lesbisch, schwul, bisexuell und transgender). Trotz ausgelassener Feiern wird nicht alles durch die rosarote Brille betrachtet. Der hier ein Kleid tragende Jurist und Hochzeitskandidat Damazy (mit warmen Stimmtimbre: Albert Memeti) wird von der Jägersmeute brutal zusammengeschlagen, am Ende ist er aber glücklich mit seinem Freund.

Der von Mariusz Otto einstudierte Chor des Teatr Wielki erklang überaus kraftvoll und zeigt sich sehr spielfreudig. Zusammengehalten wurde der lebhafte Abend vom italienischen Dirigenten Marco Guidarini am Pult des Orchesters des Theatr Wielki.

Am Ende viel Applaus für die zu Toleranz und Offenheit animierende Inszenierung dieses polnischen Klassikers.

Markus Gründig, Juni 22


Das Gespensterschloss

(Straszny Dwór)

Oper in vier Akten
Von: Stanisław Moniuszko (1819 – 1872)
Libretto: Jan Chęciński
Uraufführung: 28. September 1865 (Warschau, Teatr Wielki)

Premiere am Theatr Wielki in Posen: 9. Juli 21
Gastspiel des Teatr Wielki in Posen bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden: 31. Mai 22 (Großes Haus)

Musikalische Leitung: Marco Guidarini
Inszenierung: Ilaria Lanzino
Ausstattung: Leif-Erik Heine
Licht: Wiktor Kuźma
Video: Leszek Stryła
Choreografie: Viktor Davydiuk
Chor: Mariusz Otto

Besetzung:

Hanna: Ruslana Koval
Jadwiga: Magdalena Wilczyńska-Goś
Stefan: Piotr Kalina
Zbigniew: Rafał Korpik
Miecznik: Stanisław Kuflyuk
Skołuba / Dorfbewohner: Damian Konieczek
Cześnikowa: Anna Lubańska
Maciej: Jaromir Trafankowski
Damazy: Albert Memeti
Grześ: Bartlomiej Szczeszek
Alte Frau: Marcelina Górska

Tänzer:innen, Chor und Orchester des Teatr Wielki in Posen

Gefördert durch die Region Wielkopolska, das Ministerium für Kultur und Nationales Erbe der Republik Polen, ENEA, PWM Edition und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.

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